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Archiv "Dezentrales Krankenhaus: Neue Ideen für die Pflege" (11.06.1993)

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LITIK DIE REPORTAGE

Dezentrales Krankenhaus:

Neue Ideen für die Pflege

„Dezentrales Krankenhaus" — so nennt sich eine besondere Form der häuslichen Krankenpflege, die eine Gemeinschaftspraxis im Märkischen Viertel des Berliner Stadtteils Reinickendorf anbietet.

Drei Internisten, zwei Allgemeinmediziner und zwei Assistenten ar- beiten zur Versorgung pflegebedürftiger Patienten eng mit zwei

Mitarbeiterinnen der privaten Hauspflege „Elisabeth Zeh" zusam- men. Im Unterschied zur sonst üblichen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegediensten steht bei diesem Modellprojekt der dau- erhafte und persönliche Kontakt zwischen

allen

Beteiligten im Vor- dergrund.

D

as Märkische Viertel im Stadtteil Reinickendorf, in dem die internistische und allgemeinärztliche Gemein- schaftspraxis liegt, ist eine typische Trabantenstadt: ein Hochhaus reiht sich ans andere. Hier und im benach- barten Stadtteil Wedding liegen die

„Stationen" des „dezentralen Kran- kenhauses". „Wir haben so viele ,Sta- tionen' wie pflegebedürftige Patien- ten", erläutert Dr. Hans-Georg Fritz, einer der Hauptverantwortlichen der Initiative, die Struktur des „Projekt- Krankenhauses". Anders als in einer richtigen Klinik seien die Stationen des „dezentralen Krankenhauses"

die vertraute Umgebung, das häusli- che Umfeld.

„Der Gedanke der Frührehabili- tation steht daher bei unserem Mo- dellprojekt an erster Stelle", führt Fritz aus. Zu diesem Zweck habe vor gut drei Jahren eine intensive Zu- sammenarbeit mit dem nach seiner Leiterin benannten Hauspflegedienst

„Elisabeth Zeh" begonnen. Zwei ex- aminierte Krankenschwestern, Beate Rauhut und Heidi Fliege, pflegten ungefähr drei Viertel der betroffe- nen Patienten der Berliner Gemein- schaftspraxis. Schwester Beate er- klärt, daß sie am liebsten für diese Praxis arbeite, weil hier so ein großes Interesse an einer auf persönlichem Kontakt beruhenden Patientenver- sorgung bestehe.

Bei den anderen Krankenpflege- diensten, deren Leistungen die Ärzte neben „Elisabeth Zeh" auch nutzen, verlaufe die Zusammenarbeit dage- gen weitgehend anonym, ergänzt Ste- phan Prost. Der junge Mann ist An- fang April als Arzt in die Praxis ein- gestiegen. Daß eine Zusammenarbeit mit anderen Diensten nicht so gut

funktioniere, läge vor allem daran, daß die meisten Dienste erheblich mehr Kräfte beschäftigten als die

„Zeh"-Hauspflege, bei der lediglich fünf Examinierte angestellt seien. So käme es durchaus vor, daß ein solch großer Dienst jeden Tag eine neue Pflegekraft zu dem betroffenen Pa- tienten schicke. Dies sei nicht unbe- dingt förderlich für ein Vertrauens- verhältnis zwischen dem Patienten und dem Pflegenden. Aus Erfahrung weiß Schwester Beate, daß gerade al- te Menschen, die das Gros der Pfle- gebedürftigen ausmachen, unter die- sem ständigen Wechsel leiden. Aber auch für todkranke Patienten sei die persönliche Bindung an eine feste Pflegeperson von großer Bedeutung.

