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Archiv "Qualitätssicherung: Mindestmenge als alleiniger Qualitätsindikator unzureichend" (14.02.2003)

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 714. Februar 2003 AA381

F

ast unbemerkt von Ärzteschaft und Krankenhausträgern hat sich mit dem Fallpauschalengesetz vom 23. April 2002 eine Neuerung in die Sozialgesetzgebung (SGB V) einge- schlichen, die in Zukunft für Spreng- kraft sorgen wird: Im geänderten § 137 SGB V werden die Partner der Selbst- verwaltung aufgefordert, für einen Ka- talog planbarer Leistungen Mindest- mengen je Arzt oder

Krankenhaus festzule- gen. Ab 1. Januar 2004 dürfen dann Kranken- häuser, die diese Min- destmengen nicht erfül- len, solche Leistungen nicht mehr erbringen. In den Katalog sollen Lei- stungen aufgenommen werden, bei denen „die Qualität des Behand- lungsergebnisses in be- sonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist“

[§ 137 Satz 3 Nr.3 SGB V].

Wo eine flächendecken-

de Versorgung gefährdet ist, darf von diesen Mindestmengen abgewichen werden.

Als erstes Bundesland hat Nord- rhein-Westfalen die Mindestmengen- regelungen bei der Definition von Brustzentren aufgegriffen. Als ein Qua- litätskriterium von Brustzentren wird die Behandlung von mindestens 150 neuen Brustkrebsfällen jährlich sowie mindestens 50 Eingriffen je Operateur vorgegeben. Bei Kooperation mehrerer Häuser muss jeder Partner mindestens hundert Fälle jährlich und 50 Eingriffe je Operateur nachweisen.

Nur rund 20 Prozent der Kranken- häuser werden unter diesen Vorgaben in Nordrhein-Westfalen künftig wei- terhin Brustkrebspatientinnen behan- deln dürfen. Inzwischen finden sich diese Mindestmengenregelungen auch als Bestandteil von Disease-Manage- ment-Verträgen wieder, wodurch die gesundheitspolitische Bedeutung wei- ter steigt.

Ob aber diese Politik für die neu an Brustkrebs erkrankten Frauen den pro- gnostizierten Qualitätsgewinn darstel- len wird oder eventuell sogar eine Qua- litätsverschlechterung bedeutet, lässt sich auf Basis bisher vorliegender Studi- en nicht beantworten. Dies verdeutlicht eine Zusammenfassung von Studien zur Beziehung von Häufigkeit und Ergeb- nis ärztlicher Leistungen im Allgemei- nen und speziell beim Brustkrebs.

Nachdem sich seit gut 20 Jahren wis- senschaftliche Arbeiten mit der Bezie- hung von Häufigkeit und Ergebnissen ärztlicher Leistungen beschäftigen (1),

liegen jetzt auch insbesondere drei sy- stematische Literaturanalysen vor, die Ordnung in die Fülle der heterogenen Arbeiten gebracht haben (2, 3, 4). Zu- nächst analysierten Forscher der Uni- versity of York 1996 mehr als 200 Stu- dien zur Häufigkeits-Ergebnis-Bezie- hung (2). Unter Verwendung nur sol- cher Studien, die die Zusammensetzung der jeweiligen Patientengruppen (Case- Mix) ausreichend berücksichtigten, zeigte sich, dass zwar für verschiedene Prozeduren positive Häufigkeits-Er- gebnis-Beziehungen festzustellen wa- ren, dass aber ebenso oft positive und unentschiedene Beziehungen neben- einander standen. In einer Studie zu Kataraktoperationen waren sogar schlechtere Ergebnisse bei den Opera- teuren mit der höchsten Leistungsfre- quenz zu konstatieren (5). Entspre- chend vorsichtig fielen die Folgerungen der Autoren aus: Erstens sei die metho- dische Qualität der Studien zur Bezie- hung von Häufigkeit und Ergebnis ärzt- licher Leistungen meistens unzurei- chend, indem der Case-Mix unzurei- chend gewürdigt sei. Dies führe zumeist zu einer Überschätzung der Effekte.

