Vitamin-A-Mangel beim Alkoholiker wird durch eine gesteigerte Mobilisierung von Retinol als Retinolester von der Leber in periphere Gewebe sowie durch einen gesteigerten Abbau von Reti- nol erklärt (10). Dieser gesteigerte Abbau ist Folge der alkoholbedingten „Induktion" mikro- somaler Zytochrom-P-450-abhängiger Enzyme und führt nicht nur zum Vitamin-A-Mangel, son- dern auch zum Auftreten von toxischen Retinol- Intermediärprodukten (20, 21). Aus diesem Grunde kann eine alkoholische Lebererkran- kung durch zu hohe Dosen von Vitamin-A-Sup- plementation verschlechtert werden.
Alkohol führt auch zu einem Mangel an Ma- gnesium (22), Zink (23) und Selen (1). Alle drei Mineralien werden vermehrt unter Alkoholein- fluß über die Niere ausgeschieden. Ein Mangel an Zink ist bei der alkohol-assoziierten Cokarzi- nogenese im oberen Alimentärtrakt von Bedeu- tung (24), während Selenmangel zu einer Ver- minderung der Aktivität der Glutathion-Peroxi- dase führt, und dies wiederum begünstigt die Li- pidperoxidation in der Leber (25).
Schlußfolgerungen
• Alkoholiker repräsentieren nach wie vor die größte Patientengruppe in der „westlichen Welt" mit behandlungsbedürftigen Ernährungs- mängeln.
Q Chronischer Alkoholismus führt unter anderem zu einem Energieverlust auf Grund der
„leeren" Kalorien des Alkohols.
• Chronischer Alkoholismus führt weiter- hin zu primärer und auf Grund seiner Organtoxi- zität zu sekundärer Mangelernährung.
43 Diese Organtoxizität betrifft in erster Li- nie die gastrointestinale Mukosa, die Leber und das Pankreas, was Maldigestion, Malabsorption, Utilisationsstörungen und generell Verluste von Nahrungsbestandteilen verursachen kann.
• Die Organtoxizität beinhaltet schwere morphologische und funktionelle Veränderun- gen der genannten Organe, wobei die Mangeler- nährung ihrerseits die Organschäden verstärken kann.
42 Unter den Nahrungsbestandteilen, die unter Alkohol vermindert zur Verfügung stehen, sind in erster Linie die lipotropen Substanzen Cholin und Methionin, Vitamine wie Thiamin, Pyridoxin, Folat und Retinol sowie die Minera- lien Magnesium, Zink und Selen zu nennen.
• Aus diesen Gründen ist die Substitution von Vitaminen und Mineralien fester Bestand- teil in der Therapie des Alkoholikers. Es besteht jedoch für einige dieser Nährstoffe, wie zum Bei- spiel für das Vitamin A, ein nur geringes „thera- peutisches Fenster".
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Litera- turverzeichnis im Sonderdruck, anzufordem über die Verfasser.
Anschrift für die Verfassen
Privatdozent Dr. med. Helmut K. Seitz Medizinische Universitätsklinik
und Poliklinik
Abteilung Innere Medizin IV Bergheimer Straße 58
6900 Heidelberg
Brustkrebsrisiko
durch Mammographie?
Die Mammographie wird als Screening-Verfahren bei asympto- matischen Patientinnen eingesetzt.
Um zu untersuchen, wie stark das Risiko auch bei niedriger Strahlen- exposition des Thorax ansteigt, wur- den die Daten von 31 710 Frauen un- tersucht, die in kanadischen Sanato- rien zwischen 1930 und 1952 wegen Tbc behandelt wurden. Diese Grup- pe war besonders für die Studie ge- eignet, da genaue Daten über Strah- lendosis und Krankheitsverlauf vor- handen waren.
Es zeigte sich, daß das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, in direk-
tem Verhältnis zur empfangenen Strahlendosis steht. Das Risiko war am größten, wenn die ersten Exposi- tionen in die Pubertätszeit fielen, und nahm ab, je älter die Patientin- nen bei Erstexposition waren. Au- ßerdem zeigte sich, daß die Strahlen- wirkung ihren Höhepunkt 25 bis 34 Jahre nach der Erstexposition er- reicht. Das Brustkrebsrisiko war sta- tistisch signifikant erhöht bei Patien- tinnen, die eine Strahlendosis von mehr als 70 cGy erhalten hatten, und war bei denen, die über 100 cGy er- hielten, sogar 36mal höher als bei nichtbestrahlten Patientinnen.
Routine-Mammographien be- nutzen jedoch nur 0,15 cGy pro Brust, eine Thoraxaufnahme belastet jede Brust sogar nur mit 0,002 cGy.
FÜR SIE REFERIERT
Da das Brustkrebsrisiko mit zuneh- mendem Alter stark abfällt, halten die Autoren die Vorteile der Mam- mographie für so groß, daß dagegen die eventuellen Risiken eines durch Strahlung induzierten Brustkrebs ge- ring sind. slü
Miller, A. B. et al.: Mortality from Breast Cancer after Irradiation during Fluorosco- pic Examinations in Patients Being Treat- ed for Tuberculosis. New Engl. Journ.
Med. 321 (1989) 1285-1289
Dr. Howe, National Cancer Institute of Canada, Epidemiology Unit, McMurrich Building, 3rd Floor, University of Toronto, 12 Quenn's Park Crescent West, Toronto, ON M5S 1A8, Canada
A-678 (52) Dt. Ärztebi. 87, Heft 9, 1. März 1990