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Archiv "Phytopharmakologie - Wissenschaftliche Erkenntnisse und therapeutische Erfahrungen: Bericht über eine Vortragsreihe anläßlich der 35. Therapiewoche in Karlsruhe" (28.10.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin KONGRESS-BERICHT

Phytopharmakologie-

Wissenschaftliche Erkenntnisse und therapeutische Erfahrungen

Bericht über eine Vortragsreihe anläßlich der 35. Therapiewoche in Karlsruhe

Mit dem Begriff Phytopharmaka verbindet sich fälschlicherweise entweder die Vorstellung einer von vornherein naturnäheren Wir- kung oder die einer geringeren Wirkung überhaupt. Seide Vor- stellungen sind aber Abstraktio- nen und werden der Bedeutung der Phytopharmaka in keiner Wei- se gerecht. Phytopharmaka haben wie alle anderen Pharmaka ein breites Wirkungsspektrum, sie ha- ben Interaktionen und Nebenwir- kungen, und es bestehen für sie Indikationen ebenso wie klare Kontraindikationen. Das große In- teresse am Thema Phytopharma- ka auf der Therapiewoche 1982 gab Anlaß, die entsprechende Vortragsreihe auch 1983 fortzu- setzen.

Als eine der schwierigsten Aufga- ben des Arztes bezeichnete H.

Haas, Mannheim, die Einschät- zung der pflanzlichen Mittel hin- sichtlich ihres therapeutischen Wertes in der Praxis. Als Hilfe für den niedergelassenen Arzt sollten die Themen der Sektion Phytothe- rapie daher eine Bilanz der prak- tischen Verwendungsmöglich- keiten ziehen und eine rationelle Begründung für die medikamen- töse Behandlung bestimmter Er- krankungen mit Phytopharmaka geben.

Wirksamkeits- und

Unbedenklichkeitsprüfung

Der Deutsche Bundestag hat 1976 im zweiten Arzneimittelgesetz die Phytotherapie als selbständige und eigenständige Therapierich- tung anerkannt und zum Nach- weis der Wirksamkeit und Unbe-

denklichkeit der Phytopharmaka neben der kontrollierten klini- schen Studie auch die ärztliche Erfahrung als wissenschaftliches Erkenntnismaterial zugelassen, wenn dieses Material nach wis- senschaftlichen Kriterien aufbe- reitet ist. Hier liegt ein zentrales erkenntnistheoretisches Problem für die Beurteilung der Wirksam- keit und Unbedenklichkeit von Pharmaka, insbesondere von Phy- topharmaka (G. Vogel, Köln).

Wenn "wissenschaftlich aufberei- tetes Erkenntnismaterial" auf ra- tional-naturwissenschaftlich er- faß- und meßbare Phänomene der somatischen Sphäre des Men- schen beschränkt wird, kann ärzt- liche Erfahrung kaum als Kriteri- um zur Beurteilung der Wirksam- keit von Phytopharmaka herange- zogen werden. Individuelle Erfah- rung ist prinzipiell nicht dokumen- tierbar und quantifizierbar. Sie beinhaltet jedoch die Fähigkeit, ganzheitlich komplexe Phänome- ne differentialdiagnostisch zu er- fassen und bestimmten Therapie- formen zuzuordnen.

Zur Dokumentation der Wirksam- keit und Unbedenklichkeit von Drogen pflanzlicher Herkunft hat der Gesetzgeber die dem Bun- desgesundheitsamt zugeordnete

"Aufbereitungs- und Zulassungs-

Kommission E" ins Leben geru- fen. Da diese ihre Aufgabe bis zu dem vom Gesetzgeber festgeleg- ten Termin (31. 12. 1989) unmög- lich erfüllen kann, haben auf An- regung der Gesellschaft für Phy- totherapie e. V. unabhängige Wis- senschaftler gemeinsam mit der pharmazeutischen Industrie eine

"Kooperation Phytopharmaka"

ins Leben gerufen, die das Er- kenntnismaterial für die "Kom- mission E" aufbereitet.

