• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ausbildung als Entwicklungshilfe" (09.03.1978)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ausbildung als Entwicklungshilfe" (09.03.1978)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Nur eine Entwicklungshilfe, deren Projekte sorgfältig gewählt, den Ver- hältnissen des Entwicklungslandes angepaßt und erfolgreich durchge- führt wurden, wird beim Empfänger Anerkennung finden und dem Spen- der Genugtuung geben. Mit den bis- herigen Projekten der „medizini- schen Entwicklungshilfe" der Bun- desrepublik Deutschland ist das kaum erreicht worden. Unkenntnis der medizinischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten und Unwissen- heit von dem in den Entwicklungs- ländern medizinisch und verwal- tungstechnisch Erreichbaren — Pla- nung vom „grünen Tisch" hat meist die eingetretenen Mißerfolge be- dingt.

Eine medizinische Entwicklungshil- fe, deren Ziel es sein soll, die Ge- sundheit und die hygienischen Be- dingungen im Entwicklungsland zu verbessern, sollte sich auf einen möglichst großen Kreis der Bevölke- rung dieses Landes erstrecken. Sie soll bleibend in die Zukunft hinein und damit gleichzeitig anhaltend werbend für den Spender wirken.

Sie soll schließlich auch kulturelle und menschliche Bindungen zwi- schen den beiden Partnern fördern.

Diese Ziele lassen sich jedoch nur durch „Langzeitprogramme" errei- chen. Die bisherige „Ablaßgro- schen-Politik" der Kurz- und Ge- schenkprogramme für die medizini- sche Entwicklungshilfe ist daher abzulehnen. „Langzeitprogramme"

mit nicht nur „materiellem", son- dern auch mit „menschlichem" Ein- satz sind erforderlich.

FORUM

Bisher wurden vor allem „Ge- schenkprogramme" als medizini- sche Entwicklungshilfe durchge- führt, da die Verantwortlichen oft glauben, auf kurzfristige „Erfolge"

angewiesen zu sein. Einmalige Ge- schenke — wie zum Beispiel Klino- mobile, Krankenhauseinrichtungen und anderes — und auch deren Spender sind aber schnell verges- sen, zumindest Dankbarkeit wird nicht empfunden. Solche Geschen- ke sind nämlich meist mit erhebli- chen Folgekosten für den Be- schenkten verbunden, wenn sie sinngemäß in Betrieb genommen werden sollen. Jedenfalls rufen sie beim ärmeren Empfänger uner- wünschte Verpflichtungen und bela- stende Komplexe hervor, besonders wenn die geschenkten Einrichtun- gen der Entwicklungshilfe osteuro- päischer Länder zur Verfügung ge- stellt werden und deren Personal sie unter eigener Flagge erfolgreich nutzt. Daher sollte sich die Bundes- republik für langfristige, wohlfun- dierte, vorbildlich organisierte, er- folgversprechende Programme mit dem Einsatz von deutschen Ärzten, deutschen Schwestern und ande- rem Hilfspersonal einsetzen.

Die Hauptaufgabe der medizini- schen Entwicklungshilfe besteht in der Ausbildung von Ärzten und jegli- chem medizinischen Hilfspersonal (Schwestern, Pflegern, Hebammen, technischen Assistentinnen, Rönt- genassistentinnen, Masseuren, Krankengymnasten, Gesundheitsin- spektoren, Gemeindeschwestern, Krankenhaus-Verwaltungspersonal) für die Entwicklungsländer. Solche LKH-Personalengpaß

Diese Tatsache zeigt zumindest auch, daß die für die Verbesserung der Personalsituation in den Lan- deskrankenhäusern zuständigen übergeordneten Behörden nicht richtig über diese Möglichkeit in- formiert sein können und schon aus diesem Informationsrückstand ein nicht unbedeutender Teil unse- res sozialen Defizits resultiert.

