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Archiv "Muschallik macht dem Kanzler klar, was der Gesetzentwurf wirklich bedeutet" (10.02.1977)

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Den Brief, den Dr. Hans Wolf Muschallik am 12. Januar an Bundeskanzler Helmut Schmidt schrieb 'und der in Heft 4 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES vom 27. Januar 1977, Seite 196 f., veröffentlicht wurde, hat der Bundeskanzler an diesem Tag beantwortet. Der Kanzler teilt in seinem Antwortschreiben mit, daß Beschlüsse der Bundesregierung noch nicht vorliegen und daß die Stellungnahme auch der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung zu dem in diesen Tagen vorgelegten Referentenentwurf in die Entscheidung der Bundesregierung einbezogen werde.

Der Kanzler bezog sich bei seiner Auslegung der Regierungsab- sichten auch auf die freiwillige Empfehlungsvereinbarung zwi- schen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den RVO- Kassen für 1976 und 1977. Dr. Muschallik sah sich zu der nachstehend wiedergegebenen Erwiderung auf den Kanzler- brief veranlaßt:

Muschallik macht dem Kanzler klar, was der Gesetzentwurf wirklich bedeutet

Briefwechsel zwischen Schmidt und KBV-Vorsitzendem

DR. MED. HANS WOLF MUSCHALLIK

ERSTER VORSITZENDER DER KASSENÄRZTLICHEN BUNDESVEREINIGUNG Sehr geehrter

Herr Bundeskanzler,

für Ihre Antwort auf mein Schrei- ben vom 12. Januar 1977 bedan- ke ich mich, halte es gleichzeitig aber auch für notwendig, meine Bestürzung über den Inhalt die- ses Schreibens, insbesondere soweit es auf die Empfehlungs- vereinbarung zwischen Ärzten und Krankenkassen Bezug nimmt, auszudrücken.

Sie erwecken den Eindruck, als wolle der Gesetzgeber nichts an- deres tun, als dieses zeitlich be- grenzte Abkommen nun lediglich durch ein gesetzlich vorgegebe- nes Verfahren abzusichern.

Diesen Ihren Ausführungen muß ich entgegenhalten, daß die vor- liegenden Vorschläge des Bun- desministers für Arbeit und So- zialordnung für ein Krankenver- sicherungs-Kostendämpfungs- gesetz (KVKG) eine ganz andere Zielsetzung verfolgen.

— Die Selbstverwaltungsorgane der Ärzte und Krankenkassen werden ihrer Handlungsfreiheit beraubt und damit ein gut funk- tionierender demokratischer Steuerungsmechanismus zer- schlagen.

— Die bisher von allen politi- schen Parteien und Regierungen für erhaltenswert befundene ge- gliederte Krankenversicherung wird auf den Weg zu einer staat- lichen Einheitsversicherung ge- bracht; der hohe Stand der ge- sundheitlichen Betreuung der Bevölkerung wird verschlechtert.

— Die mühsam erreichte Bei- tragsstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung wird in Frage gestellt.

— Die Existenzgrundlage des in freier Niederlassung tätigen Kas- senarztes wird bedroht.

Die viel zitierte und von der Bun- desregierung hoch gelobte Emp- fehlungsvereinbarung hatte ein freiwilliges Stillhalteabkommen zur Wiedererlangung einer ko- stenstabilisierten sozialen Kran- kenversicherung zum Ziel. Dieses Ziel wurde bereits Ende 1976 er- reicht, wobei der Beitrag der Kas-

Die Information:

Bericht und Meinung

maßstäbe (das schränkt die Sat- zungsautonomie der Kassenärztli- chen Vereinigungen nahezu völlig ein); die Entwicklung der Gesamt- vergütung angebunden an Kriterien der Volkswirtschaft und der Arbeit- nehmerschaft; eine einzige, einheit- liche Bundesempfehlung für alle Kassen, die bei den Regionalverein- barungen zu berücksichtigen ist.

Dies bedeutet in der Praxis die Be- seitigung der Vertragshoheit der Kassenärztlichen Vereinigungen und der regionalen Kassenverbän- de; auch der bisherige Gesamtver- trag zwischen der einzelnen Kran- kenkasse und der KV entfällt ersatz- los. Die Sonderbestimmung gegen

„Leistungsausweitung" wird er- gänzt durch die nachstehende Re- gelung, die nicht nur die Tendenz zum „Medizinisch-Technischen Zentrum" verrät; ihre Anwendung wäre gleichbedeutend mit einem Eingriff in die berufliche Freiheit, ja letztlich sogar in die Berufswahl des einzelnen Arztes.

§ 368 n

e) Folgender Absatz 8 wird angefügt:

„(8) Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben darauf hinzuwirken, daß medizi- nisch-technische Leistungen, die der Arzt zur Unterstützung seiner Maßnah- men benötigt, wirtschaftlich erbracht werden. Die Kassenärztlichen Vereini- gungen können deshalb vorschreiben, daß solche Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung von be- stimmten Ärzten oder besonderen Ein- richtungen bezogen werden müssen, wenn eine solche Erbringung medizini- schen Erfordernissen genügt."

