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Archiv "Arzneibehandlung im Rahmen „besonderer Therapierichtungen“: 3 Zum toxikologischen Risiko" (14.08.1992)

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Academic year: 2022

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de Korrekturen erzwingt, von der vor allem diejenigen Kolleginnen und Kollegen betroffen sind, die ihr Pra- xisschild mit dem offenbar werbe- wirksamen Zusatz „Naturheilkunde"

verziert haben. Denn folgende Er- kenntnisse müßten Konsequenzen nach sich ziehen:

1. Es wurde bestätigt, daß die Anwendung sogenannter Naturheil- mittel prinzipiell die gleichen Gefah- ren und Risiken nach sich zieht, wie sie bei den synthetisch hergestellten Arzneimitteln gegeben sind. Dem- nach ist das medienwirksam verbrei- tete Postulat, wonach Naturstoffe grundsätzlich risikoarm, synthetische Heilmittel jedoch risikoreich sind, ir- reführend.

2. Der Gesetzgeber wird zu überdenken haben, ob es dabei bleibt, daß trotz entsprechender An- kündigungen mit dem Arzneimittel- gesetz von 1976 bei diesen sogenann- ten Naturheilmitteln in großem Um- fang auf die strenge Beweiskraft na- turwissenschaftlicher Experimente und damit auf die Beseitigung beste- hender Defizite an toxikologisch- pharmakologischen Verträglichkeits- untersuchungen verzichtet wurde.

Deshalb müßte auch der Wirksam- keitsnachweis für die Nachzulassung sogenannter Altpräparate mit Nach- druck gefordert werden. Ohne die- sen Nachweis bleibt die Forderung auf Kostenerstattung durch die ge- setzlichen Krankenkassen ohne Be- rechtigung. Im Bemühen um eine Kostendämpfung sollten allerdings auch die Privatkassen nicht mehr un- besehen die Kosten für wissenschaft- lich umstrittene Therapien überneh- men, vor allem für die leider noch immer nicht vom Markt verschwun- denen unappetitlichen und gefährli- chen sogenannten Frischzellpräpara- te und ähnliches mehr.

3. Es hat sich erneut bestätigt, daß homöopathische Präparate grundsätzlich unwirksam sind. Sie sind weder in den USA noch in Bel- gien, Nord- oder Osteuropa zugelas- sen. Einzigartig unter den EG-Län- dem hat sich die Bundesregierung sogar erlaubt, per Dekret den diver- gierenden Lehrmeinungen auf dem Gebiet der Homöopathie eine „wis- senschaftliche Lehrmeinung" zu ver- leihen. Entsprechend wird versucht,

durch spezielle Lehrstühle für Na- turheilmittel sozusagen per ordre de mufti solche Heilmittel auch in die wissenschaftlich fundierte Medizin hineinzudrücken. Das Bundesfor- schungsministerium in Bonn hält es

— laut Pressebericht in der Süddeut- schen Zeitung vom 13. März 92 — für angezeigt, erhebliche Gelder zur Bestandsaufnahme der Forschungs- situation bei allgemeinen sogenann- ten Naturheilmitteln auszuwerfen, wobei ausgerechnet die von den An- throposophen aufgebaute Universi- tät Witten-Herdecke federführend und nutznießend sein soll.

4. Im Hinblick auf die speziell im Rahmen der Anthroposophie emp- fohlenen Präparate wird vom Wis- senschaftlichen Beirat herausge- stellt, daß eine Einbeziehung weltan- schaulicher Ansichten bei Empfeh- lungen zur Anwendung pflanzlicher Zytostatika (Iscador und ähnliche) wissenschaftlich nicht vertretbar ist, zumal trotz gegenteiliger Behaup- tung bis heute an Patienten ein Wirksamkeitsnachweis dieser Art pflanzlicher Zytostatika nicht er- bracht worden ist.

5. Große Unsicherheit besteht ebenfalls weiterhin bei der Bewer- tung pflanzlicher Mischpräparate im Rahmen der sogenannten Phyto- therapie, weshalb der Wissenschaft- liche Beirat feststellt, daß die Zulas- sung pflanzlicher Mischpräparate

„mit Rücksicht auf den Verbrau- cherschutz bislang nicht zu verant- worten ist". Diese Feststellung ist um so wichtiger, als interessierte Kreise immer wieder mit aktiver Werbung für unseriöse Präparate Zugang zu den Medien finden. Dies ergab sich in beklemmender Weise vor einigen Wochen wieder in einer Fernsehreihe, die der Südfunk im Programm S3 ausgestrahlt hat. Gera- de vom öffentlich-rechtlichen Rund- funk, aber auch von den Politikern allgemein wäre zu erwarten, daß In- formation und Werbung kritisch und seriös praktiziert, dem Mißbrauch krankmachender Genußmittel aber sehr viel stärker als bisher (Werbe- verbot usw.) entgegentreten wird.

