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Liebe Leserin, lieber Leser

Die Bildmontagen im Schwerpunkt zeigen eine Batterie von Mikrofonen, die vor einem Katheder aufgepflanzt sind. Damit ist angedeutet, dass es hier um etwas Wichtiges geht. «Genderkompetenz» ist ein Thema, über das geredet wird. Die Rednerinnen und Redner hinter den Mikrofonen stammen aber aus einer Welt, in der Fragen zum sozialen Geschlecht und zur Chancengleichheit noch nicht (öffentlich) zur Debatte standen. Damit wird augenfällig, dass sich in Gleich- stellungsfragen ganz offensichtlich etwas getan hat. Die Figuren, aus alten Gemälden entliehen, melden sich keck, bemüht oder etwas enttäuscht zu Wort und weisen implizit darauf hin, dass Reden alleine nichts nützt. Mit Blick auf das Schulfeld bieten die Schwerpunktbeiträge einen Überblick über die aktuelle Diskussion zum Thema. Diese dürfte unter anderem durch die von Ingrid Ohlsen und Basil Schader angekündigten Unterrichtsmaterialien zur Genderkompetenz neue Impulse erhalten.

Ein anderes Lehrmittel, das ebenfalls demnächst erscheinen wird, ist der Medienkompass. Als Mitglied des Autorenteams zeigt Daniel Ammann auf, wie hier eine Brücke geschlagen wird zwischen (technischem) Anwendungswissen und breiter gefasster, kritisch-reflexiver Medienkompetenz.

Themen wie Gender und Medien haben eine starke gesellschaftliche und damit politische Dimension. Dies trifft natürlich auf den ganzen Bereich der Bildung zu. Moritz Rosenmund analysiert in seinem Beitrag das Abstimmungsverhalten des Zürcher Stimmvolks zu neueren Bildungsvorlagen entlang geografischer und parteipolitischer Grenzen. Der Blick zurück in die jüngste Vergangenheit deutet auch an, auf was für ein Echo aktuelle und künftige Bildungsgeschäfte stossen dürften.

Wir hoffen, dass das vorliegende Heft bei Ihnen ein gutes Echo findet und über- lassen es Ihrer Informationskompetenz, das für Sie Wichtige oder Interessante herauszupicken.

Thomas Hermann

1 /2008

2 schwerpunkt

2 Einführung in den Schwerpunkt:

Genderkompetenz und Schule

3 Die Farbe Rosa. Oder wie das Geschlecht ins Gehirn kommt

6 Frauen – MACHT – Schulleitung! Neue berufliche Perspektiven für Frauen im Schulwesen

10 «Lotta boxt, Goran tanzt.» Gender- Unterrichtsmaterialien für die Grundstufe 14 Genderkompetenz: Wie steht es damit bei ange-

henden Lehrpersonen?

16 Die Sekretärin im System Schule: Zu Begriff, Funktion und Karrieremöglichkeiten von Sekretärinnen

19 Genderkompetent denken und handeln:

Grundlagen einer geschlechtergerechten Didaktik

25 (Ge)schlecht und (ge)recht: 21 Fragen für jeder- fraumann

26 standpunkt

Das vergessene Fach – Schreibdidaktik an den Pädagogischen Hochschulen

28 aktuell

28 Zürcher Bildungsvorlagen vor dem Volk: Das Votum der Gemeinden zur Pädagogischen Hochschule und weiteren bildungspolitischen Geschäften

34 Frühe Welterkundung und bildnerischer Ausdruck: Ein Gespräch über zwei neue Publikationen

37 Zahlen und Zauberei: Zehn Jahre Lernmedien- Shop

38 rezensionen 40 bildungsforschung

42 phzh

42 «Education for Democratic Citizenship» in Bosnien-Herzegowina

44 Unterwegs im Schulfeld?

Unterstützungsleistungen der PHZH

45 Tagung zum sprachlichen Lernen an der PHZH:

Vorankündigung

46 Medienkompass: Neue Impulse für die schuli- sche Medienbildung

48 mediensplitter

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Was ist eigentlich Genderkompetenz? Kann ein Mensch in Sachen Gender1 kompetent sein? Ist Genderkompetenz eventuell ein Unwort? Dieser zusammengesetzte Begriff verweist auf eine anspruchsvolle Fähigkeit: Genderkom- petent sind Personen, die ein Wissen über Lebensbe- dingungen von Frauen und Männern haben und die die Wirkung von Geschlechternormen mit ihrem Fachwissen verknüpfen können. Dabei wissen genderkompetente Personen, dass beiden Geschlechtern im privaten und beruflichen Alltag vielfältige Handlungsmöglichkeiten – jenseits der Normen – offenstehen. Das schliesst mit ein, dass grundlegende Erkenntnisse aus der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung bekannt sind. Zudem braucht es den politischen Willen und die Bereitschaft, auf das Ziel Gleichstellung hinzuarbeiten und potenziel- ler Diskriminierung entgegen wirken zu wollen.

Genderkompetenz ist eine allgemeine Fähigkeit, die Men- schen zur Mitgestaltung demokratischer Lebensverhält- nisse verhilft. Es ist eine Schlüsselqualifikation.

Die Autorinnen und Autoren der Beiträge des Themen- schwerpunkts beschäftigen sich – genderkompetent – mit Themen aus dem Berufsalltag von Hochschule und Schule. Die meisten von ihnen wirken als Mitglieder in der Kommission Gleichstellung (KGS) der PHZH mit. Sie fokussieren in ihren Betrachtungen Geschlecht als soziale Kategorie, woraus sich jeweils eine besondere Brisanz ergibt.

Sabina Larcher denkt darüber nach, warum in steter Re- gelmässigkeit die Verhaltensweisen von Frauen und Män- nern biologisch begründet werden. Sie problematisiert diese Biologisierung des Sozialen und Politischen und empfiehlt der Pädagogik, sich die tatsächlichen Erkennt- nisse der Neurowissenschaften zu Nutze zu machen, nämlich die radikale Betonung der Verschiedenheit von Kindern.

Christine Hofer plädiert für gendergerechte Schulen, die (auch) von Frauen geleitet werden sollen. Sie diskutiert Merkmale von genderbewusster Berufswahl, Personalent- wicklung, genderbewussten Berufsbildern und Führungs- kompetenzen. Sie kommt zum Schluss, dass Frauen als Schulleiterinnen nötig sind, besonders um für die nach- kommende Generation Vorbild zu sein.

Martina Dürst hat ihre Kommilitoninnen und Kommilito- nen befragt, was sie unter «Gender» verstehen. Sie freut sich darüber, dass die Studierenden der PHZH am Ende des Studiums durchaus Bescheid wissen.

Basil Schader und Ingrid Ohlsen stellen eine Unterrichts- hilfe vor, die im Frühjahr 2008 erscheinen wird. Sie richtet sich an Lehrpersonen der Grund- und Basistufe. In ihrem Beitrag beschreiben sie Ziele, Inhalte und Struktur der 21 Unterrichtsvorschläge. Sie begründen ihr Konzept des Genderbewusstseins auf Kindergartenstufe.

Regina Lenz macht sich Gedanken dazu, warum Frauen- förderung in Institutionen ganz zuletzt die «Sekretärin»

betrifft, und sie macht einen konkreten Vorschlag für die Personalentwicklung.

Nadja Ramsauer und Ingrid Ohlsen versuchen am Bei- spiel des didaktischen Handelns aufzuzeigen, wie die Dimension Genderkompetenz im Hochschulunterricht sichtbar werden kann. Dabei sind die Erkenntnisse der allgemeinen Unterrichtsforschung ebenso relevant wie die der Geschlechterforschung. Letztlich geht es um er- höhte Aufmerksamkeit und die Verbindung der eigenen Sach-, Sozialkompetenz und Didaktischen Kompetenz mit dem Wissen um die komplexen Strukturen von Ge- schlechterverhältnissen.

Peter Suter stellt am Schluss des Themenschwerpunkts Fragen. Fragen, die nicht so einfach wegzulegen sind und in ihrer unschuldigen Direktheit die Ambivalenz gegenü- ber Geschlechterfragen aufdecken.

Ingrid Ohlsen, Dozentin und ehemalige Leiterin der Kom- mission Gleichstellung PHZH

Anmerkung

1 Mit Gender sind die psychologischen, sozialen und kulturellen Dimensionen von Geschlechtszugehörigkeit gemeint, die in Gesellschaften unterschiedlich zugeschrieben werden.

2

E i n f ü h r u n g i n d e n S c hw e r p u n k t G e n d e r k o m p e t e n z u n d S c h u l e

p hIa k z e n t e 1 / 2 0 0 8

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Warum entscheiden sich Frauen für typisch weibliche Berufe, deren Ausübung in der Regel geringer geschätzt wird als männlich dominier- te Berufe? Fehlen ihnen für andere Aufgaben die Talente oder sogar die richtigen Gene? Sind letztere auch dafür verantwortlich, dass selbst Farbpräferenzen angeboren sein sollen? Einige Fragen im komplizierten Wechselspiel zwischen Geschlechterforschung und Naturwissenschaf- ten.

