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Archiv "Ellenbogenfrakturen bei Kindern" (11.03.1976)

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ÜBERSICHTSAUFSATZ

In der Statistik über die Häufigkeit von Frakturen bei Kindern stehen die Ellenbogenfrakturen an zweiter Stelle. Fehler in der Beurteilung der Frakturen und eine daraus re- sultierende inadäquate Behandlung legen die Grundlage zu bleibenden Schäden. Nur die genaue Kenntnis der altersabhängigen Entwicklung und der Lage der zahlreichen Kno- chenkerne erlaubt die einwandfreie Beurteilung der Verletzung (Abbil- dung 1).

Cubitus varus, Cubitus valgus und Rotationsfehler

Die Frakturlinien der Ellenbogen- gelenksfrakturen stehen immer in enger Beziehung zu den Wachs- tumsfugen und zerstören oft ihre Kontinuität. Wachstumshemmun- gen und Wachstumssteigerungen werden beobachtet. Folge dieser Störungen sind Längendifferenzen und Achsabweichungen. Die häu-

figste Fehlstellung nach Ellenbo- gengelenksfrakturen ist der Cubi- tus varus, der insbesondere nach suprakondylären Frakturen ent- steht (Abbildung 2).

Seltener ist der pathologische Cu- bitus valgus. Dieser tritt ebenfalls nach suprakondylären Frakturen, vorzugsweise aber nach Frakturen des Condylus lateralis, auf (Abbil- dung 3).

Diese Fehlstellungen sind nicht nur kosmetisch störend, sondern füh- ren auch durch die veränderte Ge- lenkmechanik zu Schmerzzustän- den und zu vorzeitigen Arthrosen.

Sie sind als präarthrotische Defor- mität anzusehen. Da sich weder die Valgus- noch die Varusfehlstel- lung ausgleichen, können hier Kor- rekturosteotomien erforderlich werden (Abbildungen 3 und 4).

Man sollte sich jedoch nicht nur von anatomischen, sondern über- wiegend von funktionellen Ge-

sichtspunkten bei der Indikations- stellung zur Operation leiten las- sen.

Rotationsfehler sind meist Folge suprakondylärer Frakturen (Abbil- dung 5). Auch sie gleichen sich im Wachstum nicht aus. Lediglich die Parallelverschiebung der Fragmen- te ist belanglos. Eine Besserung der Funktion ist nach verbliebenen Rotationsfehlstellungen aber da- durch zu erwarten, daß eine hier- bei auftretende Spornbildung am distalen Humerusende, die zur Beu- ge- beziehungsweise Streckhem- mung führt, sich zurückbildet. Gele- gentlich ist Abmeißelung dieses Sporns indiziert.

Radiusköpfchenluxation und Monteggiafraktur

Eine übersehene oder nicht ausrei- chend fixierte Radiusköpfchenluxa- tion bedingt eine wesentliche Be- hinderung der Ellenbogenbeweg- lichkeit (Abbildung 6).

Die Monteggiafraktur, die Kombina- tion einer proximalen Ulnafraktur mit einer Radiusköpfchenluxation nach volar oder seltener dorsal, wird oft nicht als solche erkannt.

Auf Röntgenaufnahmen des Ellen- bogens kann die Ulnafraktur gele- gentlich nicht mehr dargestellt sein, und es wird so lediglich die Ra- diusköpfchenluxation diagnostiziert und behandelt. Andererseits kann aber auch die Ulnafraktur im Mittel- punkt der therapeutischen Bemü- hungen stehen, und die Luxation des Radiusköpfchens wird nicht be- rücksichtigt. Eine vor Abschluß des Wachstums vorgenommene Entfer- nung des Radiusköpfchens bei ver- alteten Radiusköpfchenluxationen führt zu schweren Fehlstellungen im Ellenbogen- und Handgelenks- bereich und ist daher unbedingt zu vermeiden.

