• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Gottfried Benn: Ein Klangmagier" (12.03.2004)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Gottfried Benn: Ein Klangmagier" (12.03.2004)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

N

un liegen die letzten bei- den Bände der hervorra- gend betreuten, monu- mentalen Benn-Ausgabe des 1956 verstorbenen Arztes für Haut- und Geschlechtskrank- heiten, Dr. med. Gottfried Benn, mit Praxis in Berlin- Schöneberg vor: eine der aufwendigsten herausgeberi- schen Unternehmungen der letzten Jahrzehnte: Prof. Ger- hard Schuster (Bd. I – V), Dr.

Holger Hof (Bd.VI – VII 1/2), Lektorat Thomas Weck Klett- Cotta Verlag.

So viel Benn gab’s nie: Ein unverhoffter Steinbruch hat- te sich aufgetan: die 1991 aus dem Besitz von Dr. Ilse Benn (Zahnärztin) ins Marbacher Literaturarchiv hinzugekom- menen zusätzlichen Arbeits- hefte und Tagebuchnotizen.

Ein riesiges Material also, aus dem der Dichter schöpfte, sei- nen „Honig saugte“. Schon der vorletzte Band VII/1

„Szenen und Schriften“ lässt erkennen, welche zentrale Stelle sein ärztlicher, von der Naturwissenschaft ambiva-

lent geprägter, lebenslänglich ausgeübter Beruf für sein dichterisches Werk einnahm.

Über die Szenen, das sind

„Ithaka“, „Etappe“, „Der Vermessungsdirigent“, die un- B Ü C H E R

Gottfried Benn

Ein Klangmagier

Zum glücklichen Abschluss der großen Stuttgarter Gottfried-Benn-Werk-Ausgabe

Gottfried Benn: Loredano Nr. 21²

Zeichnung:Werner Rübe

(2)

ter anderem in der Patho- logie und im ärztlichen Sprechzimmer spielen, kommt man dann zu den medizini- schen Schriften Gottfried Benns. Acht wissenschaftli- che Arbeiten – schon früher monographisch zusammen- gefasst, vom Herausgeber je- doch um ein Gutachten

„Über Selbstmord im Heer“

vermehrt – bestätigen Benns autobiografische Äußerung:

„Ich war also auch in der Me- dizin immer up-to-date.“ So- gar eine Goldmedaille der Universität Berlin erhielt der junge Benn für eine Arbeit über Pubertätsepilepsie. Das also, seine ärztliche Kassen- praxis, später dann sein Dienst als Militärarzt im gut- achterlichen Versorgungswe- sen war die nicht eben üppige ökonomische Basis seiner Existenz.

Aus der Dämmerstube sei- nes Sprechzimmers in der Belle-Alliance-Straße, später der Bozener Straße schwang sich sein dichterisches Genie empor, mit Fachwortsalven manchmal – vasomotorisch, Schizothymie, digestive Pro- zesse, Hypertonien. Sodass er nach einer Umfrage aus dem Jahr 2000 unter Schriftstel- lern, Rezensenten, Dichtern als bedeutendster Lyriker der ersten Hälfte des vergange- nen Jahrhunderts genannt wurde.

Man findet – immer wieder – Lektürenotizen mit ärztli- chem Bezug: „Schlafmittel- missbrauch, G. Thieme, Leip- zig, Erkältung und Erkältungs- krankheiten, Zeitschrift für Krebsforschung, Harnleiter- stein und Operation. DMW“.

Man findet auch funkeln- de Gedankensplitter, später ins fertige Gedicht Einge- flossenes oder auch Liegen- gebliebenes. Und neben vie- lem Unbehauenem sogar das Heitere, Humorige (was er eigentlich nicht mochte) . . . , aber auch: „Mücken panie- ren und als Rheinlachs ser- vieren“, um etwas Aufgebla- senes als hohl zu charakte- risieren.

Erstaunlich bleibt, dass Gottfried Benn sehr spät eine Gruppe von Kennern und Freunden gefunden hat, die erst vor kurzem eine Gott- fried-Benn-Gesellschaft ge- gründet haben. Ein Benn- Jahrbuch ist bereits erschie- nen (Buchhandlung Sattler, Schwachhauser Heerstraße 13, 28203 Bremen, Telefon:

04 21/7 22 28, E-Mail: Buch handlungSattler@tonline.de).

Vorsitzender der Gesellschaft ist der Bremen-Oldenburger Germanist Prof. Dr. phil. Joa- chim Dyck (Elsasser Straße 97 A, 28211 Bremen, Telefon:

04 21/44 77 09).

Ärzten bleibt der Klangma- gier nahe: Begann er doch mit

„Mann und Frau gehen durch die Krebsbaracke“ – um zu enden mit dem Meersburger Bett, in dem die Droste starb.

Immer war er nahe dem „Gen des Todes“, Geburt und Kör- perschmerz. Werner Rübe

Weiterführende Literatur:

rororo Bildmonographie Benn, Walter Lennig, Rowohlt Verlag Fritz Raddatz, Gottfried Benn.

Leben – niederer Wahn. Propyläen Verlag Umfassend: Gottfried Benn,

Provoziertes Leben, Klett-Cotta Verlag

A

A708 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1112. März 2004 B Ü C H E R

Gottfried Benn in seiner Arztpraxis in Berlin-Schöneberg

Foto:picture-alliance/akg

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Benn stieß sich daran, daß Hindemith sich einer Straßensammlung zur Verfügung gestellt hatte (immerhin war seine Frau Halbjüdin), und die Hindemiths wiederum konnten

Diese Bescheidenheit war zu einem großen Teil unbegründet; denn Benns hohe Affinität zur Musik und seine sichere Beurteilung gehörter Musik findet sich nicht nur im Brief-

Œ Unerfindlich ist, was mit der Be- hauptung gemeint ist, Gottfried Benn habe 1935 „seine Kassenpraxis unter politischem Druck“ aufgegeben. Ich weiß nicht, wie sich der Autor

Während Gottfried Benn als Der- matologe heute nur noch aus biografi- schen Gründen erwähnenswert ist, geht auch 50 Jahre nach seinem Tod von sei- nen Gedichten eine fortdauernde

Die Entscheidung wird erschwert dadurch, daß im Programm nicht erkennbar ist, ob es sich um einen Referenten oder eine Referentin handelt — der Vorname ist nämlich

Warum wurde der durch sein Leben Verwüstete den- noch zu einem Stern der deutschen

> In dem Buchausschnitt wird suggeriert, eine Ausbil- dung in der Betreuung Ster- bender für Mediziner sei nicht möglich.. Dies ist nicht

deren auf- wühlende Bil- der und Re- flexionen die Erfahrungen des Arztes Benn wider- spiegeln, ste- hen in dieser spannungsrei- chen biblio- philen Aus- gabe im Dia- log mit for-