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Archiv "Donnergroll bei den Zahnärzten" (13.11.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

N

ichts hätte die schwierige Lage, in der sich die Berufs- gruppe der Zahnärzte der- zeit befindet, deutlicher illustrie- ren können als der Umstand, daß der Vorsitzende der Kassen- zahnärztlichen Bundesver- einigung (KZBV) auf der Vertre- terversammlung dieser Organi- sation am 25. und 26. Oktober 1985 in München der Öffentlich- keit kein verbindlich formulier- tes und schriftlich fixiertes Kon- zept seiner Politik übergeben konnte.

Eine als programmatische Erklä- rung geeignete Rede, mit der Dr. Helmut Zedelmaier aus Schongau angereist war, hatte er wegen der dunklen Wolken, die sich über den Delegierten zusammenzuziehen drohten, noch vor Beginn der Versamm- lung in wichtigen Abschnitten wieder umgestoßen. Aber auch die Zweitfassung war im Papier- korb gelandet, um einer dritten Fassung Platz zu machen, die dann dem Plenum mündlich vor- getragen, nicht aber schriftlich verteilt wurde. Mit der Folge, daß sich sogar Hauptamtliche der KZBV überrascht, wenn nicht gar verunsichert zeigten und die Vertreter der Medien eine Schwarz-auf-Weiß-Bestäti- gung jener entschiedenen Aus- sagen vermißten, für die sich der

„Freie Verband Deutscher Zahn- ärzte" einige Tage zuvor in Mainz stark gemacht hatte.

Dort war bekanntlich für den Fall, daß sich die Krankenkassen mit ihrem Vorschlag, die Bewer- tungspunkte für zahnärztliche Leistungen zu senken, tatsäch- lich durchsetzen sollten, mit großer verbaler Entschlossen- heit an einen eintägigen „Warn- streik" der Zahnärzte in der gan- zen Bundesrepublik gedacht worden. Erläuternd hatte es da- zu geheißen, bislang schon vor- genommene Honorarminderun- gen seien so gravierend, daß der Plan der Kassen den wirtschaft- lichen Kollaps zahnärztlicher Praxen nach sich ziehen werde.

Wie wenig solche Schlachtrufe des Verbandes auf der berufs- politischen Linie des KZBV-Vor- sitzenden liegen, zeigte sich an der überaus vorsichtigen Wort- wahl eines Beschlußantrags, den Zedelmaier den Delegierten zu diesem Thema vorlegte: Die Vertreterversammlung unter- stützte Widerstandsmaßnahmen gegen die Krankenkassen, um eine angemessene Erhöhung der Vergütung ab 1. Januar 1986 zu erreichen. „Solche Maßnah- men", hieß es in der Begrün- dung, „sollten vor allem bei der Versorgung mit Zahnersatz er-

griffen werden, um auch die For- derung der Zahnärzte, aufwen- dige Versorgungen mit einer hö- heren Selbstbeteiligung zu ver- sehen, durchzusetzen."

Es ist zweckmäßig, sinnvoll und meist auch unumgänglich, wenn die Körperschaften öffentlichen Rechts als Interessenvertreter ihrer Mitglieder und als Mitträ- ger staatlicher Funktionen sich in kritischen Situationen einer moderateren Tonart befleißigen als die insoweit ungebundenen, nur ihren jeweiligen Mitgliedern verantwortlichen Verbände. Daß aber die Tonart des KZBV-Vor- sitzenden bei der durch böse Er- fahrungen verbitterten und zu weiteren Konzessionen nicht mehr bereiten zahnärztlichen Opposition als um einige Nu- ancen zu moderat empfunden wurde, bewiesen der in Mainz wiedergewählte Bundesvorsit- zende des Verbandes, Julius Herrmann (Berlin), und seine Büchsenspanner mit eigenen Anträgen, die an Härte und Schärfe ihresgleichen suchen.

