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Archiv "Arzneibehandlung im Rahmen „besonderer Therapierichtungen“: 2 „Naturheilmittel“ wirkungs- aber nicht harmlos — was nun?" (14.08.1992)

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Zu der Kurzfassung einer Analyse des

Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer in Heft 10/1992

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT DISKUSSION

Arzneibehandlung im Rahmen

„besonderer Therapierichtungen"

1 Dauer der

Therapie-Erfahrung maßgebend

Der wachsenden Neigung unse- rer Patienten, eine Besserung und Heilung von Krankheit und Leid au- ßerhalb der wissenschaftlich fundier- ten Medizin zu suchen, kann nicht dadurch begegnet werden, daß die Bundesärztekammer diesen Trend

„zwar konstatiert beziehungsweise bestätigt, aber nicht bearbeitet". Die für unsere Berufsgruppe beklagens- werte Situation wird auch nicht da- durch verbessert, daß der Wissen- schaftliche Beirat kurz und bündig erklärt, seit dem „Contergan-Un- glück" seien wirksame rechtliche Maßstäbe gesetzt, um die Patienten vor „unzumutbar risikoreicher Arz- neibehandlung" zu schützen.

Der Widerspruch zwischen Theorie und Praxis wird hier allzu schnell offenkundig. Die kritische Öffentlichkeit fand beispielsweise am Tage der Bekanntmachung des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer in der Zeitung

„Die Zeit" unter dem Titel „Tod- bringende Muntermacher" einen ganzseitigen Bericht über die Fälle von Tod und Invalidität durch Nomi- fensin, einem Arzneimittel, welches bekanntlich nach Contergan® ent- wickelt worden ist!

Langzeit- und Spätschäden durch neue Arzneistoffe können nicht in wenigen Entwicklungsjahren ausgeschlossen werden. Nach wie vor ist die Dauer der Therapie-Er- fahrung mit einem Arzneimittel ein maßgeblicher Faktor für dessen Si- cherheit. Synthetische Arzneimittel blicken aber in der Regel auf eine Anwendungsdauer von Jahren bis Jahrzehnten, pflanzliche Arzneien dagegen auf eine solche von Jahr- hunderten bis Jahrtausenden zurück.

Das größere Vertrauen vieler Pa- tienten zu natürlichen Stoffen hat darüber hinaus auch weitere rationa- le Wurzeln. Arzneimittelschäden mit pflanzlichen Arzneien vergleichba- ren Ausmaßes, wie etwa mit Nomi- fensin oder Thalidomid, sind folge- richtig aus heutiger Zeit nicht mehr bekannt Um so überraschender ist es, wenn in bezug auf die Phytophar- maka behauptet wird:

„Unstrittig ist aber, . . ., daß mit der Anwendung sogenannter Natur- heilmittel prinzipiell die gleichen Gefahren und Risiken verbunden sind, wie mit dem Gebrauch der syn- thetisch hergestellten Arzneimittel."

Im Zusammenhang mit den Be- hauptungen wird den mittelständi- schen Herstellern pflanzlicher Arz- neimittel generell das Exsistenzrecht abgesprochen mit der Mutmaßung, diesen seien die hohen Kosten der pharmakologisch-toxikologischen und klinischen Prüfungen zum „un- überwindbaren Hemmnis" gewor- den, um die Anforderungen amt- licher Arzneimittel-Prüfrichtlinien uneingeschränkt zu erfüllen.

Abgesehen davon, daß auch die meisten altzugelassenen syntheti- schen Arzneimittel der großen Kon- zerne nicht nach den heutigen Krite- rien toxikologisch geprüft sind, muß an dieser Stelle gefragt werden, wel- che „amtlichen Richtlinien" konkret erfüllt werden sollen? Sollen tausen- de von Versuchstieren geopfert wer- den, um beispielsweise Kamille, Knoblauch oder Pfefferminze nach- träglich auf „akute und chronische Toxizität, onkogene und mutagene Wirkungen" zu prüfen?