Pseudarthrosenbildung

Die Zahl der Pseudarthrosen nach Abrißfrakturen der Epikondylen und nach Kondylenfrakturen ist er-

Ellenbogenfrakturen bei Kindern

Bernd-August Blencke

Orthopädische Klinik und Poliklinik der Universität Marburg (Direktor: Professor Dr. Gerhard Exner)

Für die Spätfolgen nach Ellenbogengelenksfrakturen bei Kindern sind neben den anatomischen Gegebenheiten die Art der Fraktur, die begleitenden Weichteilschädigungen, die Behandlung und nicht zuletzt die Art der Nachbehandlung verantwortlich zu machen. Hier- von hängen Wiederherstellung der Form und Funktion des Gelen- kes ab. Auch bei richtiger Indikationsstellung und einwandfreier Nachbehandlung können sich erhebliche Form- und Funktionsstö- rungen entwickeln. Dennoch ist die wichtigste Voraussetzung für ein befriedigendes Ergebnis die anatomisch gerechte Reposition und ausreichende Fixation der Fraktur.

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staunlich hoch (Abbildung 8). Die teilweise recht erheblichen Bewe- gungseinschränkungen werden oft nicht mehr als sehr störend emp- funden. Die Patienten haben sich in erstaunlichem Ausmaß an die seit Kindheit bestehende Störung adap- tiert. Wegen der Arthrosegefahr ist dennoch auch bei noch fehlenden Beschwerden bei starker Fragment- dislokation eine operative Behand- lung angezeigt.

Abbildung 1: Die Entwicklung der Knochenkerne im Ellenbogengelenksbe- reich bei einem zehn- bis zwölfjährigen Kind

Abbildung 2: Neunjähriger Junge, suprakondyläre, konservativ behandelte Humerusfraktur rechts (vor 18 Monaten) Cubitus varus, Beuge- und Streck- hemmung

Nervenschädigungen

Während Irritationen des Nervus radialis und Nervus medianus als Spätfolgen kindlicher Ellenbogen- frakturen selten sind, werden Irri- tationen des Nervus ulnaris häufig gesehen. Frakturen des Condylus radialis (posttraumatische Valgus- fehlstellung) und die Abrißfrakturen des Epicondylus medialis sind we- gen der Läsion des Sulcus nervi ulnaris die häufigste Ursache der Ulnarisschädigung. Schmerzen, Par- ästhesien und Paresen sowie Muskelatrophien im Versorgungs- gebiet des NervuS ulnaris sind die typischen Zeichen. Die Korrektur- osteotomie, die Revision des Sul- cus nervi ulnaris sowie gegebe- nenfalls die Ventralverlagerung des Nervus ulnaris beseitigen derartige Störungen.

Ischämische Kontraktur

Die anhaltende Kompression der volaren Gefäße, Nerven und Mus- keln durch das Frakturhämatom leitet die Entwicklung der ischämi- schen (Volkmannschen) Kontraktur ein. Der anatomische Aufbau der Unterarmfaszie erlaubt nur eine äußerst geringe Dehnung, so daß es zu einer Kompression von innen her kommt. Eine Kompression von außen, zum Beispiel durch zu enge Gipsverbände, verschlimmert die Situation entscheidend.

Nur die sofortige Entfernung von stark komprimierenden Verbänden und die Spaltung der Beugerfaszie kann beim Eintreten von klinischen Zeichen einer Durchblutungsstö-

rung die Entwicklung der ischämi- schen Kontraktur sicher verhin- dern. Diese besteht in einer durch die Schrumpfung der Hand- und Fingerbeugemuskulatur bedingten schweren Beugekontraktur des Handgelenkes, der Mittel- und End- gelenke der Finger mit einer Über- streckung der Fingergrundgelenke.

Ferner finden sich ausgeprägte dys-

trophische Veränderungen an Un- terarm und Hand (Abbildung 9).

Dieser Zustand bedingt eine fast vollständige Gebrauchsunfähigkeit der Hand_ Neben der physikalischen Therapie bringen nur noch die ope- rative Verkürzung von Radius und Ulna sowie plastische Maßnahmen eine gewisse Funktionsverbesse- rung.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 11 vom 11. März 1976 717

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Abbildung 3:

Zehn Jahre alter Junge, Zustand nach suprakondylärer Fraktur, starker Cubitus valgus, Beugehemmung

Abbildung 4: Elfjähriger Junge. Rechtes Bild: Zustand nach suprakondylärer Fraktur links, Cubitus varus — Linkes Bild: Korrekturosteotomie vor sechs Monaten

Ellenbogenfrakturen

Myositis ossificans

Die überwiegend in der Beugemus- kulatur und hier im Musculus bra- chialis lokalisierte Myositis ossifi- cans känn wohl nur selten als di- rekte Frakturfolge angesehen wer- den. Sie wird nach schonender Re- position und regelrechter Behand- lung kaum beobachtet, hingegen ist sie oft die Folge einer nichtindi- zierten intensiven physikalischen Behandlung posttraumatischer Be- wegungseinschränkungen.