Ihren Protest gegen die Absen- kung und „Umstrukturierung"

der Honorare, also im wesent- lichen gegen die Gewichtsverla- gerung bei den prothetischen Leistungen, richteten sie nicht nur gegen das Ergebnis des ent- sprechenden Schiedsspruches („Es wurden keine der auch vom Gesetz geforderten wirksamen Anreize für zahnerhaltende Maßnahmen geschaffen. Die Ab- wertungen im Bereich der Pro- thetik ... sind echte betriebs- wirtschaftliche Verluste, welche die Qualität der Leistungen au- ßerordentlich gefährden müs- sen"), sondern auch gegen den Erweiterten Bewertungsaus- schuß selbst („Der Erweiterte

Donnergroll bei den Zahnärzten

Eine Minderung des Honorarvolumens um rund 450 Millionen DM steht den (Kassen-)Zahnärzten ins Haus, sollte die niedrigere Punktbewertung gewisser zahnärzt- licher Leistungen durchkommen. An der zahnärztlichen Basis regt sich der Unmut; er schlug Wellen bis zur Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung.

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 46 vom 13. November 1985 (17) 3405

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Zahnärzte/Honorarpolitik

Bewertungsausschuß ist kein In- strument der partnerschaft- lichen Selbstverwaltung, son- dern ein staatliches Instrument, dessen die Krankenkassen sich mit Hilfe der Politiker bedient haben, ihre Politik der fortwäh- renden Abschmelzung der zahn- ärztlichen Vergütungen durch- zusetzen.").

Auch hinsichtlich der Maßnah- men, die bei andauernder Ver- weigerungshaltung der Kran- kenkassen zu ergreifen sind, ging die verbandliche Opposi- tion gleich mehrere Schritte weiter als die KZBV. Sollten nämlich die Verwaltungen der Krankenkassen in die ärztliche Verantwortung eingreifen, in-

dem sie den Versicherten — im Gegensatz zum Behandlungs- plan des Zahnarztes — eine be- stimmte Therapieform aufzwin- gen wollen, so solle der Zahnarzt gegenüber der betreffenden Kasse die Verantwortung von vornherein ablehnen. Der Ko- stenplan solle dann von ihm le- diglich, mit einem Befund verse- hen, an die Kasse gegeben und der Versicherte anschließend über den „Wert" der Behand- lungsplanung durch die Verwal- tung aufgeklärt werden.

Über Einzelheiten der in Mainz anvisierten Kampfmaßnahmen schwieg sich die Opposition auch in München indes aus. Sie ließ aber keinen Zweifel an ihrer

eigenen Konfliktbereitschaft. In einem heftig kritisierten Punkt brauchten die Körperschaften allerdings wohl nicht mehr über- zeugt zu werden, weil sie inzwi- schen ähnliche Erkenntnisse gewinnen mußten: daß sie näm- lich „ihre Handlungsmöglich- keiten zur Vertretung der zahn- ärztlichen Interessen wie zur Vertretung der Patienten-Inter- essen bei weitem nicht ausge- nutzt" haben. Zedelmaier gab das mehr oder weniger unum- wunden zu, berief sich aber auf guten, wenn auch immer wieder enttäuschten Glauben an vor- geblich partnerschaftliche Zusa- gen der „anderen Seite". Was ihm jedoch nicht die Androhung ersparte, man werde, wenn die

Verweigerungshaltung

Der „Freie Verband Deut- scher Zahnärzte" hat auf sei- ner Hauptversammlung (vom 17. bis 19. Oktober in Mainz) gefordert, die einnahmen- orientierte Ausgabenpolitik aufzugeben und diese durch eine „leistungsbezogene"

Ausgabenmechanik zu erset- zen. Dies könne entweder durch eine rigorose Durchfor- stung des Leistungskatalogs geschehen, oder aber die Einnahmen müßten an den gewünschten und politisch zu vertretenden Leistungen orientiert werden. Der Kas- senarzt wie der Kassenzahn- arzt müßten wieder medizini- sche Handlungsfreiheit erhal- ten. Bei allem ideellen und beruflichen Engagement müßten selbstverständlich die wirtschaftlichen Voraus- setzungen für eine qualitati- ve, patientenbezogene Be- handlung gewährleistet blei- ben. Auch müsse der Versi- cherte mehr als bisher mit Hilfe eines gesundheitsorien- tierten prophylaktischen Ver- haltens und durch finanzielle Anreize in die Mitverantwor-

tung für den Behandlungser- folg einbezogen werden.

