Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Störungsfreie Knochenmark- transplantation
Bei Knochenmarktransplantation befürchtet man keine Abstoßung, sondern die Graft-Versus-Host- Reaktion, das heißt die Allge- meinschädigung des Empfänger- mechanismus durch inkompati- bles Knochenmark. Wenn der Empfängerorganismus vor der
Knochenmarktransplantation keimfrei gemacht und hinterher noch lange genug in diesem Zu- stand gehalten werden kann, wird das fremde Gewebe weitge- hend toleriert (Professor Dr. U. H.
Schäfer, Westdeutsche Tumorkli- nik, Medizinische Universitätskli- nik der Gesamthochschule Es- sen). Die Graft-Versus-Host-Re- aktion kann allerdings noch nach Monaten folgen, wenn die Steril- therapie zu früh aufgegeben wird. Deshalb muß diese aufwen- dige Betreuung der Empfänger monatelang erfolgen. Die bisheri- gen Beobachtungen machen deutlich, daß die Graft-Versus- Host-Reaktion etwas mit der na- türlichen Keimflora des Men- schen zu tun hat. Man weiß nur noch nicht, was.
(VI. Internationales Symposium über Gno- tobiologie, Juni 1978, Ulm)
Lebertransplantation
Die unmittelbare Operationsleta- lität bei Lebertransplantation liegt aufgrund wesentlich verbes- serter Techniken heute in tragba- ren Grenzen. Die immunologi- sche Situation ist bei Lebertrans- plantationen günstiger als bei Nierenübertragung. Derzeit fehlt es nur noch an der optimalen In- dikationsstellung (Professor Dr.
R. Pichlmayr, Klinik für Abdomi- nal- und Transplantationschirur- gie der Medizinischen Hochschu- le Hannover). Bei sieben Leber- transplantationen, die Pichlmayr in letzter Zeit durchgeführt hat, lagen viermal eine maligne Er- krankung und dreimal eine weit
fortgeschrittene Zirrhose vor.
Beim Tumorleiden scheint die Operationsletalität heute schon recht gering zu sein. Bei Zirrho- sen scheint die Indikation zur Zeit noch viel zu spät gestellt zu wer- den. Allerdings besteht bei Tu- morleiden stets das Risiko eines Rezidivs in der übertragenen Le- ber (zwei von vier Tumorpatien- ten in Hannover). Die längste Überlebenszeit (40jährige Frau) beträgt bis jetzt zwei Jahre, mit sehr gutem Gesundheitszustand und normaler Leberfunktion.
(95. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Mai 1978, München)
Deprivationsgefahr bei Ausländerkindern
Die Kleinkinder ausländischer Ar- beitnehmer in der Bundesrepu- blik sind relativ stark depriva- tionsgefährdet. Wenn sie in der Bundesrepublik geboren werden, müssen diese Säuglinge oft von Verwandten oder in Heimen be- treut werden. Diese Wechselbe- treuung in der entscheidenden Sozialisationsphase (von der Ge- burt bis gegen Ende des 3. Le- bensjahres) des Menschen be- einträchtigt die Entwicklung sehr nachhaltig (Prof. Dr. J. Pechstein, Kinderzentrum Mainz). Wechsel- und Fremdbetreuung in den er- sten drei Lebensjahren legen den Grundstein zu späterer Soziopa- thie, Psychopathie, Borderline- Syndrom und anderen tiefgrei- fenden neurotischen Störungen.
Den Kindern wäre schon mehr geholfen, wenn sie im Heimat- land geboren und von den Groß- eltern pp. aufgezogen würden, die dann die konstanten Bezugs- personen stellen. Aber dann müßten die Kinder natürlich lan- ge Zeit in der Heimat bleiben, um auch ihre nationale Identität zu erwerben, die bei häufigem Hin und Her in der Fremde verküm- mert.
(Symposion der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie „Kinder ausländischer Arbeitnehmer", April 1978, München)
Chronische Nephritis
Die Prognose der primär chroni- schen Glomerulonephritis mit nephrotischem Syndrom ist im allgemeinen schlecht. Die Er- krankung verläuft mehr oder we- niger progredient (Professor Dr.
K. Stehr, Universitätskinderklinik Erlangen). Die Kinder müssen wirksam vor Infekten geschützt (Antibiotika), dürfen aber nicht geimpft werden. Kortikosteroide.
Bei terminaler Niereninsuffizienz weiterbehandeln (kompensierte Niereninsuffizienz ab Kreatinin- werten über 2 mg%). Diät. Dialy- se. Pro einer Million Einwohner muß jedes Jahr mit einem Kind gerechnet werden, das dialyse- pflichtig. wird! Nierentransplan- tationen sind ab fünftem Lebens- jahr möglich, obwohl zum Teil noch schwierig. Das Hauptpro- blem bildet auch, hier die Be- schaffung der Organe.
(60. Arztliche Fortbildungstagung, Mai 1978, Regensburg).
Keimarm therapieren
Schwerer sekundärer Abwehr- mangel bei akuter Leukämie, anaplastischer Anämie, bei ag- gressiver zytostatischer oder ra- diologischer Therapie verursacht bekanntlich schwere Begleitin- fektionen. Die Erreger stammen meistens von der Darmflora ab.
Wenn man die Kranken so weit- gehend wie möglich von ihrer Darmflora dekontaminiert (völlig steril bekommt man erwachsene Menschen nur selten), bleiben diese Begleitinfektionen fast völ- lig aus (Professor Dr. D. van der Waaij, Laboratory für Medical Mi- krobiology, University Hospital, Groningen/NL). Eine derartige gezielte beziehungsweise selekti- ve Dekontamination stellt auch keine so hohen Ansprüche an Unterbringung und Pflege der Kranken wie die Forderung nach völliger Keimfreiheit. WP (VI. Internationales Symposium über Gno- tobiologie, Juni 1978, Ulm)
1946 Heft 35 vom 31. August 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT