A 1014 Deutsches Ärzteblatt
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6. Mai 2011 zufinden und dann die entspre-chend auffälligen Vertragsärzte zu kantern. Auf der anderen Seite sind das laute Geschrei und die Wagen- burgmentalität von KBV über Hart- mannbund bis zu einem Medi- Bund überwältigend und zeigen, dass da wohl ein Stachel gelockert wurde. Das Phänomen der Bevor- zugung von Privatpatienten ist al- lerdings längst in der Bevölkerung angekommen und gehört da offen- bar zur allgemeinen Lebenserfah- rung.
Die pauschalierte Entgeltung der Vertragsärzte hat den Privatpatien- ten zur letzten, noch selbst steuer- baren Einnahmeoption gemacht.
Letztlich ist die im Mittel über der Inflationsrate liegende jährliche Beitragsanpassung der privaten Krankenkassen ein Ausdruck nicht nur einer älter werdenden Privat- klientel, sondern auch einer Zunah- me an absoluter Leistungserbrin- gung an Privatpatienten . . . Der Privatpatient selbst ist sich sei- nes Status durchaus bewusst, und wer kennt nicht berüchtigte Sätze
wie „Mein Mann ist Privatpatient“
oder „Wir sind aber privat versi- chert“, mit denen eine bestimmte Anspruchshaltung vertreten wird, der man sich ungern verschließt.
Insofern ist es äußerst weltfremd davon auszugehen, dass Privatpa- tienten, aber auch sogenannte poli- tische oder sozialmedizinische VIP- Patienten, die keineswegs privat versichert sind, egalisiert behandelt werden. Dabei muss die Behand- lung dieser Patienten gar nicht mal besser sein, was sie ja auch ethisch und sachlich nicht sein darf. Sie wird aber oftmals deutlich umfang- reicher ausfallen, was letztlich auch die Kostensteigerung in der PKV miterklären dürfte.
Prof. Dr. med. Ulrich Hake, 55130 Mainz
Grotesk
Dass die Wartezeiten angesichts Personalmangels/Übertechnisierung in der Medizin, vermischt mit An- spruchshaltung/Zeitnot der Patien- ten, zwangsläufig zunehmen, müss- ten eigentlich auch „Gesundheitsex-
perten“ der SPD kapieren. Ärztliche Tätigkeit ist keine Fließbandarbeit oder Robotik, die sich zeitlich vor - ausberechnen lässt. Würden die von Herrn Lauterbach vorgeschla- genen Geldstrafen oder der bis zweijährige Entzug der RVO-Kas- senzulassung groteske Realität, gä- be es noch mehr auswandernde oder praxisferne Berufszweige wählende Jungärzte. Zwangsmaß- nahmen verschärfen nur den Ärzte- mangel und machen den humanitä- ren Beruf vollends unattraktiv. Im sozialistisch regierten Schweden vor 50 Jahren erlebte ich aufgrund weitgehend entprivatisierter Staats- medizin oft monatelange Wartezei- ten für „Normalpatienten“ (außer bei Notfällen und Geburtshilfe).
Entsprechend stieg der Grenzver- kehr mit Dänemark. Heutzutage muss ich auch bei uns als Privatver- sicherter trotz pünktlicher Termin- vereinbarung mit stundenlanger Wartezeit rechnen, weil ich die Si- tuation kenne . . .
Prof. em. Dr. med. Otto Paul Hornstein, 91080 Uttenreuth
KONFLIKTE
Ein adäquater Um- gang mit Interessen- konflikten sollte selbstverständlicher Teil des ärztlichen Berufsethos sein (DÄ 6/2011: „Interessen- konflikte in der Medizin: Mit Transparenz Vertrauen stärken“ von Klaus Lieb et al.).
Typisch deutsch
Die geplanten beziehungsweise vor- geschlagenen Verfahrensanweisun- gen mögen inhaltlich korrekt sein, dennoch geschieht hier wieder et- was typisch Deutsches. Die Gründ- lichkeit und Vollständigkeit mit der jedes Detail, das heißt jede Zuwen- dung, möglicher Konflikt, Verbin- dung etc., offengelegt werden soll, ist nach meiner Meinung unsinnig, und es erfolgt die typisch deutsche Überreglementierung, um es jedem recht zu machen . . .
Andere Länder, zum Beispiel USA (Beispiel siehe: Mahle et al. Circula-
tion 2009; 120[5]: 447–58) gehen damit pragmatischer um und nennen Zahlen. Dort gelten als bedeutsamer significant conflict of interest, wenn eine Person Zuwendungen in Höhe von 10 000 US-Dollar pro Jahr (zwölf Monate) erhält oder mehr als fünf Prozent des Jahreseinkommens, mehr als fünf Prozent an einem Un- ternehmen in Form von Anteilen oder Aktien beziehungsweise deren Gegenwert besitzt.
Praktisch bedeutet dies eine meines Erachtens sinnvolle Einteilung. Der genannte Wert ist sicherlich zu dis- kutieren, dennoch fanden die Insti- tutionen den Mut zur Festlegung.