Es bleibt bei dieser Lage der Dinge nun wirklich nur noch die Frage, wann sich endlich die für die Be- seitigung der aufgezeigten Proble- me — und ebenso für das unbe- achtete Gesetz — zuständigen Bundesministerien darum küm- mern werden, daß dieses Gesetz besser bekannt und umfassend an- wendbar gemacht wird? Dazu müs- sen Etatmittel den dafür vom Ge- setz vorgesehenen Kostenträgern zur Verfügung gestellt werden;

denn man kann in den Landeskran- kenhäusern wegen unserer sehr pingeligen Verwaltungsvorschriften ja noch immer nicht einfach den für offene Planstellen zur Verfügung stehenden Betrag einfach zur Be- zahlung von zehn Teilzeitarbeits- kräften verwenden, die jene offenen Planstellen vielleicht besser als eine hauptamtliche Kraft ausfüllen.

Jedenfalls ist mit einer konsequen- ten Ausschöpfung der im „Gesetz zur Förderung sozialer Hilfsdien- ste" gegebenen Möglichkeiten der akute Personalengpaß bei den Landeskrankenhäusern schneller, sicherer und billiger zu schließen als mit vielen anderen Konzepten.

Wer immer ein Interesse daran hat, daß die Landeskrankenhäuser end- lich sichtbare Behandlungserfolge bei Alkoholkranken erzielen und dadurch die Sozial- und Kranken- kassenbudgets weniger strapaziert werden in naher Zukunft, sollte von sich aus bei den zuständigen Stel- len darauf dringen, daß das „Ge- setz zur Förderung sozialer Hilfs- dienste" endlich und bald anwend- bar ist.

Anschrift des Verfassers:

Rudolf A. Zierholz

Postfach 65 01 25, 5000 Köln 60

Ausbildung als Entwicklungshilfe

Wilhelm Föllmer

Angesichts der zur Zeit laufenden Planungen für die Einrichtung einer Universität mit medizinischer Fakultät, die mit deutscher Hilfe in Persien erfolgen soll, sind die Vorstellungen eines Arztes von-beson- derer Aktualität, der lange Jahre Generaldirektor des Gesundheitswe- sens und Berater des Gesundheitsministeriums in einem Entwick- lungsland gewesen ist.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 9. März 1978 585

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Ausbildung als Entwicklungshilfe

Programme wurden bisher weit- gehend in der Bundesrepublik Deutschland selbst durchgeführt.

Die Ausbildung an deutschen Uni- versitäten und deutschen Kranken- häusern ist für den Spender mit der geringsten Verantwortung, mit den wenigsten Schwierigkeiten und mit relativ beschränkten Kosten ver- bunden.

Dem jungen Menschen aus dem Entwicklungsland stellen sich dage- gen Probleme entgegen, die von ihm nicht immer erfolgreich gemeistert werden können: Die deutsche Spra- che muß zum Beispiel innerhalb kur- zer Zeit so vollkommen erlernt wer- den, daß ein Studieren oder eine an- dere Ausbildung erfolgreich durch- geführt werden kann; er muß sich einer fremden Umgebung und einer völlig anderen Lebensform anpas- sen; die verwirrende Freiheit bei der Durchführung der Ausbildung oder des Studiums muß gemeistert wer- den. Versagt er, so kehrt er verbittert und keineswegs mit Sympathien für Deutschland beladen in sein Hei- matland zurück. Hat der junge Mensch aus dem Entwicklungsland alle Schwierigkeiten erfolgreich überwunden, so ist die Adaptation an die deutschen Verhältnisse oft so vollkommen, daß er nach beendeter Ausbildung oft bestrebt ist, in der Bundesrepublik zu bleiben.

Besondere Härten und oft nicht zu verantwortende Schicksale ergeben sich dann, wenn der Angehörige des Entwicklungslandes einen deut- schen Partner geheiratet hat.

Schließlich besteht die große Frage, ob alle die mit großen Schwierigkei- ten in der Bundesrepublik Deutsch- land erworbenen Kenntnisse, be- sonders die medizinischen, für die Arbeit im Entwicklungsland wirklich wertvoll sind oder dort zum Teil nur leeren Ballast darstellen.

