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Uer ungeschriebenen Poesie indiscber Völi(er hat man bis jetz kaum einige Aufmerksamkeit gewidmet, von dem drawidi¬ schen Volksgesang ist vollends nur wenig in die Oeffentlichkeit gedrungen

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Eine malayälische Romanze.

Von Dr. G. eunder«.

Uer ungeschriebenen Poesie indiscber Völi(er hat man bis

jetz kaum einige Aufmerksamkeit gewidmet, von dem drawidi¬

schen Volksgesang ist vollends nur wenig in die Oeffentlichkeit

gedrungen. Hört man docb in Indien selbst vielfacb die Be¬

hauptung, dass das eigentlicbe Dichten ausgestorben sei, dass

das Volk nur in den Werken der alten grossen Dichter lebe,

und alles neuere Versemaclien auf Bearbeitungen der von ihnen

üherlieferten Stoffe, auf geistlose Nachahmungen ihrer Formen

sich beschränke. Man übersieht dabei, dass neben der Kunst¬

dichtung, die freilich sehr an den alten Mustern klebt, der Vulks-

gesang seinen Platz behauptet und immer behauptet bat. Cn-

endlich viel wird Uberall gesungen von Bootsleuten und Fischern,

von Palankinträgern und Tagelöhnern, von des Weibern beim

Pflanzen und Ernten des Reises, von Leuten jeder Kaste und

jedes Alters. Vieles ist improvisirt, Anderes erbt sich von Ge¬

schlecht zu Geschlecht fort, niemand schreibt es nieder. Nament¬

lich werden in Malabar viele Lieder gesungen, welche sicb auf

historische Begebenlieiten beziehen. Dazu gehört z. B. das Lied

vom Tschäliam Fort (bei Wdpür), welches der SSmüri vou Cali¬

cut in Verbiüdung mit andern FUijsten (1571) nacb hartnäckiger

Vertheidigung einnahm und zerstörte; die erste Capitulation, zu

der die Portugiesen in Indien gezwungen'worden sind. Sodann

das Leben des grossen Seeräuberkönigs Cugoäli (jung Ali) von

Cdtakal (südl. von Wadagara), dessen Feste im Jahre 1599 von

den Portugiesen im Bunde mit Näyerfiirsten erstürmt wurde.

BruchstUeke dieser Lieder kann man noch auf den Gewässern

der KUste singen hören, schriftlich sind sie kaum vorbanden.

Sie zeichnen sicb durch grosse Volkstbümlichkeit aus und üben

bedeutende Macht über die Gemütber der Ungebildeten , während

die Vornehmen sie mitleidig belächeln. Docb haben auch Näyer

sich in dieser Dichtungsweise ausgezeicbnet, unter den Neuern

besonders der Tatscbdji Kuruppu , desseu Lieder in Jedermanns

Munde sind. Derselhe hat vor etwa 60 Jabrea im Ka^ättuwei

3 3

(2)

506 Gründen, eine malayalische llomame.

nädu (hinter Mahe) gelebt; in einigen Liedern persiflirt er scbon

die neue Uerrschaft der Engländer (seit 1792). Als eine Prolie

dieser Romanzen., wenn man ibnen den Namen geben will (das

Volk lieisst sie einfach patu , Gesang) , folgt hier das I.,ied von Kejujipan, das aus dem .Munde etlicher Malayälen niedergescbrie- hen worden ist.

Die Form desselben ist ganz ungekünstelt, die Sjiraclie so

einfach als möglicli. Im Ausdruck 'findet sich nur wenig Wechsel,

die herkömmlichen Rangunterschiede werden so genau beobaclitet,

wie in der .Sprache des gewöhnlichen Lebens. .Sanskritworte

kommen nur in der Form vor, welche die Ausspracbe der Un¬

gebildeten ihnen giebt (z. B. kerandam für grantham, varattänaw

für vartamännm, inam für indriyam). Das Versmaass ist sehr

ungebunden. In der Erzählung werden alle Sprünge vermieden,

der Fortschritt bewerkstelligt sich langsam, damit der Hörer ju

immer orientirt bleibe. Dennoch lässt sich in der Wahl des

Stoffes, wie in seiner Behandlung, der geborene Dichter nicht

verkennen. Sollte der geduldige Leser ein anderes Urtheil fäl¬

len, so schiebe cr lieber den Fehler auf die unvollkommene, fast

wörtliche Nachbildung, welche hiemit geboten wird.

Dieses Lied ist vor andern zur Frobe gewählt worden,

weil es so ziemlich den ganzen Umfang des eigenthümlichen

Näyerlebens scbildert, wie es vor etwa 100—200 Jahren im al¬

ten KÄraja blühte. Die Näyer (Näyaka) sind die alten Grundbe¬

sitzer des Landes, zugleich die Kriegerkaste in den kleinen

Feudalstaaten Malabars. Ihre innige Verbindung mit der Hierarchie

der Brälimanen ist bekannt. Weitaus die meisten Brahmanen des

Landes unterholten mehr oder minder feste Verbindungen mit

Näyerweibern , da nur der älteste .Suhn als Erbe des Fainiiien-

guts eine Ehe mit einer Brälimaneutocliter eingehen darf. Die

Näyermädclien kommen natürlich nicht ins brahmanische Haus,

sondern empfangen Besuche von ihren Liebhabern im Hause ihrer

Mutter, ihre Kinder sind Nayer. In Folge dieser Wirthscbaft ist

hei den NAyern die Neffenbeerbung (marumacka-täyain) eingefülirt.

.Sic ist in vielen andern Kasten gesetzlich gewurden, ja sogar

die muhammedanischen Kulonisten (Tschonagas oder Mäpijjas)

haben sie sich aufdringen lassen. Die Näyertochter bleibt, auch

wenn' sie einen Näyer heirathet, gewöhnlich in ihrem Erbgut,

und ihre Kinder sehen den Oheim als das Haupt der Familie

(käranavan) an. Die mannigfachen Verhältnisse, die sich aus

diesem Grundzug des Näyerlebens ergeben, finden sich nun im

vorliegenden Liede skizzirt oder doch angedeutet. Wir sehen,

wie eine solche Verbindung geschlussen wird, in K^jappan's Be¬

werbung um Kunki, das Lehen einer Näyerin, wenn sie heim

Manne wohnt, ohne doch den Zug zum Faniilienhaus verschmer¬

zen zu können, in den Auftritten mit KSjappan's Schwester; das

Heranwachsen der Kinder und ihre Abhäugigkeit vom Onkel in

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Grundert , eine malayalische Romanze. 507

Willu und Dairu , welcher letztere zugleich die Rulle des fried¬

lichen, zur Wissenschaft hinneigenden Näyers übernimmt, während

sein Bruder, der waffengeiibte Kojapiian, uns das Ideal des ehr-

licbenden, sclinellbesunnenen , kühn dreinschlagenden Näyerjüng-

lings vorführt, der in innigster Herzensfreundschuft mit seinem

Kannan lebt, durch seine Wagnisse zur Selbstverbannung ge¬

nöthigt, in den Dienst eines Radscha tritt, aber die Anhänglich¬

keit ans Mutterhaus nie überwindet, zufrieden, wenn er endlich

darin sterben kann. .Sein Schwager dagegen, der grimme Wäju,

bietet das Bild des landgierigen, unversöhnlichen Baronen, wie

sein Onkel, der Nambi Kanäran, den durch Erfahrung gewitzig¬

ten friedfertigen alten Ritter vorstellt. Ueber beiden Grossen

ragt der verehrte, doch wenig vermögende Radscha des Länd^

ebens, dessen Verkehr mit seinen Näyern und Brähmanendienern

uns offen vorliegt. Dabei werfen wir einen Blick auf das frübere

Verhältniss der Näyer zu dem fremden, docb eingebürgerten Ele¬

ment der muhammedanischen Kolonisten, ehe es durcb die Er¬

oberungen der Mnisürfürsten und deren Folgen verbittert worden

ist. VVir belauschen sie alle in ihrem häuslichen Kreise und in

den Beschäftigungen des Friedens, sehen sie in der Aufregung

der Leidenschaft und im blutigen Zusammenstoss, und begleiten

sie in den Tod, den Sdpi (Jusuf) iis er unter Recitation von

Kuranversen auf den Kirchhof getragen wird, den Kejappan bis

zur Verbrennung in der südlichen Ecke des Gartens, von wo die

Gebeine in das heilige Ascbenfeld von Tirunelli getragen werden.

Ein Kärtchen möge die Lage der Hauptorte andeuten, welche

im Lied erwähnt werden.

Bd. XVI. 33

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508 Grundert, etne malayalische Romanze.

Kdlappan vom Garten').

Dairu vom Garten, der junge Knabe, — Willu, daa Kind von

der Felsenfurtb, beide gingen zur Schule zum Schreiben '). Wie

sie so auf dem Boden schrieben , stritten sie einmal wegen des

Raumes. Dairu vom Garten, der junge Knabe, gibt dem Willu

eine Ohrfeige. Weinend erhebt sich der Kleine vom lioden, gehet

hinaus und wandelt weiter, bin zu der Felsenfurtb, versteht sich.

Fragt der Gebieter der Felsenfurth, Wäju, der grimmige Asuran^)

alsbald: ,,Kind von der Felsenfurtb, mein Willu, warum weinest

du denn, mein Junge?" Darauf sagt ihm der junge Willu : „Uerr

von der Felsenfurtb, mein Oheim'), Dairu vom Garten, der junge

Knabe, hat mir eine Ohrfeige gegeben; seine fünf Finger schwel¬

len am Backen, immer noch brennen sie mich, mein Obeim." —

Alsbald sagt ihm der junge Wäju: „Kind von der Felsenfurtb,

mein Willu, die vum Garten Ke|ap|ian und Dairu, haben mir

nenne, nicbt eins nur gethan'); nenne bereits habe ich ihnen

vergeben. Wenn ich kann, so werde ich, mein Willu, ein¬

mal dieses von ihnen schon fordern. Du aber musst nicht wei¬

nen, mein Willu." Und er tröstet ihn mit seinem Zus|iruch.

Dairu vom Garten, der junge Knabe, schreibt nicht weiter,

aucb er erhebt sich, geht nach Blumeck in Edatscheri. Sagt

der Nambi") Kandran von Blumeck: ,, Dairu vom Garten, mein

junger Erbe, warum kommst du, statt weiter zu schreiben?

Warum trübt sich dein glattes Gesicbtclien ? Sonst war's wie eine

reife Areka ^), jetzt ist es zu einem Topfe geschwollen. Hat

dich der Lehrer geschlagen, mein Junge?" — Wie er es hört,

der junge Dairu, gibt er zur Antwort, Dairu, der traute: „Neio,

nicht hat micb der Lehrer geschlagen." Wiederum fragt ihn der

alte Nambi: „Warum weinest du denn, mein Junge?" Darauf er¬

wiedert der junge Dairu: „Höre uod merke, mein junger Oheim:

1) Kehl, Kelan, Kejappan sind die Üblichen Formen des Namens Kernja, wie sic scbon im Kelcbulbrus der Klassilier angedeutet sind.

2) Da der Schulunterricht mit dem Schreihen im Sanü anTängt, beL^sl die Schule gewöhnlich das Schreibzimmer, und aller gegebener Unlerrichl

„Schreiben".

3) Pära-Iiadawii , die Felsenfurlh , sieht unler einem Baron der Klasse der WäAunnön, ,, Gebieter", woraus die Benennung Wäju (VV;*Uu) abgekürzt ist. Im Liede heisst er Asuran wegen seines unbarmherzigen Sinnes.

4) Ammümman, .Mutlerbruder, auch Kuranawan ,,Kamilienhuupt" genannt.

5) Eines onnu, neuu, onpadu (10—1), wegen gleichen Anlauts gern ver¬

bunden.

6) Der alte Kanäran (Karunäkara) , ein Nambi oder Halbbrahinane , ist Herr der Grafschurt Edatseheri „Mittelraarkl", zu «elcher die Häuser Bluineck (pucködu) und Garten (tüUam) gehüren. Er wohnt in Blumeck, seine Schwester mit ihren zwei Söhoen, seinen Erben, im Garten.

7) Uie reife Arckafrucht („Adacka") mit schüuer, gelber Farbe.

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Grunderl , eine malayalische Romanze. 5()9

Willu, üas Kind von der Felsenfurtli , ging mit mir zusammen,

mein liebster Obeim, bin in die Schule, um mit mir zu schrei¬

hen. Wegen des Raumes kam es znm Streite und wir stiessen

uns um den fiernplatz. üa bab ich eine Ohrfeige gegeben Willu,

dem Kinde von der Felsenfurtb. Weinend ist er davon gegan¬

gen." Alsbald sagt ihm der alte Nambi: „Dairu vom Garten,

mein junger Krbe, musst du denn auch das Land umkehren')?

Ist doch Wäju, der Felsenfurtb Herr, eurer älteren Scbwester

Gatte! Neune, nicht Eins nur habt ihr gethan ihm. Lange

schon lüstet es ihn, den Wäju, nach Edatschöri's Palmenwipfeln.

EdatschÄri's Wall zu ersteigen und zu erobern, die schöne Graf¬

schaft, trachtet der Wäju schon viele Tage! Sage nur mir nicbts

von dieser Saclie ■')! "

Zu ihnen tritt der junge Kejappan , hört es und fragt so¬

gleich, der traute: „Liebster Oheim Kanäran vom Garten, warum

zürnt ihr denn mit dem Kleinen?" ünd ihm erwiedert der alte

Nambi: „Kejappan, junger vom Garten, so höre: Wäju, der

grimmige Felsenfurtliherr, eurer älteren Schwester Gatte, —

Neune, nicht Eins nur habt ihr gethan ihm, den gelüstet nach

Edatscberi, möchte herein in die schöne Grafschaft, trachtet dar¬

nach schon viele Tage. Nie hab' ich ibm eine Brücke geschla¬

gen; Dairu hat jetzt sie übergeleget." Sagt alsbald der junge

Kejappan: „Höret und merket es, liebster Oheim, zürnet doch

nicht mit meinem Bruder. Kommt durch uns etwas üngescbick-

tes, soll durch uns auch die Hülfe sich finden."

Weiter spricht der.junge Kejappan: „Liebster Oheim, Ka¬

näran von Blumeck, habt ihr gehöret die Nachricht, mein Oheim?

wie vom Citronenteiche der Vetter, schwer erkrankt, sicb so

übel befindet? Alles ging, um die Krankheit zu sehen; icb hab'

ihn noch nicht besucht, mein Oheim!" — Alsbald sagt ihm der

alte Nambi: „Trauter Kejappan, du vom Garten, wenn der Felsen¬

furtb grimmer Gebieter, Wäju, der Steinerne, blutlosen Auges '),

heute dir irgend begegnet, o Neffe, so zerstückt er dich, trauter

Junge, wie der Icbneumou die Schlange zerstücket. Welchen

Weg gehest du denn, mein Junge? Gehst du entlang dem Pä-

loyain-Reisfeld, eile hindurch und komme schnell wieder."

Spricht der traute Kejappan zura Freunde: „Kannan, von

Edatscberi, mein Lieber, willst du nicht mit mir geben, mein

Kannan? Gürte dir auch das Messergebänge um"*), und der

traute Kejappan und Kannan gehen dabin in rüstigem Schritte

über den Wall von Edatscberi, über der Grafschaft Gränze nach

f) -= grosses Unheil anstiften."

-2) = „Lass micb aus dem Spiele."

3) „Blulloses Auge", sprichwörtlich für einen , der von Barmherzigkeit keine Anwandlung kennt.

4) Das Messergehänge steht zngleicb Tiir Scbiessbedarf und die «brigt Ausrüstung. UnbcwaCfnet ging der Näyer überbaopt nicbt aus.

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510 Grunderl, eine malayalische Romanze.

Nordwest in das Land von Kadattuveinädn '). — Eilig schreiten

die Jünglinge vorwärts, dort entlang dem Päloyam-Reisfeld,

auf dem langen, erhabenen Raine-).

Sieht mit Augen der junge Kejapjinn , wie von dorten ein

Uaufe sich nahet. Und er fragt, der traute Kejappan : „Kannan

von Edatscberi, mein Lieber, wer ist der Haufe, der dorther sicb

nahet?" Ihm erwiedert der junge Kannan: „Trauter Kejappan,

du vom Garten; jener Haufe, der dorther sich nahet, ist der Fel¬

senfurtb grimmer Gehieter mit Adiödi Kunkan von Schneckbeim" ^).

Sagt ihm drauf der traute Kejappan : „Kannan von Edatscberi,

mein Lieher, fürchtest du etwa dich vor dem Tode?" — „Trauter Kejappan, du vom Garten, ich bin schon znm Sterben gerüstet". —

Sagt ibm drauf der junge Kejappan: „Kannan von Edatscberi,

mein Lieher, höre und merke es, mein junger Kannan, wenn der

Felsenfurth grimmer Gebieter, und Adiödi Kunkan von Schneck-

heim mit den 500 getreuen Leibwächtern'') freundlich uns von

dem Wege ausweichen, dann auch weichen wir ihnen vom Wege.

Wenn sie die Hand zum Turban erheben, hebest du auch die Hand

zum Turban. Lassen das Aufgeschürzte sie nieder, lässest du

auch das Kleid sich senken'). Ziehen sie aus dem Gehänge

das Messer, dann ziehst du es auch aus dem Gehänge. Spannen

sie etwa den Hahnen des Rohres, spannest du alsbald auch den

Hahnen. I>aufen sie Brust gegen Brust herüber, werfen wir

auch die Brust entgegen."

Wie sie noch redeten, kam's zur Begegnung. Wäju, der

grimmige P'elsenfurthherr, mit den 500 getreuen Leibwächtern,

wich vom Wege nicht aus, versteht sich. Kejappan wich auch

nicht aus, versteht sicb. Der vom Garten, der traute Kejappan

und der treue Edatsch^eri Kannan — liefen gerade gegen die

Sänfte des Gebieters der Felsenfurtb. Wäju fiel über den Rain

ins Reisfeld. Sagt der Gebieter zur selben Stunde: „Du vom

Garten, mein junger Kejappan, beinahe hätte von deinem Gehänge

mir das Messer den Schenkel geschlitzet." Kejappan giht auf

der Stelle die Antwort: „Grimmer Wäju der Felsenfurtb, beinahe

wäre das Schwert, das du schwingest, mir auf meinen Nacken

gefallen." Sagt der Gebieter zur selben Stunde: „Du vom Gar¬

ten, mein junger Kejappan, ist zwiscben uns denn kein Unter-

1) KadattuweinSdu, „das Land des Passes". Kadalluweinädu , erstreckt sich zwischen den. Flüssen von Mahe (eig. Mayy-a^i „ Tinlenmündung") und Wadagara vom Meer bis an die Ghats.

2) tiewöbnlich zieht sich durch die Reisfelder ein Fusspfad dem Wasser

entlang auf einem höheren Rain. *

,S) Adiüili, eine andere IN;iyerklasse , zu welcber ursprünglich auch der König von Kadalluweinädu gehürt.

4) „,500 'l'rabanlen, Münner seines Reiches."

5) Das Kleid des Mannes wird oft aufgeschürzt zur Arbeit, oder wenn er üher Feld geht. Höfiicbkeit erfordert, es sinken zu lassen, wenn er einer bedeutenden Person begegnet.

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Grundert , eine malayalische Romanze. 511

schied?" Kejappnn giebt auf der Stelle die Antwort: „Grimmer

Gehieter der Felsenfurtb, und was ist denn der Unterschied, Wäju?

Seid ibr doch mein älterer Schwager! Wenn ihr der Sohn, den

Wilyäri gebar, seid, hat mich Ackamma geboren, mein Wäju!

Euch auf der männerreichen Felsenfurth , mich beim Onkel im

goldreichen Blumeck. Kann ich mit Gold doch Alänner mir kau¬

fen!" Sagt der Gehieter iur seihen Stunde: „Kejappan, du vom

Garten, mein Schwager, heute bist du nun so, Kejappan J Neune,

nicht Eins nur hast du gethan mir. Wohl ersteig ich den Wall

Edatscheri's." Kejappan gibt auf der Stelle die Antwort: „Ihr

Gebieter der Felsenfurtb, seid ihr ja doch mein älterer Schwa¬

ger! Kommt ihr wohl nach Edatsch6ri , werd' ich im Tempel¬

hof Alatscheri euch ein Fest bereiten von Alt-Reis'). Kommt

ibr so leicht nach Edatscberi , so gibts Pulver und Kugeln zu

essen." — „Zucker ist in den Kugeln, Köjappan." — „Erst im

Essen schmeckt cr, Gehieter." — Sagt der Gebieter zur selben

.Stunde: „Sei's, wenn möglich, mein junger Kejappan!"

Damit schieden sie von einander. — Der vom Garten, der

traute KSlappan , ging nicht zu dem Citronenteiche, rechtsum

schwenkt cr und schreitet zuriick nach Edatschdri Blumeck,

versteht sich. Fragt zur Stunde der alte Nambi : „Du vom

Garten, mein trauter Kejappan, was hat sich Alles begeben, mein

Junge?" Kejappan giebt auf der .Stelle die Antwort: ,, Liebster

Oheim, Kanäran von Blumeck, höre und merke es, junger Oheim !

Als ich mitten durch's Päloyam - Reisfeld , auf dem langen er¬

habenen Raine, hinschritt zu dem Citronenteiche, kam der Felsen¬

furtb grimmer Gebieter und Adiödi Kunkan von Schneckheim,

mit 500 getreuen Leibwächtern , U"S entgegen von jener Seite,

ich ging weiter von dieser Seite, bis wir dort auf einander

stiessen. Wäju wich nicht vohi Wege, versteht sicb, — ich auch

wich nicbt vom Wege, versaht sich. Brust auf Brust wir liefen

zusammen. Wäju fiel von dem Rain ins Reisfeld. Dann gab's

zwischen uns zornige (Vorte , denn wir sprachen von Haus und

Ebre. Kurz der Felsenfurth grimmer Gebieter will EdatscbSri's

Wall ersteigen." — Auf der Stelle gibt Nambi zur Autwort:

„Dairu vom (»arten hat's angebahnet; gingst du, ihn vollends

herauszufordern?" — „Er ist herausgefordert, mein Oheim. Wäju

kommt nun nach Edatschdri. Was ist zu thun, mein junger Oheim ?

Etwas Reis muss augeschafft werden. In Edatschdri, der schönen

GvaiPschaft, ist ja von Reis jetzt nirgends Vorrath." Auf der

Stelle gibt Nambi zur Antwort: „Trauter Kejappan, du vom

Garten, Supi der Tschdnagan ^) von dem Schlanghof, den ich

1) AIIreis , mit besonderer Sorgralt aarbewahrt, schickt sich allein fürs Habt der Fürsteu und Edeln.

2) Supi (Yusuf) ist'ein Tschünagan (Yavanaka), d. h. Muselman. Die Häoptliogc der Colonisten in Malabar hatten den Ehrentitel Mäpilla „Schwie-

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512 Gründer«, eine malayalische Romanze,

von kleioauf herangezogen, gab ihm Ja oft eine Hand voll Reises,

stammt.von unserem Edatscberi. Freilicb bat er das Land ver¬

lussen, ist zur Felsenfurtb hingezogen ; dort hat er in der Felsen¬

furth-Stadt sieben .Stück Kaufläden erüflfnet, waget Gold aus und

wechselt MUnzen, hat auch sonst noch allerlei Handel. VVenn zu

dem Tschdnagan du jetzt gingest, gäb er gewiss den nötbigen

Reis mir."

Wie er es höret, der junge Kejappan, geht er, zur Rechten

und Linken hegleitet'), zu der' Felsenfurth rüstigen Schrittes.

St)pi, der Tschdnagan vun dem Schlangliof, hat dort uuf dem

berrlicben Markte . sieben Stück Kaufläden eröffnet , wäget

Gold aus und wecbselt .Münzen. Der vum Garten , der traute

Kejappan, gehet dorthin zum offenen Laden; Sdpi betet da auf

der Matte. Doch der Tschönagan sieht ibn mit Augen, richtet

sich auf von der Matte des Betens, geht zum trauten Krjappau

vom Qarten und ergreift und schüttelt die Hand ihm. An der

Hand bat er bald ihn geführet, hietet ihm einen Dreifussschemel.

Kejappan setzet sich auf den .Schemel. Mit dem Betelgruss ihn

bewirthend '), sagt der Tschömigan zu ihm, der traute: „Trauter

Kejappan, du vom Garten, dich zu sehen gelüstet schon lange

micb. Dreimal schrieb ich dir schon ein Faligblatt, niemals bist

du doch zu mir gekommen. Warum kommst du bei Sonnen¬

hitze?" — Sagt zu ihm darauf der junge Kejappan: „Höre uud

merke es, Tsch6aagan, lieber, Wäju, der Felsenfurtb grimmer

Gehieter, hat sicb h<>utc mit uns gezanket. Wäju hat sich zum

Kampfe gerüstet; dazu fehlt es uns nun am Reise. Inder schö¬

nen Stadt Edatscberi ist jetzt nirgends von Reis ein Vorratb."

Sagt der Tschönagan auf der Stelle: „Junger Kejappan, du

vom Garten, lass dich dieses »vur nicht verdriessen." Alsbald

sagt ihm der junge Kejappan: „Das allein brauch ich, Tschöna¬

gan, lieber." Damit schieden sie von einander. Kejappan ging

nacb Blumeck, versteht sich.

Als am Morgen das Gras aufgebet^), geht der Tschönagan

Söpi von Schlanghof, hringt Lastträger i-n Eile zusammen,

lässt sie den Reis in Strohbündel *) packen. Wie sie am Ufer

die Bündel packen, sah's mit Augen der Felsenfurth Herr, und

er sngt auf der Stelle, der Wäju: „Kunkan von Sehneckheim,

gersobn", daber beisien die syriscben Christen Nasräni .MTipilläs, die Juden Tschiida müpijjas, die Araber Tschfinaga .Mäpijjas.

1) d. b. Er hat durch eine leichte Bewegung der Hand sich das Geleite seiner beiden Schntzgötter erbeten.

2) Besuchenden wird zum Gruss Betel (wett-ila, „das blosse Blatt") an¬

geboten.

3) Stebender Ausdrnck fiir ,, Sonnenaurgang".

4) Der Reis liegt im Magazin aurgescbüllet und wird zum Verkaur in groase Strohböndel von gleichem Maass gepackt ; ein Lastträger nimmt zwei dieser „Uiida." auf den Kopr.

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Grundert , eine malayalische Romanze. 5131

mein Maan des Geschäftes , zu wem wird mau die Reishiiodel

tragen?" Sagt der Mann des Geschäftes: „'s ist fdr Kejappan,

den vom Garten." Wie cr es höret, hefiehlt jung Wäju: „Kun¬

kan von Schneckheim, mein Mann des Geschäftes, nimm alshald

in Beschlag die Reishündel, hringe sie her und gih keines zu¬

rücke." Sogleich gehen sie, legen Beschlag auf alle Reis¬

bündel und nehmen sie mit sich. Die Lastträger laufen in Eile

zu dem Tschönagan Süpi von Schlanghof und erzählen ihm, was

geschehen. Wie er das höret, so geht er in Eile hin zu der

Felsenfurth, versteht sich: „0 ihr Gehieter der ' Felsenfurth ,

warum nehmet ihr denn meinen Reis weg? Seid ihr um etwas

Reis verlegen , an der schönen Schwelle von Blumeck regnet es

immer gar viel des Reises'), bald wäre dort eine Düte gefüllet.".

Wie er es hört, der grimme Wäju, da übermannet ihn gleich der

Ingrimm — und den Tschönagan hauet er nieder.

Wie jung Kejappan höret die Nachricht, sagt er dem

Obeim nichts, versteht sich, gehet zur Rechten und Linken be¬

gleitet , nach der Felsenfurth rüstigen Schrittes. Deren Ge¬

bieter sieht ihn mit Augen, wie er daher kommt, und sagt zur

Stunde: „Kunkan von Schneckheim , mein Mann des Geschäftes,

siehst du vom Garten Kejappan kommen? Lass ihn die Leiter

nicht ersteigen !" 2) Wie die Näyer die Worte vernehmen, halten

sie Wacht an der Schwelle Leiter. Sagt zu ihnen der junge

Kejappan: „Huret und merket es alle, ihr Näyer, wenn ihr mir

uns dem Wege nicht weichet, mache ich eucb meiner Klinge zur

Speise^)." Siebet nicht auf des Tschönagan Leichnam, stürzet

hinan und ersteiget die Leiter; 22 Näyer zerbauet Kejappan

in 44 Stücke, dringet ins Haus bis ins Westzimmer, suchet

den Wäju und findet ihn doch nicht. In den südlichen Flügel

eilt er ; dort auch findet er nicbt den Wäju. Kejappan steigt

ins obere Stockwerk, suchet und dringet bis zur Schlafkammer.

Doit auch stehen die Felsenfurth - NAyer, halten die Wacht vor

der Schlafkammer. Kejappan tödtet auch diese Näyer; Keiappan's

Zorn will nimmer enden ; denn der Wäju ist nirgends zu finden.

Und er steiget herab vom Stockwerk, dringet, in den Garten von

wilden Bananen, wo er Bananen und Reben'; zerhauet.

Aher Tschiruta, die vom Garten, siebet ven oben deo Bru¬

der mit Augen, springt auf eiomal hinab die Treppe, eilt und

stellet sich plötzlich vor ibn hin; Tschiruta sagt, das traute

1) Segoen, gewöhn). Bezeichnung^ der Freigebigkeit.

2) Jeder Nliyer wohnt in seinem Erbgut hinter einem Erdwall , der je uach der Bedentung des Besitzers niederer oder höher ist. »Der Eingang wird durch eine Treppe oder Leiter ermöglicht, welche zunächst in das

„SehweUenbans" oder Wachthäuscheo fuhrt.

3) Das Scbwert beisst rümi, eine Damascenerklinge.

4) Pfefferreben.

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514 Grunderl, eine malayalische Romanze.

Mädchen: „Nächster Bruder, Kejappan vom Garten, hei mir he-

schwöre ich dich und hei dir, haue nicht in die Bananen und Re¬

hen. Wehrte dir ja und du hast's nicht gehört." ünd sie that

einen Bid und sagte: „Bei mir und hei dir, mein Goldhruder,

und heim Fusse des lieben Oheims, des Kanäran von Blumeck,

Bruder, haue nicht in die Bananen und Reben. Sind duch

fdnf oder acht der Kinder, und auch ich bin noch da, Goldbru¬

der, und das ist es, wovon wir leben." Und es sagt ihr der

junge Kßlappan: „Wenn ihr niclit habet, wovon zu leben, will

ich euch nach BdatschSri mitnehmen."

Und" hinaus geht der junge Kejappan, uach dem Tschönagan

noch zu sehen. Wie er den Tschönagan siehet mit Augen, füllet

•sich ihm das Auge rait Thränen. Weiter schreitet der junge

Kejappan bis zu der Stadt der Felsenfurth und dort sagt

er, der traute Kejappan: „Höret ihr Tschönager, der Stadt Bür¬

ger, habt ihr denn nicht vernommen die Nachricht? Kommt doch

alle, mich zu begleiten. Denn den Tschonag^nn Supi vom Schlang¬

hof haht ihr singend hinauszutragen." Wie sie es liörten, so

kamen sie alle, eilig gingen sie hin und trugen auf der Bahre

den Süpi, singend, brachten ihn hin zu des Tscbunagan's Hause.

Jammernd schrien die Mutter und Schwestern. Sagt zur Stunde

der junge Kejappan: ,, Höret und merket es, meine Umma's ■),

ihr braucht nicht überaus zu jammern. Euer Beschützer hin ich,

versteht sich. Ich will euch geben, wovon zu leben; werdet nicht

darben, ihr meine Umma's." Kejappan tröstet sie mit den Worten

und sie begruben den Tschönagan Süpi. Noch spricht er mit des

Tschönagan Ehefrau, heist sie ruhig verborgen wohnen und dann

nimmt er von ihnen den Abschied.

.Nach Edatscberi Blumeck geht er, siehet Kanäran, den alten

Nambi, und er sagt ihm die Nachricht, versteht sich. Wie er die

Worte vernommen der Alte, schlägt er sich an die Brust und

sagt ihm: „Trauter Kejappan, du vom Garten, einen Tschö¬

nagan hab ich von Kindheit auf gross gezogen, mein junger

Kejappan. Nicht im Kriege und nicht im Aufstande ist mein

Tschönagan nun gefallen. Nein, ihr beide, ihr seid die Ursache;

meinen Tschönagan bäht ihr getödtet." Weiter redet der alte

Nambi: „Junger Kejappan, du vom Garten, bei mir schwör'

ich und hei dir schwör' ich, in Edatscberi darfst du nicht

bleiben, wandere du in irgend ein f.iand aus. Bleibst du in mei¬

nem Edatscberi, bei mir schwör' ich und hei dir, Junge, dann

wandr' ich in irgend ein Land aus."

Hörts' und sagt der junge Kejappan: „Kannan von Edatscberi,

mein Liebe^, gürte dir gleich das Messergehänge um! Kommst

doch mit mir, schnell mein Kannan." Eh' sich im Munde die

Zunge geleget, ist'Kejappan schon auf der Slrasse; Kannan folgt

1) Umma heisst ia Malabar jede Muhammedanerin.

(11)

Grunderl , eine malayalische Romame. 515

ibm von Edatscberi , beide grüssen nocb kurz zum Abschied und

sie gelien mit einander zum Garten. Sagt zur Mutter der traute

Kejappan: „Du vom Garten, o eigene Mutter'), für micb ist

kein IJestand im Lande, darum gehe ich, eigene Mutter.*'

Wie sie es hört, so weinet sie bitter, und cs sagt ihm die eigene

Mutter: ,,KejHppun, du vom Garten, mein Goldsolin, Alle v^ün-

schen von ganzem Herzen: fort mit dem rauchenden Feuerbrande !

Und so gehst du denn wie ein solcher?"

Sagt alsbald der traute Kejappan: „Dairu, vom Garten, o

mein Goldbruder, für mich ist kein Bestand im liande, darum

geh icb iu irgend ein andres. Bis ich gehe und wiederkomme,

mag der liebe Kanäran von Bluineck, unser Oheim, hier leicht-

licli sterben, dann hältst du ihm die Jabrcstrauer, trägst die

Gebeine uucli Tirunelli') und legst dort ihm den Opferkuchen.

Stirbt vum Garten die eigene Mutter, dann hältst du ihr die Jah-

restraner, trägst die Gebeine nach Tirunelli und legst dort ihr

den Opferkuchen. Höre nuch weiter, mein lieber Junge: Nach

Kutyädi') gedenk ich zu gelien, mag dort wulil ein wenig ver¬

weilen. Gibst du mir wohl auch etwas zum Abschied?" „Was

soll ich denn dir geben, Altbruder?" „Willst von den Lenden die

goldene Kette du ablösen und schenken, mein Junge? Kann

nicht lange hier stehen und reden." Dairu löste sie ah und gab

sie; Abschied nahm er und ging von dannen.

üeber den Wall von Edatscberi schritten sie, über der

Grafschaft Gränze, ins Kadattuvei-Land nach Nordost, dringen

durch Knnimilis schönes Gehöfte, unten vnrbci un Kakkampajji,

durch den Markt vun Nädapuram hin, his sie kämmen zum Schlosse

Kuty.idi. Wie sie dem Schlüsse sich eben nahen, ging der König

Kutyädi's zu baden. An der Treppe des Teiches verehret Kejap¬

pan dreimal, faltet die Hände vor der Sohle, dem Scheitel nnd

Leibe'). Uhd der König geruht zu reden: ,, Kunkan von Spiel¬

ort, mein Mann des Geschäftes, welcher Näyer ist's, dc^ mich

verehret?" — Es unterfängt sich der Mann des Geschäftes^

„Owa Herr, mein gnädiger König, Kejappan vum Edatscbfri-

Gartcn, Kejappan ist's, der verehret Oji ')." — Weiter geruht der

1) ..mich geboren hubenile Mutter" zum Unterschied von den Tanten, die auch Mutter heissen.

2) Die Todten werden in der sUdlichen Ecke des Gehöftes verbrannt und die Gebeine in einer Matte nach Tirunelli (S.'Sri Sahy/iiualaki) , dem Hauptlempel der Provinz Wayanädu auf den Ghats, gelragen und dorl beerdigt.

3) Kutllyaili , Kutyädi, Ort am Fuss des bekoiinlen Hasses, der Ins Wa¬

yanädu binauflührt. Hier und in Kuttipurain residirt die F'amilie des Kiidschä von Kadatluweiiiädu.

4) Der König wird inll mehrmaligem Zusammenlegen der Hände auf der Brusl und eigeuthüiuliehem Auseinandersehnellen derselben begrüsst (loXaga),

5) owa und oji, stehende Formen der Anrede von Fürsten; die Bedeu¬

tung beider Worte steht noch nicht fest.

(12)

516 Grundert , eine malayalische Romanse.

König zu reden: „Kunkan von Spieiort, mein Mann des Ge-

scliäftes , mancher Näyer schon hat mich verehret, doch noch

keiner; ' sfjie der cs gethan hat." .Spracli's und hrachte das Bad zu Bnde. .

Kejappan muss zum Schlosse ihm folgen, in das herrliche

obere Stockwerk, anf den Teppich darf er sich setzen, ünd

der König geruht zu reden : „Du vom Garten, junger Kejappan,

was ist der Grund, dass du gekommen?" Ks unterfängt sich

der junge Kejappan: „Owa Herr, mein gnädiger König, ich kam,

mich anwerben zu lassen." Alsbald geruht der König zu reden:

„Trauter Kejappan, du vom Garten, magst bei uns in der Reihe

essen und mit fürstlichem Oele dich salben')." Es unterfängt

sich der junge Kejappan: „Brauche nicht Reis in der Reihe zu

essen; mir genügen drei Bambu vom Hartreis"'). — Und der

König geruht zu reden : „Trauter Kejappan, du vum Garten, das

ist dein schädelgcschriebenes Schicksal!-') Hat doch der Nambi

Kanäran von Blumeck täglich vielen den Reis zu vertheilen!

misst er ihn nicht 500 Näyern?" — Weiter geruhet er noch zu

reden: „Kunkan von Spieiort, mein Mann des Geschäftes, nimm

nur Kejappan zu dem Gewölbe, lass ihm geben drei Bambu vom

Hartreis." Wie er es höret, der Mann des Geschäftes, nimmt er

Kejappan alsbald mit sicb, gibt ihm dort im Gewölbe zu essen,

und lässt ihm die drei Bambu ertheilen. -

Weiter sagt der traute Kejappan : ,,0 mein König vom

Schloss Kutyädi, hier weiss ich weder Weg noch Stege, kenne

kein Haus, wo man mir kochte." Alsbald geruhet er ihm zu

sagen: „Pattar, mein Koch der Dienerreibe'), führe den Kejappan

nach Kutyädi, geh zu der trauten Kunkitschi von Spielort, richte

dem Mädchen du meinen Befebl aus, dass sie dem trauten Kejappan

vom Garten seinen Reis abnehme und koche, dass er am .Abend

zu essen habe." Wie er es höret, der Pattar-Jüngling, nimmt

er den trauten Kejappan vom Garten , sammt dem Kannan von

Edatscberi, in die Strasse des Orts Kutyädi. Dort liest eben das

Mädchen von Spielort, Kunkitschi, im Rämäyanam-Liede. Wie

der junge Kejappan vom Garten sie zuerst mit den Augen er¬

blicket, da entfallen mit dem Blick ihm die Körner. — Kunkitschi,

die vom Spielort, erbebt sich und begrüsst ihn, wie es sich

schicket. Sagt zur Stunde der Pattar-Jüngling: Junge Kun-

.1) Der -König bat die böbere Dienerschaft im Ange, welche in einer Keihe (pakkam) isst.

2) Kejappan-bescbeidet sich mit dem gewöhnlichen Taglahn von 3 Na^i Reis (eines za 4444 Reiskörnern), wie er jedem "dienenden Näyer verabreicht wird.

3) In dea Sutoren des Schädels soll einem Jeden sein Schicksal vor der Geburt eingeschrieben worden sein.

4) Ein Pa(^r (Bha(ta, Brahmane mit der Hinterlocke) ist gewöhnlich der Kocb des Königs.

(13)

ürunderl, eine malayalische Romanse. 517

kitschi , du von Spieiort, höre und merke es, trautes Mädchen,

Kuttipuram's gewaltiger König') hat mich beauftragt, dir zu

sagen , dass du dem trauten Kejappan vom Garten seinen Reis

abnehmest und kochest, und bei dem Abendmahle aufwartest."

Wie sie es hört, Kunkitschi, das Mädchen, kocht sie ihm

schnell den Reis fiir den Abend. Sagt ihm dann die traute Kun¬

kitschi : „Junger Kejappan, ihr vom Garten, nnn beliehts euch,

den Reis zu essen?" Alsbald sagt ihr der junge Kcjaiipan:

„Junge Kunkitschi, Kind von Spielort, wer deni>-gibt dir deine

Bekleidung?"') — ,,Höre und merke es, junger Ki'>ja|i|ian, we¬

gen mir sind schon Geringe im Lande, und auch (irusse im

Lande gekommen. Doch mein Oheim, der Kutiki)o von .Sjiiclort,

hat an Keinem Gefallen gefunden. Nicht dnss iiinen Vermögen

fehlte." Alsbald sagt der junge Kejappan : Tratte Kuiilcitscbi,

Kind von Spielort, lass mich dir die Bekleidung g«|jeii!" So¬

gleich erwiederte die junge Kunkitschi : „Trauter Kcjajipan/ jhr

vom Garten, ich bab' an euch ein grosses Gefallen. Hört es der

Oheim, so ist's ein Fehler. Mit dem Oheim solllet ihr sprechen.«'

Alsbald sagt der junge Kejappan: ,, Traute Kunkitschi, du von

Spielort, wenn nun dein Oheim, Kunkan van Spieiort, heute nach

Hause zurückkehret, musst du ihm irgend ein Gleiehniss sagen;

etwa der junge Kejappan vom Garten habe den Abendreis nicht

gegessen, diese Andeutung solltest du sagen. Lass mich nnr

die Bekleidung geben!" „Mir ist's lieh, mein junger Kdjappan,

hab' an euch ein grusses Gefallen.'.' Und er gibt ihr zu Kleid

und zu Salbe ^), badet nnd isst und legt sich schlafen.