Direkter „Draht"

zu allen Beteiligten

Nur wenige Straßen von der Pra- xis entfernt wohnt eine Patientin, die von dem speziellen Pflegeservice der Gemeinschaftspraxis profitiert. Else Schmitz*) ist zwar eine zierliche, aber ungemein rüstig wirkende alte Dame von 87 Jahren. Ihr rosiges Ge- sicht strahlt, als Schwester Beate und der Arzt Prost ihre kleine Wohnung betreten. Im März vergangenen Jah- res hatte es Frau Schmitz nach einem Bad nicht mehr geschafft, ohne frem- de Hilfe aus der Wanne zu steigen:

ihre Knie waren zu schwach. Da sie allein lebt, dauerte es drei Tage, bis ihr Neffe, der ab und zu bei ihr vor- beischaut, sie völlig verstört in der Badewanne sitzend fand. Er brachte sie sofort ins Krankenhaus, wo sie zwei Wochen lang behandelt wurde.

Seit ihrer Entlassung wird sie zu Hause von Schwester Beate betreut.

„Zweimal in der Woche, dienstags und freitags, schaue ich bei Frau Schmitz vorbei", erzählt diese. „In der Regel helfe ich ihr dann beim Ba- den, salbe sie ein und mache das Bett." Die waschechte Berlinerin freut sich sehr über die regelmäßigen

Blutdruckmessen gehört zur Routinearbeit der Pflegekräfte.

Besuche von Schwester „Beatchen"

und dem „Herrn Doktor", wie sie ih- re beiden Betreuer liebevoll nennt.

„Ach, bin ick froh, dat es 'ne Haus- pflege jibt — det is' schön", seufzt sie. Früher hätte sie immer mit dem Taxi zum Arzt fahren müssen; das sei sehr aufwendig und teuer gewesen.

Durch die Hausbesuche und die pri- vate Pflege fühle sie sich viel sicherer und in sehr guten Händen.

Zügig geht es weiter zur näch- sten Patientin, Johanna Klare*). An-

*) Namen von der Redaktion geändert

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 23, 11. Juni 1993 (25) A1-1717

(2)

POLITIK

laß des Besuches bei der 78jährigen ist eigentlich „nur" eine ärztliche Vi- site von Stephan Prost. Zwar war Schwester Beate schon einmal für die Patientin verantwortlich; zur Zeit liegt die pflegerische Betreuung der alten Dame, die unter Diabetes mel- litus, Hypertonie und Osteoporose leidet, jedoch nicht in ihren Händen.

Allerdings ist die Freude darüber, daß die junge Schwester zur Visite mitgekommen ist, der alten Dame deutlich anzusehen.

Während des Gesprächs stellt sich heraus, daß Frau Klare mit ihrer

momentanen pflegerischen Betreu- ung und Haushaltshilfe äußerst un- zufrieden ist. „Stellen Sie sich vor", entrüstet sie sich, „vor kurzem hat mir die Aushilfe für den Haushalt doch tatsächlich den ganzen Brotbe- lag aus dem Kühlschrank geklaut."

Nicht so recht klappen will es auch mit der Anleitung für den Gebrauch eines speziellen „Stiftes", der das Spritzen des lebensnotwendigen In- sulins erleichtert. Entweder hätten die Pflegekräfte keine Zeit, oder „sie kennen sich selbst mit dem Ding nicht aus", beklagt sich Frau Klare.

Dabei würde die Anwendung dieses hilfreichen Instruments sehr zur Selbständigkeit der Patientin beitra- gen, erklärt Schwester Beate. Auf die Frage von Prost, ob Frau Klare viel- leicht lieber wieder von Schwester Beate betreut werden wolle, reagiert sie mit Erleichterung und Freude. So wird vereinbart, daß bei nächster Ge- legenheit wieder die „Zeh"-Kranken- pflege sowie der von derselben Leite- rin ins Leben gerufene Haushalts-

DIE REPORTAGE

dienst „Medical" zum Einsatz kom- men werden.

