Zum Gesundheitswesen in der DDR
Resolution der KBV-Vertreterversammlung am 14. Mai 1990
D
ie Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesver- einigung geht davon aus, daß die gravierenden Versorgungsmängel im Gesundheitswesen der DDR nur durch Übernahme der in der Bundesrepublik bestehenden Versorgungsstrukturen wirksam beseitigt werden können. An die Stelle systematischer Unterdrük- kung von Eigeninitiative durch zentrale Steuerung aller Entschei- dungen im Gesundheitswesen muß ein freiheitliches Versor- gungssystem treten. Nur dieses ist in der Lage, die gravierenden Mängel im bisherigen Versor- gungssystem der DDR zu beseiti- gen. Der wirtschaftlich unabhän- gige und nur seinem Gewissen verpflichtete Arzt sichert eine qualitativ hochstehende medizini- sche Versorgung, die freie Arzt- wahl und den Schutz der Persön- lichkeitsrechte des Patienten.Die Vertreterversammlung wendet sich daher dagegen, durch staatliche Subventionen die in der DDR bestehenden Einrichtungen der ambulanten Versorgung als
„Errungenschaften des Sozialis- mus" mit Vorbildfunktion in ei- nem geeinten Deutschland auf Dauer am Leben zu erhalten.
Statt dessen müssen durch geeig-
nete Rahmenbedingungen bereits mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion die Vorausset- zungen dafür geschaffen werden, daß sich Ärzte in freier Praxis nie- derlassen und Polikliniken, Am- bulatorien und Staatspraxen in freiberufliche Organisationsfor- men umwandeln können.
Hierzu ist erforderlich,
■ den Erwerb oder die Nut- zung von Praxisräumen, auch so- weit sie bisher durch staatliche Gesundheitseinrichtungen ge- nutzt wurden, zu ermöglichen;
■ den Rechtsanspruch der Ärzte, sich in freier Praxis nieder- zulassen, in einer Zulassungsord- nung zu regeln;
■ die veraltete Vergütungs- ordnung durch eine leistungsge- rechte Gebührenregelung abzulö- sen;
■ Selbstverwaltungskörper- schaften der Ärzte zur Wahrung der beruflichen Belange und Ver- tretung der Interessen der nieder- gelassenen Ärzte gegenüber der Krankenversicherung gesetzlich zu errichten;
■ eine angemessene Alters- und Hinterbliebenenversorgung durch berufsständische Versor- gungswerke zu schaffen. ❑ senkung der Krankenversicherung
die Qualität der kassenärztlichen Versorgung dauerhaft sichern?
Wie läßt sich angesichts ei- ner anhaltenden, von uns nicht be- einflußbaren Überproduktion von Ärzten — im Jahre 2000 werden es voraussichtlich 100 000 Kassenärzte sein — der Anspruch des Kassenarz- tes auf eine angemessene Vergütung seiner beruflichen Tätigkeit dauer- haft gewährleisten?
Beide Probleme werden durch die Einheit Deutschlands und die not- wendige Veränderung der Versor- gungsstrukturen in der DDR nicht einfacher, sondern eher schwerer.
Das Handlungskonzept sieht für die Politik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung einen Katalog von Maßnahmen vor, an deren Um- setzung der Vorstand zur Zeit arbei- tet. Ich beginne mit der Honorarpoli- tik. Hier liegen mit der Empfeh- lungsvereinbarung mit den Spitzen- verbänden der Krankenkassen und der Honorarvereinbarung mit den Verbänden der Ersatzkassen kon- krete Ergebnisse vor.
Honorarpolitik: Dem Ziel ein Stück nähergekommen
Wir haben im Handlungskon- zept angekündigt, daß wir nach Be- endigung der Erprobungsphase des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes schrittweise zur Einzelleistungsver- gütung zurückkehren wollen, um die Qualität der ambulanten ärztlichen Versorgung dauerhaft zu sichern.
Durch beide Vereinbarungen sind wir diesem Ziel ein erhebliches Stück näher gekommen.
Zusammen mit der bereits vor- her erfolgten Ausgliederung von Lei- stungen aus der Pauschalvergütung sind nunmehr 17 Prozent des Lei- stungsvolumens wieder nach Einzel- leistungen von den Krankenkassen zu vergüten. Hinzu kommt: Seit dem 1. April dieses Jahres können die Vertragsärzte in nahezu allen Lei- stungsbereichen — außer Labor
—wieder mit festen Punktwerten rech-
nen. Damit hat der Arzt endlich wie-
der mehr Sicherheit über die Hono- rierung seiner Arbeit. Er weiß somit
wieder vor der Leistungserbringung, welches Honorar er für seine Lei- stung erhält.
Allerdings besteht aufgrund der auch für die Ersatzkassen geltenden Bundesempfehlung für gut 80 Pro- zent des Leistungsvolumens nach wie vor eine Begrenzungsregelung, die an die Grundlohnsummenentwick- lung im Verhältnis 1:1 angebunden ist. Wird diese Grenze durch die Lei- stungsbedarfsanforderung mit dem fest vereinbarten Punktwert über- schritten, so müssen wir für das nächst erreichbare Folgequartal mit den Vertragspartnern Ausgleichsre- gelungen treffen. Diese führen aber
nicht zwangsläufig zu einer linearen Absenkung des vereinbarten Punkt- wertes. Auch strukturelle Maßnah- men sind möglich.
Im übrigen bedeutet diese Be- grenzung für uns aber gleichzeitig ei- ne Honorargarantie. Denn für den Fall, daß mit dem vereinbarten Punktwert die Grundlohnsummen- entwicklung nicht erreicht wird, er- folgt — ebenfalls im nächst erreichba- ren Folgequartal — eine Nachbesse- rung durch Anhebung des Punktwer- tes.
Die direkt proportionale Anpas- sung an die Grundlohnsummenent- wicklung, die sich im letzten Jahr un- Dt. Ärztebl. 87, Heft 21, 24. Mai 1990 (19) A-1679