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Medikamentenversorgungzwischen Märkten und Moral

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Academic year: 2022

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EDITORIAL

ARS MEDICI 16 | 2018

641

Seit einiger Zeit mehren sich die Meldungen, wonach in Apotheken und Spitälern Hunderte von Medikamenten und Impfstoffen knapp werden oder vorübergehend über- haupt nicht mehr zur Verfügung stehen – und dies nicht in Entwicklungs- oder Schwellenländern, sondern in reichen industrialisierten Staaten wie Deutschland oder der Schweiz. Die Gründe für diese Engpässe sind fast aus- schliesslich den ungeschriebenen Gesetzen der postmo- dernen Marktwirtschaft geschuldet, denen sich in diesen Zeiten kaum ein Unternehmen, wie gross auch immer es sei, entziehen kann oder will, so auch nicht die Pharmafir- men. Auch sie sind vollumfänglich ökonomischen Zwän- gen unterworfen. Dabei gründet ihr Geschäftsmodell auf nichts Geringerem als auf der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Arzneien – einer Aufgabe, angesichts deren sich aus gegebenem Anlass die dringende gesell- schaftspolitische Frage stellt, ob sie nicht zu gross und zu wichtig ist, um ihre Bewältigung allein denen zu überlas- sen, die damit Geld verdienen (müssen).

In Zeiten globalisierter und mithin einzelstaatlich kaum mehr zu regulierender Märkte ist es auch in der Pharmain- dustrie längst so gängige wie offenbar alternativlose Pra- xis, die Produktpalette sowie die Produktions- und Ver- triebswege nach rein betriebswirtschaftlichen Gesichts- punkten immer weiter zu optimieren. So wird etwa die Herstellung nicht ausreichend lukrativer Präparate nach Fernost outgesourct, wo die wenigen Betriebe den dennoch nach wie vor bestehenden Bedarf kaum decken können. Vor allem im Bereich der Antibiotika ist diese Entwicklung dra- matisch: Die Produktion bestimmter etablierter Wirkstoffe wird aufgrund zu geringer Gewinnspannen auf ein Mini-

mum heruntergefahren, wenn nicht ganz aufgegeben, und gleichzeitig wird aus denselben Gründen kaum oder gar nicht mehr in die dringend notwendige Forschung zu inno- vativen Mitteln investiert.

Mit Appellen aus der Richtung, wo dieser Bedarf bezie- hungsweise die Engpässe bestehen, oder mahnend geho- benen Zeigefingern seitens der involvierten staatlichen Institutionen sind diese Strukturen kaum aufzubrechen.

Zumal auf der anderen Seite nicht selten das Damokles- schwert eines drohenden Arbeitsplatzabbaus an – zumin- dest vorgeblich – ebenfalls moralisch-ethische Fäden ge- knüpft wird. Festzuhalten bleibt das Paradoxon, dass sich die Menschen in Ländern, welche ihren Wohlstand gerade auch der Wirtschaftskraft ihrer Pharmaindustrie verdanken, von eben dieser nun Risiken an Leib und Leben aufoktroyie- ren lassen, die sie rein angesichts der hier üppigen Ressour- cen gar nicht tragen müssten. Doch in dem Zusammen- hang allein die Branche anzuklagen ginge ins Leere: Hat sich so manch einer – als Konsument, als Arbeitnehmer oder gar Anteilseigner – nicht auch selbst gut eingerichtet im System? Die Frage, ob nun der zweifellos zunehmende öko- nomische Druck oder mitunter doch eher ein ausuferndes Profitstreben das Handeln bestimmt, lässt sich kaum be- antworten, ist aber letztlich nur Aufhänger einer ohnehin müssigen Scheindebatte. Vielmehr würde es doch darum gehen, in Sachfragen einen politischen Konsens zu erzielen und entsprechend umzusetzen, welcher wirtschaftliche Erfordernisse mitberücksichtigt, statt sich von ihnen ab- koppeln zu lassen.

Für das Individuum – heute noch Industriearbeiter, morgen vielleicht Aktionär und übermorgen möglicherweise be- dürftiger Patient – würde dies natürlich bedeuten, eine Ent- scheidung zu treffen, statt nur mit dem Finger auf die Pro- bleme zu zeigen. Aus der Entscheidung möglichst vieler würde dann ein gemeinsamer politischer Wille resultieren, den es gegen alle Widerstände, nicht zuletzt auch gegen ei- gene, durchzusetzen gilt. Dieser Wille könnte dort ein Ge- gengewicht bilden, wo wirtschaftliche Interessen womög- lich lebensgefährlich zu werden drohen – nicht unbedingt, aber im Zweifel eben auch in Konfrontation mit Letzteren.

Er würde mit staatlichen Mitteln notwendige medizinische Forschung und Versorgung dort gewährleisten und fördern, wo private Unternehmer kein Geld verdienen können – und hülfe diesen so dabei, ökonomisch erfolgreich sein zu kön- nen. Nicht ohne Eigennutz, denn der Staat kann nur von ge- sunden Unternehmen profitieren. Gemeinwohl dagegen allein auf die Summe ökonomisch gewichtiger Einzelinte- ressen oder gar auf deren moralisches Verpflichtetsein gründen zu wollen ist nicht nur ein Widerspruch in sich, sondern auch schlicht der falsche Ansatz.

Ralf Behrens

Medikamentenversorgung

zwischen Märkten und Moral

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