Als am .Margen das Gras aufgehet, kummt Adiödi Kunkan

von Spielort üher die .Schwelle; ihm sagt das .Vlädclien: ,, Jun¬

ger Oheim, Kunkan von Spielort, für den Kejappan vom Gar¬

ten hatte icb Reis zu kochen zum Abend. Aber er hat ihn

nicht gegessen." — Alsbald sagt ihm der Adiödi: ,, Trauter Ke¬

jappan, du vom Garten, warum assest du nicht zu Abend?" Dar¬

auf erwiedert der junge Kejappan: „0 Adiödi, Kunkan von

Spielort, wenn ich auch den Abendreis ässe, wer ist's, der mir das

Zubehör schaflFe?') Hört Adiödi, Kunkan von Spielort, wer gibt

denn der trauten Kunkitschi zur Bekleidung und zu der .Salbe?"

Alshald sagt ihm der Adiödi: „Trauter Kcjuppan, du vom Garr

ten, wegen ihr sind schon Geringe im Lande, und auch Grosse

im Lande gekommen. Doch an Keinem fand ich Gefallen. Nicht,

1) Kuttipurain, jetzt die ilauptresidcnz des Rädscbü von Kadattuweinädo.

2) Nayerweiber nennen denObeiin, „den der zu essen gibt", den Gatten, ,den der die Rekleidung seliaK't".

3) Zur Bekleidung seliiirl aucb die, od kostspielige Salbe, mit dere Einreiben das grosse wöchciitl. Bad eingeleitet wird.

4) d, b. nach dem Essen den Betel reicbe u. s. w. , ein Zeicben der Vertraulichkeit, das sich nur für die Gattin schickt.

(14)

518 Grunderl, eine malayalische Romanze.

dass ihnen Vermögen felilte!" Sagt alsbald der junge Kejnp-

pan : „Kunkan von Spieiort, Hlunn des Geschäftes, darf ich heute

der trauten Kunkitschi, der von Spielort, Bekleidung geben?'-

Sogleich sagt ihm der Manu des Geschäftes: ,;'rrauter Kejappan,

du vom Garten, an dir hab' ich ein grosses Gefallen." Also

wohnt er dort von da an.

VVie sechs Monate nun vergangen , sagt der Gebieter der

Felsenfurtb: „Kunkan von .Schneckheim, mein Mann des Ge¬

schäftes, hast du wohl auch gehöret die Nachricht? Kejappan

sei gewiss nicht im Garten, er sei irgendwo in Kutyädi. .letzt

muss ich Kdatsclu^ri ersteigen. Rüste doch alles znm Kriege

geschwinde. Morgen, sobald das Gras aufgehet, gibst du den

Näyern der FcIsenfurÜi ihren Sold und den Reis zum Auszug.

Lass sie frühe ein Mahl einnehmen und sich in unserem Schlosse

versammeln." Höre noch Kins, mein Mann des Geschäftes : schnell

iass uen Klephanten, den weissen, von dem liauholzmarkte her¬

holen, dass cr bis zu der Tschättan - Feste zwei Kannnen hin¬

überziehe. I..ass die Manern auch wühl bewahren."

Der Adiödi Kunkan von Schneckheim rüstet in Eile das

Kriegsgeräthe, lässt Vas Blei in Kugeln schneiden, lässt das

Pulver von andern reiben und die Rohre von andern abwischen,

den Elephanten aucb holt er in Eile, dann geht Jeder zum

Baden und Essen. Morgens sobald das Gras aufgehet , sammeln

die Näyer sich alle in Haufen. VVie der Tag sich neiget zum

Abend, lassen sic ziehen die beiden Kanonen. — Tschiruta

siehts, die Traute, mit Augen, und das Mädchen fragt auf der

Stelle: ,, Grimmer Gebieter der Felsenfurth, ziehet ihr etwa nach

Edatscberi? Wollt ihr mein Edatscberi beschiessen? Keiappan

von dem Garten, mein Bruder, fand ja keinen Bestand im

Lande, ist nun fort, mein nächster Bruder. Was wollt weiter ihr,

junger Wäju?"

Alsbald sagt ihr der junge Wäju: „Tschiruta, liebes Mäd¬

chen vom Garten, werde ich denn so thöricht handeln? Werd'

ich dein Edatscberi beschiessen?" Und der Gebieter der Felsen¬

furth tröstet mit freundlicher Rede das Mädchen: „Nachts wir

geben, die Schweine zu jagen", bis das Mädchen es hielt für

Wahrheit.

Und der Gebieter der Felsenfurtb, mit Adiudi Kunkan

von Schneckheim, und 500 getreuen Leibwächtern, ziehet hinaus

der Mauer entlang. Vor dem Eingang der Tschättan-Feste kommt

er an bei dämmerndem Abend, und er schiesset aus heiden Ka¬

nonen. .Schiessen sie doch wie der Reis, den man röstet'),

gegen den Wall von Edatscberi. Blumeck erwiedert mit keinem

Schusse.

1} Vergleicbung mit dem knatternden Ton.

(15)

Grunderl , eine malayalische Romanze. 519!

Der Vüui Garten, der traute Kejappan , schläft gar feste im

westlichen Zimmer, sich vergessend dort auf dem Lager. Wie

er den Schuss hurt, fährt er zusammen , richtet sich anf und

sitzet und horchet. Kuuki, das traute Mädchen vun Spielnrt,

rüttelt er auf und weckt sie, versteht sich. Sagt zu ilir der

traute Kejappan: „Kunkitschi, trautes Kind vnn Spieiort, ich

höre iu Edatsclicri schiessen. — Wäju, der Felsenfurlli-Herr ist

es, der jetzt mein Edatschöri heschiesset und ich hin noch nicht

in Edutscliöri ! Dairu, mein Guldhruder vom Gurten, kann schon

todt sein, uhne dass icirs weiss. Kunkitschi, üffne doch gleich

die Thüre 1" Alshald sagt ihm Kunki, die junge; „Kejappan,

ihr vom Garten, mein Liebster, seid ihr doch immer derselbe,

mein Liebster! Wer nur irgendwo jagt und scliiesset, wo man

iminer von Scbiessen höret, sagt ihr jederzeit auf der Stelle:

„mun scliicsst gegen mein Edatsciuri !•' Kejaiipan antwortet ihr

zur Stunde: „sag mir nichts mehr, mein liebstes Mädchen, nach

Edatscberi geh ich und komme." Alsbuld spricbt zn ihm Kunki,

die Traute: „Kejappan, ihr vom Garten, mein I.,iebster, in der

Mitternacbt dickstem Dunkel, da die grause Tscliämuiidi ') um¬

gebt, wie nur könnet ihr geben, mein Liebster? Huret nnch

weiter. Herzensfreundeben: schon Ii Monate wohnet ihr bei uns,

seit 3 Monaten trag ich ein Kiiidlein, sollt ihr das gute Kind¬

lein nicht seheo?" Sagt ihr drauf der junge Kt'jappan : „Kun¬

kitschi, trautes Kind vou Spielort, öffne die Thüre mir alsbald,

Mädchen!" Doch sie öffnet die Thür mit nichten. — Kejappan

öffnet sie selbst und eilet vom Westziminer hinah ins Freie.

Kunkitschi eilet ihm nach, das Mädchen, hält ihn fest am Schosse

der Seide. Kejappan rufet mit lauter Stimme: „Ho mein Kaiman

von EdatscliÄri, komme duch mit mir geschwinde, Kannan!"

Kannan hört es und steiget hernieder. Kunkitschi doch lässt die

.Seide nicht fahren , Kejappan schneidet im Nu den Schoss ah.

Und schon gehen sie rüstigen Schrittes eilends hin zum

Schlosse Kutyädi. -Aber der Künig schläft im Gemache. Kejap¬

pan dringet durch zum Gemache. Wie der König im Schlosse

Kutyädi . Kejappan da mit Augeu erblicket, da geruhet der

Traute zu spreelicii: „Kejappan du, mein Jünger, vum Garten,

warum gehst du im dicksten Dunkel Mitternachts, du die

Tscbäinunili umgeht?" Schnell unterfängt sich der junge Kejap¬

pan : „Owa, Herr, mein gnädiger König, — Wäju, der grimmige

Felsenfurtli-Herr, trachtet lange schon nach Edatscberi, nach den

Palmenwipfeln der Grafschaft, müclite so gern Edatscberi durch¬

ziehen. Schiessen hör ich in Edatscberi, — Wäju ist es, der

jetzt es beschiesset. Der von Blumeck, Kaiiäran mein Oheim,

1) Die Tscbäiniinda, Korm der Kuli.

(16)

520 Grundert , eine malayalische Romanze.

ist nocIi immer ein zarter Knabe. Und icb bin nocb nicht in

Edatscberi. Mein Edatscberi besuche ich, dji." Alshald geruhet

der König zu sagen: „Trauter Kejappan, du vom Garten, wie

kannst du im Mitternachtsdunkel nur su allein hingehen, mein

Jungei Besser, ich mache mich auch auf die Reise." — Gleich

unterfangt sich der junge Kejappan: „Owa Herr, mein gnädiger

König, in der Mitternaclit dickstem Dunkel darf der König sich

nicht aufmachen. Wenn ich mein Edatscberi erreiche, sind vum

Oheim erzogene Näyer an 500 bereit mir zu folgen , und von

mir erzogene Näyer sind 300 bereit mir zu fnigen."