~ Zur Unterstützung der Arbeit

von "Kommission E" und "Koope-

ration Phytopharmaka" werden daher an der Phytotherapie inter- essierte Ärzte aufgerufen, ärzt- liches Erfahrungsmaterial zur Ver- fügung zu stellen, damit nicht im Zuge der Bestrebungen, die Zahl der verfügbaren Arzneimittel zu reduzieren, ausgerechnet die Phytopharmaka einer solchen Entwicklung zum Opfer fallen.

Bronchospasmolytisch wirkende Phytopharmaka

Bronchospasmolytisch wirksame Phytopharmaka ermöglic;;hen in der Regel nur eine symptomati- sche Therapie (W. Forth, Mün- chen). Die therapeutisch genutz- ten ätherischen Öle aus Eukalyp- tus und Latschen werden, bei ora- ler Einnahme aus dem Magen- Darm-Trakt inhaliert, über die Lungen und sogar über die Haut rasch in den Organismus aufge- nommen und aufgrund ihrer Flüchtigkeit zum Teil wieder über die Lungen abgeatmet. Der Me- chanismus der sekretfördernden Wirkung ätherischer Öle läßt sich möglicherweise als Folge einer Vagusstimulation deuten, die durch eine lokale Reizung im Ma- gen, bzw. in der Region der Ge- ruchs- und Geschmacksempfin- dungen ausgelöst wird. Eine ähn- liche Wirkung wird den Saponi- nen zugeschrieben, die in den ge- bräuchlichen phytotherapeuti- schen Expektorantien weit ver- breitet sind (z. 8. in lpecuanhae- Wurzeln und Süßholz). Die Zu- sammensetzung der ätherischen Öle in den zahlreichen phytothe- rapeutischen Expektorantien ist komplex. Etwa 90 Prozent entfal- len auf Terpenverbindungen. Die restlichen 10 Prozent verteilen sich auf die lokalanästhesierend wirkenden Phenylpropanderivate, einfachen Phenole, Phenoläther, Phenolcarbonsäuren, Kohlenwas- serstoffe sowie schwefel- (Senf- 72 Heft 43 vom 28. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Phytopharmakologie

öle) und stickstoffhaltige Verbin- dungen (Anthranilsäureester und Indolderivate). Die ätherischen Öle wirken desodorierend und an- tiseptisch. Thymianöl besitzt bei- spielsweise eine 25mal stärkere bakterizide Wirksamkeit als Phe- nol. Für Hederaextrakte (Hedera helix L. = Efeu) ist inzwischen auch eine spasmolytische Wir- kung wahrscheinlich, die hinsicht- lich ihrer Stärke mit der von Papa- verin vergleichbar ist.

Pflanzliche Venenmittel

Die Wirkstoffe der etwa 80 pflanz- lichen, in der Roten Liste aufge- führten Venenmittel aus mehr als 20 Heilpflanzen gehören haupt- sächlich den Gruppen der Saponi- ne und der Flavonoide an (H. Fi- scher, Tübingen). Als wichtigste Flavonoide sind die in glykosidi- scher Bindung vorliegenden Sub- stanzen Rutin, Quercetin und Hes- peridin zu nennen, die Haupt- gruppe der Saponine bilden die Roßkastanienextrakte. Ein we- sentliches Problem der pflanz- lichen Venentherapeutika ist ihre Schwerlöslichkeit, so daß immer wieder versucht wird, durch Mi- kronisierung oder durch chemi- sche Modifizierung wie beim 0- ((3-Hydroxyäthyl-)rutosid eine bes- sere Wasserlöslichkeit zu erzielen oder injizierbare Präparate herzu- stellen. Nachgewiesen ist für die Venenmittel eine durch Mem- branstabilisierung erklärbare pro- tektive Ödemwirkung unabhängig von der Ursache des Ödems. Aus- schlaggebend für die Wirkung der Venenmittel ist ihre ausreichende Dosierung, die in verschiedenen Präparaten allerdings nicht er- reicht wird. Auch eine Anhäufung verschiedener Präparate in unter- schwelliger Dosierung verbessert deren Wirksamkeit nicht. Die volle therapeutische Wirkung der Ve- nenmittel wird in der Regel erst nach 3 bis 4 Tagen erreicht.

Ödemprotektive Substanzen er- setzen komprimierende Maßnah- men nicht, ergänzen sie aber in vorzüglicher Weise. Nach Felix

sollten möglichst Venenmittel ver- wendet werden, die nicht mehr als 2 oder maximal 3 exakt definierte und ausreichend dosierte Wirk- stoffe enthalten. Eine in Tübingen durchgeführte Studie hat gezeigt, daß Venenleiden in der Bevölke- rung weit verbreitet sind und daß sie eine große volkswirtschaft- liche Bedeutung besitzen.

Pflanzliche Stoffe in der Behandlung von Hautkrankheiten

Zur Behandlung von Hautkrank- heiten spielen Stoffe pflanzlicher Herkunft auch heute noch eine wesentliche Rolle (V. Voigtlän- der). Fast ein Drittel der in Ge- brauch befindlichen Wirkstoffe sind pflanzlichen Ursprungs. Zu erwähnen sind die aus Birken-, Buchen-, Wacholder- und Nadel- hölzern gewonnenen Teere, die eine antibakterielle, entzündungs- hemmende und juckreizstillende Wirkung entfalten.

Salicylsäure wird als Mittel zur Lö- sung von Hyperkeratosen, zur Be- handlung der Psoriasis und als entzündungshemmendes Mittel eingesetzt. In den letzten Jahren hat das 8-Methoxypsoralen aus dem Doldenblütler Ammi majus zur Photochemotherapie der Pso- riasis große Bedeutung erlangt.

8-MOP sensibilisiert die Haut ge- genüber UV-Licht. Aufgrund sei- ner Fähigkeit zur Bindung freier Sauerstoffradikale besitzt (3-Caro- tin Bedeutung für die Behandlung bestimmter Lichtdermatosen. Be- sonders nützlich hat es sich zur Behandlung der erythropoeti- schen Protoporphyrie erwiesen.

Zur Unterstützung der Lokalbe- handlung von Dermatitiden und Wunden finden Extrakte aus Ka- millenblüten, Ringelblumen, Arni- kablüten und Hamamelis Verwen- dung. Perubalsam schließlich ist wegen seiner antiseptischen und granulationsfördernden Wirkung zur Behandlung von Wunden und Beingeschwüren geeignet.

Pflanzliche Sedativa

Jeder fünfte Bundesbürger nimmt mehr oder weniger regelmäßig Beruhigungs- oder Schlafmittel ein (K. Schimmel, Prien/Chiem- see). Die Anamnesen einer Reha- bilitationsklinik mit einer Bele- gung von etwa 200 Betten ergab innerhalb eines Jahres bei 26 Pro- zent der Patienten eine ständige Einnahme von Sedativa, Schlaf- mitteln oder Psychopharmaka.

Bei 18 Prozent der Patienten wur- den funktionelle Schlaf- und Be- findungsstörungen diagnostiziert und der Versuch unternommen, exogene Ursachen wie ungünsti- ge Schlafrhythmen oder Schlafge- wohnheiten, störende Sinnesein- drücke, Unbequemlichkeit beim Liegen, mangelnde körperliche Belastung am Tage und andere Faktoren auszuschalten und so optimale Schlafmöglichkeiten zu schaffen. Gleichzeitig wurden Be- ruhigungs- und Schlafmittel aus- schleichend abgesetzt und durch pflanzliche Präparate wie valepo- triathaltige und valepotriatfreie Baldrianpräparate sowie Mi- schungen aus Baldrian, Hopfen, Passionsblume, Hypericin und Ka- va-Kava ersetzt.

Diese pflanzlichen Sedativa wur- den auch ohne Schlafstörungen bei Angst- und Spannungszustän- den, Unruhe, Nervosität und Über- forderungssyndrom verabreicht.

In der Mehrzahl der Fälle konnte mit den pflanzlichen Mitteln eine sehr gute sedierende und schlaf- fördernde Wirkung erzielt wer- den, die die dauernde Behand- lung mit Tranquilizern, Neurolep- tika, Chloralhydrat oder Hemineu- rin unterbrechen konnte und zum Teil überflüssig machte.

Weitere Auskünfte beim Verfasser Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. phil. Hans D. Reuter Medizinische Einrichtungen der Universität Köln

Lehrstuhl für Innere Medizin I Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

74 Heft 43 vom 28. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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