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Archiv "Leukämien: Womit therapieren und wie lange?" (12.03.2010)

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A 432 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 10

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12. März 2010

LEUKÄMIEN

Womit therapieren und wie lange?

Für die Behandlung von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie zeichnet sich ein „Generationenwechsel“ der Medikamente ab. Das ist bei der Jahrestagung der American Society of Hematology in New Orleans deutlich geworden.

V

on den circa 12 000 Men- schen, die jedes Jahr neu in Deutschland an einer Leukämie er- kranken (ohne myelodysplastische Syndrome), haben die meisten eine chronische lymphatische Leukämie (CLL). Je nach Prognose und kör- perlicher Fitness erhalten die Pa- tienten ein oder mehrere verschie- dene Zytostatika oder Kombinatio- nen mit monoklonalen Antikörpern (Chemoimmuntherapien). Da die CLL die klassische Leukämie im höheren Lebensalter ist, besteht ein hoher Bedarf, die Therapie indivi- duell der Komorbidität des Patien- ten anzupassen.

Für die Behandlung neu diagnos- tizierter Patienten mit guten Organ- funktionen hat Prof. Dr. med. Mi- chael Hallek von der Universitäts- klinik Köln die Daten der CLL8- Studie für eine durchschnittliche Beobachtungszeit von 37,7 Mona- ten aktualisiert (Abstract 535). Es ist eine Multicenter-Phase-III-Stu- die, an der 817 unvorbehandelte CLL-Patienten zwischen 36 und 81 Jahren (Durchschnittsalter 61 Jah- re) teilgenommen haben.

Eine der beiden Gruppen erhielt Fludarabin (F) und Cyclophospha- mid (FC), die zweite FC plus Ritu- ximab (FCR). Die Hauptergebnis- se: Die zusätzliche Gabe des mono- klonalen Antikörpers (Anti-CD20) zur Chemotherapie verlängerte das progressionsfreie Überleben um durchschnittlich knapp 20 Monate, und zwar von 32,8 Monaten im FC- Arm auf 51,8 Monate in der FCR- Gruppe, ein hoch signifikanter Un- terschied. Die Rate des Gesamt- überlebens (für durchschnittlich 37,7 Monate) betrug 84,1 Prozent in der FCR-Gruppe und 79 Prozent in der FC-Gruppe – ebenfalls ein statistisch signifikanter Unterschied, der erstmals die Überlegenheit der

Chemoimmuntherapie gegenüber dem FC-Regime beim Ge- samtüberleben belege, sag- te Hallek. Eine komplet- te Response wurde bei 44,1 Prozent der Pa- tienten im FCR-Arm und bei 21,8 Prozent in der Gruppe ohne Rituximab erzielt.

Das Hinzufügen des Antikörpers zu FC erhöhe zwar die Rate der Neutropenien, nicht aber der Infektionen oder anderer schwerer Nebenwir- kungen, erläuterte Hallek. „Die Ergebnisse stützen die Empfehlung, dass Patienten mit CLL eine Stan- dard-Chemoimmuntherapie erhal- ten sollten, wenn sie in guter kör- perlicher Verfassung sind – unab- hängig von ihrem kalendarischen Alter.“

Für Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML), der dritthäufigsten Leukämieform nach CLL und akuter myeloischer Leuk - ämie, könnte sich ein Wechsel in der Standard-Erstlinientherapie ab- zeichnen: vom Tyrosinkinaseinhibi- tor (TKI) Imatinib zu Nilotinib oder anderen TKI der zweiten Generati- on. Bisher ist Imatinib (400 mg am Tag) Therapiestandard in der chro- nischen Phase. Ebenso wie Niloti- nib hemmt es die BCR-ABL-TKI.

Sie ist bei circa 95 Prozent der Pa- tienten ursächlich für die CML:

Durch Translokation zweier Chro- mosomenabschnitte gelangt das Gen für eine Tyrosinkinase (ABL) in die Nachbarschaft des bcr-Gens (Breakpoint Cluster Region) und bildet das Fusionsprodukt bcr-abl.

Die Aktivität des Enzyms, das von diesem Gen codiert wird, ist erhöht und verstärkt die Proliferation hä- matopoetischer Vorläuferzellen.

Nilotinib hat eine höhere Selektivi- tät für das Protein BCR-ABL

als Imatinib und wirkt auch bei Imatinib-Resistenzen (außer T315I-Mutation

im bcr-abl-Gen).

Die Daten der IRIS-Studie beleg- ten ein gutes Lang- zeitansprechen auf Imatinib: Das Ge- samtüberleben sieben Jahre nach Beginn der Therapie betrug 86 Pro- zent; wenn es überhaupt eine Progression der chroni- schen in die akzelerierte Phase oder in die Blastenkrise gab, so meist in den ersten drei Jahren der Imatinib-Therapie (O’Brian, S. G., Blood 2008; Bd. 112: 76a, Abstract 186). Für diese Patienten wird dann die Prognose deutlich schlechter.

