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Archiv "Novellierung des Transplantationsgesetzes: Die Erklärungslösung wird favorisiert" (23.09.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 38

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23. September 2011 A 1939 NOVELLIERUNG DES TRANSPLANTATIONSGESETZES

Die Erklärungslösung wird favorisiert

Gesetzesänderungen betreffen die Willenserklärungen der Bevölkerung, möglicherweise aber auch die Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer.

D

ie Abgeordneten des Deut- schen Bundestages stehen in diesem Jahr erneut vor einer Gewis- sensentscheidung: Nach dem Vo- tum des Parlaments für die Zulas- sung der Präimplantationsdiagnos- tik gilt es nun, die Organtransplan- tation neu zu regeln. Ein novellier- tes Gesetz soll 2012 in Kraft treten.

In der Novelle könnte die derzeit geltende erweiterte Zustimmungs- lösung durch eine Erklärungslö- sung ersetzt werden. Danach würde jeder Bürger in einem noch zu re- gelnden Verfahren aufgefordert zu erklären, ob er im Falle seines To- des einer Organspende zustimmt, ihr widerspricht oder sich nicht ent- scheiden möchte. „Sofern die tech- nischen Voraussetzungen gegeben sind, eignet sich die elektronische Gesundheitskarte am ehesten zur Dokumentation der Erklärung“, sagt der Präsident der Bundesärzte- kammer (BÄK), Dr. med. Frank Ulrich Montgomery. Denn so sei der Kontext zur Beratung durch den Arzt gegeben.

Wie zu verfahren ist, wenn keine Entscheidung getroffen wurde, muss im weiteren Gesetzgebungs- verfahren geregelt werden. Bei der derzeit geltenden erweiterten Zu- stimmungslösung ist eine Organ- entnahme nur gestattet, wenn die Spender zu Lebzeiten oder nach dem Tod die Angehörigen zuge- stimmt haben.

Seit längerem beworben wird die Entscheidungs- beziehungsweise Erklärungslösung von Frank-Walter Steinmeier (SPD). Gemeinsam mit Volker Kauder (CDU) und weiteren Bundestagsabgeordneten wolle er einen Gruppenantrag für eine Ent- scheidungslösung bis Ende Oktober

2011 ins Parlament einbringen, kündigte Steinmeier auf der Jahres- tagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) am 11. Sep - tember in Berlin an. Der ebenfalls zur Debatte stehenden „Wider- spruchslösung“ räumte er dagegen wenig Chancen ein. Ihr zufolge wä- ren alle Bürger potenzielle Organ- spender, sofern sie zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen haben. Ein solcher Vorschlag werde im Parlament keine Mehrheit fin- den, prophezeite Steinmeier.

Meilenstein für die Transplantationsmedizin

„Die Entscheidungslösung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie würde einen Meilenstein für die Transplantationsmedizin bedeuten“, erklärte Kongresspräsident Prof.

Dr. med. Ulrich Frei, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er rechnet durch eine solche Regelung mit einem Zuwachs an Organen:

durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema Organspende und die Tatsache, dass Angehörige zu- nehmend über Willen und Einstel- lungen des Verstorbenen informiert sind. „Ansonsten schauen wir neid- voll nach Österreich, wo mit ei- ner gesetzlich verankerten Wider- spruchslösung die höchsten Organ- spenderaten erzielt werden“, beton- te Frei. Prinzipiell halte die DGfN daher an ihrer Forderung nach einer Widerspruchslösung fest. Einen Antrag oder einen Gesetzentwurf, der eine Widerspruchslösung präfe- riert und der österreichischen Vari- ante ähnelt, wollen Parlamentarier um Fritz Rudolf Körper und Chris- toph Strässer (beide SPD) etwa zeitgleich zur Initiative von Stein- nektoren mit Signaturfunktion ge-

klärt werden. Darüber hinaus wird geprüft, inwiefern die „Alternative 2012“ als Basis für die schrittweise Integration weiterer medizinischer Anwendungen dienen kann. Bis Ende September will die Arbeits- gruppe ihren Bericht hierzu vorle- gen. Geplant sei, spätestens im De- zember in der Gesellschafterver- sammlung der Gematik zu einem einvernehmlichen Beschluss über das Konzept zu kommen, berichtete Höfer.