Im Handbook of Science and Technology Studies klassifi- zierte die Physikerin und Professorin am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Evelyn Fox Keller, 1995 drei Dimensionen der Gender-Forschung in den Naturwissen- schaften:

• Women in Science (Frauen in den Naturwissenschaften)

• Science of Gender (biologisch-medizinische Konstruktion von Geschlechterdifferenz)

• Gender in Science (Geschlechterideologie in wissenschaft-

Die biologisch-medizinische Konstruktion von Geschlech- terdifferenz ist auch historisch gesehen zweifellos ein Dau- erbrenner (Fausto-Sterling 1985). Aus welchen Gründen auch immer, die Erkenntnis bleibt, dass die unter dem Be- griff Life Sciences zusammengefassten biologischen und medizinischen Disziplinen mit grossem Engagement Ge- schlechtsunterschiede zu finden suchen. Die aktuelle Me- dienpräsenz der Neurowissenschaften belegt dies ein- drücklich: War es etwa vor gut hundert Jahren die Schädel- form, kurze Zeit darauf das Gehirnvolumen, genauer Grösse und Gewicht, steht heute die Asymmetrie der Hirnhälften im Mittelpunkt der populären neurowissenschaftlichen Debatten (Schmitz 2004; 2006; 2007; Ebeling & Schmitz 2006).

Neurowissenschaftliche Vereinfachungen

Die dazu passende Kurzformel «vom Gen zum Verhalten»

ist schnell zur Hand; ebenso Ratgeber und deren Verfil- mung wie Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken (Pease & Pease 2000) oder Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus (Evatt 2005). Diese sind internationale Bestseller mit zahlreichen Blogs auf dem In- ternet. Sie wollen lehrreich, mit viel Witz und amüsanten

D i e Fa r b e R o sa

O d e r w i e d a s G e s c h l e c h t i n s G e h i r n k o m m t

Von Sabina Larcher

Prorektorin Weiterbildung und Forschung der Pädagogischen Hochschule Zürich und Mitglied der Kommission Gleichstellung PHZH

Fotomontagen: Daniel Lienhard, rich

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schiede» führen. Dabei berufen sie sich auf Ergebnisse der Hirnforschung unter dem Signum: «Aber man sieht es doch!» Auch die US-amerikanische Psychiaterin Louann Brizendine legte vor diesem Hintergrund 2006 ein Buch mit dem Titel The Female Brain vor. Ihre Kernbotschaft lautet: so genannt weibliche und männliche Verhaltens- weisen und Fähigkeiten sind in den Gehirnen von Geburt an verankert. Die Diskussion um das Verhältnis von Anla- ge und Umwelt ist damit wieder lanciert.

Was macht die Attraktivität solcher Publikationen aus? Ist es allein die Kraft der bildgebenden – und nicht abbildenden – Verfahren, die den Eindruck objektiver Rea

-

lität und unumstösslicher Wahrheit suggerieren (Schmitz 2003) und deshalb eine solche Wirkung erzielen? Warum erscheint es so zentral, Geschlechtsunterschiede im Ge- hirn, den Gehirnstrukturen und Genen zu determinieren und damit Verhaltensweisen biologisch zu begründen (ebd.)? Und falls Unterschiede nicht zu finden sind – wofür einiges spricht – was dann? Was würden wir verlieren?

Dass in der genannten Literatur die teilweise sehr widersprüchlichen Befunde und wissenschaftlichen Fak- ten schlicht ausgeblendet, Heterogenität verneint und da- mit Komplexität reduziert wird: nun denn. Auch dass sie dazu verleitet, die Kategorie Geschlecht «zu einem Eimer zu erklären, in den Eigenschaften hineingeleert werden können» (Goffmann 1994, 113) und Diskussionen in ei- nem gedanklichen Zirkel leer laufen zu lassen, weil scheinbare Unterschiede durch Unterschiedlichkeit erklärt werden – auch hier: nun denn. So sind sie, die Vereinfa- cher/innen dieser Welt, und wer nicht denken will, kann bei Kant nachlesen, was es damit auf sich hat: «Sapere aude!», also «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!» meint, sich seines Verstandes ohne Leitung ei- nes anderen zu bedienen. Es bedeutet auch, Aussagen ge- nau und sorgfältig zu sammeln und kritisch abzuwägen.

Vereinfachungen des oben genannten Typs sind mei- nes Erachtens aus anderen Gründen problematisch: Sie lösen eine Konfusion zwischen sehr verschiedenen Ebe- nen aus, letztendlich zwischen Analyse und Beschreibung.

Die Präsentation von Erkenntnissen in Kombination mit einem dualen Erklärungsmodell, das in seiner vereinfa- chenden zirkulären Wirkung jegliche Kritik verunmöglicht, ist höchst problematisch. Denn in dieser Lesart ist es die ahistorische Natur, die befiehlt – und diese hat immer Recht. Die sich dadurch abzeichnende Biologisierung und Naturalisierung des Sozialen und Politischen sind ernst zu nehmende Phänomene und Entwicklungen. Solche Ansät- ze machen politische Diskussionen obsolet, Legitimation ebenso: Die sich seit den 1970er-Jahren derart abzeich- nende Debatte zu Life Sciences, ausgelöst durch Wilsons Schrift Sociobiology: The New Synthesis (1975) und Dawkins’ Studie Das egoistische Gen (1976), reduziert indi- viduell menschliches Verhalten und soziale Verhältnisse

auf biologische Prozesse. Geschlechterrollen und -hierar- chien werden etwa als Notwendigkeit der maximalen Gen- weitergabe verstanden, vermeintliche Defizite von Frauen bei räumlichen Aufgaben, mangelnder Orientierungssinn und mathematischen Fähigkeiten als angeboren bezeich- net. Umgekehrt werden Männern tiefere sprachliche Kom- petenz und Vernetzungsfähigkeiten zugeordnet. Welche Konsequenzen solche Ansätze für Schule, Aus- und Weiter- bildung, das Bildungssystem und die Bildungspolitik im Allgemeinen haben, zeigen etwa Befunde aus Studien zu sozialer Ungleichheit: Diese wird als naturgegebenes, in allen Gesellschaften vorhandenes und auf ungleichen Be- gabungen, Leistungen und Leistungsmotivationen basie- rendes natürliches Phänomen definiert. Ähnliches gilt für die Ungleichheit der Geschlechter: Die geringe Anzahl von Frauen im Management beispielsweise wird von männli- chen wie weiblichen Führungskräften dadurch erklärt, dass Frauen insbesondere auf Grund ihrer biologischen Disposition als Mütter weniger leistungsmotiviert seien, sich weniger führungsadäquat verhielten und häufig nicht in der Lage seien, Karriere und Familie zu verbinden (von Alemann 2005a; Imbusch et al. 2005).

Herausforderung für die Schule

Die Life Sciences fordern Erziehung und Bildung heraus. Es liegt dabei auf der Hand, dass die Lehrer/innenbildung und ihre Disziplinen von solchen Diskussionen direkt be- troffen sind. Es gilt dabei die komplexen Beziehungen zwischen «Naturtatsachen» und gesellschaftlichen Fakto- ren ins Bewusstsein zu heben und die Frage zu klären, was am Menschen, an Frauen und Männern, als «natürlich gegeben» und was als «gesellschaftlich vermittelt» anzu- sehen ist (Heilmeier et al. 1991; Hemminger 1994). In wel- chem Verhältnis stehen dabei organische Anlagen und personale Entwicklungsmöglichkeiten oder physiologische Substanzannahmen und sozial geförderte Kreativitätspro- zesse? Wie sind individuelle Bildungsprozesse, welche wiederum Vorstellungen über «individuelle Natur» und

«Gesellschaft» beeinflussen, mit sozialer Ungleichheit und Herrschaft verbunden? Das Verhältnis von Neurowissen- schaften und Pädagogik ist in der jüngsten Vergangenheit an verschiedenen Stellen intensiv diskutiert worden (u.a.