Darum ist es richtiger, wenn die Aus- bildung des medizinischen Perso- nals und des Verwaltungspersonals im Rahmen der medizinischen Ent- wicklungshilfe vor allem in den Ent- wicklungsländern selbst durchge- führt wird und entsprechende Aus-

bildungsstätten dort geschaffen werden.

Die Ausbildungsstätten sollen voll- kommen mit deutschem Personal besetzt sein; dazu gehört auch eine deutsche Verwaltung. Die gesamte Ausrüstung und der laufende Bedarf wird von der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Nur so kann man Mißerfolgen vorbeugen: Es gibt in diesen Ländern nationale Extre- misten, die daran interessiert sind, solche „westlichen" Projekte zum Scheitern zu bringen. Zum anderen ist das Gewinnstreben der einzelnen in diesen Ländern oft so ausgeprägt, daß hierdurch Versorgungsschwie- rigkeiten auftreten können.

Jedenfalls soll ein solches Projekt nicht vom idealistischen und mini- steriell-bürokratischen Standpunkt, sondern aus realistisch-merkantiler Sicht geplant und durchgeführt wer- den. Es soll mit keiner Dankbarkeit gerechnet werden, denn die Ent- wicklungsländer glauben auf Grund ihrer Erfahrung nicht an selbstlose Hilfe von den Industrieländern.

Unabhängigkeit der Ausbildungsstätten sichern Eine wichtige Aufgabe für die Bun- desregierung besteht darin, den Er- folg dieser Ausbildungsstätten und damit die sinnvolle Anwendung der aufgebrachten Mittel zu sichern durch Abkommen mit den Regierun- gen der Entwicklungsländer, durch die die Unabhängigkeit und der Schutz dieser Ausbildungsstätten gegen Einflüsse von außen festge- legt wird. Außerdem soll in diesen Abkommen festgelegt werden, wel- che laufenden Kosten von dem Ent- wicklungsland übernommen werden können und sollen. Die Bundesre- gierung muß gleichzeitig strikt dar- auf achten, daß weder diese Ausbil- dungsstätten noch deren deutsche Angestellte sich in politische Ange- legenheiten des Entwicklungslan- des einmischen oder sich sonst poli- tisch betätigen, und sie muß dafür sorgen, daß die deutschen Ange- stellten der Ausbildungsstätten di- plomatischen Schutz genießen.

Die Ausbildungsstätten werden Krankenhäuser, Institute oder Ge- sundheitsämter sein, die je nach dem gewählten Projekt und den zur Verfügung stehenden Mitteln gestal- tet sein werden. Sie werden vor al- lem für die Ausbildung von Fachärz- ten und medizinischem Personal eingerichtet sein. Diese Ausbil- dungsstätten sollten nicht in der Hauptstadt, sondern in einer Pro- vinzstadt eingerichtet werden, da hier die typischen Verhältnisse des Entwicklungslandes auf dem Ge- sundheitsgebiet sich zeigen.

Die Einrichtung eines Gesundheits- amtes mit angeschlossener Schule wird die kleinste Ausbildungsstätte eines solchen Programmes sein. Mit mäßigem Kostenaufwand und relativ wenigem Personal wird eine große Breitenwirkung erzielt werden. Die Weltgesundheitsorganisation hatte erkannt, daß präventive Medizin mit wenig Aufwand betrieben werden kann, wenn sie in einzelne, eng be- grenzte Sachgebiete aufgeteilt wird.

So wurden zum Beispiel Programme zur Malariabekämpfung, zur Tbc- Bekämpfung, zur Verbesserung der Ernährung usw. mit kleinsten Ar- beitsgruppen durchgeführt. Der bleibende Erfolg blieb aber meist aus, da, nachdem das Team der Weltgesundheitsorganisation das entsprechende Gebiet oder Land verlassen hatte, gewöhnlich alles beim alten blieb. Es fehlt gewöhn- lich eine wirksame Gesundheitsor- ganisation, die diese Projekte er- folgreich weiterführen kann. Die Einrichtung eines vorbildlichen Ge- sundheitsamtes würde auf dem Ge- biet der präventiven Medizin weite Arbeits- und Forschungsmöglich- keiten finden. Je nach seiner Kapazi- tät kann es das Arbeitsprogramm selbst gestalten.