Zweitens ließen die methodisch besten Studien nur die Aussage zu, dass keine generell positive Häufigkeits-Ergebnis- Beziehung existiere. Für einzelne, ins- besondere seltene Prozeduren könne ein Qualitätsgewinn durch gesteigerte Leistungsfrequenzen von Krankenhäu- sern oder Ärzten erzielbar sein. Für häufigere Prozeduren wären verbesser- te Arbeitsabläufe in den Krankenhäu- sern und verbesserte Arbeitsbeziehun- gen zwischen den Kliniken eine erfolg- versprechendere Methode der Qua-

litätsförderung (2).

Qualitätssicherung

Mindestmen g e als alleiniger

Qualitätsindi k ator unzureichend

Die derzeitige Evidenzlage zur Beziehung von Leistungsfrequenz und Versorgungsqualität bei Brustkrebsoperationen erlaubt keine starre Definition von Mindestmengen.

Max Geraedts Monika Neumann

Ein langfristiger Operationserfolg hängt nicht nur von der Fall- zahl des Operateurs oder des Krankenhauses ab. Foto: dpa

(2)

Die neueste Übersicht stammt von Halm, Lee & Chassin vom September 2002 (4). Die Ergebnisse zur methodi- schen Qualität der 135 einbezogenen, vorwiegend neueren Studien zu 27 Prozeduren beziehungsweise Krank- heitsbildern waren wiederum ernüch- ternd: Nur wenige Untersuchungen nutzten klinische und nicht nur admini- strative Daten zur Case-Mix-Adjustie- rung. Ebenso selten berücksichtigten die Studien a) den Effekt der unter- schiedlichen, in den einzelnen Kran- kenhäusern oder von einzelnen Ärzten genutzten Versorgungsprozesse bezie- hungsweise (Therapie-)Verfahren, b) die Angemessenheit der Indikations- stellung oder c) den komplexen kombi- nierten Effekt einer Frequenzsteige- rung in Bezug auf Krankenhäuser und einzelne Ärzte.

Die Höhe der Effekte differiert

Bei Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, dass die Beziehung von Häufigkeit und Ergebnis bei den meisten Studien zwar signifikant positiv verlief (71 Pro- zent), die Höhe der Effekte aber erheb- lich schwankte und nur bei wenigen Studien mit klinisch relevanten Effek- ten einherging.

Besonders deutliche Effekte wurden bei der Pankreas- und Ösophagus-Kar- zinomchirurgie und der Kinderherz- chirurgie festgestellt. Hier verzeichne- ten die Kliniken mit den niedrigsten im Vergleich zu den Kliniken mit den höchsten Eingriffsfrequenzen eine Ex- zessmortalität im Krankenhaus von mehr als zehn Fällen je 100 Behandel- ten. Dagegen zeigten Studien zu häufi- geren Prozeduren oftmals nur geringe Ergebnisunterschiede in Abhängigkeit von den Leistungsfrequenzen. Bei der PTCA lag die mediane absolute Exzess- mortalität im Krankenhaus zum Bei- spiel bei 0,2 je 100 Behandelten.

Vergleichbare Resultate erbrachten Analysen, die die Beziehung zwischen hoher/niedriger Leistungsfrequenz ein- zelner Ärzte und dem Versorgungser- gebnis untersuchten.Während eine Stu- die zu Operationen bei rupturierten ab- dominalen Aneurysmen eine beträcht- liche Mortalitätsdifferenz von 14,5 Pro- zent zwischen Ärzten mit hoher und

niedriger Leistungsfrequenz offenbar- te, fielen die Unterschiede bei den mei- sten anderen Prozeduren mit ≤2 Pro- zent relativ gering aus. Wie bei den Stu- dien zur Beziehung von Häufigkeit und Ergebnis in Bezug auf Krankenhäuser, existierten auch beim Vergleich von Ärzten mit hoher/niedriger Leistungs- frequenz nicht nur Studien mit positi- ven Beziehungen, sondern auch Stu- dien ohne Häufigkeitseffekte bezie- hungsweise sogar mit negativen Häufig- keitseffekten. Folglich zogen Halm et al. ähnliche Schlüsse wie bereits die For- scher aus York sechs Jahre zuvor (4):

Zwar existiere scheinbar für viele Pro- zeduren eine positive Häufigkeits-Er- gebnis-Beziehung. Die Höhe der Effek- te schwanke aber beträchtlich; die Aus- sagekraft der Studien sei infolge metho- discher Unzulänglichkeiten der meisten Arbeiten eingeschränkt.

Eine aktuelle Bestätigung der beiden Literaturanalysen erbrachte die bisher größte Studie zur Beziehung von Häu- figkeit und Ergebnis ärztlicher Inter- ventionen in den USA (6). Auf der Ba- sis von Krankenhaus-Entlassdaten von 2,5 Millionen über 65-jährigen Medi- care-Versicherten analysierten die Au- toren die adjustierte Krankenhaus- oder 30-Tage-Mortalität bei sechs kar- diovaskulären Prozeduren und acht Karzinomoperationen, die im Zeitraum zwischen 1994 und 1999 vorgenommen worden waren. Dabei zeigten sich für alle untersuchten Prozeduren signifi- kante positive Häufigkeits-Ergebnis- Beziehungen. Bei genauer Betrachtung fällt jedoch wiederum auf, dass sich auch hier die Höhe der Volumeneffekte stark unterscheidet. Eine Exzessmorta- lität in Niedrigfrequenz-Kliniken im Vergleich zu Hochfrequenz-Kliniken von mehr als zehn Prozent kam auch bei dieser Studie nur bei Ösophagekto- mien und bei Pankreasresektionen vor.

Das Risiko, bei diesen Operationen in- nerhalb von 30 Tagen oder im Kranken- haus zu sterben, war in Kliniken mit den geringsten Eingriffszahlen um das Drei- beziehungsweise Fünffache erhöht im Vergleich zu Kliniken mit den höchsten Eingriffszahlen. In absoluten Zahlen ausgedrückt, starben 38 von 1 000 Pati- enten, die einer Pankreasresektion in Kliniken unterzogen worden waren, die mehr als 16 solche Operationen im

Durchschnitt der betrachteten sechs Untersuchungsjahre durchgeführt hat- ten. Dagegen starben durchschnittlich 163 von 1 000 Patienten, deren Pan- kreasresektionen in Kliniken stattfan- den, die weniger als eine solche Opera- tion je Jahr erbracht hatten. Bei neun von 14 betrachteten Prozeduren lag die Exzessmortalität aber unter drei Pro- zent. Beispielsweise starben nach einer Karotisendarteriektomie in den Hoch- frequenz-Kliniken 15 von 1 000 Patien- ten, während in den Niedrigfrequenz- Kliniken 17 von 1 000 Patienten starben.

Mengeneffekte beim Brustkrebs

Beim Brustkrebs sieht die Studienlage zur Häufigkeits-Ergebnis-Beziehung schlecht aus. In den zitierten Reviews werden nur die zwei Studien zur Asso- ziation zwischen dem Fünf-Jahres- Überleben nach Brustkrebsoperatio- nen und der Leistungsfrequenz von Operateuren beziehungsweise Kran- kenhäusern von Sainsbury et al. und Roohan et al. aufgeführt (7, 8). Die in diesen Arbeiten aufgezeigten Bezie- hungen standen Pate bei der Definition von Mindestmengen durch die Euro- pean Society of Mastology (9), die ihrerseits Grundlage für die derzeitige Festsetzung von Mindestfrequenzen in Nordrhein-Westfalen waren.

Eine kritische Betrachtung beider Arbeiten verdeutlicht aber, dass die hier definierten Mindestfrequenzen als Qualitätsindikatoren nicht geeignet sind. Drei Argumente lassen sich dazu anführen: erstens mögliche Verzerrun- gen durch eine nicht zufällige Patien- tenselektion, zweitens das Alter der Studien und drittens gegenläufige Er- gebnisse aus anderen Studien.