Becker 2002, 2006; Borck 2006; Friedrich & Preiss 2003;

Herrmann 2004; Müller 2006; Markowitsch & Brand 2006;

Otto 1995; Scheunpflug et. al. 2004; Scheunpflug & Wulf 2006; Stern 2004; Weber 2003; Zierfaß & Liebau 2006). Im Zentrum steht die Frage, welchen Erkenntnisgewinn die Erziehungswissenschaft aus dem aktuellen Forschungs- stand der Neurowissenschaften ziehen kann, und ob sich daraus Implikationen für die pädagogische Praxis ergeben (Duncker, Scheunpflug & Schultheis 2004). Während in po- pulärwissenschaftlichen Zirkeln die grosse pädagogische Relevanz neurobiologischer Befunde betont wird, stellt

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sich die Auseinandersetzung innerhalb der Erziehungswis- senschaft heterogener dar. Das Wissen um Anlage und Aufbau des Gehirns stützt die pädagogische Einsicht in die Verschiedenheit der Schüler/innen, und die Einsicht von der Andersartigkeit eines jeden Kindes ist deshalb «vor dem Hintergrund neurobiologischer Erkenntnisse gar nicht radikal genug zu sehen» (ebd.). Dennoch müssen wir die Herausforderung angehen. Die Suche britischer Forscherin- nen nach dem Rosa-Gen kann zwischenzeitlich gelassen abgewartet werden.1

Anmerkung

1 Die Studie «Biological components of sex differences in color preference» ist am 21.8.07 in der Fachzeitschrift Current Biolo- gy (Bd. 17, Ausg. 16, S. 623) erschienen. Anya Hurlbert und Yazhu Ling von der Universität Newcastle versuchen, die weibliche Rot-Präferenz, die zu Rosa und Violett neigt, mit der Evolution zu erklären: Für (weibliche) Sammler war es wichtiger, rote Früchte vom grünen Hintergrund unterscheiden zu können als für (männliche) Jäger. Die Forscherinnen scheint es nicht zu stören, dass das Man the Hunter/Woman the Gatherer-Para- digma nicht haltbar ist.

Zitierte Literatur

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Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9. Jg, Beih. 5/2006, S.

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Fausto-Sterling, Anne (1988) [1985]: Gefangene des Geschlechts?

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F ra u e n – M A C H T – S c h u l l e i t u n g !

N e u e b e r u f l i c h e P e r s p e k t i v e n f ü r F r a u e n i m S c h u l w e s e n

Frauen führen und managen seit Jahrhunder- ten, vor allem im privat-häuslichen Erziehungs- bereich. Jetzt tut sich in einem weiblich domi- nierten öffentlichen Berufsfeld, der Volksschu- le, die Möglichkeit auf, in einer klar deklarier- ten Führungsfunktion neue berufliche Perspek- tiven zu entwickeln. In Abwandlung des Slo- gans «Frauen – MACHT – Karriere» wird im Fol- genden der Frage nachgegangen, ob und warum Frauen diese Chance packen oder nicht, und wie sie diese ausgestalten.

Die letzte Bundesratswahl liegt bereits etliche Wochen zu- rück. Sie war nicht nur in Bezug auf Genderfragen1 ausser- ordentlich spannend und aufschlussreich, doch ist der Gender-Aspekt hier derjenige, der interessiert. Zum ersten Mal in der Geschichte der eidgenössischen Politik wurde ein männlicher Bundesrat abgewählt und mit einer weib- lichen «wilden» Kandidatin ersetzt. Und dabei spielte die Frage der Geschlechtszugehörigkeit in der Diskussion rund um diese Wahl nicht einmal eine entscheidende Rolle, sie wurde jedenfalls von den Drahtziehenden des umstritte- nen Manövers nicht explizit eingebracht. Was heisst dies nun hinsichtlich des Standes der Gleichstellungsdiskussi- on und -politik in der Schweiz?

Zeitgeist im Wandel

Grundsätzlich sicher, dass sich die Zeiten gewandelt ha- ben; ein solches Wahlmanöver wäre noch vor Jahren so nicht möglich gewesen. Zum einen vermutlich, weil es früher noch zu wenige Frauen mit einem überzeugenden mehrjährigen politischen Leistungsausweis gegeben hat, zum anderen, weil sich kaum genügend weibliche und männliche(!) Parlamentsmitglieder solidarisch hinter eine solche Frau gestellt und ihr somit das Vertrauen in ihre Führungsfähigkeit ausgesprochen hätten.

Frauen sind untervertreten

Frauen in beruflichen Führungspositionen sind zwar selbstverständlicher geworden; dennoch waren in der Schweiz auch im Jahr 2006 nur 14.7% der Führungspositi- onen von Frauen besetzt. Uns interessiert das Thema hier jedoch fokussiert auf den Bildungsbereich, und da speziell auf die Volksschule. Dass es in diesem Bereich seit etlichen

Jahren die Möglichkeit einer vertikalen Berufs-Karriere – sprich: eine Aufstiegsmöglichkeit ins Amt der Schulleitung – gibt, eröffnet sowohl für Frauen wie für Männer im Lehr- beruf neue Perspektiven.

Betrachten wir die aktuelle Broschüre der Bildungs- statistik des Kantons Zürich für das Schuljahr 2006/07, so finden wir die Kategorie von Schulleitenden in der Volks- schule nirgends explizit ausgewiesen. Dies führt denn auch dazu, dass uns im Folgenden differenzierte, nach Ge- schlecht aufgeschlüsselte, Daten zur Situation der Schullei- tenden im Kanton Zürich fehlen.

Laut einer informell eingeholten Auskunft vom Volks- schulamt des Kantons Zürich (VSA) wurden im November 2003 die Resultate einer Befragung zu den Schulleitungen publiziert (mindestens intern). Damals waren 43% der 238 Schulleitungspersonen weiblich. Eine interne Auszählung der aktuellen Daten zu den Schulleitungen (Beginn Schul- jahr 2007/08) ergibt ein ähnliches Resultat: Aktuell sind 44% der 545 Schulleitungspersonen Frauen.

Leider sind von der Bildungsstatistik des Kantons Zü- rich momentan keine nach Stufen differenzierte Zahlen erhältlich. Es ist somit nicht klar auszumachen, wie stark sich auch hier eine Übervertretung der Männer im Ver- gleich zum Anteil Lehrpersonen auf der entsprechenden Stufe zeigt. Immerhin lässt sich klar sagen, dass einem durchschnittlichen Frauenanteil von 68,5% bei den Lehr- personen aller Stufen der Volksschule laut VSA-Auskunft ein Frauenanteil von nur 44% im Bereich der Schulleitung gegenübersteht.

Wie Ryter/Grütter (2004) aufgezeigt haben, sind Frau- en im Vergleich mit ihren männlichen Kollegen häufiger teilzeitlich angestellt, was sich auf ihre Position innerhalb der Schule auswirkt und wohl mit ein Grund ist für die Untervertretung von Frauen in Schulleitungspositionen.

Dies unterstreicht auch das Beispiel der Unterstufe Männe- dorf (Weber 2007), wo der nahezu einzige Mann unter den Lehrpersonen die Schulleitung innehat. Nur etwa ein Drit- tel der dortigen Unterstufenlehrerinnen sind zu 80% oder mehr angestellt; die Schulleitungsaufgabe würde jedoch einen 90- oder 100%-Job erfordern: davor schrecken viele Frauen zurück. Ein Grund für die zunehmende Feminisie- rung des Lehrberufs liegt nicht zuletzt in der Attraktivität der Anstellungsbedingungen im öffentlichen Bildungswe- sen, die je nach Lebensphase an die Bedürfnisse der Fami- lienfrauen angepasst werden können. Es könnte somit im Sinne der genderbezogenen Chancengleichheit ein wichti- ger Aspekt sein, die Rahmen- und Anstellungsbedingun- Von Christine Hofer

Dozentin und Beraterin an der Pädagogischen Hochschule Zürich im Fachbereich Schule als Organisation

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gen für Schulleitungen so zu gestalten, dass eine solche Aufgabe auch mit einer 80%-Anstellung zufriedenstellend ausgeübt werden kann. So fordert denn auch die Delegier- tenversammlung des Dachverbandes Schweizer Lehrerin- nen und Lehrer (LCH 2004) unter anderem:

• Eine gezielte Personalentwicklung soll den Frauen Mög- lichkeiten und Anreize bieten, sich (vor allem auch auf höheren Stufen) für die Schulleitung zu qualifizieren.

• Bei den Arbeitsbedingungen in Unterricht und Schullei- tung ist auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu achten. Leitungsfunktionen müssen auch in Teilzeitan- stellung möglich sein.

Damit sind wir beim Thema der Personalentwicklung und -förderung. Der Kanton hat hier als Arbeitgeber und Ge- stalter der Rahmenbedingungen eine wichtige Funktion.

Wenn also über «genderbewusste Personalentwicklung»

geschrieben wird (Kansteiner-Schänzlin 2005), so sollte dabei nicht nur die Genderkompetenz der Schulleitenden, sondern auch diejenige der kantonalen Arbeitgeber, Ver- waltungsstellen und kommunalen Anstellungsbehörden beachtet werden.

Schulleitung als zusätzliches «Aemtli» oder als eigenständiges Berufsbild?

Das weiter oben festgestellte Fehlen von präzisen bil- dungsstatistischen Daten zur Situation im Schulleitungsbe- reich kann unterschiedlich interpretiert werden. Zum ei- nen ist die flächendeckende Einführung von geleiteten Schulen im Kanton Zürich ein relativ junges Phänomen und derzeit im Rahmen der Umsetzung des neuen Volks- schulgesetzes noch in vollem Gang. Es ist zu hoffen, dass solche Daten künftig regelmässig erhoben werden. Zum anderen könnte man vermuten, die Schulleitungsfunktion werde bloss als zusätzlicher besonderer Aufgabenbereich für ansonsten «normale», das heisst unterrichtende Lehr- personen betrachtet und nicht als eigenständiges neues Berufsbild (und tatsächlich sind die Rahmenbedingungen

terrichtsverpflichtung zwingend vorgeschrieben ist, was in kleineren Schuleinheiten dazu führt, dass Schulleitende neben ihrem Teilzeit-Führungsjob auch einen beträchtli- chen Anteil mit Unterrichten verbringen). Gerade diese im- plizite Vorstellung von Schulleitung als blosses «Job-Enlar- gement» (eine Verbreiterung der bisherigen Aufgabenfel- der), die sich mit der Vermischung der beiden Rollen «Lehr- person und Schulleitung» akzentuiert, leistet der man- gelnden Identifikation der Funktionsinhabenden mit ihrer Führungsrolle Vorschub; und dies in einem Berufsfeld, das traditionellerweise nicht gewohnt ist, mit Hierarchie und Führung umzugehen, d.h. klare Funktionen auszudiffe- renzieren und zu benennen.

Das Thema «Frauen und Führung im Bildungsbereich»

lässt sich somit nicht abhandeln, ohne das Spezifische an der Führungsarbeit im Schulbereich zu erwähnen.

Hierarchie, Führung und Schule

So weist beispielsweise Marlies Krainz-Dürr schon 1999 darauf hin, dass in Schulen Leitungsfunktionen traditio- nellerweise auf ein Minimum beschränkt werden. Es herr- sche ein «antihierarchischer Affekt», der besondere Zu- ständigkeiten mit Leitungsfunktionen nicht erlauben wol- le. Schulleitende hätten es bei Lehrkräften mit Personen zu tun, die in der Regel «Einzelarbeiter» seien und ihre Auto- nomie verteidigen würden; dementsprechend sensibel re- agierten sie auf jemanden, der leitet oder führt. Selbst die Funktion des Leitens oder Steuerns per se scheint laut Krainz-Dürr misstrauisch betrachtet zu werden. So begeg- ne einem in Schulentwicklungsprojekten häufig das Phä- nomen, dass Leitungsfunktionen nicht klar als solche be- zeichnet, sondern eher vorsichtig umschrieben würden.

Die Unklarheit, was Leiten und Steuern funktional und sachlich eigentlich heissen kann, und der defensiv-zu- rückhaltende Umgang mit Führung in der Schule sei selbst bei den designierten Leitenden zu finden.

Schulleitende unterschiedlicher Schultypen beschrie- ben ihre Rolle denn auch durchaus ähnlich, «sprachen

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noch ‹koordinieren›, kaum jedoch von ‹regulieren› oder anderen ‹härter› wirkenden Aktivitäten. Sie versuchen, ein ‹innovationsfreundliches Klima› zu erzeugen, treten selbst aber wenig aktiv oder gar fordernd in Erscheinung.

Gegenüber einem alten Führungsverständnis, das sich im wesentlichen an der Bürokratie, der Verwaltung und der Kontrolle orientierte, ist dies sicherlich ein Fortschritt, da zumindest weniger verunmöglicht wird. Im Sinne eines nachhaltigen Veränderungsprozesses wäre jedoch noch et- was mehr zu tun. Schulentwicklungsprozesse werden künftig erfordern, dass Leitende die zur Verfügung stehen- den Gestaltungsspielräume aktiv nutzen und nicht nur nicht im Wege stehen, wenn andere etwas unternehmen wollen» (Krainz-Dürr 1999, S. 433). Der Bestandesaufnah- me von Krainz-Dürr lässt sich auch Jahre später nur bei- pflichten. Gerade im momentan intensiven Umsetzungs- prozess des neuen Volksschulgesetzes im Kanton Zürich sind Führungspersonen gefragt, die Change-Prozesse ziel- gerichtet steuern können und Führung tatsächlich auch übernehmen. Doch wie steht es um diese Führungsfähig- keiten bei männlichen und weiblichen Schulleitenden?

Führen weibliche Schulleiterinnen anders als ihre männlichen Kollegen?

Die Diskussion rund um weibliche bzw. männliche Füh- rungsstile wurde und wird breit geführt und soll hier nicht im Einzelnen aufgerollt werden. Eine treffende Zusam- menfassung über diese Diskussion gibt Neuberger (2002) in seinem Kapitel «Frauen und Führung». In Bezug auf die Schule ist zunächst festzustellen, dass die Forschungsbasis zum Berufsfeld der Schulleitungen unter Gender-Perspekti- ve noch sehr mager ausfällt, wie etwa Kansteiner-Schänz- lin 2005 für Deutschland bemerkt: Die Zahl der Untersu- chungen sei klein und ihre Anlage derart different, dass sie eine einfache Zusammenfassung nicht erlaube. Es wer- de jedoch das Bewusstsein dafür geschärft, dass Struktu- ren des Amtes und die gemeinsame Sozialisation als Lehr- kräfte den Frauen und den Männern einen ähnlichen Rah- men vorgäben, der sich zunächst kaum unterscheide. Hier ist mit Blick auf die Schweiz und den Kanton Zürich anzu- merken, dass diese Sozialisation bei den älteren Lehrper- sonen noch vorwiegend ohne Erfahrung des Geleitet-Wer- dens vonstatten ging, während jüngere Lehrpersonen hier schon entsprechende Erfahrungen mitbringen, somit spä- ter auch über Vorbilder und Beispiele verfügen, wie Schul- leitung von Frauen oder Männern gestaltet wird.

Auch geschlechtsspezifische Differenzen hinsichtlich Führungsvorstellungen und Führungsverhalten in der Schulleitung sind auf der bisherigen schmalen Forschungs- basis kaum als solche zu belegen (ebd.). So weisen etwa Selbstbeschreibungen dahin, dass Schulleiterinnen «sich in ihrer Leitungsrolle mehr als die Männer der gelingen- den partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Kollegi-

um verpflichtet fühlen und sozial-orientierte Kompeten- zen am höchsten bewerten. Zwar sehen sie sich als Reprä- sentantin ihrer Schule, jedoch nicht gerne als Chefin bzw.

Vorgesetzte. Ältere Schulleiterinnen verstehen sich eher als pädagogische Beraterinnen und sehen sich in einer Vorbildfunktion. Jüngere verstehen sich mehr als Teamlea- derin und Förderin kollegialer Kooperation. Der Verlust von Sozialbeziehungen wird von Schulleiterinnen als grösstes Risiko eingeschätzt. In männerdominierten Kolle- gien müssen Chefinnen, insbesondere jüngere, mit erheb- lichem Widerstand rechnen» (Kansteiner-Schänzlin 2006, S. 10).

Widerstand ist in gross angelegten Change-Prozessen wie etwa der Umsetzung VSG im Kanton Zürich auch jen- seits des «Gender-Aspektes» ein wesentliches Thema. Die Frage könnte hier lauten, inwieweit spezifische Gender- Kompetenzen (von Frauen oder Männern ins Spiel ge- bracht) der Organisationsentwicklung dienlich oder spezi- ell förderlich sein könnten.

Gender-Kompetenz in der Schule als Organisation

Ralf Lange befasst sich in seinem Buch «Gender-Kompe- tenz für das Change-Management» (2006) mit dieser The- matik. Dabei werden folgende Indikatoren für Gender- Kompetenz auf individueller und organisationaler Ebene genannt:

• Führungskräfte erkennen, akzeptieren und bringen Un- terschiede weiblicher und männlicher Zugänge zur Gel- tung

• Männliche und weibliche Potenziale werden als gleich- wertig anerkannt und geschätzt

• Männliche und weibliche Führungskräfte sind sich ge- sellschaftlich zugewiesener Geschlechterrollen und Ge- schlechterrollenbilder bewusst

• Führungskräfte unterstützen aktiv die Umsetzung ge- schlechterpolitischer Strategien

Gender-Kompetenz wird heute zudem gemeinsam mit weiteren differenzierenden Faktoren diskutiert, die unter dem Begriff «Diversity» zusammengefasst werden. Dazu gehören als Primärdimensionen persönliche Merkmale wie Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, körperliche oder geistige Behinderung, sexuelle Orientierung und religiöse Zugehörigkeit. Zu den eher veränderbaren Sekundärdimen- sionen zählen Einkommen, beruflicher Werdegang, geo- grafischer Standort, Familienstatus, Elternschaft und Aus- bildung, bzw. Bildungsstand.

Wenn also von Gender & Diversity-Management als innovativem Konzept der Organisations- und Personalent- wicklung gesprochen wird, so meint dies: «Auf allen Ebe- nen der Organisation und in allen Entscheidungsprozessen sollen Optimierungspotenziale dadurch ausgeschöpft wer-

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den, dass der Reichtum und die Kompetenz aller Beschäf- tigten optimal in den Leistungsprozess integriert werden können. Managing Gender & Diversity beachtet Vielfalt und Unterschiede, würdigt und respektiert den damit ver- bundenen Ressourcenreichtum, ohne diese Differenzphä- nomene für Hierarchisierungen und Diskriminierungen auszubeuten» (Lange 2006, S. 107).