Falls die so vom Freien Ver- band der Zahnärzte apostro- phierte „Verweigerungshal- tung" der Kassen beibehal- ten und dadurch eine durch- greifende Systemreform ver- hindert werden, fordert der Freie Verband Deutscher Zahnärzte:

I> Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sollten die Be- ratungsverfahren für die wirt- schaftliche Versorgung beim Zahnersatz einstellen, weil dies sinnlos geworden sei.

Die Kassenzahnärzte soll- ten tunlichst nur noch dann Zahnersatz eingliedern, wenn die Krankenkassen und der Patient den Zahnarzt von der Haftung für eine wirtschaft- liche und ausreichende Be- handlung im Sinne der RVO freistellen.

Die Mitglieder des „Freien Verbandes" werden aufgefor- dert, ihre Tätigkeit in den Ausschüssen der Selbstver- waltung, insbesondere in den

Prüfungsausschüssen so lan- ge einzustellen, wie die Kran- kenkassen weiter destruktiv bleiben.

Der Kassenzahnarzt sollte ge- genüber den Krankenkassen nach individueller Prüfung die Verantwortung für die zahnärztliche Behandlung und für den Behandlungser- folg von vornherein ableh- nen, falls ihm zugemutet wür- de, den Versicherten im Ge- gensatz zum genehmigten Behandlungsplan des Zahn- arztes eine bestimmte, kas- senvorgegebene Therapie- form anzuwenden. Damit sprach der FVDZ — indirekt — einen Modellversuch der All- gemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Burgdorf bei Hannover an. (Dort sind auf Veranlas- sung des AOK-Geschäftsfüh- rers Zahnarzt-Liquidationen in den letzten drei Jahren computermäßig durchleuch- tet worden, um herauszufin- den, ob und inwieweit die Ko- stenvoranschläge der Zahn- ärzte für Zahnersatz überhöht und ob nicht preiswertere Al- ternativen indiziert gewesen wären). HC

3406 (18) Heft 46 vom 13. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Zahnärzte/Honorarpolitik KURZBERICHTE

nötige Unterstützung durch die Körperschaft ausbleibe, den Rücktritt des KZBV-Vorstands verlangen und gegebenenfalls durch Urabstimmung Neuwah- len herbeiführen ...

Ob sich nach einem solchen Einschnitt etwas bewegen wür- de und was dann sein könnte, wagten auch erfahrene Fuhrleu- te der zahnärztlichen Berufspo- litik nicht vorauszusagen. Eben- so wenig wie sie prognostizie- ren mochten, welche Chancen ihnen eine gerichtliche Klärung ihrer sorgenreichen Lage eröff- nen könnte und welche Aussich- ten ihnen wie immer geartete Kampfmaßnahmen bescheren würden. Vorsichtige gaben zu bedenken, daß zu erfolgreichen Kampfmaßnahmen immer zwei- erlei gehören: eine geschlosse- ne, solidarische Gruppe und ein hoher Grad von Sympathie in der Öffentlichkeit. Mit beiden aber ist es, wie die Vorsichtigen wissen, bei den Zahnärzten nicht eben gut bestellt.

Nicht ohne Einfluß auf die Vor- sicht bleib überdies ein wahr- haft knallharter Diskussionsbei- trag des Parlamentarischen Staatssekretärs Stefan Höpfin- ger vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Unter stetigem Abflauen anfänglich lautstarker Unmutsbekundun- gen hielt der Mann aus Bonn den Delegierten vor, auch die Zahnärzte seien im Gesund- heitswesen nur eine Gruppe un- ter vielen und sollten sich ihrer Teilrolle bewußt bleiben bzw.

wieder bewußt werden: „Die Ar- beitslosigkeit kann nur dann wirksam bekämpft werden, wenn die Arbeit nicht mehr teu- rer wird und wenn die Lohnne- benkosten nicht weiter stei- gen!"

Es gehört zum Fluidum dieser KZBV-Vertreterversammlung, daß das Plenum diese Levitenle- sung am Ende widerwillig, aber auch unerwartet leise hinunter- schluckte. Kurt Gelsner/DÄ

Die Allgemeinmedizin ist immer noch nicht

„Institutionalisiert"

Eine bekannte deutsche Automo- bilfirma mit einem Jahresumsatz von 32 Milliarden DM steckt davon eine Milliarde in die Forschung.

