DÄrikatur
Zu der Karikatur „Ulla Schmidt: Ende der Zweiklassenmedizin“ von Ralf Brunner in Heft 48/2005:
Unangebracht
Den Cartoon finde ich für eine ärztliche Zeitschrift nicht an- gebracht. Vielleicht würde ich diesen Cartoon in irgendwel- chen Zeitschriften, z. B. Bild- Zeitung oder ähnlichen, erwar- ten, die die Belange der Ärzte
nicht verstehen und undiffe- renziert unsere Probleme be- handeln. Angesichts der Tatsa- che, dass sich viele Praxen nur durch Privathonorare über Wasser halten, ist dieser Witz ein Hohn für die Ärzteschaft.
Ich bin enttäuscht, dass sich das DÄ von unseren orien- tierungslosen Politikern an- spannen lässt, anstatt unsere Interessen auch politisch zu vertreten.
Christoph Rys,Kleiststraße 1, 49716 Meppen
A
A244 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006
B R I E F E
die Übernahme des Morbi- ditätsrisikos durch die Kran- kenkassen im Jahr 2007 gelei- stet, gesetzliche Intervention solle den Zeitplan sichern.
Fakt ist: Die Selbstverwal- tung hat mit der Auswahlent- scheidung eines Patienten- klassifikationsverfahrens am 16. Dezember 2005 eine wich- tige Voraussetzung zur Be- rücksichtigung des Morbi- ditätsrisikos in der Gesamt- vergütung geschaffen. Wun- dert es, dass dies konflikt- trächtig ist? Die Übernahme des Morbiditätsrisikos bedeu- tet Subventionsabbau für vie- le Krankenkassen. Da haben schon andere kapituliert. Zu- letzt das Gesundheitsministe- rium selbst, welches im un- gleich großzügigeren Zeit- plan zur Realisierung des Morbi-RSA weit zurückliegt.
In diesem Fall dürfte die Ur- sache der Verzögerungen eher in der Professionalität der Selbstverwaltung liegen denn im Mangel daran. Ein anderer Verdacht drängt sich auf: Dient ein neues Reform- gesetz jetzt, da die Umsetzung der Vergütungsreform auf die Zielgerade geht, nicht wieder nur dem Subventionserhalt für Not leidende Kassen?
Dr. Dominik Graf von Stillfried, Dezernat Grundsatzfragen, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin
Niveaulose Antworten
Das DÄ sollte Interviews mit derartig seichten und niveau- losen Antworten nicht druk- ken oder besser gar nicht erst führen. Es wird doch in jeder Zeile überdeutlich, dass Herr Schröder die Materie nicht begriffen hat. Er ist aber im- merhin so ehrlich, sein Nicht- verstehen zuzugeben. Hierfür ein Beispiel: Herr Schröder kann nicht verstehen, dass in Hamburg wesentlich höhere Kosten für Arzneimittel ent- stehen als im Schwarzwald.
Ein Staatssekretär aus dem Bundesgesundheitsministeri- um begreift nicht, dass die Morbidität in einer Millionen- stadt mit hoher Arbeitslosig- keit, hohem Ausländeranteil
und zwei großen Slum-Gebie- ten höher ist als im „Ländle“.
Recht hat Herr Schröder, wenn er meint, dass z. B. in Arztpraxen Aufgaben diffe- renziert verteilt sein müssen.
So sollte es doch immer sein, auch im Bundesgesundheits- ministerium.
Dr. med. Hans-Peter Lehmann, Am Rosenplatz 4, 21465 Reinbek
Avanti dilettanti!
. . . Herr Schröder versichert, dass es „common sense“ sei, dass die Hauptaufgabe des Arztes „in der Behandlung seiner Patienten“ läge – be- vor das nächste DMP „Blut- druckmessen“ aufgelegt wird, sollte er hierüber noch einmal in „contemplation“ versin- ken. Eine Epiphanie rheini- schen Frohsinns – Einführung zum 1. April 2006 – und un- bekümmerter Borniertheit ist auch das neueste bürokrati- sche Monstrum, das „Arznei- Verordnungs-Wirtschaftlich- keitsgesetz (AVWG)“, wel- ches durch Regress erneut und wieder einmal Milliarden einsparen soll – avanti dilet- tanti! Die Vorstöße aus dem BMG spiegeln staatlichen Di- rigismus, sozialdemokratische Wunschfantasien und die be- kannte dilettantische Vorbe- reitung von Gesetzesinitiati- ven wider: Im AVWG wird die Malusregelung bei stei- genden Arzneimittelausga- ben gesetzlich klar beschrie- ben, der Bonus muss jedoch noch vereinbart werden – die Politik drückt sich vor dem Eingeständnis des (nicht mehr) Bezahlbaren und zwingt der kritisierten ärztli- chen Selbstverwaltung die undankbare Umsetzung auf.
Am 13. November 2004 for- derte die AOK Niedersach- sen Frau Schmidt zum Rück- tritt auf, da sie „keine Ah- nung hat, wie das Gesund- heitssystem überhaupt funk- tioniert“ – kann sich unser Gesundheitssystem noch ein- mal vier Jahre solche Staats- bedienstete leisten?
Dr. med. Steffen Grüner, Johann-Sebastian-Bachstraße 10, 49076 Osnabrück
Die Andere Medizin
Zu dem Kommentar „Stiftung Waren- test – ,Die Andere Medizin‘: Evidenz- oder Eminenz-basiert?“ von Dr. med.
Gunver S. Kienle und Dr. med. Helmut Kiene in Heft 48/2005:
Begriffsverwirrung
. . . Die Verfasser Kienle und Kiene gebrauchen häufig den Begriff der Wissenschaft. Erst beim zweiten Lesen wird klar, dass sie damit keineswegs die Naturwissenschaft meinen. Ist die Begriffsverwirrung beab- sichtigt? Beispiele für die ver- tretene Kritik fehlen ganz. Ei- nes sei hier genannt: Wollten die Verfasser ernsthaft unter Berufung auf wissenschaftli- che Kriterien eine alternative
„Heil“-Methode wie die Bach- blüten-Therapie verteidigen?
Stiftung Warentest hat sich um Sachlichkeit und Zurückhal- tung in der Bewertung be- müht. Das ist bei dem heiklen Thema anerkennenswert. Wer
selbst die Kriterien der Wis- senschaftlichkeit für sich in Anspruch nimmt, disqualifi- ziert sich mit derartiger Pole- mik selbst und tut den alterna- tiven Heilmethoden, die auch heute ihren Stellenwert haben, keinen Gefallen.
Dr. Andreas Dreher,Goethestraße 18, 77833 Ottersweier
Ein Ratgeber für medizinische Laien
Als „Schlussgutachter“ dieses Buches sei es mir erlaubt, zu den Ausführungen von Kienle und Kiene kurz Stellung zu nehmen. Ein Vorwurf ist es, dass das methodische Vorge- hen nicht transparent sei.
Zunächst muss hier noch ein- mal ausdrücklich betont wer- den, dass es sich bei dem Buch
„Die Andere Medizin“ um ei- nen Ratgeber für medizinische Laien handelt und nicht – wie unterstellt – um eine fachwis- senschaftliche Studie. Ich ken-
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006 AA245
B R I E F E
ne allerdings kein anderes Lai- enbuch, das derart viel Trans- parenz aufweist. In einem ei- genen Kapitel wird auf vier Seiten (52–55) genau erklärt, wie wir gearbeitet haben.
