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in Entwicklungsprojekt zur Förderung der privaten Gesundheitsversorgung in Aserbaidschan vermittelt kli- nisch erfahrene Ärzte für zwei- wöchige Aufenthalte an das Kaspische Meer. Gynäkolo- gen, Internisten, Kinderärzte, HNO- und Augenärzte sind eingeladen, zusammen mit ihren kaukasischen Fachkolle- gen Patienten zu behandeln.Der Kurzeinsatz, inklusive Flug und Dolmetscher, kostet den Arzt nichts. Es wird aber auch kein Honorar gezahlt.
Das aserbaidschanische Ge- sundheitswesen hat diesen Er- fahrungsaustausch bitter nötig.
Nach Zusammenbruch der So- wjetunion wurde das Land 1991 unabhängig. In die Medi- zin wurde seit dieser Zeit nur marginal investiert – auch nicht in die Fortbildung ihrer Ärzte. Das Ergebnis ist eine katastrophale Versorgungsla- ge, korruptes Personal, miss- trauische Patienten und ana- chronistische Einrichtungen für Diagnose und Therapie sowie das Fehlen jeglicher Prävention.
Alle Leistungen der staatli- chen Versorgung sind offiziell kostenfrei. Tatsache ist jedoch, dass auch ärmste Patienten zahlen müssen. Weil Reiche mehr zahlen, gibt es eine aus- geprägte staatliche Klassen-
medizin in dem aufstrebenden Rohölland, von der auch das Ministerium profitiert.
Seit 1999 wurden die gesetz- lichen Voraussetzungen für ei- ne privatwirtschaftliche Ge- sundheitsversorgung in Aser- baidschan geschaffen. Inzwi- schen sind etwa 50 kleine bis mittelgroße Polikliniken ent- standen. Eine kleine Gruppe von privat arbeitenden Chef- ärzten hat das aserbaidscha- nisch-deutsche Projekt initi- iert, um der Bevölkerung eine qualitätsvolle Gesundheitsver- sorgung zu fairen Preisen zu
bieten. Ihr Sprecher ist Dr. Ma- lik Kerimov, Inhaber einer Po- liklinik mit 20 Ärzten in Baku sowie einer zweiten in Gusary mit 22 Ärzten.
Inzwischen haben acht deutsche Ärzte nach Vermitt- ling von „Win=Win Agentur für globale Verantwortung“ in Aserbaidschan gearbeitet.Aus- züge aus ihren Berichten:
„Preiswerte Basisversorgung fehlt völlig!“; „Es gibt viele hörgeschädigte Kinder (auf- grund von Konsanguinität?), aber keine Früherkennung des Gehörs“; „Es gibt viele rheu-
matische Erkrankungen als Folge von unbehandelten bak- teriellen Infekten“; „Die Zu- sammenarbeit mit den aser- baidschanischen Kollegen war angenehm und effektiv“; „Die unglaubliche Gastfreundschaft und Herzlichkeit gestalteten den Aufenthalt zusätzlich zu einem Erlebnis, das man nicht missen möchte.“
Derzeit nehmen vier Poli- kliniken an dem Projekt teil.
Reihum betreuen die Ärzte aus Deutschland, deren Be- such in den Medien angekün- digt wurde, in jeweils zwei Poli- kliniken für drei bis vier Tage in der Woche zusammen mit ihren aserbaidschanischen Fach- kollegen die Patienten. Eine Dolmetscherin sorgt für die Verständigung. Ebenso wich- tig ist der fachliche Dialog mit den Kollegen, der sich nicht nur auf medizinische Themen beschränken sollte.
Die Medizintechnik in Aserbaidschan ist auch in den privaten Polikliniken des Pro- jektes nicht auf dem neuesten Stand. Gebrauchte, funktions- fähige Geräte wie EKG, Ul- traschall oder Röntgen kön- nen gut gebraucht werden.
Sachspenden sind also will- kommen. Ärztinnen und Ärz- te, die sich für den Lehraufent- halt in Aserbaidschan inter- essieren, melden sich bei
„Win=Win“: Telefon: 0 70 21/
9 70 87 20, E-Mail: info@win-- win.de. Dr. Heinecke Werner
A
A532 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 820. Februar 2004
S T A T U S
L E X I K O N
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Ver- bände der Krankenkassen vereinbaren auf Landesebene die vertragsärztliche Gesamtvergütung. Durch diesen im Voraus festgelegten Zahlungsbetrag sind die Vergütungs- ansprüche der KVen gegen die Krankenkassen abgegolten.
Es ist dann Aufgabe der KVen, die Gesamtvergütung an die Vertragsärzte zu verteilen.
Grundlage der Berechnung der Gesamtvergütung ist die Zahl der
Krankenkassenmitglieder im KV-Bereich. Für jedes Mit- glied wird eine Kopfpauschale berechnet.Allerdings wurde der Verhandlungsspielraum der KVen bei der Vereinbarung der Gesamtvergütung gesetzlich immer weiter einge- schränkt. Seit Einführung der gesetzlichen Budgetierung im Jahr 1992 durften die Kopfpauschalen jährlich höch- stens um den Prozentsatz angehoben werden, mit dem sich die Einnahmen der Krankenkassen erhöhten. Seit 1998 gibt der Gesetzgeber den Vertragspartnern eine Ober- grenze vor. Die Veränderungsraten liegen seitdem unter
der Inflationsrate. Diese gesetzliche Vorgabe verhindert, dass die seither eingetretenen Veränderungen in der Mor- biditätsstruktur der Versicherten, der Risikostrukturen der Krankenkassen, des medizinischen Fortschritts, der Fall- zahlentwicklung, der Behandlungsstandards und der Ar- beitsteilung zwischen ambulanter und stationärer Versor- gung in der Vergütung adäquat abgebildet werden. Die Politik hat deshalb eine weit reichende Umgestaltung der vertragsärztlichen Vergütung eingelei- tet. Die Krankheitsentwicklung der Bevölkerung soll ab 2007 für die Vereinbarung der Vergütung maßgeblich sein.
Geplant ist auch, dass die Gesamtvergütung nicht länger im Voraus feststeht. Die Kollektivvertragspartner sind künftig angehalten, erwartete Leistungsmengen auf der Basis des morbiditätsbedingten Mengen- beziehungswei- se Ausgabenrisikos der Versicherten zu vereinbaren. Die Krankenkassen vergüten die nach der Vereinbarung von Ärzten abgerechneten Leistungen nach festen Preisen.EB
Gesamtvergütung
Kurzeinsatz in Aserbaidschan
Ausbildungshilfe für die kaukasischen Kollegen
Foto:Win=Win