Bei fester Begrenzung des Zuwach- ses an Gesamtvergütung, Fortfall des Bedarfs und des Umfangs an ärztlichen Leistungen als bestim- mende Faktoren für die Höhe dieser Zahlung der Krankenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen wird die Zahl der Kassenärzte nicht nur durch die (noch) zunehmende Zahl niederlassungswilliger Ärzte, sondern durch die generelle Zulas- sung von Krankenhausärzten nach Absolvierung der Facharzt-Weiter- bildung vermehrt, soweit ein Bedürf- nis besteht und die Krankenhausver-

• Textfortsetzung auf Seite 341

DEUTSCHES ARZTEELATT

Heft 6 vom 10. Februar 1977 339

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Schmidt kontra Muschallik - Muschallik kontra Schmidt

Fotos: Bohnert-Neusch/Sven Simon

Die Information:

Bericht und Meinung

senärzteschaft wie ein Signal auch für die anderen Leistungs- bereiche gewirkt hat.

Den erfolgreichen Bemühungen der gemeinsamen Selbstverwal- tung zur Erreichung der Kosten- stabilität in der sozialen Kranken- versicherung würde nachträglich

ein Fußtritt versetzt, wenn diese freie Initiative, nunmehr als Be- gründung dafür dienen soll, die Gesamtvergütung für Kassenärz- te gesetzlich in ihrer Entwicklung auf Dauer festzuschreiben. Wel- cher Tarifvertragspartner würde sich dies gefallen lassen? Wel- ches Lob von Regierungsseite muß man scheuen, um nicht Nachteile zu erleiden?

Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, um Ihr Verständ- nis, wenn ich Ihnen ankündigen muß, daß es die Ärzteschaft nicht ohne erbitterten Widerstand hin- nehmen wird, wenn ausgerech- net zu ihren Lasten die Sanierung der Rentenversicherung auf Ko- sten der Krankenversicherung er- folgen soll.

Meine Bereitschaft, Herr Bundes- kanzler, zur Kostendämpfung in der sozialen Krankenversiche- rung beizutragen, besteht unein- geschränkt fort. Sie wird frag- würdig, ja hinfällig, wenn hieraus der Gesetzgeber eine Rechtferti- gung zur Existenzbedrohung der freipraktizierenden Kassenärzte ableitet.

Mit dem Ausdruck meiner vor- züglichen Hochachtung

Ihr

gez. Muschallik

Nachstehend ist der Kanzlerbrief do- kumentiert, auf den sich Dr. Muschal- liks vorstehende Ausführungen be- ziehen:

BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

DER BUNDESKANZLER

Sehr geehrter Herr Dr. Muschallik,

ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 12. Januar 1977, mit dem Sie mir die Besorgnis der deutschen Kassenärzte über die Veröffent- lichungen zu der Diskussion der Renten- und Krankenversiche- rungsfinanzierung schildern.

Beschlüsse der Bundesregierung zu Änderungen des Renten- und Krankenversicherungsrechts lie- gen noch nicht vor. Der Bundes- minister für Arbeit und Sozialord- nung veröffentlicht in diesen Ta- gen Vorschläge für einen Gesetz- entwurf, die mit den beteiligten Institutionen in Kürze erörtert werden sollen. Auch die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung wird Gelegenheit haben, ihren Standpunkt zu den einzelnen Fragen darzulegen. Die Ergeb- nisse dieser Anhörungen wird die Bundesregierung in ihre Ent- scheidung einbeziehen.

Eine Regelung der Finanzen in der Rentenversicherung wird über die Krankenversicherung der Rentner auch Auswirkungen in der gesetzlichen Krankenversi- cherung zeigen. Zudem wird sich die Bundesregierung bemühen, den überproportionalen Kosten- anstieg im Gesundheitswesen durch verschiedene Maßnahmen auf einen angemessenen Umfang zurückzuführen. Die Maßnahmen werden jedoch nicht eine grund- legende Änderung des Systems der sozialen Krankenversiche- rung bewirken, wie Sie befürch- ten, oder gar eine Gefährdung der Existenzgrundlage der Kas- senägzte darstellen.

Der Vorschlag für eine Begren- zung des Honorarzuwachses der Kassenärzte knüpft in den Vor- aussetzungen und in der Ausge- staltung an die Empfehlungsver- einbarung an, die die Kassenärzt- liche Bundesvereinigung im April 1976 mit den Krankenkassen be- schlossen hatte. Ihr persönliches und verdienstvolles Engagement bei dem Zustandekommen dieser Vereinbarung ist mir bekannt.

Wenn der Vorschlag das zeitlich begrenzte Abkommen nunmehr in ein gesetzlich vorgegebenes Verfahren unter Beibehaltung der vertraglichen Basis umwan- delt, sehe ich darin eine Bestäti- gung des von Ihnen vorgezeich- neten Weges und eine Aufgaben- erweiterung für die gemeinsame Selbstverwaltung der Kassen und Kassenärzte.

Ich begrüße Ihre Bereitschaft, die Kassenärzte an der Stabilisierung der Kostenentwicklung nach wie vor mitwirken zu lassen. In den nächsten Monaten wird sich die Mitarbeit der Ärzteschaft als be- sonders notwendig erweisen. Sie können davon ausgehen, daß mein vor der Wahl geäußertes Vertrauen in die Funktionsfähig- keit der Selbstverwaltung sich nach der Wahl nicht gemindert hat.

Mit freundlichen Grüßen Ihr

gez. Helmut Schmidt

Die Antwort MuschallikS: siehe

oben. DÄ

340 Heft 6 vom 10. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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