ohne daß Nachteiliges aufgefallen wäre, oder ob es eben erst syntheti- siert wurde. Natürlich ist das Fehlen entsprechender Hinweise kein Be- weis für die toxikologische Unbe- denklichkeit, wie andererseits expe- rimentelle Ergebnisse, zumeist unter Bedingungen gewonnen (zum Bei- spiel Konzentrationen, die beim Pa- tienten nie erreichbar sind), die kei- nerlei Bezug auf die Therapie besit- zen, keinen Beweis für die toxikolo- gische Bedenklichkeit darstellen. So wie heute das Brechen von Tabus positiv gewertet wird, ist es nachge- rade zur Mode geworden, bisher für harmlos gehaltenen Stoffen pflanzli- cher Herkunft ein toxikologisches Risiko „nachzuweisen".
Mögliche Risiken von Phyto- pharmaka liegen auf anderen Gebie- ten. Da gibt es einmal auch bei Phy- topharmaka allergische Reaktionen, die zum Abbruch der Therapie zwin- gen. Auch ein therapeutisches Risi- ko kann bestehen — jedenfalls der- zeit, solange die Regeln der Nachzu- lassung noch nicht vollständig „ge- griffen" haben, wenn infolge über- steigerter Heilerwartungen Phyto- pharmaka unterdosiert oder bei Krankheiten oder Leiden gegeben
Inhaltlich kann man den Aus- führungen des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer wohl nichts hinzufügen. Formal- rechtlich sollte man sich aber dar- über im klaren sein, daß das Problem nicht auf Phytotherapeutika, An- throposophika und Homöopathika beschränkt ist.
Der Gesetzgeber spricht im § 2 Abs. 1 SGB V nur von „besonderen Therapierichtungen", ohne dies zu spezifizieren; in § 34 Abs. 2 Satz 3 SGB V von „Arzneimitteln der be- sonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeuti- schen und anthroposophischen Arz- neimitteln". Die Formulierung zeigt aber sprachlich eindeutig, daß diese drei Therapierichtungen nur als Bei- spiele aufgeführt werden, somit an- dere nicht ausgeschlossen sind. In der Tat ist es nicht einzusehen, war-
oder in Selbstmedikation genommen werden, bei denen sie nicht indiziert sind. So kann eine angemessene Therapie, zum Beispiel auch mit ge- eigneteren Phytopharmaka, ver- säumt oder verzögert werden. Dieses Risiko wird in dem Papier des Wis- senschaftlichen Beirates der Bundes- ärztekammer nicht erwähnt Sollte der Sachverstand des Beirates in Sa- chen Phytopharmaka der Ergänzung bedürfen? In der Hand des Kundi- gen sind Phytopharmaka wirksame und — was das toxikologische Risiko anlangt — sichere Arzneimittel. Un- erwünschte Wirkungen gibt es, aber sie treten seltener auf beziehungs- weise verlaufen milder als die der so- genannten Chemotherapeutika. Als positiver Faktor für den Therapieer- folg sind die emotionale Hinwen- dung und die hohe Akzeptanz der Phytopharmaka zu werten.
Prof. Dr. med. Günther Vogel
— Kooperation Phytopharmaka —
Prof. Dr. med. Hans D. Reuter
— Gesellschaft
für Phytotherapie e. V. — Postfach 20 08 48
W-5300 Bonn 2
um die namentlich aufgeführten drei
„besonderen Therapierichtungen"
besonderer sein sollen als andere Al- ternativmethoden, wie zum Beispiel Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder diverse unkonventionel- le Immuntherapien. So weist P. Kir- sten (Unorthodoxe Krankenbehand- lung, Sachleistungsprinzip und Be- schaffungsweg. SGb 7/91, p. 257 ff) entgegen dem Gemeinschaftskom- mentar zum SGB zu Recht darauf hin, daß sich jede Außenseiterme- thode das Gewand der besonderen Therapierichtung umlegen kann, um Zugang in den Leistungskatalog der Krankenkassen zu verlangen und dies auch tut; dies entspreche sogar der Üblichkeit. Es bleibt zu hoffen, daß eine bedenkliche Entscheidung des Gesetzgebers im Rahmen einer EG-weiten Vereinheitlichung korri- giert werden kann.
Dr. med. Ernst Eben A.-Exter-Straße 6a W-8000 München 60
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5 Dokumentierte Erfahrung alsBeurteilungskriterium Der heterogene Begriff „Natur- medizin" ist eine Wortneubildung.