Hinsichtlich des Führungsverhaltens meint Lange:

«Gender & Diversity-orientiertes Führungsverhalten auf der individuellen Ebene zeichnet sich durch hohes Refle- xionsvermögen und die Fähigkeit zur Selbstkritik aus. Das eigene Verhalten als Angehöriger einer bestimmten Mehr- heits- oder Minderheitengruppe immer wieder in Frage zu stellen, selbstkritisch zu bleiben, offen zu sein für andere Sichtweisen und Perspektiven, neugierig zu bleiben auf innovative und ungewohnte Ideen und Überzeugungen, andere Standpunkte als gleichwertig anzuerkennen – alles dies gehört zu erfolgreichem Führungshandeln in pluralis- tischen Organisationen zwingend dazu» (ebd. S. 106).

In diesem Wissenskontext ist auch das Querschnitts- Thema «Gleichstellung» im neuen «Handbuch Schulquali- tät» des Kantons Zürich zu verstehen, das ganz offensicht- lich dem Gender-Mainstreaming2 verpflichtet ist: «Gleich- stellung von Mädchen und Knaben bzw. von Frauen und Männern umfasst alles, was insbesondere Schulleitung und die Lehrpersonen unternehmen, um stereotype Ge- schlechterbilder und Rollenmuster sowie geschlechter- diskriminierendes Verhalten bewusst zu machen und zu verändern (Genderkompetenz).» Es bleibt hier zu ergän- zen, dass neben Schulleitung und Lehrpersonen auch die Schulbehörde als nach wie vor wichtiges (strategisches) Führungs- und Aufsichtsorgan hier mit eingeschlossen werden muss!

Gender Mainstreaming umfasst demnach alle Aktivi- täten, die dazu dienen, das Bewusstsein über genderspe- zifische Ungleichgewichte sichtbar zu machen. Das Sam- meln und Aufbereiten von entsprechenden statistischen Daten in der öffentlichen Verwaltung ist in diesem Kontext eine wichtige und für die Steuerung des Gesamtsystems unabdingbare Aufgabe.

Fazit

Im Sinne einer genderkompetenten und -gerechten Schule ist es nicht nur wünschenswert, sondern auch qualitäts- bestimmend, wenn Frauen die neue Karriere-Chance

«Schulleitung» packen. Nicht weil Frauen die besseren Schul- leitungen wären, sondern weil sie damit für die nachkom- menden Kinder ein wichtiges Zeichen setzen: Frauen sind nicht nur äusserst kompetent im Familien- und Schulklas- senmanagement, sondern auch im Führen grösserer Orga-

nisationen! «Frauen machen Schulleitung» wird damit ebenso selbstverständlich wie «Frauen werden Bundesrä- tinnen»!

Anmerkungen

1 Der Begriff «Gender» bezeichnet das «soziale» oder «psycho- logische» Geschlecht einer Person im Unterschied zum biologi- schen Geschlecht (engl. sex). Der Begriff wurde aus dem Engli- schen übernommen, um auch im Deutschen die Unterschei- dung zwischen sozialem (gender) und biologischem (sex) Ge- schlecht treffen zu können, da das deutsche Wort Geschlecht in beiden Bedeutungen verwendet wird.

2 Der Begriff Gender Mainstreaming (Integration der Gleichstel- lungsperspektive, durchgängige Gleichstellungsorientierung) bezeichnet den Versuch, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesetzlichen Ebenen durchzusetzen. Der Begriff wur- de erstmals 1995 auf der 4. UN-Frauenkonferenz in Peking ge- prägt. Der Amsterdamer Vertrag von 1997 machte in der Folge das Konzept zum offiziellen Ziel der EU-Politik.

Literatur

Bildungsdirektion Kanton Zürich, Bildungsplanung/Bildungssta- tistik: Die Schulen im Kanton Zürich 2006/07. Zürich 2007 (www.

bista.zh.ch)

Bildungsdirektion Kanton Zürich, Bildungsplanung: Handbuch Schulqualität. Zürich 2006 (Erprobungsfassung)

Delegiertenversammlung des LCH vom 12.6.2004: Lehrberuf muss für Männer (und Frauen) attraktiver werden. Eine Stellungnah- me. Zürich 2004 (www.lch.ch)

Kansteiner-Schänzlin, Katja: Genderbewusste Personalentwick- lung. In: Schule im Gender Mainstream. Denkanstösse, Erfah- rungen, Perspektiven. Herausgegeben vom Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Landesinstitut für Schule Soest, 2005, S. 77-82 Kansteiner-Schänzlin, Katja: Gender Mainstreaming auf der Ebene

des Personals – LehrerInnen und SchulleiterInnen im Blick der Genderforschung. Vortrag an der Tagung des Essener Kollegs für Geschlechterforschung: Geschlechtersensibel Lehren und Lernen – Schule im Gender Mainstream, vom 31.3.2006 Krainz-Dürr, Marlies: Wie kommt Lernen in die Schule? Kritische

Erfolgsfaktoren von Schulentwicklung aus der Sicht der Schul- entwicklungsforschung. In: Beucke-Galm/Fatzer/Rutrecht (Hrsg.): Schulentwicklung als Organisationsentwicklung. Köln 1999 (Trias-Kompass 2; EHP-Organisation), S. 423-444.

Lange, Ralf: Gender-Kompetenz für das Change Management.

Gender & Diversity als Erfolgsfaktoren für organisationales Ler- nen. Bern/Stuttgart/Wien 2006

Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen: Ansätze, Ergebnis- se und Kritik der Führungsforschung. 6., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart 2002

Ryter, Annemarie/ Grütter Karin: Frauen und Männer in Lehrberuf und Schulleitung. Berufsattraktivität aus Genderperspektive.

LCH, Zürich 2004

Weber Heinz: Ohne inneres Feuer geht es nicht. In: Bildung Schweiz 3/2007, S. 10-11

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« Lo t ta b ox t , G o ra n ta n z t »

G e n d e r - U n t e r r i c h t s m a t e r i a l i e n f ü r d i e G r u n d s t u f e

Genderbewusste Erziehung muss (oder: müsste) selbstverständlich bereits vor dem Kindergar- ten und der Schule, nämlich im Elternhaus be- ginnen. Definitiv aber gehört sie zum Erzie- hungsauftrag der Schule. Hierauf zielt schon der zürcherische Lehrplan von 1991 ab (z.B. S.

18), und noch dezidierter tut dies der Bildungs- ratsbeschluss «Gleichwertige Förderung von Mädchen und Knaben» vom 9. Juli 2002. Die Autorin und der Autor des folgenden Beitrags weisen auf ihre demnächst erscheinenden Un- terrichtsmaterialien hin.

Zu den eher wenigen Unterrichtshilfen, die die Lehrperso- nen bei der Umsetzung dieses wichtigen Anliegens unter- stützen, kommt mit «Lotta boxt, Goran tanzt» von Basil Schader und Ingrid Ohlsen, einer Kooperation zwischen dem Lehrmittelverlag des Kantons Zürich und dem Verlag Pestalozzianum noch in diesem Jahr eine weitere Publika- tion hinzu, die sich an besonders hoher Praktikabilität und Konkretheit orientiert. Sie ist speziell für den Kinder- garten und die Unterstufe, beziehungsweise für die Grund- und Basisstufe, konzipiert und umfasst 21 Unterrichtsvor- schläge. Diese haben den gleichwertigen Umgang von Mädchen und Jungen und die Rollenverteilung der beiden Geschlechter zum Thema.

Hinterfragen der Rollenverteilung

Ausgangspunkt bilden in der Regel kurze Geschichten oder Erzählszenen, die zu Gesprächen, Rollenspielen und krea- tiven Aktivitäten führen. Zu den meisten Unterrichtsvor- schlägen finden sich ansprechende, altersgerechte Illustra- tionen von Urs Maltry. Damit lässt sich der Einstieg auch bildlich unterstützen, und die Auseinandersetzung erhält zusätzliche Impulse auf der visuell-sinnlichen Ebene. Zu jedem Unterrichtsvorschlag gehören exakte Angaben zu Zeitbedarf, Vorbereitung und Material, eine genaue Be- schreibung des vorgeschlagenen Verlaufs und der spezifi- schen Ziele sowie, wo nötig, weiterführende methodische Hinweise. Der Grossteil der Anregungen betrifft Sequen- zen, die rund 45 Minuten beziehungsweise eine Lektion beanspruchen, einige sind ausbaubar auf zwei Lektionen.

Zusätzlich finden sich Hinweise auf Bilderbücher, welche

den betreffenden Unterrichtsvorschlag thematisch ergän- zen oder weiterführen. Die erwähnten Bilderbücher sind über Bibliomedia Schweiz zu beziehen. Eine Übersicht zu Beginn der Sammlung zeigt, für welche Stufen beziehungs- weise Klassen sich die einzelnen Unterrichtsvorschläge eignen. Ein Vorwort und ein Kapitel zu Zielen und Schwer- punkten einer frühen gendergerechten Erziehung vermit- teln knappe Hintergrundinformationen; eine Bibliografie am Schluss verweist auf ausgewählte Literatur.

