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Archiv "Mangel an Vitamin D zur Zeit besonders häufig" (01.03.1996)

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Nach der Vorstellung der „West of Scotland Coronary Prevention Stu- dy“ (WOS) auf der Jahrestagung der American Heart Association in Ana- heim knallten die Korken. Pravasta- tin hatte in der primären Herzinfarkt- Prävention gehalten, was die „Scandi- navian Simvastatin Survival Study“

(4 S) ein Jahr zuvor in der sekundären Vorbeugung versprochen hatte:

Die Einnahme von täglich 40 Milligramm des Cholesterin-Synthe- se-Hemmers hatte den Gesamtchole- sterinwert von 3 302 (nur männlichen) Schotten um durchschnittlich 20 Pro- zent gesenkt und in fünf Jahren im Vergleich zur Placebogruppe 74

„Koronarereignisse“ (tödliche und nichttödliche Herzinfarkte) verhin- dert. Bezogen auf die 248 Infarkte, die während der fünf Jahre in der 3 293 Personen umfassenden Placebogrup- pe auftraten, errechnet sich daraus ei- ne Risikoreduktion um knapp 30 Pro- zent.

Gesamtmortalität gesenkt

Das Resultat gibt nicht nur Bri- stol-Meyers-Squibb die Hoffnung, die 45 Millionen Mark, die das Unterneh- men in die WOS-Studie investiert hat, schnell wieder einzunehmen. Auch bei den Konkurrenten, die mit Fluva- statin, Lovastatin und Simvastatin auf dem Markt sind, wird man wohl eine Flasche geöffnet haben, da sich aus der Pravastatin-Studie kein zuverläs- siger Hinweis ergab, daß andere Stati- ne mit vergleichbarer Effizienz nicht denselben Effekt zeigen.

Genugtuung hatte WOS auch bei vielen Wissenschaftlern ausgelöst – bei denen nämlich, die überzeugt wa- ren, daß Cholesterinsenkung ein Weg zu einer besseren Volksgesundheit sei. Frühere Lipidsenker-Studien zur primären Prävention hatten zwar in der Tat das Herzinfarktrisiko mode-

rat verringert, dafür waren allerdings andere Todesursachen häufiger auf- getreten, so daß sich an der Gesamt- mortalität nichts geändert hatte. Die- ser bislang unerklärte Anstieg der nichtkardialen Todesursachen, ent- weder ein Effekt der Medikamente oder der Lipidsenkung an sich oder schlichter Zufall, trat in der WOS- Studie nicht auf: Pravastatin hatte auch die Gesamtmortalität um etwa 20 Prozent gesenkt, allerdings lag die- ser Wert gerade am Rande zur statisti- schen Signifikanz.

Die Frage lautet jetzt: Ab wel- chem Risikopotential bzw. welchem Cholesterinwert ist es sinnvoll, Risi- kokandidaten für eine koronare Herzkrankheit nicht nur zur Diät, Ge- wichtsreduktion und Änderungen des Lebensstils anzuhalten, sondern ih- nen vorbeugend ein Statin zu verord- nen? Die Antwort hängt von zwei Aspekten ab: Gegenwärtig werden die volkswirtschaftlichen Konsequen- zen ausgerechnet, wenn man – wie in der WOS-Studie geschehen – Män- nern zwischen 45 und 64 mit Gesamt- cholesterinwerten zwischen 250 und 300 mg/dl die wirksamen, aber teuren Statine verschreibt und dadurch in fünf Jahren pro 1 000 Behandelte 27 Herzinfarkte – davon sieben tödliche –, 14 Angiogramme und acht Revas- kularisierungseingriffe vermeidet.

Vor der Ökonomie steht freilich die persönliche „Kosten-Nutzen- Rechnung“ für jeden einzelnen Pati- enten. James Shepherd, Leiter der WOS-Studie, sagte in Anaheim, daß der Katalog der aufgetretenen Ne- benwirkungen der Pravastatinbe- handlung sich nicht von Placebo un- terschieden habe. Nimmt man einmal die Aufnahmekriterien der WOS- Studie (Gesamtcholesterinwert über 250 mg/dl) als Maßstab, dann wird im- merhin knapp ein Viertel der (männ- lichen) Bevölkerung zwischen 45 und 64 zu Kandidaten für eine Lipidsen- ker-Behandlung. Auf 1 000 Personen

bezogen: Um 27 Personen vor einem Herzinfarkt zu bewahren, müssen 973 andere fünf Jahre lang ein Medika- ment nehmen, das ihnen – zumindest in diesem Zeitraum – keinen spürba- ren Vorteil bringt. Zudem muß die Therapie nach dem Stand des Wissens lebenslang geschehen – für die mei- sten also 20 bis 30 Jahre lang. Da ist mit potentiellen Risiken einer jahr- zehntelangen Statineinnahme beson- ders aufmerksam umzugehen.