Natürlich lässt sich dies in ei- nem solchen Werk nicht in der gleichen detaillierten Weise darstellen wie in einer wissen- schaftlichen Abhandlung. Wir mussten also Kompromisse in der Darstellung machen. Den- noch wird zum Beispiel er- wähnt, dass wir spezifische Li- teraturrecherchen für jedes Thema in Medline, Embase und CISCOM durchgeführt haben. Ferner wird erläutert, dass wir uns, wo möglich, auf systematische (Cochrane-)Re- views oder Metaanalysen be- zogen haben, und die Auswer- tungskriterien solcher Re- views sind bekannt und trans- parent. Auch stimmt es nicht, dass wir dem Leser die Quel- len vorenthalten. Laien wollen sicher kein seitenlanges Lite- raturverzeichnis. Daher haben wir uns entschlossen, interes- sierten Lesern die Literaturli- sten auf Anfrage zur Verfü- gung zu stellen (Anfragen an das Lektorat Sonderpublika- tionen der Stiftung Warentest, Fax-Nr.: 0 18 05/9 92 27 70 23) . . . Der pauschale Vorwurf von
„zahlreichen Fehlern“ ohne jegliche Konkretisierung ist je- doch eine Anschuldigung, ge- gen die sich niemand wehren kann – sie ist nicht gerade das, was man in England als „fair play“ bezeichnen würde.
Schließlich meinen Kienle und Kiene, dass die „Komplexität“
des Themas für mich und
„zwei Journalisten“ eine Überforderung unserer Kom- petenz darstellt. Hätten sie besser recherchiert, so wüssten sie, dass sich die Stiftung Wa- rentest nicht erst seit gestern mit der Bewertung komple- mentärmedizinischer Therapi- en befasst und dass beide Au- torinnen, die übrigens bereits die ersten Ausgaben des Handbuchs „Die Andere Me- dizin“ (1990–1996) verfasst haben, medizinisch versierte Fachjournalistinnen sind. Ich befürchte, dass die Kritik der Anthroposophen Kienle und Kiene im Wesentlichen darauf
beruht, dass wir das anthropo- sophische Gesamtkonzept als
„nicht nachgewiesen“ einstu- fen – und hier könnte nur emi- nenz-, nicht aber evidenzba- sierte Beurteilung zu einem günstigeren Urteil gelangen.
Prof. Edzard Ernst, Complementary Medicine, Peninsula Medical School, 25 Victoria Park Road, Exeter, EX2 4NT, U.K.
Telematik
Zu dem Beitrag „Gesundheitstelema- tik: Der Arzt des Vertrauens ist ge- fragt“ von Heike E. Krüger-Brand in Heft 48/2005:
Schleierhaft
Oh du wunderschöne neue Welt der Telematik. Gleich im Anfang des Artikels wird er et- was spöttisch und herablas- send der „Dümmste Anzuneh- mende User“ genannt. Ge- meint ist hier mein gesetzlich krankenversicherter Patient, der sich in Zukunft mit so ein- gängigen Begriffen wie PIN, Zugriffe der Heilberufler, Not- falldatensatz, Zugriffsverwei- gerung usw. beschäftigen muss, um ja seine „Gesundheitsda- ten“ zu schützen, die „zu den sensibelsten personenbezoge- nen, aber auch durch das Da- tenschutzrecht besonders stark geschützten Daten überhaupt“
gehören. Meist ist der Patient nicht dumm, sondern er ver- steht nur nichts von der Tech- nik, mit der er hier umgehen soll. Und das müsste er aber, um die Sicherheit seiner Daten schützen zu können. Egal, ob er jung oder alt, gesund oder krank oder behindert, viel- leicht blind oder bettlägerig ist.
Daneben muss man die Ärzte in ihren Praxen sehen, die sich vor allem mit der Gesundheits- versorgung ihrer Patienten be- schäftigen sollten, jetzt aber mit ihrem Heilberufsausweis, autorisiert durch die PIN des Versicherten, auf die elektroni- sche Patientenakte zugreifen können, die vermutlich aber nicht vollständig sein wird, weil sich kein Mensch auskennt, was wo und wozu gelagert wer- den soll. Ärzte gehören auch