Zunächst muss festgestellt werden, dass die Frequenzklassen in beiden Ar- beiten willkürlich gesetzt wurden. Da- mit droht eine Verzerrung der Ergeb- nisse durch Faktoren, für die nicht adju- stiert wurde. Anstatt die Frequenzklas- sen so zu wählen, dass in allen Gruppen jeweils gleich viele Patienten operiert wurden, differieren die Patientenzahlen in den einzelnen Frequenzklassen in der Arbeit von Sainsbury et al. bis zum Faktor fünf, in der Arbeit von Roohan T H E M E N D E R Z E I T

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et al. sogar bis zum Faktor 23 (siehe Ta- belle). Zudem könnten genauso gut an- dere Frequenzklassen ebenfalls mit Ef- fekten einhergehen, die dann zu ande- ren Mindestmengen-Definitionen An- lass gegeben hätten.

Weiterhin fällt in der Arbeit von Sainsbury et al. auf, dass nur die Be- trachtung der Gruppen < 10 zu > 29 Operationen pro Jahr einen signifikan- ten Unterschied im Fünf-Jahres-Über- leben ergab. Letztlich kann also auch nur festgestellt werden, dass die Ergeb- nisse von 17 Ärzten mit einer Operati- onsfrequenz von mehr als 29

Operationen jährlich im Ver- gleich zu einer Gruppe von 120 Ärzten, die weniger als zehn Operationen jährlich durchführten, unterschiedlich ausfielen. Ob dies auf die Operationsfrequenz der Ärz- te oder auf viele andere Faktoren – wie die Struktur des Krankenhauses oder an- dere Versorgungsprozesse und Nachsorgeverfahren – zurück- zuführen war, ist unklar.

Hieraus einen allgemein gül- tigen Vorteil für das Fünf- Jahres-Überleben für Patien- tinnen abzuleiten, die von Operateuren operiert wer- den, die mehr als 50 Opera- tionen je Jahr durchführen, erscheint genauso fraglich wie die Forderung nach einer Mindestfrequenz für Ärzte von 50 Operationen je Jahr.

Noch problematischer sieht die Ab- leitung einer Mindestmenge von 150 oder aber 100 Operationen je Kranken- haus und Jahr aus der Arbeit von Roo- han et al. aus (8). Die Analyse dieser Studie wird zunächst dadurch er- schwert, dass gar nicht angegeben wur- de, wie viele Krankenhäuser exakt an den Operationen in den Frequenzklas- sen beteiligt waren. Deshalb konnte die Leistungsfrequenz je Krankenhaus nur vage abgeleitet werden, indem die Pati- entenzahlen durch die oberen/unteren Frequenzklassengrenzen dividiert wur- den (Tabelle). Demnach war die Fünf- Jahres-Sterblichkeit von Brustkrebspa- tientinnen in ein bis zehn Kranken- häusern mit einer Fallzahl von mehr als 150 operierten Fällen jährlich signifi-

kant geringer als diejenige der Patien- tinnen aus weiteren 256 Krankenhäu- sern mit weniger als 151 Fällen. Eben- falls unterschiedlich erschien das Er- gebnis für rund 1 000 Patientinnen aus Kliniken mit weniger als elf Fällen im Vergleich zu rund 47 000 Patientinnen aus Kliniken mit mehr als elf Fällen je Jahr. Da sich die Konfidenzintervalle der Kliniken mit 11 bis 50 und 51 bis 150 Fällen/Jahr überschnitten, war im Ver- gleich dieser Untergruppen kein klar signifikanter Unterschied festzustellen.

Wie der Ergebnisvorteil in den ein bis

zehn Kliniken mit mehr als 150 Fällen zustande kam und ob dies allein auf de- ren Leistungsfrequenz zurückzuführen ist, bleibt unklar. Aus dieser Studie den in Nordrhein-Westfalen geltenden Schluss zu ziehen, dass eine Mindestgrenze von 150 oder 100 Fällen für die Patientinnen vorteilhaft ist, erscheint fragwürdig.