Wie soll man verfahren, wenn man zum Beispiel als Gruppe auf einem Kongress von einer Firma X zum Essen eingeladen wird (Wert ca. 50 Euro), wenn eine Veranstaltung in der eigenen Klinik durch Industrie besucht und durch Standmiete indi- rekt finanziert wird (Wert ca. 1 000 Euro)? . . . Kurz, wo ist die Grenze?
Daher sollten dringend in Anleh- nung an das Beispiel der USA Maß
und Zahl auch in diese Bewertun- gen einfließen und ein Cut-off point benannt werden, bevor eine Gene- ralisierung erfolgt.
Priv.-Doz. Dr. Nikolaus A. Haas,
Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, 32545 Bad Oeynhausen
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E g k s T B 6 konflikte inder Medi
VIT AMIN D
Ob ein Mangel an Vitamin D die Ent- stehung chronischer Krankheiten be- günstigt, ist bislang nicht erwiesen (DÄ 9/2011: „Wenig har- te Fakten zur Prävention chronischer Krankheiten“ von Dorothee Hahne).
Mangel ist nicht selten
Der Artikel läuft Gefahr, grundle- gend missverständliche Aussagen zu verbreiten.
Erstens sind in Deutschland Man- gelzustände von unter 10 ng/ml kei- ne Seltenheit. Zweitens wird nicht
O V s K g n 9 te Fakten zur Präven
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6. Mai 2011 A 1015 darauf hingewiesen, dass die Richt-linien des Institute of Medicine (IOM) auf grundlegenden Fehlinter- pretationen wichtiger Studien beru- hen. Drittens wird durch den Titel des Artikels fälschlicherweise der Eindruck erweckt, dass Evidenzen bezüglich des Zusammenhangs zwischen Vitamin-D-Mangel und chronischen Krankheiten komplett fehlen.
Zu 1: Priemel et al. haben 2010 bei 675 Patienten nachgewiesen, dass mehr als 60 Prozent der norddeut- schen Bevölkerung ein 25-(OH) - D-Serum-Level von unter 10 ng/ml haben. Zusätzlich hat die Auswer- tung der histomorphometrischen Analysen von 2 000 Beckenkamm- biopsien bei 20 Prozent eine Mine- ralisationsstörung gezeigt.
Zu 2: Dass eine 25-(OH)D-Serum- Konzentration von 20 ng/ml für Knochengesundheit ausreicht, ist eine der gravierenden Fehlinterpre- tationen des IOM. Bei der Berech- nung der 97,5 Prozent sind grund - legende mathematische Fehler begangen worden. So wurde fälsch- licherweise die Anzahl der Indivi- duen mit Mineralisationsdefekten oberhalb von 50 ng/ml durch die Anzahl der gesamten Stichprobe di- vidiert, statt durch die Anzahl der Individuen oberhalb von 50 ng/ml.
Bei korrekter Berechnung haben weit mehr als 20 Prozent der Indivi- duen bei diesem Grenzwert Minera- lisationsdefekte. In den vergange- nen Monaten haben weltweit füh- rende Vitamin-D-Forscher, darunter Bischoff-Ferrari, Cannell, Grant, Heaney, Holick, Hypponen, Vieth und viele weitere Experten, Gegen- darstellungen und Kommentare zu den IOM-Richtlinien veröffentlicht.
Weitere kritische Kommentare wer- den in der April-Ausgabe von „Pub - lic Health Nutrition“ publiziert.
Zu 3: Die Aussage, dass nicht er- wiesen ist, dass „ein Mangel an Vi- tamin D die Entstehung von Diabe- tes, Krebs, kardiovaskulären und Immunerkrankungen begünstigt“, ist nicht ganz richtig. So hat unter
anderem eine randomisierte, dop- pelblinde, placebokontrollierte Vier-Jahresstudie mit 1 179 post - menopausalen Frauen in Nebraska gezeigt, dass Vitamin D das Ge- samtkrebsrisiko senken kann.
Literatur bei den Verfassern
Prof. Dr. med. Michael Amling, Institut für Osteologie und Biomechanik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 20246 Hamburg Prof. Dr. med. Franz Jakob, Orthopädisches Zen- trum für Muskuloskelettale Forschung, Universität Würzburg, Orthopädische Klinik, 97074 Würzburg Prof. Dr. med. Lorenz Hofbauer, Leiter Bereich En- dokrinologie, Medizinische Klinik III, Universitätskli- nikum Carl Gustav Carus Dresden, 01307 Dresden
HONOR A R
Ambulante Opera- teure kritisieren die Deckelung ihrer Ver- gütung (DÄ 7/2011:
„Ambulant tätige Operateure: Kritik an Ausgabenbegren- zung“).
Ambulantes Operieren nicht kostengünstiger
Mit Interesse lese ich die Meldung zur Kritik an der Ausgabenbegren- zung, die aus unserer Sicht nicht ganz unkommentiert bleiben darf. ►
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A t D g
„ O A z Die Redaktion veröffentlicht keine ihr anonym zugehen-
den Zuschriften, auch keine Briefe mit fingierten Adres- sen. Alle Leserbriefe werden vielmehr mit vollem Namen und Ortsangabe gebracht. Nur in besonderen Fällen kön- nen Briefe ohne Namensnennung publiziert werden – aber nur dann, wenn der Redaktion bekannt ist, wer ge-
schrieben hat. DÄ