Ziel der ENESTnd-Studie ist, Wirksamkeit und Sicherheit des Therapiestandards Imatinib mit Ni- lotinib zu vergleichen. Es ist eine offene randomisierte multizentri- sche Phase-III-Studie. 846 neu dia - gnostizierte Patienten mit CML nehmen teil, bei denen das Phila- delphia-Chromosom nachgewiesen worden ist. Es gibt drei Studienar- me: Nilotinib 400 mg oder 300 mg zweimal täglich oder Imatinib 400 mg einmal täglich (Dosiserhöhung auf 800 mg pro Tag möglich). Das Follow-up beträgt fünf Jahre. Prof.

Dr. med. Giuseppe Saglio (Univer- sität Turin, Italien) stellte die Er- gebnisse nach zwölf Behandlungs- monaten vor, dem primären End- punkt (Late Breaking Abstract 1).

44 Prozent beziehungsweise 43 Pro- zent der Patienten in den Nilotinib- Armen hatten eine gute („major“) molekulare Response (MMR: weniger als 0,1 Prozent der Knochenmarkszel- len bcr-abl-positiv in der Multiplex- Das Philadelphia-

Chromosom (rechts im Bild) entsteht durch Translokation zweier

Chromosomen - abschnitte und ist Ursache für

Leukämien.

Foto: Science Photo Library

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12. März 2010 A 433 Polymerase-Ketten-Reaktion, PCR),

aber nur 22 Prozent im Imatinib- Arm. Entscheidendes Ergebnis aber sei, dass nur zwei Patienten unter Nilotinib in der niedrigeren Dosie- rung progredient geworden seien und ein Patient in der höheren Do- sierung (0,7 und 0,4 Prozent) im Vergleich zu elf Patienten (3,9 Pro- zent) in der Imatinib-Gruppe. „Ni- lotinib könnte ein neuer Standard für die Erstlinientherapie werden, weil es sinnvoll ist, jene Medika- mente zuerst anzuwenden, die den Übergang der Erkrankung in ein fortgeschrittenes Stadium am wirk- samsten verhindern“, sagte Saglio.

Insgesamt zeichnet sich ein „Ge- nerationenwechsel“ ab von den bis- herigen Medikamenten der Zweit - linientherapie bei CML zur First- line-Anwendung. Außer Nilotinib kommt für diesen Wechsel auch Da- satinib infrage, ein Multikinasein - hibitor, der wie Nilotinib bei Thera- pieversagen oder Unverträglichkeit von Imatinib in Deutschland zuge- lassen ist. Dasatinib hat in vitro eine etwa 300-mal so starke Aktivität ge-

gen das BCR-ABL-Protein wie Imatinib und hemmt auch Imatinib- resistente Zellen, außer bei der Mu- tation T315I. Eine aktuelle Studie mit 65 unvorbehandelten CML-Pa- tienten belegt, dass das Ansprechen auf Dasatinib (100 mg am Tag) mit einer MMR von 45 Prozent nach zwölf Monaten vergleichbar gut wie unter Nilotinib ist und mit 71 Pro- zent nach 24 Monaten tendenziell etwas besser als bei Patienten, die 800 mg Imatinib täglich eingenom- men hatten (historische Kontrollen).

Bei ihnen lag die MMR bei 66 Pro- zent (Abstract 338).

Systematische Kontrolle des Verlaufs empfehlenswert

„Die Optionen werden sich mit Nilo- tinib für die Erstlinienbehandlung signifikant verbessern. In der Zweit- linienbehandlung können wir unter dem Aspekt des Nebenwirkungspro- fils entscheiden, welche Medikation für den einzelnen Patienten am bes- ten geeignet ist“, sagte Priv.-Doz. Dr.

med. Philipp le Coutre (Campus Vir- chow, Charité – Universitätsmedizin

Berlin) zum Deutschen Ärzteblatt.

Ein optimales Therapieergebnis lasse sich nur mit systematischer Verlaufs- kontrolle erzielen wie der Bestim- mung der bcr-abl-Last durch quanti- tative PCR. Bei Medikamentenresis- tenz gegenüber Imatinib sei eine bcr-abl-Mutationsanalyse erforder- lich gefolgt von einem Umsetzen auf einen TKI der zweiten Generation.

„Gegebenfalls ist auch eine allogene Stammzelltransplantation zu erwä- gen“, erklärte le Coutre. Komme die- se nicht infrage, dann die Anwendung von Substanzen in fortgeschrittener klinischer Entwicklung, zum Beispiel des dualen TKI-Inhibitors Bosutinib.