Die Aufgabe der Bundesärzte- kammer sollte es sein, Mitglieder in ihren Reihen zu integrieren und nicht auszugrenzen. Der Angriff des Wissenschaftlichen Beirates richtet sich aber nicht nur gegen die mittel- ständischen Arzneimittelhersteller, sondern vor allem auch gegen die zahlreichen niedergelassenen Ärzte, die Naturheilmittel anwenden und empfehlen. Ihnen wird pauschal mangelnde Wissenschaftlichkeit un- terstellt. Dabei dürften gerade diese Kollegen am wirksamsten verhin- dern, daß weitere enttäuschte Pa- tienten der wissenschaftlichen Medi- zin den Rücken kehren.

Prof. Dr. med. Volker Schulz Arzt für Innere Medizin Drewitzer Straße 8 W-1000 Berlin 28

I 2 „Naturheilmittel"

wirkungs- aber nicht harmlos — was nun?

Der verdienstvolle Bericht des Wissenschaftlichen Beirats der Bun- desärztekammer macht bereits in dieser vorläufigen Zusammenfas- sung deutlich, daß die „Arzneibe- handlung im Rahmen besonderer Therapierichtungen" einschneiden- A1-2706 (50) Dt. Ärztebl. 89, Heft 33. 14. August 1992

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de Korrekturen erzwingt, von der vor allem diejenigen Kolleginnen und Kollegen betroffen sind, die ihr Pra- xisschild mit dem offenbar werbe- wirksamen Zusatz „Naturheilkunde"

verziert haben. Denn folgende Er- kenntnisse müßten Konsequenzen nach sich ziehen:

1. Es wurde bestätigt, daß die Anwendung sogenannter Naturheil- mittel prinzipiell die gleichen Gefah- ren und Risiken nach sich zieht, wie sie bei den synthetisch hergestellten Arzneimitteln gegeben sind. Dem- nach ist das medienwirksam verbrei- tete Postulat, wonach Naturstoffe grundsätzlich risikoarm, synthetische Heilmittel jedoch risikoreich sind, ir- reführend.

2. Der Gesetzgeber wird zu überdenken haben, ob es dabei bleibt, daß trotz entsprechender An- kündigungen mit dem Arzneimittel- gesetz von 1976 bei diesen sogenann- ten Naturheilmitteln in großem Um- fang auf die strenge Beweiskraft na- turwissenschaftlicher Experimente und damit auf die Beseitigung beste- hender Defizite an toxikologisch- pharmakologischen Verträglichkeits- untersuchungen verzichtet wurde.

Deshalb müßte auch der Wirksam- keitsnachweis für die Nachzulassung sogenannter Altpräparate mit Nach- druck gefordert werden. Ohne die- sen Nachweis bleibt die Forderung auf Kostenerstattung durch die ge- setzlichen Krankenkassen ohne Be- rechtigung. Im Bemühen um eine Kostendämpfung sollten allerdings auch die Privatkassen nicht mehr un- besehen die Kosten für wissenschaft- lich umstrittene Therapien überneh- men, vor allem für die leider noch immer nicht vom Markt verschwun- denen unappetitlichen und gefährli- chen sogenannten Frischzellpräpara- te und ähnliches mehr.

3. Es hat sich erneut bestätigt, daß homöopathische Präparate grundsätzlich unwirksam sind. Sie sind weder in den USA noch in Bel- gien, Nord- oder Osteuropa zugelas- sen. Einzigartig unter den EG-Län- dem hat sich die Bundesregierung sogar erlaubt, per Dekret den diver- gierenden Lehrmeinungen auf dem Gebiet der Homöopathie eine „wis- senschaftliche Lehrmeinung" zu ver- leihen. Entsprechend wird versucht,

durch spezielle Lehrstühle für Na- turheilmittel sozusagen per ordre de mufti solche Heilmittel auch in die wissenschaftlich fundierte Medizin hineinzudrücken. Das Bundesfor- schungsministerium in Bonn hält es

— laut Pressebericht in der Süddeut- schen Zeitung vom 13. März 92 — für angezeigt, erhebliche Gelder zur Bestandsaufnahme der Forschungs- situation bei allgemeinen sogenann- ten Naturheilmitteln auszuwerfen, wobei ausgerechnet die von den An- throposophen aufgebaute Universi- tät Witten-Herdecke federführend und nutznießend sein soll.