Mit dem Konzept kürzerer, über verschiedene Jahre oder Klassen verteilter Sequenzen trägt «Lotta boxt, Goran tanzt» dazu bei, das Thema Gleichwertigkeit und Gender- gerechtigkeit während der Kindergarten- und Unterstufen- zeit immer wieder einfliessen zu lassen. Die zeitlich ge- staffelten Unterrichtsvorschläge ergänzen damit Möglich- keiten der «kompakten» Thematisierung, wie sie etwa durch die Behandlung des beim Pestalozzianum-Verlag er- schienenen Lehrmittels «Eine Reise zu den starken Kin- dern» von Helene Häseli gegeben sind. Das übergreifende pädagogische Ziel bei den kurzen Unterrichtsvorschlägen ist, den Kindern Alltagssituationen bewusst zu machen, die vom Geschlecht der Handelnden bestimmt werden.

«Was tut ein richtiger Junge? Was tut ein richtiges Mäd- chen?» – das wissen die Kinder längst, wenn sie in den Kindergarten eintreten. «Lotta boxt und Goran tanzt» kratzt an den vermeintlichen Korrektheiten und Selbstverständ- lichkeiten, bringt Kinder dazu, kreativ anders zu denken und zu handeln.

Wenn wir von «genderbewusster Erziehung» spre- chen, verstehen wir dabei das Wissen über die Konstru- iertheit von Eigenschaften, die gemeinhin mit dem biolo- gischen Geschlecht begründet werden. Genderbewusste Eltern und Erziehende verfügen über dieses Wissen und sind sich auch der Veränderbarkeit des so genannt ge- schlechtstypischen Handelns bewusst. Ebenso kennen sie die identitätsbildende Bedeutung von Geschlecht und die hartnäckige Reproduktion von Klischees und Stereotypen, die so einengend für die Entfaltung eines Kindes sein kön- nen. Eine genderbewusste Erziehung müsste daher in die- sem frühen Alter von einem breiten Spielzeugangebot, von untypischen Figuren in Kinderbüchern und von einem breiten Farbspektrum in der Kleidung flankiert werden – jenseits von Rosa und Himmelblau, Auto und Barbie. Ihr Ziel ist die Gestaltungsfreiheit der Geschlechtsrolle ent- sprechend den individuellen Ressourcen des Kindes und seiner Interaktion mit der Umwelt.

Von Ingrid Ohlsen und Basil Schader

Dozierende an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) und ehemalige Mitglieder der Kommission Gleichstellung PHZH

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Reflekierter Umgang mit Geschlechtsidentität

Aus entwicklungspsychologischer Perspektive ist die Aus- bildung der Geschlechtsidentität und des Rollenverständ- nisses eine anthropologische Grundaufgabe. Zugleich geht es um eine soziale Anpassungsleistung, die mit den sich entwickelnden kognitiven Leistungen einhergeht, wie der folgende kurze Abriss zeigt.

Bis zu ihrem zweiten Lebensjahr haben Kinder noch kein festes Verständnis von ihrem Geschlecht und glauben auch, es beliebig austauschen zu können. «Wenn ich gross bin, werde ich wie Papi» sagt das kleine Mädchen.

Im Alter zwischen drei und acht Jahren ist bei vielen Kindern oft ein trotziges, rigides Geschlechtsrollenkonzept zu beobachten. Entwicklungspsycholog/innen begründen dies damit, dass das Kind nun die Gewissheit hat, dass die Geschlechtszugehörigkeit nicht veränderbar ist. Wir beo- bachten die Übernahme von klischiertem und häufig hef- tig verteidigtem Rollenverhalten mit prägnanten männli- chen und weiblichen Stereotypen – als ob sich die Kinder in der eigenen Geschlechtsidentität absichern müssten.

Aus konstruktivistischer Perspektive ist dies eine aktive und produktive Orientierungs- und Verarbeitungsleistung von Mädchen und Jungen, die sich im Grundschulalter entspannt und in der Vorpubertät nochmals vorherrschend werden kann.

Kinder im Alter zwischen vier und acht Jahren setzen sich aktiv mit der vorfindbaren Realität der Geschlechter- verhältnisse auseinander. Zu dieser gehört unter anderem, dass es vorwiegend Frauen sind, die sie im Alltag erleben, und dass Männer wie auch Väter wenig sichtbar und er- lebbar sind. Kinder konfrontieren sich mit dieser Situation und probieren nun – überwiegend unbewusst – aus, was es in unserer Kultur heisst, «männlich» oder «weiblich» zu sein. Welche Eigenschaften schreiben mir die anderen zu?

Wie soll ich mich verhalten? Sind die Verhaltensanforde- rungen mit meinen Interessen zu verbinden? Empirische Untersuchungen aus den 90er-Jahren belegen unter ande- rem, dass die Jungen in den Kindergärten und Vorschulen sich meistens raumgreifender, grobmotorischer, risikobe-

kommunikativer verhalten. Die Untersuchungen zeigen aber auch, dass die Erzieherinnen in Bezug auf Aufmerk- samkeit und Zuwendung gegenüber Mädchen und Knaben unterschiedlich vorgehen. Die traditionelle Raumauftei- lung in Puppen- und Bauecke, das Spielzeug, die Bilderbü- cher und andere Elemente der materiellen Ausstattung führen ebenfalls zu einer Wechselwirkung mit stereotyp geschlechtsbezogenem Verhalten.

Allerdings ist die allgemeine Aufmerksamkeit gegen- über Stereotypisierung in den letzten Jahren sehr zuguns- ten von offeneren Lebensentwürfen gestiegen. So wird etwa die Figur der Pippi Langstrumpf in vielen Bilderbü- chern immer wieder kopiert und variiert: ein eigenständi- ges, unabhängiges, androgynes Menschlein. Erzieherinnen und Eltern gehen kaum noch davon aus, dass Jungen au- tonom und dominant, Mädchen emotional und bezie- hungsorientiert sein müssen. In den Sozialwissenschaften werden geschlechtsspezifische Verhaltensweisen als eine von vielen relationalen Kategorien wie Ethnizität, Alter oder Schicht differenziert betrachtet, und zunehmend wer- den Differenzierungen und Hierarchisierungen innerhalb und zwischen Männlichkeiten und Weiblichkeiten unter- sucht.

Und trotzdem haben wir es hier mit einer Konstanten zu tun, die sich resistent gegenüber besserem Wissen und sichtbarem Wandel aufrecht hält: Das kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit ist fest in den Köpfen der Men- schen verankert. «Ist es für einen Jungen oder für ein Mäd- chen?» fragt die Verkäuferin in der Spielzeugabteilung. Die binäre Codierung unserer sozialen Kultur besteht weltweit stabil.

Eine Identität ausserhalb der Geschlechtszugehörig- keit gibt es kaum, zumindest so lange nicht, wie Gesell- schaften auf der bipolaren Geschlechtsrollenverteilung beruhen. Auch wenn sich androgyne Geschlechtsrollen auf der normativen Ebene, im Zusammenspiel von Indivi- dualisierung und Pluralisierung der Lebensverhältnisse, schon längst durchgesetzt haben, bleibt die Durchsetzung auf der Verhaltensebene vorerst behindert. Auch wenn

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Mädchen» erzogen wird, so werden doch – vor allem durch indirekte und unbewusste Interaktionen – neben bewuss- ten Einstellungen noch immer die traditionellen Bilder re- produziert.

Ausbrechen aus Stereotypen

Hier setzen die 21 Unterrichtsvorschläge von «Lotta boxt, Goran tanzt» ein. Sie machen aufmerksam auf das, was tagtäglich geschieht und lassen dazu Alternativen zu. Die Kinder werden die Möglichkeiten in den Geschichten mehr oder weniger kreativ ausschöpfen – je nachdem, wie si- cher sie sich bereits sind, Anerkennung in ihrem Selbst- konzept zu finden.

Wie wollen wir im Kindergarten und in der Unterstu- fe Geschlecht herstellen? Indem wir den Kindern in dem sensiblen Alter zwischen vier und acht alle Möglichkeiten eröffnen, sich zu inszenieren und indem wir zulassen, dass die Selbstbilder von Jungen und Mädchen varianten- reich bleiben. Indem wir ihnen dazu verhelfen, das Spek- trum ihrer Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Die The- men der 21 Unterrichtshilfen beinhalten dies: Eine Frage stellt sich, ein Problem tut sich auf, Erstaunen macht sich breit und nun wird geklärt: gibt es hier ein Richtig und ein Falsch? Meistens natürlich nicht. Manchmal ist es ein- facher und hilfreich zu sagen: So ist es, war es immer schon und so bleibt es auch. Das gibt Sicherheit. Und manchmal ist es spannender und prickelnder, auch für die Kinder, eine Frage offen zu lassen.