Beiden Studien muss zudem vorge- worfen werden, dass sie die Durch- führung einer adjuvanten Therapie (Ra- diatio, Chemotherapie) als entscheiden- den Einflussfaktor auf das Fünf-Jahres- Überleben völlig außer Acht gelassen haben und Patientenkohorten betrach- ten, deren Operationen vor 1990 stattge- funden haben. Nachdem sich die Opera- tions- und insbesondere die weiteren Therapieverfahren in der Zwischenzeit

nachhaltig verändert haben, muss be- zweifelt werden, dass heute diese Ergeb- nisse und die daraus abgeleiteten Min- destgrenzen replizierbar wären.

Gestützt wird die kritische Betrach- tung der beiden einzigen Studien mit spezifischer Untersuchung der Häu- figkeits-Ergebnis-Beziehung beim Brustkrebs noch durch die Analyse von Studien, die Surrogatparameter der Fre- quenz betrachtet haben. So fand sich kein Überlebensvorteil a) bei Operati- on in großen privaten oder öffentlichen im Vergleich zu kleinen Krankenhäu- sern in South-Australia (keine genaue Definition von groß/

klein) (10), b) bei Operatio- nen in britischen Lehrkran- kenhäusern im Vergleich zu Nicht-Lehrkrankenhäusern (11) und c) bei Operation durch schottische Ärzte mit hoher Eingriffsfrequenz (Fre- quenzgruppen 1–9/10–29/> 29 Operationen je Jahr) (12). Da- gegen berichteten Lee-Feld- stein et al. über einen Fünf- Jahres-Überlebensvorteil für Brustkrebspatientinnen mit lokal begrenzten Tumoren, die in großen kommunalen oder Lehrkrankenhäusern im Vergleich zu kleinen kommu- nalen Krankenhäusern oder HMO-Krankenhäusern ope- riert wurden (13). Ein solcher Fünf-Jahres-Überlebensvorteil war in der Studie von Chaudh- ry et al. nach Operation in Lehrkrankenhäusern nur für Lymph- knoten-negative Tumoren bis 20 mm Durchmesser gegeben, nicht aber für größere Tumoren (14).

Gillis et al. fanden einen Fünf-Jahres- Überlebensvorteil für Brustkrebspati- entinnen, deren Ärzte „Brustkrebs- Spezialisten“ waren im Vergleich zu

„Nicht-Spezialisten“ (Einteilung Spe- zialist/Nicht-Spezialist nach Gutdün- ken der Autoren) (15). Zuletzt demon- strierten Ma et al. in Kliniken mit höhe- ren Fallzahlen einen Trend zu besseren Versorgungsprozessen (mehr Brust- krebs-Spezialisten, mehr Feinnadelbiop- sien, mehr Axilla-Ausräumungen, hö- here Zahl entfernter Lymphknoten) (16).

Demnach liegt für die Beziehung von Leistungsfrequenz und Ergebnis beim T H E M E N D E R Z E I T

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´ TabelleCC´

Leistungsfrequenz von Ärzten und relatives Risiko für das Fünf-Jahres-Überleben beim Brustkrebs [nach 7]

Fälle pro Operierende Operierte Relatives Risiko für 5-Jahres- Arzt (N) Ärzte (N) Patienten (N) Überleben (95 % CI*)

< 10 120 1 251 1 (–)

10–29 43 5 826 0,97 (0,90–1,06)

30–49 9 1 957 0,85 (0,77–0,93)

> 49 8 3 827 0,86 (0,79–0,94)

Leistungsfrequenz von Kliniken und relatives Risiko für die 5-Jahres-Sterblichkeit beim Brustkrebs [nach 8]

Fälle pro Operierende Kran- Operierte Relatives Risiko für 5-Jahres- Krankenhaus (N) kenhäuser (N)** Patienten (N) Sterblichkeit (95 % CI*)

≤10 > 16 958 1,60 (1,42–1,81)

11–50 48–219 14 440 1,30 (1,22–1,37)

51–150 25–73 22 230 1,19 (1,12–1,25)

> 150 < 11 10 262 1,0 (–)

* 95 Prozent Konfidenzintervall

** Schätzung der Anzahl beteiligter Krankenhäuser (Anzahl in der Arbeit nicht explizit angegeben)

(4)

Brustkrebs nicht die vom Sachverstän- digenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (17) oder vom US- National Cancer Policy Board (NCPB) (18) geforderte valide Studienlage vor.