Einschlägige Lexika wie das der Na- turheilkunde, Pschyrembel, Roche oder Thiele führen ihn nicht; er soll- te daher nicht benutzt werden. Dar- aus habe nun die Bundesregierung den Komplex der „besonderen The- rapierichtungen" herausgelöst, wor- unter Phytopharmaka, Homöopathi- ka und Anthroposophika subsumiert worden seien.
Ich möchte zuständigkeitshalber nur zur Phytotherapie im Sinne einer allopathischen Nutzung etwas sagen.
Sie ist Teil der Naturheilverfahren, letztere sind Gegenstand der Weiter- bildungsverordnung der Landesärz- tekammern, ab 1993 auch Prüfungs- gegenstand des medizinischen Staatsexamens, mithin wissenschaft- lich anerkannt, denn sie müssen zu- erst gelehrt werden, um dann geprüft werden zu können.
Naturheilverfahren sind Teil der Gesamtmedizin, nur wer letztere kennt und kann, ist qualifiziert, Na- turheilverfahren sachgerecht zu ver- ordnen und anzuwenden. Denn ohne diese Kenntnisse ist keine Abwägung von Nutzen und Risiken möglich, oh- ne welche es keine Differentialthera- pie gibt. Naturheilverfahren sind demnach Ergänzung, nicht Alterna- tive, und dies auf der Basis schulge- mäßer Diagnostik.
Es werden zu Recht Defizite kri- tisiert bei „wissenschaftlich gesicher- ten Informationen über objektivierte Wirksamkeit und das Fehlen nicht vertretbarer, unerwünschter Wir- kungen, besonders bei langandau- erndem Gebrauch." Dies kann je- doch nicht pauschaliert werden. Soll- te Ihnen unbekannt sein, daß die Kommission E beim BGA, der ich vorsitze, sich besonders intensiv um dieses Problem bemüht?
Beim Vergleich deutschen Arz- neimittelrechts mit Richtlinien der EG wird in dem Beitrag der Eindruck erweckt, als seien pflanzliche Arznei- mittel in Deutschland weitgehend nicht ausreichend geprüft. Das stimmt so nicht! Das deutsche AMG ist auf diesem Gebiet anerkannterma-
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Gesetzgebung bedenklichA1-2708 (52) Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992
ßen weltweit beispielhaft. Wir sind nämlich, immer auf der Basis der Nut- zen-Risiko-Abwägung und der bean- spruchten Indikationen, sehr streng, weswegen wir häufig angegriffen wer- den. Das steht auch im Einklang da- mit, daß von den etwa 300 Monogra- phien über Pflanzenstoffe, die wir ver- abschiedet haben, etwa 220 positiv und etwa 80 negativ sind.
Ferner wird kritisiert, daß „nach wissenschaftlichen Methoden aufbe- reitetes Erfahrungsmaterial" auch als Erkenntnismaterial gilt (§ 22 AMG), daß „die medizinischen Er- fahrungen der phytotherapeutischen Therapieeinrichtung zu berücksichti- gen sind" und „Sachverständige bei- zuziehen sind, die auf dem Gebiet dieser Stoffgruppe über wissen- schaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben" (§ 25, 6 AMG).
Was sollte der Gesetzgeber sonst tun? Pflanzenextrakte sind Vielstoffgemische, deren empirisch belegte Wirkungen sich mit den übli- chen pharmakologischen Methoden zumindest im konventionellen Sinne nicht ausreichend darstellen lassen.
Deshalb, nämlich „um die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen" (§ 25, 6 AMG), hat
Schlußwort
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Die in den Leserzuschriften zum Ausdruck kommende Meinungsviel- falt resultiert aus dem Fehlen ei- ner allgemeingültigen Einschätzung„besonderer Therapierichtungen".
Um widerspruchsfreie Anerkennung wird zwar in aller Welt gerungen, aber bisher vergeblich. Die Mei- nungsvielfalt ist mit der Anzahl der alternativen Heilmethoden, die in die analytischen Untersuchungen einbezogen wurden, vergrößert wor- den.
Der Board of Science and Edu- cation der British Medical Associa- tion hat 1986 einen Index alternati- ver Therapien veröffentlicht, in dem
116 verschiedene Methoden aufgeli- stet sind. In Schweden wurden acht Medizinmethoden-Gruppen mit 22 Untergruppen und 184 speziellen Methoden ermittelt. Sie beinhalten somatische Therapie, psychothera-
der Gesetzgeber dokumentierte Er- fahrung als Beurteilungskriterium in den Zulassungsmodus einbezogen.