Gemeinschaftspraxis hat beste

Voraussetzungen Elisabeth Zeh und der Internist Dr. Fritz waren die eigentlichen In- itiatoren des Modellprojektes. Beide haben zusammen am Hildegard- Krankenhaus in Reinickendorf gear- beitet: Elisabeth Zeh als Oberschwe- ster und Fritz als Stationsarzt. Dort

Eine Helferin bringt und serviert das Essen.

Fotos (2): dpa

entstand dann die Idee zum „dezen- tralen Krankenhaus", die nach der Niederlassung des Internisten und dem Wagnis der Schwester in die Selbständigkeit in die Tat umgesetzt wurde. „Entstanden ist das Projekt in erster Linie aus humanitären Erwä- gungen", kommentiert Fritz die An- fänge dieser engen Kooperation. Sie könne nämlich zwei wesentliche Vor- aussetzungen für eine humane und qualitativ hochwertige häusliche Pflege erfüllen: Zum einen sei die ge- sundheitliche und soziale Situation des pflegebedürftigen Patienten dem Arzt meist über lange Jahre bekannt:

„Das ermöglicht eine gezielte und ef- fiziente medizinische Betreuung."

Zum anderen erfasse die häusliche Pflege wesentlich mehr von einer Persönlichkeit, als dies im Kranken- haus möglich sei. Dies erleichtere es dem Arzt, Faktoren zur Therapie- und Pflegeplanung zu beurteilen.

Fritz verdeutlicht, wie es sich mit der Zusammenarbeit zwischen den Pflegekräften und den Ärzten der

Gemeinschaftspraxis konkret verhält:

Zweimal am Tag kämen die Schwe- stern in die Praxis, um über ihre Ar- beit zu berichten. Daraufhin würden die notwendigen Verordnungen ge- meinsam ausgearbeitet. „Längst überflüssige Verordnungen können auf diese Weise schneller beendet werden, als das sonst häufig der Fall ist." Außerdem vermutet Fritz, daß er und seine Kollegen im Vergleich zu anderen Praxen weniger Kranken- hausüberweisungen haben.

Damit eine derartige Zusam- menarbeit auch wirklich gut funktio- niere, müßten allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Ideal laufen könne ein solches Vorhaben eigentlich nur in einer Gemein- schaftspraxis, in der interdisziplinäre Fachrichtungen vertreten seien, meint Dr. Fritz. Nicht notwendig sei es, einen speziellen Kooperationsver- trag mit dem an einer Zusammenar- beit interessierten Dienst abzuschlie- ßen. Darüber hinaus müsse bedacht werden, daß diese Form der Zusam- menarbeit nur mit einer kleinen Zahl von Pflegekräften möglich sei. „Es ist natürlich nicht machbar, daß täglich zehn bis 15 Schwestern in der Praxis ein- und ausgehen, ohne daß da- durch der normale Arbeitsablauf ge- stört würde", fügt Fritz erläuternd hinzu. Zudem sei es sinnvoll, daß ganztägig ein Arzt in der Praxis er- reichbar sei. Wichtig sei es auch, die Patienten rechtzeitig über die pflege- rischen Möglichkeiten zu informie- ren. So sei sichergestellt, daß sie im Bedarfsfall die vorhandenen Leistun- gen auch tatsächlich nutzten.

Der engagierte Arzt bedauert, daß Möglichkeiten dieser Art bislang noch viel zu wenig genutzt würden.

Er vermutet, daß dies unter anderem daran liegt, daß die Mehrarbeit, die sich zwangsläufig aus einem derarti- gen Engagement ergibt, von den Kas- sen nicht entsprechend honoriert wird. „Trotzdem", so Fritz, „sehe ich in einem stärkeren Engagement der niedergelassenen Ärzte für die häus- liche Krankenpflege eine Chance, so- wohl zur Lösung der gesundheitspoli- tischen Herausforderungen durch die demographische Entwicklung bei- zutragen als auch neue Perspektiven innerhalb des ärztlichen Arbeitsge- bietes zu finden." Petra Spielberg A1-1718 (26) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 23, 11. Juni 1993

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