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Archiv "Chemoprophylaxe bei Meningitis durch Haemophilus influenzae Typ B" (12.06.1992)

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Chemoprophylaxe von Haemophilus-influenzae-Typ-B- und Menin- gokokken-Infektionen mit Rifampicin

Rifampicin Tagesdosis,

Einzeldosen, Dauer

Mag

Erreger Alter der Kontakt- personen Haemophilus

influenzae Typ B

< 1 Monat 1 Mo.-12 J.

> 12 Jahre

10 mg/kg/d in 1 ED für 4 Tage 20 mg/kg/d in 1 ED für 4 Tage 600 mg/d in 1 ED für 4 Tage Meningokokken

(Neisseria meningitidis)

< 1 Monat 1 Mo.-12 J.

> 12 Jahre

10 mg/kg/d in 2 ED für 2 Tage 20 mg/kg/d in 2 ED für 2 Tage 1200 mg/d in 2 ED für 2 Tage DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBER CHT

Allgemeines

Die Notwendigkeit einer Che- moprophylaxe beruht auf folgenden Tatsachen: Das Risiko einer systemi- schen Erkrankung durch Haemophi- lus influenzae Typ B (HiB) bei engen Kontaktpersonen eines an HiB-Me- ningitis erkrankten Kindes beträgt 0,5 Prozent (bei Kindern unter vier Jahren 2,1 Prozent, bei Säuglingen sechs Prozent) und ist damit sechs- hundertfach höher als in der Nor- malbevölkerung und gleich hoch wie bei Kontaktpersonen eines Patienten mit, Meningokokken-Meningitis. 54 Prozent der Sekundärfälle von Er- krankung durch HiB treten in der er- sten Woche nach Hospitalisierung des Indexpatienten auf; Sekundär- fälle sind jedoch selbst nach mehr als 60 Tagen noch beobachtet worden.

Zweiterkrankungen entstehen durch Tröpfcheninfektion. Das Risiko von Sekundärfällen hängt vom Ausmaß des Kontaktes, der Immunität der Kontaktperson und der Virulenz des Erregers ab. Die Rate der nasopha- ryngealen Besiedlung mit HiB in der Normalbevölkerung liegt bei 1 bis 5 Prozent, bei engen Haushaltskontak- ten bis zu 25 Prozent und höher.

Asymptomatische HiB-Träger jeden Alters können die Ursache von Zweiterkrankungen sein; deswegen müssen auch erwachsene Kontakt- personen im Haushalt des Indexpa- tienten in die Chemoprophylaxe mit- einbezogen werden. Nach Diagnose- stellung beim Indexpatienten sollte die Prophylaxe so rasch wie möglich eingeleitet werden. Nasopharyngeal- oder Rachenabstriche zur Auswahl der Kandidaten für eine Prophylaxe sind nicht sinnvoll, da nicht alle HiB- Träger sicher erfaßt werden und zu viel Zeit verstreicht bis zum Vorlie- gen der Ergebnisse.

Vorgehen bei

einem Einzelfall von HiB-Meningitis

Der an HiB-Meningitis erkrank- te Indexpatient soll vor seiner Ent- lassung aus der Klinik eine Chemo- prophylaxe entsprechend dem weiter unten genannten Schema erhalten, unabhängig von Art und Dauer der antibiotischen Behandlung der Me- ningitis. Eine HiB-Meningitis hinter- läßt nicht immer eine zuverlässige Immunität, vor allem nicht bei jun- gen Kindern. War der Indexpatient bei Erkrankung < 18 Monate alt, sollte er deswegen sechs bis acht Wo- chen nach seiner Krankenhausent- lassung mit einem HiB-Konjugat- impfstoff geimpft werden und weite- re sechs bis acht Wochen später ein zweites Mal. War der Indexpatient bei Erkrankung > 18 Monate alt, ge- nügt eine einmalige Impfung.

Eine Chemoprophylaxe wird für alle Personen (einschließlich Er- wachsene) im Haushalt des Indexpa- tienten vorgeschlagen, falls sich in der Familie mindestens eine Kon- taktperson von < vier Jahren befin- det. Als Kontaktperson gilt, wer je-

weils vier oder mehr Stunden an fünf der letzten sieben Tage vor der Hos- pitalisierung des Indexpatienten mit diesem verbracht hat. Wenn der letz- te Kontakt mit dem Indexpatienten mehr als sieben Tage zurückliegt, ist eine Prophylaxe nicht erforderlich.