Von den Kriterien des NCPB (plausible Beziehung, konsistente Studienlage, kli- nisch substanzielle Unterschiede stati- stisch in mehreren Studien abgesichert) ist weder der beobachtete Trend in den verfügbaren Studien konsistent oder durch mehrere spezifische Häufigkeits- Ergebnis-Studien abgesichert, noch genügen die Studien strengen statisti- schen Kriterien. Die Studienlage er- laubt daher keine Ableitung einer Min- destmenge für die je Arzt oder je Klinik durchzuführenden Brustkrebsoperatio- nen.

Die Autoren der Reviews sind sich darin einig, dass die Analysen der Be-

ziehung von Häufigkeit und Ergebnis ärztlicher Leistungen bisher keine starre Festlegung von Mindestmengen für Ärzte oder Krankenhäuser zulas- sen. Zudem bleibt unklar, welche Aus- wirkungen eine Politik der Orientie- rung auf Hochfrequenz-Krankenhäu- ser hätte. Wer stellt beispielsweise in Zukunft die Ausbildung von Opera- teuren sicher? Welche Auswirkungen wird der Konzentrationsprozess auf die Qualität der Versorgung in bereits heute ausgelasteten Krankenhäusern haben? Wie wird es um den wohnort- nahen Zugang und insbesondere die qualifizierte Weiterversorgung in länd- lichen Gebieten bestellt sein? Welcher Qualitätsgewinn könnte denn durch eine Organisationsverbesserung in Kliniken mit niedrigen Leistungsfre- quenzen erzielt werden?

Kompromissformel

Genau im letzten Punkt könnte der größte Gewinn aus den Studien zur Be- ziehung von Häufigkeit und Ergebnis ärztlicher Leistungen liegen: Durch die Analyse der Versorgungsprozesse der- jenigen Krankenhäuser und Ärzte mit hohen Volumina und guten Ergebnis- sen könnte es gelingen, allen Patienten die besten Versorgungsprozesse zu- kommen zu lassen. Bevor aber entspre- chende Erkenntnisse aus der Versor- gungsforschung vorliegen, könnte ein auch in den USA propagierter Kom- promissvorschlag hilfreich sein: bei Pro- zeduren beziehungsweise Krankheits- bildern mit sicher positiver Beziehung zwischen Leistungsfrequenz und Er- gebnis sollten weniger Patienten in Niedrigfrequenz-Krankenhäusern re- spektive von Niedrigfrequenz-Ärzten behandelt werden (19). Anstatt wie in Nordrhein-Westfalen von einer Min- destmenge von 150/100 Operationen je Krankenhaus und 50 je Arzt und Jahr auszugehen, könnten zunächst die zehn Prozent Krankenhäuser/Ärzte mit den geringsten Fallzahlen aus der Versor- gung herausgenommen werden.

Bevor dann weitere einschneidende Restriktionen für die Leistungserbrin- gung eingeführt werden, müssten die Effekte dieser Maßnahme auf die Qua- lität der Versorgung begleitend er- forscht werden. Im Rahmen einer Ver- sorgungsforschungsinitiative sollten va- lide Erkenntnisse zur Häufigkeits-Qua- litäts-Beziehung in Deutschland erar- beitet werden. Auf der Basis solcher Daten wären dann weitergehende Überlegungen zu Mindestmengen, zur Entwicklung und Verwendung besserer Qualitätsindikatoren und zu qualitäts- verbessernden Methoden zum Wohle aller Patienten anzustellen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 381–384 [Heft 7]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0703 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Max Geraedts, MPH

Universitätsklinikum der Heinrich-Heine-Universität Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf

E-Mail: geraedts@uni-duesseldorf.de T H E M E N D E R Z E I T

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A384 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 714. Februar 2003

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