Zwei Artikel im „Journal of the American Medical Association“ mö- gen als Vorgeschmack gelten, was der primären Prävention in den nächsten Jahren an Diskussion bevorsteht.

Thomas Newman und Stephen Hul- ley (Universität Kalifornien in San Francisco) haben in einem Artikel das Datenmaterial zusammengetragen, das zur Frage des karzinogenen Po- tentials lipidsenkender Medikamente publiziert ist.

Dabei kommen sie zu dem Schluß, daß diese Gefahr aufgrund des jetzigen Wissens nicht ausgeschlossen werden kann. Und bis „längerfristige Studien und eine aufmerksame Marktbeobachtung die Frage beant- wortet hätten, sollte die medika- mentöse Lipidsenkung, insbesondere mit Fibraten und Statinen, vermieden werden, außer bei Patienten mit ei- nem hohen Risiko einer kurzfristigen koronaren Herzkrankheit“. Die bei- den Autoren ziehen die Grenze bei ei- nem Herzinfarktrisiko von einem Pro- zent im Laufe des nächsten Jahres.

Die Entgegnung folgt sieben Sei- ten weiter: In einem Editorial bezwei- feln James E. Dalen und William S.

Dalton (Universität von Arizona), daß das von Newman und Hulley an- geführte Datenmaterial ein geeigne- tes Fundament sei, um den Sinn der Lipidsenkung in Frage zu stellen.

Der Verdacht, daß Lipidsenkung das Krebsrisiko erhöhen könnte, ist nicht neu. Auch zwei 1992 publizierte Meta-Analysen, die die Daten von A-515

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 9, 1. März 1996 (23)

Primäre Prävention mit Cholesterin-Synthese-Hemmern

Weshalb „Statine“

in die Diskussion geraten sind

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13 359 beziehungsweise 25 269 Pati- enten analysierten, ergaben in der In- terventionsgruppe einen Überschuß von 34 beziehungsweise 44 Krebsfäl- len im Vergleich zu den Kontrollgrup- pen. Eine dritte Meta-Analyse aus dem Jahre 1994, in der die Daten von 27 646 Patienten aus 20 Lipidsen- kungsstudien vereinigt worden wa- ren, stellte dann keinen behandlungs- abhängigen Unterschied in der Zahl der Krebsfälle mehr fest.

„Wenn eine Behandlung oder Diät oder niedrigere Cholesterinwer- te überhaupt Krebs verursachen kön- nen“, so resümieren Dalen und Dal- ton, „dann ist das Risiko schwach.“

Die publizierten Mutagenitätstests hätten keinen Hinweis darauf gege- ben, daß einer der Lipidsenker direkt erbgutschädigende Wirkung habe.

Nach den vorliegenden Meta-Analy- sen liege das Krebsrisiko höchstens im Bereich von zwei bis drei zusätzli- chen Fällen auf 1 000 Patienten, die sechs Jahre lang eine Lipidsenkung durchführen. Als weiteres und wich- tigstes Argument verweisen Newman und Hulley in ihrer Warnung auf die bereits einige Jahre alten Ergebnisse der Karzinogenitäts-Tests, die die Pharmafirmen zur Zulassung der Fi- brate Clofibrat und Gemfibrozil und der Statine Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin und Fluvastatin der ame- rikanischen Arzneimittelbehörde FDA vorgelegt hatten. Dieselben Da- ten sind auch Grundlage der deut- schen Zulassungen.

In diesen Tests hatten laut einer von Newman und Hulley angefertig- ten Tabelle alle untersuchten Lipid- senker an Nagern ein karzinogenes Potential gezeigt, wenn die Dosis hoch genug lag. Zum Vergleich ver- weisen Newman und Hulley auf die entsprechenden Tierversuche mit blutdrucksenkenden Medikamenten, bei denen auch hohe Dosierungen wesentlich seltener Tumoren aus- gelöst hatten. Auch wenn die Über- tragbarkeit auf den Menschen ein

„unsicherer Prozeß“ sei, so ihre Fol- gerung aus dieser Häufung, wäre es

„unklug, diese Nagerversuche völlig zu ignorieren“.