Die deutschen Allgemeinärzte veranlassen jährlich Gesamtaus- gaben der Krankenversicherung von mehr als 50 Milliarden DM — der „Forschungsetat der Allge- meinmedizin beträgt aber prak- tisch Null".

Mit diesem Vergleich rückte Pro- fessor Dr. Siegfried Häußler beim 11. sogenannten Dekan-Sympo- sion in München die Forschung in der Allgemeinmedizin in den Mit- telpunkt. Diese seit 1974 jährlich stattfindende Veranstaltung der Vereinigung der Hochschullehrer und Lehrbeauftragten für Allge- meinmedizin (mit Unterstützung durch das Zentralinstitut für kas- senärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland) dient offiziell dem Gedankenaus- tausch mit Dekanen und Fachbe- reichsvertretern der Medizini- schen Fakultäten über gemein- sam interessierende Probleme.

Im Klartext: sie dient — und das seit 11 Jahren — dem Versuch, endlich eine Institutionalisierung der Allgemeinmedizin an den Fa- kultäten zu erreichen.

Es fehlt immer noch, wie Profes- sor Häußler sagte, die „spektaku- läre Forschung" in der Allgemein- medizin. Sie kann auch durch Ärz- te mit personengebundenen Lehraufträgen nicht geleistet wer- den, wenn keine personalen Hil- fen, keine Räume, keine Mittel zur Verfügung stehen. Die Teilneh- mer appellierten daher in einer Resolution an staatliche Stellen und Fakultäten, nach Lösungs- möglichkeiten zu suchen.

Dabei gibt es Allgemeinmedizin als wissenschaftliches Fach, sie ist also auch „beforschbar", wie sich vor allem an ausländischen,

inzwischen aber auch deutschen Arbeiten belegen läßt. Typische Forschungsgegenstände sind da- durch bestimmt, daß es die Allge- meinmedizin — im häufigen Ge- gensatz zur Klinik — mit unselek- tionierten Kranken zu tun hat, mit

Krankheitsverläufen, mit Früh- oder Spätstadien und mit menschlicher Interaktion (Arzt/Pa- tient/Familie/Umfeld). Allgemein- medizinische Dissertationen be- handeln oft Einzelfallstudien und Feldstudien. Darin liegen aber auch schon wieder Probleme:

Einzelfallstudien sind in sich zwar lehrreich, aber nicht zu verallge- meinern; Feldstudien erfordern großen Aufwand. Kataloge mög- licher Forschungsbereiche gibt es genug (als neuesten eine Über- sicht des US National Center for Health Services Research, 1985).

Die Allgemeinmedizin ist aber auch in der Lehre durch die heuti- ge Organisation der ärztlichen Ausbildung benachteiligt. Solan- ge die wichtigste Qualifikation des Hochschullehrers Forschungser- gebnisse (also auch intensive Tä- tigkeit in einem Spezialgebiet) sind, ist die fachübergreifende Lehre, wie sie die Allgemeinmedi- zin bräuchte, schwer zu bewerk- stelligen. Solange die Universi- tätskliniken im wesentlichen Ma- ximalversorgung betreiben, kann der Student dort keinen Einblick in das Krankheitsspektrum erhal- ten, das ihn im Bereich der Pri- märversorgung erwartet. Lang- zeitbeobachtungen von Krank- heitsverläufen, Prävention, Nach- sorge, Hausbesuche, „Familien- medizin" — all dies kann die heuti- ge Universitätsklinik praktisch nicht bieten.

Man müsse sich sogar fragen, hieß es mehrfach, ob es unter die- sen Umständen überhaupt noch sinnvoll sei, an der einheitlichen Ausbildung für spätere Allgemein- und andere Ärzte festzuhalten — die etwaigen Konsequenzen sol- cher Übrlegungen für unser Ge- sundheitssystem waren freilich nicht Thema des Münchener De- kan-Symposions. gb Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 46 vom 13. November 1985 (19) 3407

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