Das ist keine unzulässige Bevorzu- gung, sondern sachlich richtig.
Das Arzneimittelgesetz gibt mit dem Begriff „besondere Therapie- richtungen" ein Spiegelbild der ver- fassungsmäßig gegebenen Lebens- wirklichkeit wieder!
Die Bundesärztekammer ist zur Neutralität verpflichtet. Vielleicht sollte sie darum Vertreter der beson- deren Therapierichtungen in ihren wissenschaftlichen Beirat aufneh- men, um nämlich der erwähnten Le- benswirklichkeit zu genügen? Mehr als 45 Prozent aller Positionen der Roten Liste 1992 enthalten Pflan- zenzubereitungen, der Marktanteil ist vor allem wegen der Selbstmedi- kation ungefähr mit 60 Prozent ein- zuschätzen.
Dr. med. Fritz Oelze
Vorsitzender der Kommission E beim BGA,
emeritierter Chefarzt der Abteilung für Naturheil- verfahren am Allgemeinen Krankenhaus Ochsenzoll Arzt — Naturheilverfahren Kakenhanergrund 21 W-2000 Hamburg 65
peutisch orientierte Methoden, so- matisch orientierte Psychotherapie, mentales Training, Heilmethoden, traditionelle Medizinsysteme und diagnostische Methoden. Die Mehr- zahl dieser Methoden dürfte auch in der Bundesrepublik Deutschland vertreten sein. Diese Methoden, zu denen die in der vorgelegten Arbeit untersuchten „besonderen Therapie- richtungen" Homöopathie, Anthro- posophische Medizin und Phyto- therapie gehören, haben ein Ge- meinsames: Es ist ihre Zweckbestim- mung zur Verhütung, Erkennung, Besserung oder Heilung von krank- haften körperlichen und/oder psychi- schen Zuständen.
Die Autoren dieses Berichtes vertreten die Ansicht, daß einige die- ser Methoden von speziellen Vor- stellungen der Natur und Ursache der Erkrankung hergeleitet werden.
Ihre Befürworter lehnen die An- schauungen der konventionellen, or-
thodoxen Medizin ab und bieten statt dessen — so möchte man sagen
— alternative medizinische Systeme an. Diese Systeme seien unvereinbar mit dem Korpus der wissenschaftli- chen Erkenntnis und müßten von je- dem, der die Gültigkeit wissenschaft- licher Erkenntnis akzeptiert, zurück- gewiesen werden.
Was alternative Therapie kenn- zeichnet, sei nicht so klar. Einige Ar- beitstechniken, zum Beispiel chiro- praktische Handgriffe, seien bereits Teil des orthodoxen Repertoires ge- worden. Sie werden nur noch als al- ternativ empfunden, wenn Behaup- tungen über ihren Wert wesentlich übertrieben werden. Andere alterna- tive Therapien werden zwar zur Zeit von niedergelassenen Ärzten noch nicht verwendet, aber man wird sich gegen eine Aufnahme in das thera- peutische Programm nicht sperren, sobald zuverlässige Beweise für ihre Wirksamkeit vorgewiesen werden können. Ferner hat die Tatsache, daß die eine oder andere Arbeitswei- se von einem diskreditierten System herrührt, nicht notwendigerweise zur Folge, daß sie wirkungslos ist.
Die Quintessenz der Überlegun- gen zur Bewertung und Anwendung einer alternativen Therapie des Board of Science ist: Man habe zu fragen, ob sie und in welchem Um- fang sie nutzbringend angewandt werden kann.
Die niederländische Kommissi- on für alternative Systeme kommt in ihrem Bericht von 1981 zu zwei Re- sultaten:
— Die Bezeichnung alternativ sollte eher in einem dynamischen als statischen Sinn verstanden werden, und
— Das Ausmaß, in dem speziel- le Systeme und Therapien als alter- nativ zu verstehen seien, bedürfe je- weils einer speziellen Abschätzung.
Letzteres scheint allerdings schwie- rig zu sein, denn zwischen den An- sichten der Praktiker, also ausgewie- sener Sachkenner dieser Systeme, würden erhebliche Differenzen be- stehen.
Als der Arbeitsgruppe des Wis- senschaftlichen Beirates von der Bundesärztekammer der Auftrag er- teilt wurde, eine vorausgehende Stel- lungnahme zur homöopathischen Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992 (53) A1-2709