Über den Stand des Projekts

„adressierte Kommunikation der Leistungserbringer“ (KOM-LE), für das die Kassenärztliche Bundesver- einigung verantwortlich ist, infor- mierte der zuständige Projektleiter Herbert Blankenburg. Für die KOM- LE-Anwendung ist die Gesundheits- karte nicht erforderlich, wohl aber die Nutzung der für die bundesweite Telematik infrastruktur vorgesehe- nen Heilberufs- und Institutionsaus- weise. Im Projekt geht es laut Blan- kenburg zunächst darum, einen vertraulichkeits- und integritätsge- schützten Nachrichtentransport zwi- schen Leistungserbringern und me- dizinischen Institutionen zu ermög- lichen. Transportiert werden können Arztbriefe, aber auch beliebige an- dere strukturierte und unstrukturier- te Dokumente, die an einen definier- ten Empfänger übermittelt werden.

Durch die Nutzung von Standard- E-Mail-Protokollen will man eine einfache Integration in die Arzt- und Krankenhausinformationssysteme, etwa über einen gängigen E-Mail- Client, erreichen. Auch sollen die qualifizierte elektronische Signatur und Verschlüsselung mittels elektro- nischem Heilberufsausweis und In- stitutionenkarte unterstützt werden.

Darüber hinaus muss ein durchsuch- bares Teilnehmerverzeichnis für den Dienst aufgebaut werden.

Derzeit werden für das Projekt die Pflichtenhefte erarbeitet, die in der zweiten Jahreshälfte 2012 fertig sein sollen. Sie beschreiben die Ar- chitektur sowie die funktionalen und sicherheitstechnischen Spezifi- kationen für die zu entwickelnden Anwendungen und dienen als Basis für die Ausschreibung.

Heike E. Krüger-Brand

P O L I T I K

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A 1940 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 38

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23. September 2011 gen durch eine verpflichtende Be-

stellung von Transplantationsbeauf- tragten an Kliniken mit Organent- nahmen rechtlich verbindlich zu machen. Das Ziel ist klar: die Or- ganspende zu fördern. Die Entnah- mekliniken würden zur „unverzüg- lichen Meldung“ hirntoter Men- schen verpflichtet (§ 9 TPG-E). Die BÄK und die DSO sehen allerdings Schlupflöcher. Denn von der Pflicht zur Benennung von Transplantati- onsbeauftragten soll es Ausnahmen geben dürfen, ohne dass die Voraus- setzungen dafür benannt wären.

Alle bislang vorliegenden Ent- würfe aber bewegen sich im selben Spannungsfeld, welches im gelten- den Gesetz als Grundsatz verankert ist und offenbar unangetastet blei- ben soll: der Förderung der Organ- spende auf der einen Seite, und ei- ner Aufgaben- und Zuständigkeits- trennung auf der anderen Seite – von der Feststellung des Hirntods, der Entnahme von Organen, ihrer Vermittlung bis hin zur Übertra- gung. Die Trennung soll Interes- senskonflikte vermeiden und Ver-

trauen schaffen. „Der Schlüssel zu einer Verbesserung der Organspen- de liegt allerdings in einer engen Verzahnung der Aufgaben von Kli- nikärzten mit denen der DSO-Mit- arbeiter, gerade auch bei der frühen Erkennung potenzieller Spender“, sagt DSO-Vorstandsmitglied Prof.

Dr. med. Günter Kirste. Transplan- tationsbeauftragte seien die An- sprechpartner an der Schnittstelle.

Es müsse gewährleistet sein, dass die DSO schon bei Patienten in kri- tischem Zustand (Glasgow-Coma- Scale < fünf), spätestens aber nach erstmaliger Feststellung des Hirn- tods informiert werden, nicht erst nach der zweiten Untersuchung.