4. Im Hinblick auf die speziell im Rahmen der Anthroposophie emp- fohlenen Präparate wird vom Wis- senschaftlichen Beirat herausge- stellt, daß eine Einbeziehung weltan- schaulicher Ansichten bei Empfeh- lungen zur Anwendung pflanzlicher Zytostatika (Iscador und ähnliche) wissenschaftlich nicht vertretbar ist, zumal trotz gegenteiliger Behaup- tung bis heute an Patienten ein Wirksamkeitsnachweis dieser Art pflanzlicher Zytostatika nicht er- bracht worden ist.

5. Große Unsicherheit besteht ebenfalls weiterhin bei der Bewer- tung pflanzlicher Mischpräparate im Rahmen der sogenannten Phyto- therapie, weshalb der Wissenschaft- liche Beirat feststellt, daß die Zulas- sung pflanzlicher Mischpräparate

„mit Rücksicht auf den Verbrau- cherschutz bislang nicht zu verant- worten ist". Diese Feststellung ist um so wichtiger, als interessierte Kreise immer wieder mit aktiver Werbung für unseriöse Präparate Zugang zu den Medien finden. Dies ergab sich in beklemmender Weise vor einigen Wochen wieder in einer Fernsehreihe, die der Südfunk im Programm S3 ausgestrahlt hat. Gera- de vom öffentlich-rechtlichen Rund- funk, aber auch von den Politikern allgemein wäre zu erwarten, daß In- formation und Werbung kritisch und seriös praktiziert, dem Mißbrauch krankmachender Genußmittel aber sehr viel stärker als bisher (Werbe- verbot usw.) entgegentreten wird.

Die Arzteschaft bleibt aufgerufen, sich in Wort und Tat für eine saube- re und sparsame Therapie einzuset- zen. Als approbierte Ärzte müssen

wir unter Prüfung unseres Gewissens in jedem Einzelfall Inhalt und Wir- kung therapeutischer Mittel abwä- gen und im Auge behalten, daß uns eine therapeutische Handlungsfrei- heit auf längere Sicht nur dann er- halten bleibt, wenn wir sie jeder- zeit wissenschaftlich und moralisch rechtfertigen können.

Prof. Dr. med. H. H. Marx Internist

Robert-Bosch-Straße 6 W-7000 Stuttgart 1

Bei aller Anerkennung des Be- mühens um eine vorurteilsfreie und sachgerechte Wertung, enthält das Papier Passagen, denen widerspro- chen werden muß beziehungsweise die der Ergänzung bedürfen. Der Hersteller oder Vertreiber von Alt- arzneimitteln (die vor dem Zweiten Arzneimittelgesetz auf dem Markt waren), ist mitnichten vom Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksam- keit bei der sogenannten Nachzulas- sung freigestellt. Eine Freistellung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn eine im staatlichen Auftrag beim Bundesgesundheits- amt angesiedelte Expertenkommissi- on (für Phytotherapeutika Kommis- sion E, welche in den letzten 12 Jah- ren über 300 Arzneipflanzen auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit überprüft hat) dem therapeutischen Prinzip (Heilpflanze/Droge), auf dem das Fertigarzneimittel basiert, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit attestiert. Dieses Verfahren vermei- det eine Unzahl toxikologischer Langzeitversuche, für die es weder die wissenschaftliche Kapazität gibt, noch wären sie ethisch zu rechtferti- gen.

Zum toxikologischen Risiko: Es klingt vernünftig und erscheint ge- recht, jedes Arzneimittel — ob Na- turstoff oder synthetisch gewonnen

— den gleichen aufwendigen Prü- fungen zu unterwerfen. Indes ist es ein Unterschied, ob ein Arzneimittel seit zwei oder drei Jahrtausenden (zum Beispiel Knoblauch, Senna oder Pfefferminze) angewandt wird,

I 3 Zum toxikologischen Risiko

Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992 (51) A1-2707

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