In der Praxis genderbewusster Pädagogik kann es nicht darum gehen, widerspruchsfrei und perfekt zu sein, sondern vielmehr darum, sensibel zu sein, Selbstverständ- liches in Frage zu stellen und Mädchen und Jungen jen- seits der Geschlechterstereotype als Individuen mit Stär- ken und Schwächen zu fördern. Das klingt nach wenig, ist aber viel und bedarf der Freude an der Selbsterforschung der Erzieherinnen sowie der Bereitschaft, Routinen zu hin- terfragen. Die Arbeit mit den Kindern wird dann lebendi- ger, wenn wir ihre Unterschiedlichkeiten sehen und zulas- sen. Das sind die Ziele und die Schwerpunkte der 21 Un- terrichtshilfen. Und die genderbewusste Verkäuferin im Spielzeugladen fragt dann: «Welche Interessen hat das Kind? Was macht es gern? Was ist seine Lieblingsfarbe?»

Die in «Lotta boxt, Goran tanzt» versammelten Unter- richtsvorschläge stellen eine stark erweiterte und auf die Deutschschweiz adaptierte Bearbeitung des ersten Bandes von «L’école de l’égalité» dar. Dabei handelt es sich um eine mehrteilige, für die gesamte Volksschulzeit konzipier- te Sammlung von Unterrichtsvorschlägen zur genderbe- wussten Erziehung, die von den kantonalen Gleichstel- lungsbüros der französischen Schweiz realisiert wurde (vgl. www.egalite.ch/ecole-egalite.html). Die dort im ers- ten Band («S’ouvrir à l’égalité») enthaltenen 13 Unter- richtsvorschläge, welche wir übernehmen durften, stellen ihrerseits eine Adaptation des kanadischen Programms

«Les p’tits égaux» (Montreal 1997; www.lesptitsegaux.

org/) dar, das in Kanada und Frankreich breit und erfolg- reich getestet und evaluiert wurde. Für die Deutschschweiz mussten die Vorschläge zum Teil beträchtlich überarbeitet und angepasst werden. Zudem wurde die Sammlung er- gänzt um acht neu ausgearbeitete Unterrichtsvorschläge.

Dadurch liess sich gegenüber der französischen Vorlage zu- gleich die Auswahl und inhaltliche Orientierung erwei- tern. Einige der insgesamt 21 Anregungen wurden im Kan- ton Zürich praktisch erprobt; desgleichen wurde das Manu- skript freundlicherweise von mehreren Fachpersonen für Kindergarten und Unterstufe kritisch durchgesehen, was zu wertvollen Hinweisen für die Endredaktion führte.

Zu hoffen bleibt, dass die Lehrpersonen für jedes Kin- dergarten- beziehungsweise (Grund-) Schuljahr wenigstens drei bis vier geeignete Vorschläge finden und dass sie mit deren Bearbeitung dazu beitragen, die Kinder schon früh und in altersgemässer Weise auf die Fragen von Respekt und Gleichwertigkeit unter den Geschlechtern vorzuberei- ten und ihnen die Möglichkeit bieten, sich jenseits aller klischierten Vorstellungen zu verhalten.

Basil Schader, Ingrid Ohlsen; Illustrationen: Urs Maltry Lotta boxt, Goran tanzt. 21 Unterrichtsvorschläge zur Gleichwertigkeit von Mädchen und Jungen. Für den Kin- dergarten und die Unterstufe, bzw. für die Grund- und Basisstufe.

Erscheint voraussichtlich im Frühjahr 2008 als Koopera- tion des LMV Zürich und des Verlags Pestalozzianum.

GRUPPEN & FÜHRUNGEN: 044/202 46 46 | E-Mail: gruppen@tut-ausstellung.com

WWW .TUT-AUSSTELLUNG.COM | 0900 /331 331 (1 SFr./min)

DAS AUSSTELLUNGSEREIGNIS 2008

S E M M E L C O N C E R T S U N D A C T E N T E R T A I N M E N T P R Ä S E N T I E R E N

DIE GROSSE AUSSTELLUNG ZUR ARCHÄOLOGISCHEN WELTSENSATION DIE GRABKAMMERN DES PHARAO IN EINER SPEKTAKULÄREN REKONSTRUKTION

PARTNER DER AUSSTELLUNG:

Unter dem Patronat von

| 8. MÄRZ – 29. JUNI 2008

Kopie der Totenmaske König Tutanchamuns. Foto: Anne Marie von Sarosdy.

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GRUPPEN & FÜHRUNGEN: 044/202 46 46 | E-Mail: gruppen@tut-ausstellung.com

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DAS AUSSTELLUNGSEREIGNIS 2008

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PARTNER DER AUSSTELLUNG:

Unter dem Patronat von

| 8. MÄRZ – 29. JUNI 2008

Kopie der Totenmaske König Tutanchamuns. Foto: Anne Marie von Sarosdy.

Inserat

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Von Martina Dürst

Studentin Vorschule im 4. Semester, Mitglied der Kommission Gleich- stellung und Präsidentin der Versammlung der Studierenden an der Pädagogischen Hochschule Zürich

Wie gut sind angehende Lehrerinnen und Leh- rer zu Fragen im Zusammenhang mit einem ge- schlechtergerechten Unterricht sensibilisiert?

Die Autorin des vorliegenden Beitrags, selbst Studentin an der PHZH, hat sich diesbezüglich bei Kommiliton/innen verschiedener Semester umgesehen.

«Sag mal, weisst du, was dieses Wort ‹Gender› eigentlich bedeutet? Irgendwie hört man das überall.» Ich kann mich erinnern, wie ich in einer Vorlesung vor knapp zwei Jah- ren diese Frage meiner Kollegin ins Ohr geflüstert habe.

Damals waren wir erst seit einigen Wochen an der Pädago- gischen Hochschule Zürich (PHZH). Heute gehört dieses ge- heimnisvolle Wort längst zu unserem Grundwortschatz.

Aber wie geht es wohl anderen Studierenden an der PHZH?

Ist ihnen dieses Wort nach wie vor ein Rätsel oder können sie es schon nicht mehr hören? Wissen sie, was hinter dem Begriff steckt und was er mit der Schule und ihrem zu- künftigen Unterricht zu tun hat? Und können sie den Link von diesem Wort zur Gesellschaft herstellen?

In diesem Artikel masse ich mir nicht an, ein reprä- sentatives Bild des Genderwissens der Studierenden zu zeichnen. Vielmehr habe ich zwölf Studierenden beiderlei Geschlechts und aus unterschiedlichen Semestern, drei Fragen gestellt und kommentiere ihre Antworten im Fol- genden.

«Kannst du mir einige Beispiele für die Verwirkli- chung der Gleichstellung von Mann und Frau in der Schweiz nennen? Und in welchen Bereichen ist die Gleich- stellung noch nicht verwirklicht?»

Dies war meine erste Frage. Die Antworten waren un- terschiedlich. Allzu differenziert konnte mir niemand Aus- kunft geben. Viele nannten mir aber die zum Teil noch immer verfassungswidrige Lohnpolitik vieler Arbeitgeber und die geschlechtsunabhängigen Bildungschancen. Eini- ge erwähnten die Benachteiligung von Männern durch die Armeepflicht oder aber die Gleichstellung von Männern und Frauen beim Stimmrecht. Eine Studentin des ersten Semesters meinte sehr pauschal, dass die Gleichstellung überhaupt nicht stattfände, während ein Student aus dem vierten Semester fand, dass sie bereits überall umgesetzt wäre.

Bei der zweiten Frage, der Frage nach der Definition von Gender, zeichnete sich dann klar ab, ob die Studieren- den bereits durch die «Genderschulung» der PHZH gegan- gen waren oder nicht. So antwortete eine Studentin aus dem ersten Semester, dass das Wort wohl etwas mit Frau- en und Männern zu tun habe; eine andere dagegen hatte keine Ahnung; eine Dritte meinte, es hätte wohl etwas mit der Diskriminierung von Frauen zu tun und eine Vierte sagte, dass dieser Ausdruck mit dem Ruf nach mehr Frauen in der Politik zusammenhänge. Spannend! Spannend und recht beruhigend ist dann aber, dass alle Studierenden höherer Semester eine recht stimmige Definition liefern konnten. So antwortete ein Student aus dem sechsten Se- mester zum Beispiel: «Gender bezeichnet das Geschlecht.

Aber nicht das biologische, sondern wie man sich ge- schlechtsspezifisch verhält, handelt und fühlt.» Und ein anderer sagte: «Das ist der Oberbegriff für das, was mäd- chen- oder knabentypisch ist.» Und eine Studentin im vierten Semester definierte: «Gender ist, im Gegensatz zum biologischen Geschlecht, das soziale Geschlecht von Mann oder Frau. Es ist teilweise anerzogen und hängt mit den Erwartungen einer Gesellschaft zusammen.»

Die dritte Frage lautete so: «Wird die Genderthematik in deinen zukünftigen Schulalltag und Unterricht einflies- sen? Wenn ja, wie?»