In der angegliederten Schule wer- den Hilfskräfte ausgebildet, mit de- nen Außenstellen bei den einzelnen Landgemeinden besetzt und damit das Einflußgebiet dieses Gesund- heitsamtes erheblich ausgedehnt werden kann. Außerdem werden im Gesundheitsamt einheimische Ärzte und anderes technisches Personal ausgebildet werden, um an anderen

586 Heft 10 vom 9. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Ausbildung als Entwicklungshilfe

Stellen des Landes Gesundheitsäm- ter aufzubauen und um schließlich auch das deutsche Personal des

„Stammhauses" allmählich zu er- setzen.

Die nächst größere Ausbildungsstät- te ist eine Hebammenlehranstalt mit etwa 100 Betten. Zur Zeit finden in den meisten Entwicklungsländern noch 80 Prozent der Entbindungen unter der Assistenz von „weisen Frauen", 10 Prozent ohne jegliche Hilfe und nur 10 Prozent durch ge- schulte Kräfte statt. Die hohe müt- terliche und kindliche Mortalität und Morbidität ist hierdurch bedingt. Die kindliche Mortalität bis zum 5. Le- bensjahr beträgt in diesen Ländern mindestens 50 Prozent, gewöhnlich mehr. Durch Ausbildung von Ge- meindehebammen können diese er- schreckenden Zahlen gesenkt wer- den. Die Gemeindehebamme, die gleichzeitig dem Gesundheitsamt untersteht, stellt in ihrem Dorf das kleinste „Gesundheitszentrum" dar.

Sie wird daher einen entsprechen- den Einfluß auf die sonst schwer zu- gänglichen Frauen haben. Weiterhin werden voll qualifizierte Hebammen für die Krankenhäuser und für die

„Gesundheits-Zentren" ausgebildet werden.

Schließlich bleiben noch Kranken- häuser für die Ausbildung alles an- deren Personals. Sie werden zumin- dest eine internistische, eine chir- urgische, eine geburtshilfliche und schließlich eine Kinderabteilung, entsprechend einem deutschen Kreiskrankenhaus umfassen müs- sen. Der Vorschlag, eine Abteilung eines bestehenden allgemeinen Krankenhauses mit deutschem Per- sonal zu besetzen, sollte abgelehnt werden. Zu viele Schwierigkeiten bei der Verwaltung der Abteilung wären vorhanden. Außerdem würde eine solche Abteilung auch immer wieder zur Hauptausübung der kurativen Medizin gedrängt werden, und die Ausbildungsmöglichkeiten würden mehr und mehr beschränkt bleiben.

Es muß aber nochmals betont wer- den, daß der Hauptzweck dieser Ein- richtungen der medizinischen Ent- wicklungshilfe die Ausbildung von medizinischem Personal sein soll.

Ihre Größe soll entsprechend ge- plant werden. Die betriebene kurati- ve Medizin steht hier an zweiter Stel- le. Kurative Medizin ist immer außer- ordentlich teuer, und ihr Erfolg ist stets lokal eng begrenzt. Kurative Medizin als Entwicklungshilfe soll den Missionsgesellschaften überlas- sen werden, die auf ihre Weise mit beschränkten Mitteln hierin beacht- liche Erfolge erzielen.

Obwohl die Einrichtung dieser Aus- bildungsstätten mit erheblichen Ko- sten verbunden ist, sollte sich die Bundesregierung für eine solche Lösung der medizinischen Entwick- lungshilfe einsetzen. Es ist vorzuzie- hen, Schwerpunkte mit bleibendem Erfolg zu setzen, als weiterhin das

„Gießkannenprinzip" ohne ersichtli- chen bleibenden Erfolg anzuwen- den.

