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Archiv "Gottfried Benn: Kritisch betrachtet" (29.09.2006)

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A2538 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006

B R I E F E

Portemonnaie, hinhalten muss wegen der völlig unzureichenden und unrea- listischen politischen Regelungen.

Die DKG wäre gut beraten, die Men- schen in den Krankenhäusern – zu- sammen mit den Ärztekammern und dem MB – in den Mittelpunkt all ih- rer Bemühungen zu stellen. Dann ha- ben Krankenhäuser letzten Endes ei- ne Chance, in unserem Land ein wichtiger Arbeitsplatzmotor zu wer- den, nicht zuletzt deswegen, weil u. a. auch davon eine qualitativ hoch- wertige Patientenversorgung abhän- gig ist. Wir laden die DKG ein – ar- beiten Sie mit uns zusammen!

Dr. med. Ursula Stüwe,

Präsidentin der Landesärztekammer Hessen, Dreiruthenweg 14, 65388 Schlangenbad

GOTTFRIED BENN

Auch 50 Jahre nach Benns Tod geht von seinen Gedichten ei- ne fortdauernde Faszination aus (DÄ 26/2006: „Gottfried Benn [1886–1956]:

Stets ein Gefangener der Resignation“

von Prof. Dr. med. Hans-Dieter Göring).

Historische Ergänzungen

Dem Autor fehlen die historischen Kenntnisse über die Fakten im Leben von Gottfried Benn. Wir lesen des- wegen die Fehler und Klischees, die über Gottfried Benn im Umlauf sind:

ŒUnerfindlich ist, was mit der Be- hauptung gemeint ist, Gottfried Benn habe 1935 „seine Kassenpraxis unter politischem Druck“ aufgegeben. Ich weiß nicht, wie sich der Autor „poli- tischen Druck“ auf eine ärztliche Praxis vorstellt. Vor allem hatte sich Benn ja zustimmend zum „Neuen Staat“ geäußert. Die wirtschaftliche Lage der Ärzte war auch 1935 noch nicht rosig. Benn suchte wegen sei- ner leeren Praxis nach einer Ange- stelltenstelle bei den Gesundheits- behörden in Berlin. Als sein Gesuch abschlägig beschieden wurde, ent- schloss er sich zu einer festen Anstel- lung als Arzt in der Reichswehr.

Angeblich kam Benn „Anfang 1935 in das Visier der NS-Kultur- propaganda“. Es bleibt offen, was mit dieser Bemerkung gemeint ist.

Benn war ab 1. April in Hannover stationiert und hatte mit einer „Kul- turpropaganda“ nichts zu tun.

ŽDie Behauptung, es habe „zu Else Lasker-Schüler die leidenschaftlichs- te Liebesbeziehung gegeben, die Benn je zu einer Frau hatte“, ist aus der Luft gegriffen. Die Lasker-Schü- ler-Forschung (S. Bauschinger) glaubt nicht an eine Liebesbeziehung, in jedem Fall fehlen die Dokumente.

Der Autor behauptet, Benns ex- pressionistische Gedichte zeigten die „Schilderung konkreter Krank- heitsbilder, von Obduktionen, Aus- schabungen und Operationen“. Er brauchte nur die Gedichte der

„Morgue“ zur Hand nehmen, um zu wissen, dass eine solche Behaup- tung grundlos ist. Es handelt sich um ein Klischee, das auch in der Li- teraturwissenschaft verbreitet ist.

Während aber den Germanisten der Irrtum zu verzeihen ist, weil sie kei- ne Obduktionserfahrung haben, soll- te man von einem Mediziner mehr Realitätsbewusstsein erwarten.

Heinrich Mann schied als Vorsit- zender der Abteilung Dichtkunst im Februar 1933 freiwillig aus der Akademie der Künste in Berlin aus.

Der Reichskommissar für das zukünftige Ministerium für Wissen- schaft, Kunst und Volksbildung, Bernhard Rust, konnte nicht, wie behauptet wird, Benn „zum Nach- folger von Heinrich Mann als Vor- sitzenden der Sektion Dichtkunst berufen“. Das ließen die Statuten der Akademie nicht zu. Benn wurde auch nicht „der Vorsitz der Sektion Dichtkunst entzogen“. Bei der Neu- konstitution der Abteilung wurde Hanns Johst zum ersten Vorsitzen- den vorgeschlagen und gewählt.

‘Benn wurde auch nicht im „Stür- mer“ und im „Völkischen Beobach- ter“ in rüdester Weise beschimpft.

In der SS-Zeitschrift „Das schwarze Korps“ erschien ein Artikel gegen seine expressionistischen Gedichte, der in gekürzter Form vom „Völki- schen Beobachter (Norddeutsche Ausgabe)“ übernommen wurde.

’Besonders irreführend ist die Be- hauptung, Benn habe in der Gefahr leben müssen, „auch physisch ver- nichtet zu werden“. Diese Gefahr sei dadurch abgewendet worden, dass sich „seine militärischen Vor-

gesetzten schützend vor ihn stell- ten“. Der Autor des Artikels hätte wenigstens andeuten müssen, war- um eine solche Gefahr für Benn überhaupt bestand. Denn er hatte sich politisch ja nichts zuschulden kommen lassen. Benn war zu kei- nem Zeitpunkt 1933 bis 1945 durch Partei- oder Staatsinstanzen be- droht. Eine solche Behauptung ver- leiht dem Bericht zwar zum Schluss eine gewünschte journalistische Dramatik, hat aber mit der Realität nichts zu tun. Der Autor muss sich die Benn’sche Frage an Klaus Mann gefallen lassen: „Wie stellen Sie sich denn nun eigentlich vor, dass die Geschichte sich bewegt?“

Prof. Dr. Joachim Dyck,

1. Vorsitzender der Gottfried Benn-Gesellschaft e.V., Elsasserstraße 97 A, 28211 Bremen

Kritisch betrachtet

Der Beitrag ist sehr informativ, je- doch die Schlussfolgerung, dass von den Gedichten Benns eine fortdau- ernde Faszination ausgeht, ist es wert, seine Lyrik einmal kritisch zu betrachten. Gewiss hat Benn einige großartige Gedichte geschrieben (Letzter Frühling, Einsam nie), aber die Mehrzahl seiner Gedichte sind Monologe, an niemanden gerichtet.

Wortartistik, die sich selbst zum In- halt setzt. Gerade in seine frühen Gedichte (Tristess, Destillation) flicht er ganze fremdsprachliche Sät- ze ein. Hier wird das Spiel mit der Sprache zum Mittel des Spotts, das Sprachgefühl subjektiviert, Intellek- tuellenlyrik für Intellektuelle. Benn hat aus dem Ärztlichen das Mensch- liche ausgeklammert (Martini). Im Morgue-Zyklus (Kleine Aster, Mann und Frau gehen durch die Krebsba- racke) und in dem abgedruckten

„Der Arzt II“ wird dies überdeutlich.

Es sind abstoßende Gedichte (Mann und Frau gehen durch die Krebsba- racke: „komm, hebe ruhig diese Decke auf. Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte“), weil Leid und Krankheit in ihren schlimmsten Endstadien mit spöttischem Unter- ton beschrieben werden. Von diesen Gedichten geht keine Faszination (Bezauberung) aus . . .

Dr. med. Gerhard Stübner,Heisterweg 18, 31275 Lehrte-Steinwedel

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