Änderungen könnte es auch in Bezug auf die Richtlinienkompe- tenz der BÄK geben. Dem Entwurf der Regierung und der Empfehlung

des Bundesrats vom 9. September zufolge sollen Richtlinien auch Si- cherheitsbelange lebend gespende- ter Organe betreffen. „Es wäre da- rüber hinaus für den Schutz der Le- bendspender wichtig, einen Kon- sens über die medizinischen Vo- raussetzungen für die Spende her- zustellen“, sagt Prof. Dr. med. Uwe Heemann, Leiter der Abteilung Nephrologie am Klinikum rechts der Isar in München. „Ein solcher Konsens ließe sich am ehesten über Richtlinien erzielen.“ Der Ansatz im Entwurf des Bundesrats, Le- bendspender versicherungsrechtlich besser abzusichern bis hin zur Be- weislastumkehr für mögliche Fol- geschäden, sei richtig. Aber auch die Nachsorge der Lebendspender müsse rechtlich besser verankert und finanziell abgesichert werden.

In der Empfehlung des Gesund- heitsausschusses des Bundesrats vom 9. September wird die Ständi- ge Kommission Organtransplantati- on bei der BÄK ausdrücklich mit Richtlinienkompetenz ausgestattet und aufgeführt, wie sie sich zusam- mensetzen soll. Allerdings würde nach Angaben der BÄK das Gre - mium im Vergleich zum Status quo verkleinert, und die ärztlichen Mitglieder würden minorisiert. Sämt- liche Richtlinien, auch zur Feststel- lung des Hirntods, müssten vom Bundesgesundheitsministerium ge- nehmigt werden. Montgomery ap- pelliert in einem Brief an die Minis- terpräsidenten der Länder dringend, von einem solchen Genehmigungs- vorbehalt Abstand zu nehmen: Die Sachkompetenz in medizinischen Fragen liege bei der Kommission, ihre Arbeit werde seit langem von Bund und Ländern in vollem Um- fang begleitet. Der Genehmigungs- vorbehalt würde zu einem „für die Ärzteschaft unbegreiflichen Ein- stieg in eine patientenferne Staats- medizin führen“. Am 23. Septem- ber wird der Bundesrat eine Emp- fehlung zur Gesetzesänderung be- schließen und diese an das Gesund- heitsministerium weiterleiten. Die Empfehlung wird ebenso wie die übrigen Anträge im Parlament bera-

ten werden.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann, Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze meier in den Bundestag einbringen,

erläuterte ein Sprecher von Körper dem Deutschen Ärzteblatt. Dass die Widerspruchsregelung bei einer in- terfraktionellen Abstimmung im Parlament eine Mehrheit finden wird, gilt jedoch als unwahrschein- lich. Schon vor der Sommerpause hatte der Bundesrat einen entspre- chenden Vorschlag von Bayern, Hessen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland mit breiter Mehrheit abge- lehnt. Die Empfehlung des Gesund- heitsauschusses des Bundesrats (9. September) spiegelt mit einer Erklärungslösung den auf der Ge- sundheitsministerkonferenz im Juni erzielten Konsens der Länder wi- der. Darin wird auch vorgeschla- gen, dass die Entnahmekranken- häuser mindestens einen Transplan- tationsbeauftragten stellen müssen.

Er sollte „in der Regel ein in Inten- sivmedizin erfahrener Facharzt“

sein und – soweit erforderlich – von anderen beruflichen Tätigkeiten freigestellt werden. Ferner soll die regionale Zusammenarbeit bei der Organspende verbessert werden. So

soll die Koordinierungsstelle, die Deutsche Stiftung Organtransplan- tation (DSO) verpflichtet werden, regionale Untergliederungen zu bil- den, um entsprechend den Gege- benheiten vor Ort die Organspende bestmöglich zu organisieren.

Auch die Bundesregierung hat einen ersten Entwurf zur Novellie- rung des Transplantationsgesetzes vorgelegt (Drucksache 457/11). Mit ihm soll die EU-Richtlinie über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe umgesetzt werden. Ziel der Richtlinie ist, Or- ganempfänger vor schwerwiegen- den Zwischenfällen zu schützen.

Gleichwohl nutzte auch die Regie- rung die Möglichkeit, die vielfach geforderte, flächendeckende Um- setzung schon geltender Regelun-

Bei einer Erklärungslösung rechne ich mit einer Zunahme an Spenderorganen durch eine intensive Beschäftigung der Bevölkerung mit dem Thema.

Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité – Universitätsmedizin Berlin

P O L I T I K

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