In ihrer Erwiderung verweisen Dalen und Dalton auf eine fundamen- tale Schwäche der Karzinogenitäts- tests an Nagern: Jede zweite Substanz

stellt sich in hoher Dosierung als krebserzeugend heraus. Das seien so viele, daß die Übertragbarkeit auf therapeutisch eingesetzte Dosen zweifelhaft sei, wenn der Dosisunter- schied sehr hoch liege.

Dosisunterschiede Allerdings behaupten Newman und Hulley, daß der Dosisunterschied gar nicht so groß sei. Sie verweisen darauf, daß der rechnerische „Sicher- heitsabstand“ sehr stark davon ab- hänge, ob man die Dosen in Milli- gramm Medikament pro Kilogramm Körpergewicht vergleiche oder auf der Basis der Plasmakonzentrationen.

Ein Beispiel: Nimmt man die Milligramm-pro-Kilogramm-Körper- gewicht-Dosen als Maßstab, ist Lova- statin bei Mäusen erst bei einer Men-

ge karzinogen, die dem 312fachen der zur Therapie empfohlenen Dosierung bei Menschen entspricht. Gemessen an den Plasmakonzentrationen des Medikaments schmilzt dieser große Dosis-Unterschied auf das lediglich Drei- bis Vierfache zusammen. Ähnli- ches rechnen Newman und Hulley für Gemfibrozil vor: Ausgedrückt in mg/kg Körpergewicht liegen die im Nagerversuch karzinogenen Dosen 10fach über der empfohlenen Thera- piedosierung, bezogen auf die Blut- konzentration aber nur noch 1,3fach.

Tatsächlich scheint dadurch der Do- sisunterschied enorm zusammenzu- schrumpfen.

Professor Tilman Ott, Leiter der Abteilung Arzneimitteltoxikologie im Berliner Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte, be- tont allerdings, daß das Zahlenspiel auf ein- und denselben Tierversuchs- daten beruht. Mit anderen Worten:

Man muß an Mäuse auf das Körper- gewicht bezogen mehr als das 300fa- che der menschlichen Lovastatin-Do- sis verfüttern, um die Plasmabela- stung auf das Drei- bis Vierfache zu erhöhen.

Auch für das BfArM war die Ar- beit Newmans und Hulleys nach Aus- sage von Ott Anlaß, die Tierversuchs- daten der Lipidsenker noch einmal zu überprüfen. Der für die Einleitung des Stufenplanverfahrens zuständigen Abteilung habe man aber mitgeteilt, daß aus „toxikologischen Gründen derzeit keine Begründung vorliege, ei- ne neue und veränderte Nutzen-Risi- ko-Bewertung vorzunehmen“. „Wir sehen kein kanzerogenes Risiko“, so Ott in einem Telefoninterview.

Auch zu den Ergebnissen der WOS-Studie gehört, daß die Krebsra- te in der Interventionsgruppe nicht gestiegen ist. Während die Fibrate be- reits seit 30 Jahren auf dem Markt sind, hat das älteste Statin erst seit 1989 seine Zulassung. Damit sind ge- rade die Statine eine sehr junge Grup- pe von Medikamenten. Angesichts des Umstandes, daß primäre Präven- tion per Definition die Behandlung von (noch) Gesunden bedeutet, ist besondere Vorsicht also angemessen.

Das gilt für das gesamte Nebenwir- kungsspektrum der Lipidsenker. Die Diskussion um die teuren Statine be- ginnt gerade erst. Klaus Koch A-518

P O L I T I K

(26) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 9, 1. März 1996

MEDIZINREPORT

Mangel an Vitamin D zur Zeit

besonders häufig

Die Messungen von 25-OH- Vitamin-D im Serum zeigen, daß zur Zeit bei einem Großteil der Patienten eine ungenügende Vit- amin-D-Versorgung besteht. In einigen Krankenhausabteilungen weist mehr als die Hälfte der Pa- tienten erniedrigte Vitamin-D- Spiegel im Serum auf (unter 25 nmol/l). Über 70 Prozent der äl- teren Patienten liegen unter dem Optimum (50 bis 250 nmol/l).

Patienten einer Station einer Psychiatrischen Klinik lagen zu 70 Prozent unter 25 nmol/l.

Es ist daher zu empfehlen, allen Älteren, die wenig oder kein Sonnenlicht bekommen, 500 bis 1 000 Einheiten Vitamin D3 täglich zuzuführen (preis- werter ist alle 14 Tage eine Ta- blette mit 10 000 Einheiten). Ein Vitamin-D-Mangel führt nicht nur zu Nachteilen für das Kno- chensystem, sondern mindert auch die Kraft der Patienten und schwächt die Abwehrlage.

Prof. Dr. med. H. Schmidt-Gayk

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