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Archiv "Dr. jur. Jürgen Bösche: Kassenärztliche Bedarfsplanung" (20.05.1983)

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Die Information:

Bericht und Meinung KBV-Vertreterversammlung

Dr. jur. Jürgen Bösche

Kassenärztliche Bedarfsplanung

Die schon häufig erhobene Forde- rung, das seit dem Krankenversi- cheru ngs-Weiterentwicklu ngsge- setz von 1976 (KVWG) vorhandene Instrumentarium zur Bedarfspla- nung in der Kassenärztlichen Ver- sorgung so umzufunktionieren, daß es in Zukunft zur Steuerung gegen eine drohende Überversor- gung benutzt werden kann, unter- zog Dr. Jürgen Bösche, Justitiar der KBV, einer genauen Prüfung nicht nur unter rechtlichen Aspek- ten, sondern auch unter solchen der Praktikabilität und der Lo- gik.

Bösche zeichnete das Entstehen des Begriffs „Bedarfsplanung"

und des Instruments noch einmal nach, wobei für den Sachkundi- gen von Anfang an feststand, daß die ärztliche Unterversorgung, die behoben werden sollte, schon kaum noch ein Problem war; es ging allenfalls um die sachgerech- te Verteilung vorhandener ärztli- cher Leistungskraft. Bösche: „Wie oft im öffentlichen Leben wurde sachlich nicht Gebotenes politisch durchgesetzt, sachlich Notwendi- ges hingegen politisch unterlas- sen." (An anderer Stelle legte Dr.

Bösche den Finger deutlich in die Wunde der politischen Verantwor- tung: „Wenn bei steigender Arzt- zahl Komplikationen auftreten, liegt das weder am System der so- zialen Krankenversicherung noch am System der freien Niederlas- sung, sondern ausschließlich an der Unsinnigkeit eines völlig über- forderten und seit Jahren fehlge- steuerten Bildungssystems.") Von dem damaligen Denkansatz müßte man nunmehr völlig abge- hen, wenn man das eigentliche ge- setzliche Ziel erreichen will: eine bedarfsgerechte flächendeckend gleichmäßige Versorgung. Das einzige Kriterium darf dabei der Versorgungsbedarf der Menschen sein, die ärztliche Hilfe suchen,

nicht etwa das Motiv der ärztli- chen Konkurrenzabgrenzung.

Nun stünde aber jeder solchen Maßnahme die Freiberuflichkeit des Kassenarztes entgegen. Der Freiberufler muß prinzipiell das Recht haben, bei der Entfaltung seiner Tätigkeit Standort und Inve- stition so frei zu bestimmen, wie es ihm behagt, und dabei das Risi- ko zu tragen, möglicherweise auch wirtschaftlich unterzugehen.

Für die ärztliche Versorgung sind aber nach Bösche diesem Recht doch unübersehbare Grenzen zu setzen, denn ruinöser Konkurrenz- kampf darf nicht auf Kosten der Gesundheit des einzelnen oder des Volkes stattfinden. Diese Grenzziehung ist das Kernpro- blem bei dem Versuch, negative Auswirkungen einer Überschwem- mung des Systems der ambulan- ten kassenärztlichen Versorgung durch zu viele Niederlassungswil- lige mit Mitteln einer Bedarfspla- nung zu verhindern.

Bösche erläuterte, warum Anre- gungen aus der Deutschen Ange- stellten-Gewerkschaft und aus dem Verband der Angestellten-Er- satzkassen, das öffentlich-rechtli- che Zulassungswesen in ein ver- tragliches mit Höchst- oder den alten Verhältniszahlen umzuwan- deln, an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berufswahlfreiheit scheitern müs- sen: „Solange der Kassenarzt die funktionale Ausgestaltung des freiberuflich tätigen Arztes ist und solange die Existenz in diesem freien Beruf wirtschaftlich nur ge- sichert werden kann, wenn der Arzt auch den Zugang zu den in der gesetzlichen Krankenversiche- rung versicherten Patienten hat, solange kommt jede objektive Be- schränkung der Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit der Verweigerung des Grundrechts

Jürgen Bösche

aus Artikel 12 des Grundgesetzes gleich und ist verfassungswidrig."

Im Rahmen der Regelung der Be- rufsausübung kann der Gesetzge- ber allerdings stärkere Eingriffe in die Freiheit des einzelnen durch- setzen, er muß aber den Kern des Grundrechts auf Zugang zum Be- ruf selbst unangetastet lassen.

Aus all diesen Überlegungen er- gibt sich, daß zur Beeinflussung des ärztlichen Niederlassungswil- lens Maßnahmen ohne Zwang den Vorrang haben müssen. Dr. Bö- sche nannte hier an erster Stelle die beratende Tätigkeit der Kas- senärztlichen Vereinigungen und die diesen sonst zur Verfügung stehenden Maßnahmen. An ge- setzlich lenkende Zwangsmaßnah- men wie die Sperrung von Zulas- sungsbezirken müßten hohe An- forderungen gestellt werden, man würde andererseits aber auch nicht ganz auf sie verzichten kön- nen, weil die Drohung mit einer solchen Zwangsmaßnahme den Erfolg freiwilliger Maßnahmen för- dert.