Persönlichen Einsatz auch beruflich honorieren

Die Durchführung solcher Projekte ist bisher daran gescheitert, daß sich angeblich keine Ärzte und kein me- dizinisches Hilfspersonal für solch einen Einsatz fanden. Bisher war die Bundesregierung nicht bereit, ir- gendwelche Verpflichtungen für die berufliche, materielle oder gesund- heitliche Sicherheit der in Entwick- lungsländern tätigen Ärzte oder des Hilfspersonals zu übernehmen. Es fanden sich nur wenige „Idealisten", die bereit waren, dort einflußreiche Positionen zu übernehmen. Sie glaubten an die moralische Ver- pflichtung der Bundesregierung, sich nach erfolgreicher Tätigkeit bei ihrer Rückkehr für sie einzusetzen.

Trotz Ordensverleihung ist ihr Schicksal in Deutschland in deut- schen Ärztekreisen genügend be- kannt und reizt qualifiziertes Perso- nal daher zur Zeit keineswegs zur Nacheiferung.

Wird den Ärzten die Möglichkeit ge- geben, in ihre Stellung zurückzu- kehren, wird zum Beispiel die Zeit im Entwicklungsland auf die Weiterbil- dung angerechnet, werden Ärzte und das andere Personal während dieser Zeit bei Beförderungen be-

rücksichtigt, wird dieser persönliche Einsatz auch sonst bei der Rückkehr beruflich honoriert, so sind genü- gend Ärzte und anderes Personal bereit, eine solche Aufgabe zu über- nehmen.

Die Bundesregierung sollte sich da- her dafür einsetzen, daß Länder, Universitäten oder Städte die Paten- schaft für solche Ausbildungsstätten übernehmen und Personal im Aus- tausch zur Verfügung stellen; wei- terhin dafür, daß diese Ausbildungs- stätten im Entwicklungsland zu Au- ßenstellen der entsprechenden deutschen Einrichtungen erklärt werden und damit alle beamten- und versorgungsrechtlichen, auch son- stige berufliche Fragen eindeutig gelöst werden können.

Mit diesen vorgeschlagenen Ein- richtungen können Fachärzte und alle Arten von medizinischem Perso- nal, auch Verwaltungspersonal, aus- gebildet werden. So werden diese Einrichtungen allmählich in die Hän- de der Entwicklungsländer überge- hen — wenn die Zeit tatsächlich dafür reif ist.

Es erhebt sich nun die Frage, ob auch deutsche medizinische Fakul- täten in Afrika und in Asien von der Bundesrepublik Deutschland ge- gründet werden sollen, um hier- durch den Andrang von Studenten aus den Entwicklungsländern auf die Universitäten der Bundesrepu- blik Deutschland herabzusetzen.

Trotz hoher Kosten sollte ein sol- ches Projekt auf die Möglichkeit sei- ner Verwirklichung hin durchdisku- tiert werden. Medizinische Fakultä- ten bestehen in verschiedenen Ent- wicklungsländern. Sie haben alle mit Schwierigkeiten zu kämpfen, um wohlqualifizierte Ordinarien und Fachkräfte für sich zu gewinnen.

Hier sollte die Bundesrepublik Deutschland schon jetzt sich hel- fend einsetzen. Aber auch dabei sollten nur „Arbeitsgruppen" ent- sandt werden, um ganze Institute oder ganze Kliniken zu übernehmen, und nicht einzelne Professoren. Das Niveau dieser medizinischen Fakul- täten wird durch solche Hilfe erheb- lich verbessert werden. Die Zahl der

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 9. März 1978 587

(4)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BRIEFE AN DIE REDAKTION

FAMILIENPOLITIK

Zu dem Aufsatz von Dr. Ferdinand Oeter:

„Soziale Regelkreise" in Heft 46 und 47/

1977. Der Verfasser hatte darin vorge-, schlagen, von Kinderlosen eine Abgabe zu erheben und das Geld an Kinderrei- che zu verteilen.