War der Indexpatient in der letzten Zeit vor seiner Erkrankung regelmäßig in einer Gemeinschafts- einrichtung (Kindergarten, Kinder- tagesstätte, „Krabbelgruppe" oder ähnliches), sollten die Eltern der an- deren diese Institution besuchenden Kinder über die Frühsymptome ei- ner HiB-Erkrankung (Fieber, Erbre- chen, Apathie, Kopfschmerzen) auf- geklärt werden. Wenn die Eltern ei- nes oder mehrere dieser Symptome bei ihrem Kind beobachten, sollten sie umgehend ihren Hausarzt/Kin- derarzt aufsuchen.

Eine Chemoprophylaxe in der Gemeinschaftseinrichtung ist nur dann erforderlich, wenn sich in die- ser Kinder von < 24 Monaten befin- den (das bedeutet, daß in Kindergär- ten in der Regel keine Prophylaxe durchgeführt zu werden braucht). Ist die Indikation zur Prophylaxe gege- ben, sollten in diese alle Kinder so- wie deren Betreuer in der Institution einbezogen werden, nicht aber die Eltern. Falls die die Gemeinschafts- einrichtung besuchenden Kinder noch jüngere Geschwister haben, sol- len auch diese eine Chemoprophylaxe erhalten. Sind die Kinder in der Ge- meinschaftseinrichtung nach Grup- pen getrennt, kann die Prophylaxe auf die Gruppe, zu der der Indexpatient gehört, beschränkt werden, falls die Gruppen nicht regelmäßigen Kontakt untereinander haben.

Chemoprophylaxe bei Meningitis durch

Haemophilus influenzae

Jörg E. Hoppe, Helmut Helwig, Hans Isenberg und Rainer Noack

A1-2220 (68) Dt. Ärztebl. 89, Heft 24, 12. Juni 1992

(2)

Wenn der Indexpatient keine Gemeinschaftseinrichtung besucht, aber ein Geschwisterkind hat, das ei- ne solche besucht, ist keine Chemo- prophylaxe in der Institution erfor- derlich.

Wenn in einer Gemeinschafts- einrichtung eine Chemoprophylaxe durchgeführt werden muß, sollte das Gesundheitsamt darüber entschei- den, ob die Einrichtung für die Dau- er der Prophylaxe (vier Tage) ge- schlossen wird. Wenn Eltern die Teilnahme ihrer Kinder an der Pro- phylaxe verweigern, schlagen wir vor, bei diesen Kindern zweimal im Ab- stand von vier Tagen einen Nasopha- ryngealabstrich (trotz der eingangs gemachten einschränkenden Bemer- kungen) zu entnehmen. Wenn sich dabei keine Besiedlung mit HiB er- gibt, dürfen diese Kinder die Ge- meinschaftseinrichtung wieder besu- chen. Eine Massenchemoprophylaxe ist nur erfolgversprechend, wenn 75 Prozent der Kinder daran teilneh- men. Kinder, die vollständig gegen HiB geimpft sind, sind dadurch vor einer Erkrankung, aber nicht vor ei- ner Besiedlung durch den Keim ge- schützt und können diesen potentiell weiterverbreiten. Deswegen müssen auch solche Kinder in eine Chemo- prophylaxe einbezogen werden.

Eine HIB-Impfung aller Kinder in einer Gemeinschaftseinrichtung kann die Chemoprophylaxe zur Be- herrschung der akuten Situation nicht ersetzen, da der Aufbau der Immunantwort nach der Impfung zu lange dauert. Unabhängig davon soll- ten jedoch alle Kinder unter fünf Jahren gegen HiB geimpft werden!

Dies kann unmittelbar im Anschluß an die Chemoprophylaxe oder mit dieser gleichzeitig geschehen, da es keine Interferenz zwischen Prophy- laxe und Impfung gibt.

Vorgehen bei

gehäuftem Auftreten von HiB-Meningitis

Treten zwei oder mehr Fälle von HiB-Meningitis in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang auf, gilt für die Indexpatienten und deren Familien das oben Gesagte. Haben beide Indexpatienten dieselbe Ge- meinschaftseinrichtung besucht, so

ist in dieser Institution eine Che- moprophylaxe bei allen Kindern, de- ren jüngeren Geschwistern und dem Betreuungspersonal der Einrichtung durchzuführen und die Institution für die Dauer der Prophylaxe zu schließen.

Treten mehrere Fälle von HiB- Meningitis bei Kindern auf, die kei- nen Kontakt untereinander hatten, die aber Geschwister haben, die die- selbe Gemeinschaftseinrichtung be- suchen, so ist anzunehmen, daß der Erreger in dieser Institution zir- kuliert und die Geschwister die

„Brücke" zwischen den Indexpatien- ten darstellen. Auch in dieser Situa- tion ist eine Chemoprophylaxe bei allen Kindern, die die Institution be- suchen, deren jüngeren Geschwi- stern sowie bei dem Betreuungsper- sonal der Institution durchzuführen.