Für Patienten, die auf Imatinib und mehrere TKI nicht ansprechen und maligne Zellen mit T315I-Mu- tation haben, bieten neue Substanz- klassen eine Perspektive. Die Ceta- xine zum Beispiel hemmen die Ver- mehrung von CML-Zellen unab- hängig von deren bcr-abl-TKI-Akti- vität. So hat sich Omacetaxin in Phase-II/III-Studien auch bei mehr- fach vorbehandelten CML-Patien- ten mit T315I-Mutation als wirksam erwiesen (Abstracts 643, 861).

Können Patienten, bei denen sich mit Imatinib die bcr-abl/abl-Last un- ter die Nachweisgrenze senken las- sen, irgendwann auf die Medikation verzichten? Die Deutsche Gesell- schaft für Hämatologie und Onkolo- gie rät, außerhalb von Studien Imati- nib nicht abzusetzen, da das Medika- ment vermutlich die CML-Stamm- zellen nicht eliminiere. Neue Daten der französischen STIM-Studie (Stop Imatinib) weisen daraufhin, dass Ab- setzen für bestimmte Patienten eine Option sein kann: Bei 45 Prozent von 69 Probanden, bei denen Imati- nib abgesetzt wurde, war auch ein Jahr später kein bcr-abl nachweis- bar, besonders in jener Untergrup- pe, die vor Absetzen von Imatinib hohe Zahlen an natürlichen Killer- zellen im Blut hatte und ein niedri- ges Rückfallrisiko. Wenn Patienten rezidivierten, sprachen sie wieder auf Imatinib an (Abstract 859). ■

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

IRIS-Studie: International Randomized Trial Comparing Interferon alpha versus STI57;

ENESTnd-Studie: Evaluating Nilotinib Efficacy and Safety in Clinical Trials of Newly Diagnosed Ph+-CML Patients

Bei einer Leukämie mit hohem Risiko ist häufig die Stammzelltransplantation die einzige potenziell kurative Therapieoption. Die wenigsten Patienten haben einen HLA-identischen Spender in der Fa- milie, die meisten jedoch einen haploidentischen Angehörigen, der für eine Stammzellspende in - frage käme. Das Ziel ist es, möglichst rasch die Immunabwehr zu rekonstituieren und lebensbe- drohliche Infekte zu verhindern, ohne jedoch eine Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (GvH) hervor- zurufen. Zugleich soll der Transplantat-gegen- Leukämie-Effekt (GvL) erhalten bleiben. Eine neue, adoptive Immuntherapie soll die erwünsch- ten Effekte einer Stammzellübertragung von den unerwünschten Wirkungen abkoppeln. Das Team um Prof. Dr. med. Massimo Martelli (Universität Perugia, Italien) hat die Methode entwickelt.

Dabei werden zusätzlich zu hämatopoetischen Stammzellen verschiedene Subgruppen von T-Lymphozyten verabreicht. Zunächst erhält der Patient eine hochdosierte Radiochemotherapie und drei Tage nach Abschluss dieser Konditionie- rung gereinigte T-regulatorische Zellen (Treg-Zel- len) vom Spender. Diese CD4/CD25-positive Sub- population von T-Lymphozyten reguliert die Aktivi- tät von T-zytolytischen Zellen herunter. Treg-Zel-

len sollen damit Immunreaktionen des Spenders gegen Empfängerzellen und -gewebe vorbeugen.

Kurze Zeit nach der Zuführung von Treg-Zellen werden gereinigte CD38+ Stammzellen des ha- ploidentischen Spenders infundiert, an einem Tag noch zusätzlich reife Spender-T-Lymphozyten für die Infektionsabwehr. Die Patienten erhalten keine medikamentöse Immunsuppression.

26 von 28 auf diese Weise behandelte Patien- ten hatten ein gutes Engraftment mit einer ra- schen Rekonstitution der Immunabwehr gegen Pathogene ab dem zweiten Monat nach Trans- plantation, nur zwei Patienten entwickelten eine leichte GvH-Reaktion. „Durch die adoptive Im- muntherapie war das Risiko für eine Reaktivie- rung von Zytomegalieviren im Vergleich mit historischen Kontrollen deutlich reduziert“, erläuterte Martelli. 90 Tage nach Transplanta- tion gab es bei sechs Prozent der nach dem neuen Konzept behandelten Patienten eine Zytomegalieviren-Reak tivierung, gegenüber 41 Prozent der Kontrollpatienten. Diese Art der adoptiven Immuntherapie könnte sich als neben- wirkungsarme Methode zur Verhinderung von Ab- stoßungen nach Organtransplantation eignen und kam in die Auswahl der Best of ASH. nsi

SCHONENDE STAMMZELLTRANSPLANTATION

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