Die Arzteschaft bleibt aufgerufen, sich in Wort und Tat für eine saube- re und sparsame Therapie einzuset- zen. Als approbierte Ärzte müssen

wir unter Prüfung unseres Gewissens in jedem Einzelfall Inhalt und Wir- kung therapeutischer Mittel abwä- gen und im Auge behalten, daß uns eine therapeutische Handlungsfrei- heit auf längere Sicht nur dann er- halten bleibt, wenn wir sie jeder- zeit wissenschaftlich und moralisch rechtfertigen können.

Prof. Dr. med. H. H. Marx Internist

Robert-Bosch-Straße 6 W-7000 Stuttgart 1

Bei aller Anerkennung des Be- mühens um eine vorurteilsfreie und sachgerechte Wertung, enthält das Papier Passagen, denen widerspro- chen werden muß beziehungsweise die der Ergänzung bedürfen. Der Hersteller oder Vertreiber von Alt- arzneimitteln (die vor dem Zweiten Arzneimittelgesetz auf dem Markt waren), ist mitnichten vom Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksam- keit bei der sogenannten Nachzulas- sung freigestellt. Eine Freistellung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn eine im staatlichen Auftrag beim Bundesgesundheits- amt angesiedelte Expertenkommissi- on (für Phytotherapeutika Kommis- sion E, welche in den letzten 12 Jah- ren über 300 Arzneipflanzen auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit überprüft hat) dem therapeutischen Prinzip (Heilpflanze/Droge), auf dem das Fertigarzneimittel basiert, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit attestiert. Dieses Verfahren vermei- det eine Unzahl toxikologischer Langzeitversuche, für die es weder die wissenschaftliche Kapazität gibt, noch wären sie ethisch zu rechtferti- gen.

Zum toxikologischen Risiko: Es klingt vernünftig und erscheint ge- recht, jedes Arzneimittel — ob Na- turstoff oder synthetisch gewonnen

— den gleichen aufwendigen Prü- fungen zu unterwerfen. Indes ist es ein Unterschied, ob ein Arzneimittel seit zwei oder drei Jahrtausenden (zum Beispiel Knoblauch, Senna oder Pfefferminze) angewandt wird,

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Zum toxikologischen Risiko

Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992 (51) A1-2707

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ohne daß Nachteiliges aufgefallen wäre, oder ob es eben erst syntheti- siert wurde. Natürlich ist das Fehlen entsprechender Hinweise kein Be- weis für die toxikologische Unbe- denklichkeit, wie andererseits expe- rimentelle Ergebnisse, zumeist unter Bedingungen gewonnen (zum Bei- spiel Konzentrationen, die beim Pa- tienten nie erreichbar sind), die kei- nerlei Bezug auf die Therapie besit- zen, keinen Beweis für die toxikolo- gische Bedenklichkeit darstellen. So wie heute das Brechen von Tabus positiv gewertet wird, ist es nachge- rade zur Mode geworden, bisher für harmlos gehaltenen Stoffen pflanzli- cher Herkunft ein toxikologisches Risiko „nachzuweisen".

Mögliche Risiken von Phyto- pharmaka liegen auf anderen Gebie- ten. Da gibt es einmal auch bei Phy- topharmaka allergische Reaktionen, die zum Abbruch der Therapie zwin- gen. Auch ein therapeutisches Risi- ko kann bestehen — jedenfalls der- zeit, solange die Regeln der Nachzu- lassung noch nicht vollständig „ge- griffen" haben, wenn infolge über- steigerter Heilerwartungen Phyto- pharmaka unterdosiert oder bei Krankheiten oder Leiden gegeben

Inhaltlich kann man den Aus- führungen des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer wohl nichts hinzufügen. Formal- rechtlich sollte man sich aber dar- über im klaren sein, daß das Problem nicht auf Phytotherapeutika, An- throposophika und Homöopathika beschränkt ist.