Als der König dies Wort vernommen, so geruhet er zu be¬

fehlen: „Höre, o Kunkan, mein Mann des Geschäftes, was nur

in unsrem Gewölbe sicb findet, Pulver und Kugeln, nimm alles,

was nöthig; dazu ÖOO getreue Leibwächter, und euch du selber,

mein Mann des Geschäftes, geh niit der Mannschaft und geb

mit dem Zeuge, gib du dem Kejappan treues Geleite." Wie

er gehöret, so ging der Geschäftsmann, schon ist er an dem

Gewölbe und öffnet's, nimmt draus ~ Pulver und Kugeln, was

nöthig, dazu 500 getreue Leibwächter. Der Adiödi Kunkan von

.Spielart, und vom Garten der traute Kejappan, grüssen zum Ab¬

schied und gehen zusammen.

.Schreiten sie doch schon rüstigen Schrittes am Purameri-

Bergfusse vorüber, dringen durch Kommijis schönes Gehöfte;

vorwärts gehen die Näyer in Eile, bis zu der Mauer der Tschät¬

tan-Feste. Wie sie so längs der Mauer hinziehen, sieht der

junge Kejappan mit Augen schon den Gebieter der Felsen¬

furtb, und die 500 getreuen Leibwächter; schiessen sie doch

wie der Reis, den man röstet.

Seitwärts zieht sicb der junge Kejappan, an den Kannan-

teich gehn sie zusammen, schiessen nun gegeneinander die Näyer.

Lustig knallt es, wie Reis, den man röstet. Bis zu dem Krähen

des kräftigen Hahnen, schiessen sie gegen einander die Näyer.

-Und die 500 getreuen Leihwächter um den Gebieter der Fel¬

senfurtb , fallen und liegen da alle im Blute.

Spricht der Gebieter der Felsenfurtb: „Kunkan von Schneck¬

heim, mein Manu des Geschäftes, der von dem Garten, der traute

Kejappan, ist ja nicht mebr im Garten zu Hause. Wer denn

ist es, der uns so beschiesset?"

Wie er das höret, der Mann des Geschäftes, steiget er

auf den Feigenbaum, spähet hinüber zum Kannanteiche, siebt das

geblümte Tucb und den Turban des von dem Garten , des

trauten Kejappan. Sah's mit Augen der Mann des Geschäftes,

und er berichtet es unverzüglich: „0 du Gebieter der Felsen¬

furtb, dieses geblümete Tucb und der Turban des von dem

Garten, des trauten Kejappan, sind hier deutlicb zu sehen —

er ist es."

(17)

Grunderl, eine malayalische Romanze. 521

Der Adiodi Kunkan von Schneckheim greift nach dem silber-

heschlagenen Rohre, ladet es sorgsam, er zielt und drückt.

Trifft doch den Kejappan nicht mit dem Schusse, aber den Kan¬

nan von Edatscberi. U o der gestanden, da stürzet er rücklings.

Sah's mit den Angen der jnnge Ke!a|)pnn, greift nach dem silber¬

beschlagenen Rohre, ladet es sorgsam, er zielt und drückt,

trifft den Adiodi am rechten Schenkel. Wie er es merket,

der Schlaue von Schneckheim, nimmt er das silherbescMageue

Rohr, ladet es sorgsam, er zielt und drückt, trifft mit dem

Schuss gerad' in die Stirne den vom Garten, den trauten

Kejappan.

Wie er es merket, der junge Kejappan, löset er ab das

geblümete Tüchlein, bindet es fest auf das Loch der Kugel,

zieht aus des Schildes Höhlung ein l'almblatt nnd mit eigener

Hand so schreibt er: ,, Junger Gebieter der Felsenfurtb, was

wir vermochten und nicht vermochten, haben wir nun erfahren

und lassen's. Höret noch eins, o junger Gebieter, seid ja der

Mann meiner älteren Schwester. Wenn von der Mauer der

Tschättan-Burg ihr jetzt nicht in Eile zurück euch begebet,

werde ich nimmer euch Schwager nennen. Mit mir geht cs nocb

heute zu Ende: bat doch die Kugel die Stirne getroffen!" —

So hat er auf das Palmblatt geschriehen und durch die Näyer

den Brief übersendet.

Als der Gebieter der Felsenfurth von" dem Näyer das Blatt

empfangen und es gelesen, da sagt der Gebieter: „0 Adiödi,

Kuukan von Schneckheim, hörst du die Nachricht, mein Mann'

des Geschäftes? Dem von dem Garten, dem trauten Kejappan,

ist in die Stirne die Kügel gedrungen. Hahen wir also, ö Mann

des Geschäftes, wirklich ermordet den trauten Kejappan! Hätt'

er doch lieber mich niedergeschossen! Wie soll ich Tschiruta,

der vom Garten, sagen ein Wort, das ihr's andeute? Wenn

das Mädchen die Nachricht erfäbret , wird sie sogleich das Land

umkehren. Gehn wir in Eile, mein Mann des Geschäftes."

Eilig gebet der junge Gebieter.

Spricht von dem Garten der traute Kejappan : „ Höret ihr

Näyer vom Schlosse Kutyädi, gehet in Eile zurück nach Hause.

Nimmer reicht mir die Zeit zum Schreiben nu den König vom

Schlosse Kutyädi. Geht und bringet ihr selber die Nachricht.

Kunkan von Spielort, du Mann des Geschäftes, sage doch

nichts dem lieben Mädchen, meiner trauten Kunkitschi von Spiel¬

ort." Spricht's und geht in rüstigem Schritte nach Edatscheri's Garten, verstebt sich.

Wie er nun kommt zu der Gartenbeimatb , sitzt an der

Schwelle die gute Mutter. Als sie ihn sab und deutlich erkannte,

sagt die traute, die eigene Mutter: „Junger vom Garten, mein

trauter Kejappan, wani) bist du von Kutyädi gekommen? Warum

3 4

(18)

522 GrundeH , eine malayalische Romanze.

kommst du, mein Sohn, von Kutyädi^ VVenn der Felscnfurth

grimmer Gebieter, heute dich irgend, Kälii[i|iun , findet, so zer¬

stückt er dicil, Herzensjunge, wie der Iclineumon die Scblunge

zerstücket. Wälu, der steinerne, blutlosen Auges, ist scbon ge¬

stern des Nachts gekommen, hat mit .VInclit Edatscberi beschos¬

sen, hat geschossen bis jetzt, Kelappan." — Drauf nntwortet

der junge Keja|)pan: ,, Hör und merke, o eigene .Vlutter, weil

Edatscberi icb hiirte beschiessen, konnte ich gestern Nacht nicht

.schlafen. — Wo aber ist denn Dairu vom Garten, mein Gold-

brüdercben, eigene .Vlutter Daraufsagt ihm die eigene Mutter:

„Im Westzimmer ist er, Kejappan."

Zum Westzimmer hin gebt er, versteht sich, steht an der

Thür uud ruft dem Juugen: ,, Dairu vom Garten, o mein Gold¬

bruder, —• ötfnest du nicbt die Tbüre, mein Dairu VVie er es

boret, der junge Dairu, riegelt er alsbald auf die Thüre. Fragt

ihn gleich der junge Kejappuii : ,, Dairu vom Garten, o mein Gold¬

hruder, warum bist du denn im VVestzimmer P ) Hast du noch

so viel Angst, o Junge? Weil Edatscberi ich hörte beschiessen,

konnte ich gestern Nacht nicht schlafen. Klopfe und breite mir's

Bett, mein Dairu." Dairu klopfet und breitet das Lager.

.Sagt zu ibm drauf der traute Kejappan: ,, Dairu vum Garten,

o mein Goldbruder, seit ich gegangen bin nach Kutyädi, habe

ich nimmer gehört deine Verse; hörte dich gern das Kämäyanam

singen. Wie er es hört der junge Dairu, nimmt er den

Bündel von Idättern der Palme, zündet den Docht der Ketten-

lampe, schlägt das Bnch auf und siebt nach der Lusung

bricht in Weinen aus Dairu der Junge, nnd es fragt ihn der

traute Kejappan: ,, Dairu vom Garten, o mein Goldbruder, warum

weinest du, lieber Jungei Was ist denn Alles im liuche zu

finden'?" — Alsbald sagt ihm der junge Dairu: ,,Mein Alfbruder,

Kejappan vom Garten, als icb das Buch aufschlug, da fand ich:

denen vom Garten ist nahe der Tod; lese ja da vom Karugu-

Grase '); Einen müssen wir sicher verbrennen." Drauf antwortet

der junge Kejappan: „Musst du denn darum weinen, mein Junge?