Die Mutterschaft subventionieren!

. Ganz sicher würde der Versuch, solchen Vorschlägen zu folgen, eine unerwünschte enorme neue Büro- kratie schaffen und Mißbräuche ge- radezu herausfordern. Überdies können sie sich nur stützen auf die althergebrachte konfessionell wie staatlich (standesamtlich wie steuer- lich) gestützte Institution „Ehe".

Diese wurde indessen ... brü- chig . . . und sanktionierte Ehen bleiben (zunächst vornehmlich in Ballungsgebieten) schon zur Hälfte kinderlos, zu einem weiteren Viertel haben sie nur 1 Kind. Hinzu kommen die Auswirkungen des neuen (frau- enbegünstigend-gemeinten) Schei- dungsgesetzes . Zumal der pro- spektive „Aufsteiger" wird es sich künftig genau ausrechnen, welche Risiken ihm mit der Eheschließung drohen. Daher wird auch unter Er- wachsenen — dank „Pille" usw. — Zusammenhausen der Geschlechts- partner „auf Zeit" gerade bei den wirtschaftlich und kulturell führen- den Mitbürgern selbstverständlich werden — auch Politikern und Mini- stern wird dies kaum noch als Makel angekreidet!

Gerade um die so tiefgründigen Dar- legungen von Oeter realistischer ...

durchzusetzen, muß ich auf meine verschiedenenorts schon publizier- ten Vorschläge zurückkommen:

Nicht die so brüchig und unverbind- lich gewordene Ehe, sondern die Mutterschaft zu subventionieren — nicht mit neuer riesiger Bürokratie, sondern unter Kontrolle des Vor- mundschaftsgerichts. Zusammen- hausen zum wesentlichen Zweck

„Elternschaft" geht den Staat nichts mehr an, erfolgt möglichst ge-

schützt durch juristisch tragfähigen Privatvertrag. Die Aufzucht von (höchstens) vier Kindern durch die Mutter ... wird gesichert durch Mut- ter-Honorar (Ausgleich für das heute fühlbarere Opfer an Zeit, Mühe, Für- sorge, Lohnausfall, Minderung von Freizügigkeit — Ferienreisen usw.), am höchsten fürs erste, für die fol- genden um je ein Viertel verkürzt, so daß ein etwaiges fünftes nichts mehr einbrächte. Dieses Muttergeld wird etwa 15 Jahre gezahlt (anschließend gibt der Staat darlehensweise und kontrolliert Ausbildungshilfe).

Die Mutter zahlt nun ihre Sozial- und Alterssicherungsprämien selbst, Witwenrenten und -pensionen (heu- te als Anwartschaft zerbrochene Ehen oft mühsam und quälend kit- tend) fallen fort, ebenso Familien- beihilfen im öffentlichen Dienst (vie- le Milliarden!). Die Mutter kann halb- oder ganztägig hinzuverdienen (auch um ihre Rente zu steigern) oder sich eine Hilfe für den Haushalt heuern (bis zum 1. Krieg gab es au- ßer „Dienstmädchen" und „Kran- kenschwestern" kaum berufstätige Frauen!). — Alle bisherigen Schei- dungspeinlichkeiten fallen fort, auch der § 218 verliert viel von sei- ner Irrationalität.

Und: Kinder sind ungestüme Ver- braucher: manche notleidend ge- wordene Industrie würde wieder ge- sund, viele Arbeitslose beschäftigt.

Harmonischere Kindheit würde manches Abgleiten in Suchten und Nihilismus verhindern, der Allge- meinheit enorme Folgekosten er- sparen.

Finanzierung: Fortfall aller Steuer- vergünstigungen für Verheiratete inkl. Sozialversicherung — dann auch aller Witwenrenten und -pen- sionen (letztere vorzufinanzieren ähnlich kostspieligen Investitionen in Staat und Wirtschaft). Viel höhere Besteuerung von Alkohol, Nikotin, Benzin und Bäder-Erwärmung .. . u. ä.