Der Gesetzgeber spricht im § 2 Abs. 1 SGB V nur von „besonderen Therapierichtungen", ohne dies zu spezifizieren; in § 34 Abs. 2 Satz 3 SGB V von „Arzneimitteln der be- sonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeuti- schen und anthroposophischen Arz- neimitteln". Die Formulierung zeigt aber sprachlich eindeutig, daß diese drei Therapierichtungen nur als Bei- spiele aufgeführt werden, somit an- dere nicht ausgeschlossen sind. In der Tat ist es nicht einzusehen, war-

oder in Selbstmedikation genommen werden, bei denen sie nicht indiziert sind. So kann eine angemessene Therapie, zum Beispiel auch mit ge- eigneteren Phytopharmaka, ver- säumt oder verzögert werden. Dieses Risiko wird in dem Papier des Wis- senschaftlichen Beirates der Bundes- ärztekammer nicht erwähnt Sollte der Sachverstand des Beirates in Sa- chen Phytopharmaka der Ergänzung bedürfen? In der Hand des Kundi- gen sind Phytopharmaka wirksame und — was das toxikologische Risiko anlangt — sichere Arzneimittel. Un- erwünschte Wirkungen gibt es, aber sie treten seltener auf beziehungs- weise verlaufen milder als die der so- genannten Chemotherapeutika. Als positiver Faktor für den Therapieer- folg sind die emotionale Hinwen- dung und die hohe Akzeptanz der Phytopharmaka zu werten.

Prof. Dr. med. Günther Vogel

— Kooperation Phytopharmaka —

Prof. Dr. med. Hans D. Reuter

— Gesellschaft

für Phytotherapie e. V. — Postfach 20 08 48

W-5300 Bonn 2

um die namentlich aufgeführten drei

„besonderen Therapierichtungen"

besonderer sein sollen als andere Al- ternativmethoden, wie zum Beispiel Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder diverse unkonventionel- le Immuntherapien. So weist P. Kir- sten (Unorthodoxe Krankenbehand- lung, Sachleistungsprinzip und Be- schaffungsweg. SGb 7/91, p. 257 ff) entgegen dem Gemeinschaftskom- mentar zum SGB zu Recht darauf hin, daß sich jede Außenseiterme- thode das Gewand der besonderen Therapierichtung umlegen kann, um Zugang in den Leistungskatalog der Krankenkassen zu verlangen und dies auch tut; dies entspreche sogar der Üblichkeit. Es bleibt zu hoffen, daß eine bedenkliche Entscheidung des Gesetzgebers im Rahmen einer EG-weiten Vereinheitlichung korri- giert werden kann.

Dr. med. Ernst Eben A.-Exter-Straße 6a W-8000 München 60

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5 Dokumentierte Erfahrung als

Beurteilungskriterium Der heterogene Begriff „Natur- medizin" ist eine Wortneubildung.

Einschlägige Lexika wie das der Na- turheilkunde, Pschyrembel, Roche oder Thiele führen ihn nicht; er soll- te daher nicht benutzt werden. Dar- aus habe nun die Bundesregierung den Komplex der „besonderen The- rapierichtungen" herausgelöst, wor- unter Phytopharmaka, Homöopathi- ka und Anthroposophika subsumiert worden seien.

Ich möchte zuständigkeitshalber nur zur Phytotherapie im Sinne einer allopathischen Nutzung etwas sagen.

Sie ist Teil der Naturheilverfahren, letztere sind Gegenstand der Weiter- bildungsverordnung der Landesärz- tekammern, ab 1993 auch Prüfungs- gegenstand des medizinischen Staatsexamens, mithin wissenschaft- lich anerkannt, denn sie müssen zu- erst gelehrt werden, um dann geprüft werden zu können.

Naturheilverfahren sind Teil der Gesamtmedizin, nur wer letztere kennt und kann, ist qualifiziert, Na- turheilverfahren sachgerecht zu ver- ordnen und anzuwenden. Denn ohne diese Kenntnisse ist keine Abwägung von Nutzen und Risiken möglich, oh- ne welche es keine Differentialthera- pie gibt. Naturheilverfahren sind demnach Ergänzung, nicht Alterna- tive, und dies auf der Basis schulge- mäßer Diagnostik.

Es werden zu Recht Defizite kri- tisiert bei „wissenschaftlich gesicher- ten Informationen über objektivierte Wirksamkeit und das Fehlen nicht vertretbarer, unerwünschter Wir- kungen, besonders bei langandau- erndem Gebrauch." Dies kann je- doch nicht pauschaliert werden. Soll- te Ihnen unbekannt sein, daß die Kommission E beim BGA, der ich vorsitze, sich besonders intensiv um dieses Problem bemüht?

Beim Vergleich deutschen Arz- neimittelrechts mit Richtlinien der EG wird in dem Beitrag der Eindruck erweckt, als seien pflanzliche Arznei- mittel in Deutschland weitgehend nicht ausreichend geprüft. Das stimmt so nicht! Das deutsche AMG ist auf diesem Gebiet anerkannterma-

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Gesetzgebung bedenklich

A1-2708 (52) Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992

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