Deren vom Garten sind es ja Viele. .Sollte man etwa im Garten

nicht sterben? Hör' und merke nun Dairu, mein Junge: seit ich

gegangen bin nach Kutyädi, habe ich Tschiruta, die vom Garten,

nimmer gesehen mit Augen, du weisst es. — Gerne hätt' ich

das Mädchen gesehen. Scbreibe doch gleich, o Dairu, ein Palm-

1) lin Weslziniiner , ilem initiieren des Hauses: das junge \'olk wird gewöhnt, es als den Aurenihaltsnrt der Ahnen heilig zu hallen.

2) Znr Losuns wird das Buch aufgeschlagen und auf dem getrolfenen Blalt von der 7ten .Silbe der 7len Linie zu lesen angefangen.

3) Das Karugu-Gras (s. Dürvä, Agroslis linearis) wird zu den Leiehen- Cereinonien üer Näyer gebraucht.

(19)

Grunderl , eine malayalische Romante.

blatt." — Dairu schreibt in Eile das Palmblatt, gibt den Brief

in der Näyer Hände, und fängt an zu plaudern, der Junge.

„Mein Goldbriiderchen, Dairu vom Garten, höre, wenn Tschi¬

ruta kommt, das Mädchen, lass sechs Monate sie nicht geben').

Wenn der Wäju dann irgend was sendet, nimm vom Wäju du

doch kein Geschenk au. Weiter noch höre, mein junger Dairu:

da in Kutyädi ich wohnte sechs Monde, liebte ich Kunki von Spielort,

die junge. Schon drei Monate trägt sie ein Kindlein. Feire du

ihr das Tamarind-Trankfest '). — Wie er das höret, der junge

Dairu, hricht er in Weinen aus Dairu, der Junge: „o welch'

Todesreden mein Bruder!" — Sagt ihm darauf Kejappan der

junge: „höre und merke, mein junger Dairu, bat doch der

König vom Schlosse Kutyädi eben mich abgesendet mit Auftrag!

Soll fdr ibn auf die Cardamom-Berge, und Cardamomen und San¬

delbolz sammeln; Jungfrau und Wassermann sind sie zu haben');

wann sie geerntet, dann darf icb erst kommen. — Weiter uoch

böre, mein junger Dairu, willst du mir das Rämäyanam singen?

Singe mir's docb und lass micb's bören." — Das Rämäyanam

singet ihm Dairu; unter dem Singen stirbt Kdjappau.

Während sie dort so sind beisammen, macht sicb Tschiruta

auf zum Garten, Uber die Schwelle steiget das Mädchen , und es

fraget die traute Schwester: „o vom Garten du eigene Mutter,

nächster Bruder KSIappan vom Garten! Wo ist der Bruder,

o eigene Mutter?" — Sagt ihr drauf die eigene Mutter: „Toch¬

ter, er ist im westlichen Zimmer." — ins Westzimmer bebende

sie stürzet: „Nächster Bruder, Kejappan vom Garten, wann bist

du vun Kutyädi gekommen? Warum kommst du, mein Herz, von

Kutyädi?" Der vom Garten, der traute Kejappan, hat kein Wört¬

chen ihr zu erwiedern. — Frägt das Mädchen Tschiruta weiter:

„Warum schweiget mit mir mein Bruder? Weil ich so komme,

fast ohne Geschmeide? Weil ich kein frisches Kleid anlegte?

Acb, dir ist's schwach von Magenleere !" — Cnd in Eile geht

die vom Garten , Tschiruta , und setzt Reis aufs Feuer, siedet,

kühlt und bringt ibm den Reisschleim'*): „Nächster Bru¬

der, Kejappan vom Garten, trinke, mein Herzensbruder, den

Reisschleim!" — Dnd sie rüttelt den Jungen uud weckt ibu.

Todt liegt Kejappan auf dem Lager. „Ajo, Ajo!" schreiet das

Mädchen, nnd sie jammert gepressten Herzens.

1) Die ersten sechs Monate nach einem Todesfall sind die Zeit der streng¬

sten Traner.

2) Das pujikadi (s. punsavanam) gefeiert im sechsten Monat einer ersten Schwangerschaft.

3) Die Monate Sept. und Febr. sind im Mal. die gewühnlichen Ernte¬

monate, aocb des Reises.

4) „Canji" das gewöhnliche Frühatäck.

Bd. XVI. 34

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524 Grundert , eine nutlayalisehe Romanxe.

Wia das buret die eigene Mutter, stürzet ,sie in das west-

liebe Zimmer, und es jammert die eigene Mutter: „Kejappan, du

vom Garten, mein Goldsohn! Bist du ermordet, Kejappan, mein

Junge? — Ach, icb wärnte, so viel ich vermochte, und du woll¬

test nicbt hören die Warnung! — Ja, der Felsenfurtb grimmer

Gebieter, Wäju, der steinerne, blutlosen Auges, hat dich be¬

trogen, mein trauter Kejappan." — Solcbes sagte die eigene

Mutter. Wo «ie gestanden, da fiel sie zu Boden. — Alle jammern

gepressten Herzens. — Auf dem Brandplatz dort nacb Süden ')

häufen sie Int und Murikku zum Holzstoss'), und verbrennen

ihn drauf mit Sandel. So nun waren sie dort beisammen.

1) Die südliche Ecke des Guts dient znm Verbrennen der Todten.

2) tntn (eine Cycas ) und IHurikku (Erythrina) bielen ein leichtes Brennhulz.

(X soll das eigenthümliche rl des Drawida-Alphabets vertreten; in Kutti- puram und Kultiyidi ist das tt eigentlicb rr.)

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525

Notizen , Correspondenzen und Vermischtes.

Beiträge zur Geographie und AIlerliiumsliUDde Nordpersiens.

Von

Dr. med. et plill. J C Hftntzaclie ■)■

Im Juni und Juli 1858 bereiste icb die nocb sehr wenig von Europäern

besuchten Gebirgsgegenden von Ditmün, Ambarlu und RudhAr kas¬

wini, sowie das noch von keinem Christen betretene samamische Hochgebirge in Tenekabun, hauptsächlich nm die dortigen Thermen zu untersuchen, was mir Treilich nur tbeilweise gelang. Dagegen wurde ich mit einigen

Alterlhümern bekannt, von denen man in Europa zum Theil noch nicbts

weiss. Leider gestattete die persisebe Gasirreundschafl, die ich in Digin genoss, nicht. Alles selbst näher zu besichtigen; ich verschob diess auf spätere Zeiteo, die aber nun schwerlich mehr kommen dürrien. Im October 1858 kam der berühmte Numismatiker und russische Ingenieurgeneral v. Bar¬

tbolomäi auf seiner Reise voo Tillis nach Teheran durcb Rescht nnd wurde betreifs dortiger Alterthümer an mich gewiesen. Leider konnte ieh ihm die gewünschte Auskunft nicbt ertheilen, da ich zwar die südkaspischen Gegenden in statistischer, geographischer und physikalischer Hinsicht bereist, anf die Alterthümer aher nur nebenbei geachtet hatte. Auf meinen nachfolgenden Reisea , zumal auf der bald darauf nach dem Osten Nordpersiens unternom¬

menen grösseren, widmete icb nun auch den Alterthümern mehr Aufmerk¬

samkeit, indem icb zum Tbeil selbst Beobachtungen darnber anstellle, zum Tbeil von zuverlässigen Leuten Nachrichlen einzog. Sehr zu Statteo kam mir bierbei — besooders als Schutzmittel gegen die gewöhnliche Lägeo- haftigkeit — ausser meinet' Jahre lang erworbenen Kenntniss des Landea und seiner Sitten, der persischen und der tatarischen Sprache, meine Eigenschaft als Arzt, die den Argwohn und das tiefe Misstranen der Orientalen ablenkte, welche Philologen und Archäologen von Fach gewöholich fdr geheime poli¬

tische Sendlinge oder fdr Schatzgräber halten. Münzen, die aueh der rnaaiicbe Akademiker, wirkl. Staalsrath Dr. Dorn, im December I860 in Reaebt mit aebr geringem Erfolge sucbte, finden aicb dort wenige nnd nur za nnsinnig hohen Preisen. Sehr alte Inschriften — die neneren hielt ich nieht der Mök«

1) Hr. Dr. Häntzsche, der nach einem zehnjährigen Aafenthalte io der Türkei und Persien sicb jetzt in Dresden niedergelassen hat, ist aueh der ursprüngliche Verfasser des Aafsatzes in Bd. XII, S. 309—314: Der Aufstand

in Reseht im J. 1855. D. Red.

■ att

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