Dr. med. habil.

Werner Kaufmann Oberbuschweg 5000 Köln 50 Ausbildung: Entwicklungshilfe

für Studenten aus Entwicklungslän- dern an deutschen Universitäten re- servierten Plätze kann hierdurch herabgesetzt werden.

Die Bundesregierung sollte sich da- für einsetzen, durch Entsendung von „Arbeitsgruppen" die bestehen- den medizinischen Fakultäten in Entwicklungsländern zu unterstüt- zen und dadurch die Ausbildungs- möglichkeiten zu verbessern. Die Frage der Möglichkeit der Errich- tung von deutschen medizinischen

Fakultäten in Entwicklungsländern sollte sorgfältig diskutiert werden.

Das vorgeschlagene Programm für die medizinische Entwicklungshilfe wird auf dem Weg über die Ausbil- dung nicht nur die medizinischen Möglichkeiten verbessern, sondern die gesamten sozialen Verhältnisse in den Entwicklungsländern im gün- stigen Sinne beeinflussen (soziale Sicherheit, Festigung der Familie, Geburtenplanung, soziale Stellung der Frau, Aufzucht der Kinder usw.).

Die Vermittlung von Gesundheit und von Bildung sollte Hauptaufgabe und Hauptprinzip einer wirkungsvol- len Entwicklungshilfe darstellen. Auf diesen Grundpfeilern sollen die Ent- wicklungsländer selbstverantwort- lich und nach ihren eigenen Wün- schen ihre Zukunft gestalten und die vorhandenen Reichtümer ihrer Län- der erschließen.

Die westlichen Länder und beson- ders die Bundesrepublik haben den großen Einfluß der medizinischen Entwicklungshilfe, wie er bei der Mentalität der Bevölkerung in vielen Entwicklungsländern vorhanden ist, bisher nicht erkannt oder nicht er- kennen wollen. Sie haben vielmehr allzuoft medizinische Entwicklungs- hilfe mit punktueller Caritas ver- wechselt und glauben noch immer, nur mit Geld und Handel diese Staa- ten gewinnen zu können. Es sollte ein Umdenken erfolgen, ehe es zu spät ist.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Wilhelm Föllmer Gartenstraße 1

2408 Timmendorfer Strand

588 Heft 10 vom 9. März 1978

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Während sich in den USA bereits medizinische Laien zu aktuellen gesundheitlichen Problemen Informationen über den Bildschirm holen, soll dies in Deutschland für

Durch Vermittlung des Zen- trums für internationale Entwick- lung (CIM) in Frankfurt und der Bundesanstalt für Arbeit reiste ich im März 1989 nach Benin, um in Por- to Novo,

1 Ein-Kanal-EKG-Gerät mit Schreiber (Akkubetrieb) 1 Mikroskop, Blutdruckmeß- geräte, Stethoskope, Laryn- goskope mit Spateln (ver- schiedene Größen), Ophthal- moskope, Otoskope,

Ri- chert, der in der Bundesrepublik einen Paket-Service unterhält, holt die Ärztemuster in der Praxis ab, sorgt für den Transport nach Polen und sichert zu, daß die Me-

Vorschriften über den Einsatz bereits installierter oder geplanter medizinischer Daten- banken zu vereinheitlichen und zu gewährleisten, daß in allen Berei- chen der

Mehr als 300 Bürger aus Entwicklungs- ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas befan- den sich im Jahre 1983 in der DDR zur Aus- oder Weiterbildung als mittlere medizinische

Wenn wirklich die Durchführung vieler deutscher Entwicklungshilfe- projekte im medizinischen Bereich oft daran gescheitert ist — wie Föll- mer darlegt —, daß sich keine Ärzte

1409 Familienstand – Staat der letzten Eheschließung oder Begründung der letzten Lebenspartnerschaft im Ausland.. Einheitlicher Bundes-/Länderteil 01.. DATENSATZ FÜR DAS MELDEWESEN