Praktische Durchführung der Chemoprophylaxe

Amoxycillin, Cotrimoxazol, Ery- thromycin, Oralcephalosporine und Chloramphenicol beenden eine na- sopharyngeale Besiedlung mit HiB nicht zuverlässig. Dagegen ist Rifam- picin in einer Dosis von 20 mg/kg (einmal täglich für vier Tage) zu

> 90 Prozent erfolgreich. Dieses An- tibiotikum erzielt hohe Konzentra- tionen in den Schleimhäuten der Atemwege. Deswegen wird für die Chemoprophylaxe bei HiB-Meningi- tis empfohlen:

• Rifampicin 20 mg/kg/d in ei- ner täglichen Einzeldosis über vier Tage (Neugeborene 10 mg/kg/d; Er- wachsene 600 mg/d). Dieses Dosie- rungsschema unterscheidet sich von dem für die Chemoprophylaxe bei Meningokokken-Infektionen ange- gebenen Schema (siehe Tabelle).

Rifampicin ist erhältlich in Form von Tabletten, Kapseln und Dragees zu 50, 150, 300, 450 und 600 mg. Nur eine flüssige Zubereitung befindet sich auf dem Markt (Rimactan®

Sirup; enthält 20 mg/ml; eine O.P.

enthält 2000 mg). Die Einnahme von Rifampicin soll 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit erfolgen. Rifam- picin verursacht eine Orange-Ver- färbung von Urin, Schweiß, Tränen und Speichel; eine Verfärbung von

Kontaktlinsen ist ebenfalls möglich.

Beim Einsatz von Rifampicin zur Chemoprophylaxe werden leichte Nebenwirkungen in Prozent der Fälle beobachtet (Ubelkeit, Erbre- chen, Durchfall, Kopfschmerzen und Schwindel); schwere Nebenwirkun- gen wie Leberschäden kamen nicht vor. In der Schwangerschaft ist Ri- fampicin kontraindiziert; Schwange- re müssen also von der Chemopro- phylaxe ausgenommen werden. Die weiteren Kontraindikationen von Ri- fampicin (zum Beispiel Leberschä- den und andere) sind zu beachten.

Addendum

Es ist unbekannt, ob das Risiko einer Zweiterkrankung nach HiB- Meningitis unterschiedlich ist vom Risiko nach anderen systemischen HiB-Infektionen. Eine Chemothera- pie sollte daher auch nach Epiglotti- tis durchgeführt werden.

Arbeitsgemeinschaft „Meningitis" der Paul- Ehrlich-Gesellschaft und Arbeitsgemein- schaft „ZNS-Infektionen" der Deutschen Ge- sellschaft für pädiatrische Infektologie: J. E.

Hoppe, Tübingen, unter Mitarbeit von H.

Helwig, Freiburg; H. Isenberg, Darmstadt:

R. Noack, Berlin.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -2220-2221 [Heft 24]

Literatur

American Academy of Pediatrics.: Revision of recommendation for use of rifampin prophylaxis of contacts of patients with Haemophilus influ- enzae infection. Pediatrics 74 (1984) 301-302.

Feigin, R. D.: Prevention of Haemophilus in- fluenzae meningitis. In: Textbook of Pediatric Infectious Diseases, 2. Aufl. (1987), Saunders, Philadelphia, 458-459.

Immunization Practices Advisory Commit- tee: Update: prevention of Haemophilus influ- enzae type bi disease. MMWR 35 (1986) 170-180.

Isenberg, H.: Chemoprophylaxe bei Haemo- philus influenzae Typ b-Erkrankungen. In: Me- ningitis im Kindesalter und Neugeborenensep- sis, 2. Aufl. (1990) Steinkopff, Darmstadt, 125-127.

Schaad, U. B.: Prophylaxe von Pneumokok- ken-, Meningokokken- und Haemophilus-influ- enzae-Typ-B-Infektionen. In: Pädiatrie in Praxis und Klinik, Bd. II, 2. Aufl. (1989), Fischer, Stutt- gart, und Thieme, Stuttgart, 614-617.

Korrespondenzanschrift:

Prof. Dr. med. Helmut Helwig St. Josefskrankenhaus

Hermann-Herder-Straße 1 W-7800 Freiburg/Br.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 24, 12. Juni 1992 (71) A1-2221

Referenzen

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