Für Zwangsmaßnahmen müßte man Maßstäbe dafür aufstellen, wann man in einem Gebiet eine überproportionale Versorgung feststellen will. Dazu müssen nicht Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 20 vom 20. Mai 1983 31

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung KBV-Vertreterversammlung

Dr. Ernst-Eberhard Weinhold:

Maßnahmen der

Kassenärztlichen Vereinigungen

nur die Zahl der niedergelassenen Ärzte isoliert betrachtet werden, sondern auch Merkmale ihrer Tä- tigkeit, wie zum Beispiel eine un- terdurchschnittliche Fallzahl. Man könnte auch an eine zusammen- fassende Betrachtung mehrerer Planungsbereiche denken. Ferner könnte oder müßte man die etwai- gen medizinischen Gründe für ei- nen höheren Versorgungsgrad mit Kassenärzten untersuchen kön- nen. Sollte in einem bestimmten Bereich die Sperrung weiterer Zu- lassungen für notwendig gehalten werden, so müßte man die Situa- tion regelmäßig überprüfen, etwa alle sechs Monate, und man müßte auch Ausnahmeregelungen für Härtefälle schaffen, insbesondere für den Fall, daß ein Kassenarzt eine bestehende Praxis in einem zeitweise gesperrten Bezirk einem Nachfolger übergeben will.

Ein solches Planungssystem könnte für jeden Arzt, der die per- sönlichen Eignungsvoraussetzun- gen erfüllt, die uneingeschränkte Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit weiterhin erhalten und lediglich die Wahl des Ortes der Niederlassung beschränken. Aller- dings warnte Bösche auch vor zu großen Hoffnungen auf eine sofor- tige Wirkung eines solchen Instru- mentariums: „Ärzteschwemme kann nicht dort zurückgedrängt werden, wo der Arzt als Endpro- dukt seiner Aus- und Weiterbil- dung in das Berufsleben drängt."

Immerhin hätte ein solches System sicher auch indirekte Wirkungen:

Junge Ärzte würden frühzeitiger er- kennen, in welchen Fachgebieten sie die größten Aussichten haben, und dies könnte sich auf die Rela- tion zwischen Allgemeinärzten und Ärzten anderer Gebiete günstig auswirken. Auch wäre mit Rückwir- kungen auf die Studienplatzwün- sche der Abiturienten zu rechnen.

Jedenfalls sei es zumutbar, die Vor- stellungen junger Ärzte in gewis- sem Umfang hinter der Forderung zurücktreten zu lassen, daß ärztli- che Leistungskapazität dort einge- setzt wird, wo sie der Bevölkerung am besten dient. gb

Die beispielhafte Synthese zwi- schen persönlicher Patientenver- sorgung und hoher sozialer Si- cherheit, die 95 Prozent der Bevöl- kerung in der ambulanten Versor- gung durch Kassenärzte genie- ßen, ist auch ein Resultat der ärzt- lichen Mitwirkung am Aufbau un- serer Gesundheits- und Sozialpoli- tik. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, daß die Freiräume der Selbstverwaltung gegen Maßnah- men des Gesetzgebers, die nur sehr schwer reversibel sind, abge- sichert werden müssen. Ein hohes Potential arbeitsloser Ärzte könnte leicht zum Entstehen konkurrie- render Versorgungssysteme füh- ren, die dann mit Hilfe staatlicher Subventionierung die freiprakti- zierenden Ärzte unter wirtschaftli- chen Druck setzen und ver- drängen.

Aus all diesen Gründen müssen, wie Dr. Ernst-Eberhard Weinhold, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, aus- führte, Probleme der kassenärztli- chen Versorgung möglichst in ei- gener Regie bewältigt werden.

Oberster Grundsatz muß dabei stets die Forderung nach Qualität sein; diese Forderung darf sich nicht nur auf das technische und medizinische Instrumentarium, sondern muß sich ebenso auf die Qualifikation des Arztes in freier Praxis beziehen, die mindestens genau so hoch zu sein hat wie die eines im stationären Bereich selb- ständig und eigenverantwortlich tätigen Arztes.

Diese Überlegungen stellte Dr.

Weinhold an den Anfang seines Referates über die Frage, was die kassenärztliche Selbstverwaltung selbst tun kann, um mit dem Pro- blem einer Überzahl von Ärzten in der kassenärztlichen Versorgung fertig zu werden. Ansatzpunkte

hierfür sah Dr. Weinhold vor allem in der kassenärztlichen Struktur- politik und in den Bemühungen um die Weiterentwicklung der kas- senärztlichen Versorgung.

Unter den strukturpolitischen In- itiativen nannte Dr. Weinhold als erstes die Niederlassungsbera- tung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen. Wenn sie Honorar- entwicklungen, Fallzahlen, Le- bensalter, die medizinischen Ent- wicklungen in den verschiedenen Gebieten und Rentabilitätsüberle- gungen berücksichtigt, so kann sie dazu beitragen, einen zuneh- menden Andrang niederlassungs- williger Ärzte in eine Strukturver- besserung des Versorgungssy- stems umzusetzen.

Förderung

der Allgemeinmedizin

Als weiteren Schwerpunkt der Strukturpolitik der KVen nannte Weinhold die Förderung der Allge- meinmedizin in Ausbildung, Wei- terbildung und bei der Niederlas- sung. Hier muß man versuchen, der Entwicklung der letzten Zeit entgegenzusteuern, die dazu ge- führt hat, daß sich die Zahl der Kassenärzte, die ein Spezialgebiet der Medizin vertreten, gegenüber denen auf dem allgemeinmedizini- schen Tätigkeitsfeld überpropor- tional erhöht hat. Diese Tendenz bedroht die haus- und familien- ärztliche Versorgung, führt zu De- fiziten in der Patientenführung und auch zu wirtschaftlichen Kon- sequenzen.

Breiten Raum räumte Dr. Wein- hold der Kooperation von Kassen- ärzten in ihren verschiedenen For- men und den Vorteilen und Risi- ken ein. Von der ökonomischen Seite her seien nämlich Zusam- 32 Heft 20 vom 20. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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