Die Antworten kamen schnell und meist überzeu- gend. Ein Student aus dem sechsten Semester meinte: «Ja, dies wird es, absolut. An der PHZH werden wir ja immer wieder dafür sensibilisiert. Ich werde vor allem schauen, dass ich mit meinem Unterricht beide Geschlechter anspre- chen kann.» Besonders bei den Studierenden der oberen Semester bekam ich interessante und recht fundierte Ant- worten. Sie sprachen von Gleichbehandlung, von Unter- schieden und Gemeinsamkeiten, vom heimlichen Lehr- plan, von Selbstreflexion, davon, dass Stereotype erkannt, aber nicht gefördert werden sollten, von Koedukation und geschlechtergetrenntem Unterricht bei bestimmten The- men wie zum Beispiel Sexualkunde. Aber auch darüber, dass wir selbst als männliche oder weibliche Lehrperso- nen für unsere Schülerinnen und Schüler Modelle sind und wir ein Bewusstsein dafür entwickeln sollten, die Ge- schlechtsrollen grosszügig auszugestalten.

G e n d e r ko m p e t e n z

W i e s t e h t e s d a m i t b e i a n g e h e n d e n

L e h r p e r s o n e n ?

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Durch diese kleine Umfrage, aber auch durch meine eigene Erfahrung zeigte sich, dass die Pädagogische Hochschule sich den Bildungsratsbeschluss «Gleichwertige Förderung von Mädchen und Knaben» vom September 2002 zu Her- zen genommen hat und dafür sorgt, dass alle Lehrperso- nen Genderkompetenzen erwerben – so wie es im Quali- tätsstandard 9 heisst. Für mich war es anregend, mit den Studierenden über diese Themen zu sprechen, teilweise ergaben sich ganz überraschende Diskussionen. Ich war aber auch erstaunt, dass mir so viele Studierende differen- ziert antworten konnten und sah mich in meiner eigenen

Erfahrung bestätigt, dass viele zukünftige Lehrpersonen wohl mit wenig Genderwissen an die PHZH kommen, dann aber während der Ausbildung grundlegende Kenntnisse erwerben.

Aber ist das vermittelte Wissen auch praktisch an- wendbar? Und ist es genügend umfassend und fächerüber- greifend? Diesen Fragen wird die Kommission Gleichstel- lung der Pädagogischen Hochschule (KGS) auch in Zukunft noch weiter nachgehen und entsprechende Aktivitäten in die Wege leiten, um den Auftrag der PHZH gegenüber der Gesellschaft bestmöglich zu erfüllen.

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D i e S e kre tä r i n i m Sy s t e m S c h u l e

Z u B e g r i f f , F u n k t i o n u n d K a r r i e r e - m ö g l i c h k e i t e n v o n S e k r e t ä r i n n e n

Die Autorin des nachfolgenden Textes vertritt als Mitglied in der Kommission Gleichstellung an der PHZH die Interessen des administrati- ven- und technischen Betriebspersonals (ATB).

Sie beleuchtet hier die Stellung der Sekretä- rin / des Sekretärs innerhalb der Organisation Schule als Teil einer Auseinandersetzung mit Karrieremöglichkeiten von Frauen.

Da sowohl Organisationen wie die PHZH als auch die Schu- le Abbild von gesellschaftlichen Machtverhältnissen sind, ist die Beschäftigung mit der Berufsgruppe der Sekretari- atsmitarbeitenden besonders interessant, da sie sich mehr- heitlich aus Frauen zusammensetzt. Der Titel «Sekretärin»

ist bewusst in weiblicher Form gewählt, weil die Begriffe

«Sekretärin» und «Sekretär» zwei unterschiedliche Berufs- gruppen darstellen.

Annäherung an den Begriff «Sekretärin»

Assoziationen mit dem Begriff «Sekretär» führen mich ent- weder zu einem Schreibtischmöbel wie dem «Biedermeier Sekretär» oder zu einer Berufsbezeichnung, die vornehm- lich eine Führungsfunktion beinhaltet, nämlich dem «Ge- neralsekretär», dem «Staatssekretär», aber auch dem «Par- tei- oder dem Gewerkschaftssekretär». Diese Sekretäre sind mit einer Stablinienfunktion ausgestattet mit klar defi- nierten Aufgaben und Verantwortungsbereichen. Solche Führungspositionen sind meist von Männern besetzt. Ety- mologisch kommt das Wort von «secretus», was lateinisch

«geheim» heisst. So gab es bis ins 15. Jahrhundert die

«Geheimschreiber», das Amt des Schreibers bei Hof und in der Stadt. Erst im 20. Jahrhundert macht sich der Einfluss aus dem französischen «secrétaire» geltend und für die Kanzlei, die Geschäftsstelle, das Schriftführersamt wird das Wort Sekretariat gebraucht, in dem vermehrt eine Se- kretärin arbeitet.

Heute sind Frauen in der Berufsgruppe Sekretär/in- nen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in staatli- chen Organisationen deutlich übervertreten. Die Pädagogi- sche Hochschule Zürich zum Beispiel beschäftigt zur Zeit 86 Frauen mit einem durchschnittlichen Beschäftigungs- grad von 77 % und 8 Männer mit einem durchschnittli- chen Beschäftigungsgrad von 81 % als Verwaltungsassis- tent/innen, Verwaltungssekretär/innen oder Verwaltungs-

angestellte. Wie bezeichnen sich diese Männer und Frauen auf ihren Beruf angesprochen? Ein als Verwaltungssekretär angestellter Kollege äussert sich dazu wie folgt: «Obwohl ich auf einem Sekretariat arbeite, bezeichne ich mich nicht als Sekretär, sondern als kaufmännischen Angestellten, weil dieser Begriff der Sachbearbeiterfunktion, die ich ausübe, näher kommt.» Auch die Frauen bezeichnen sich nur zögerlich als Sekretärinnen, bevorzugt werden Begriffe wie Assistentin oder Sachbearbeiterin.

Vielleicht weil mit der Berufsbezeichnung Sekretärin nach wie vor Stereotype verbunden sind, die kaum noch der heutigen Realität entsprechen? Vielleicht weil die ver- allgemeinernde Bezeichnung zu wenig differenziert die tatsächlichen Aufgabenbereiche und Kompetenzen wider- spiegeln? Die Sekretärin, die Telefone entgegen nimmt, Protokolle schreibt, Anrufer vertröstet und dem Chef den Rücken frei hält, gibt es nach wie vor. Doch kann eine Verallgemeinerung und Gleichbehandlung einer ganzen Berufsgruppe kaum die unterschiedlichen Aufgaben und Anforderungen, die Sekretariatsmitarbeitende bewältigen, differenziert umschreiben.

Sekretariatsmitarbeitende meistern komplexe organisatorische Aufgaben

Organisationswissen gewinnt nicht nur an Pädagogischen Hochschulen zunehmend an Bedeutung, sondern wird im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung auch an geleite- ten Schulen zu einem tragenden Pfeiler eines sich ständig weiterentwickelnden lebendigen Systems.

Sekretariatsmitarbeitende verfügen oft über fach- übergreifende, nicht tätigkeitsspezifische, langfristig nutz- bare Kenntnisse und Fähigkeiten. Über die Kompetenzen, die eine gute Sekretärin, einen guten Sekretär ausmachen, äussert sich eine Kollegin wie folgt: «Ich brauche Organisa- tionstalent und muss wissen, wie man mit Leuten um- geht». Ein Kollege nennt Genauigkeit, Zuverlässigkeit, ver- netztes und analytisches Denken, Flexibilität, Computer- anwenderkenntnisse, sehr gute Deutsch- und Fremdspra- chenkenntnisse, Kenntnisse im Rechnungswesen und Teamfähigkeit.

Die Anforderungsprofile in den Sekretariaten sind unterschiedlich. Darum ist es sinnvoll, sich mit folgenden Leitfragen auseinander zu setzen:

• Welche konkreten Tätigkeiten sind zu erledigen?

• Worin bestehen die Kernaufgaben, die von dieser Stelle unbedingt zu bewältigen sind?

Von Regina Lenz

Assistentin des Prorektors Ausbildung der Pädagogischen Hoch- schule Zürich (PHZH), dipl. Schulverwaltungsleiterin SIB/VPZH und Mitglied der Kommission Gleichstellung an der PHZH

Abbildung

Abb. 1. Ausgewogenes Verhältnis zwischen Aufgaben, Verantwor- Verantwor-tung und Kompetenzen (Regina Lenz in Anlehnung an Jürg  Stu-der 1 )
Tab. 1: Gemeinden mit starker Befürwortung oder Ablehnung des  Gesetzes zur PHZH Starke Zustimmung   (> 66.6%) % ja Schwache Zustimmung  (< 33.3%) % ja Flurlingen 75.0 Maschwanden 33.3 Zollikon 69.1 Benken 32.8 Rüschlikon 68.3 Fischenthal 32.2 Greife

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