Nach der knöchernen Heilung der Frakturen verbleibt gerade beim Kind fast immer eine erhebliche und lang andauernde Bewegungsein- schränkung. Diese den behandeln- den Arzt und die Eltern des Kindes oft gleichermaßen beunruhigende Bewegungseinschränkung führt häufig zu Fehlschlüssen und einem nicht indizierten aktiven Vorgehen.

Wir stimmen mit Blount u. a. über- ein, wenn wir der Meinung sind, daß im Kindesalter nach einer El- lenbogengelenksfraktur bei regel- rechtem Verlauf eine physikalische Behandlung kontraindiziert ist.

Selbst aktive Bewegungsübungen unter krankengymnastischer Anlei- tung können zu unerwünschten Folgen führen. Es erscheint uns fast ohne Ausnahme sinnvoll, gera- de das jüngere Kind nur seinem natürlichen Spieltrieb zu überlas- sen und es nicht zu einer vermehr- ten Bewegung des verletzten Ellen- bogens anzuregen. Wir sahen die funktionell besten Ergebnisse, die sich allerdings oft erst nach drei, vier oder eventuell sogar erst nach sechs Monaten einstellen, wenn wir auf jede aktive Beeinflussung durch physikalisch-therapeutische Maßnahmen verzichteten. Nur im Ausnahmefall ist unseres Erachtens eine physikalische Therapie indi- ziert. Aktiven Bewegungsübungen ist dann der Vorzug zu geben. Pas- sive Bewegungsübungen und Mas- sage dürften die Funktion nicht bessern, sondern eher verschlech- tern und noch dazu die Gefahr der Myositis ossificans mit sich bringen.

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Abbildung 5: 15jähriger Junge, suprakondyläre Fraktur vor vier Jahren, kon- servative Behandlung, Cubitus valgus, erheblicher Rotationsfehler

Abbildung 6: Elfjähriger Junge, Zustand nach Luxation des Radiusköpf- chens links, Wachstumsstörungen, Deformierung des Ellenbogengelenkes, Beugehemmung

Präarthrotische Deformität

Gleich den gelenknahen oder Ge- lenkfrakturen anderer Skelettab- schnitte disponieren auch die El- lenbogengelenksfrakturen zu vor- zeitigem Verschleiß.

Frakturen des Condylus lateralis werden ebenso wie die des Epicon- dylus medialis oft verkannt und

nicht therapiert. Doch auch bei Diagnosestellung wurden diese Frakturen früher häufig unterbe- wertet. Im Falle einer stärkeren Dislokation oder gar Interposition des abgerissenen Epicondylus me- dialis zwischen die Gelenkflächen von Trochlea humeri und Ulna kommt es zu frühzeitigen schweren Arthrosen des Gelenkes.

Die Trümmerfrakturen des distalen Humerusendes bedürfen oft der Freilegung und Osteosynthese.

Wenn es auch meist unter Verwen- dung von modernen Osteosynthe- severfahren möglich ist, eine be- friedigende anatomische Form wie- derherzustellen, so geht diese anatomische Wiederherstellung der Knochen- beziehungsweise Knor- pelkonturen aber leider oft nicht konform mit der Wiederherstellung der Funktion. Die bei diesen Ope- rationen unvermeidliche Denervie- rung des Gelenkes durch die breite Freilegung des Knochens führt zur frühzeitigen Gelenkschädigung.

Die ausgedehnte Osteosynthese bei kindlichen Ellenbogenfrakturen bedarf daher weiterhin einer be- sonders strengen Indikationsstel- lung.

Als Folge einer kindlichen Ellenbo- gengelenksfraktur kann auch, ohne daß eine wesentliche Verschiebung der Fragmente vorlag, eine schmerzhafte Bewegungsein- schränkung verbleiben. Hier stim- men Röntgenbild und Funktion nicht überein. Diese traumatisch bedingten Schmerzzustände sind die Folge der Weichteilverletzung, deren Ausmaß nur schwer beurteil- bar ist. Eine einwandfreie Reposi- tion und Fixation der Fraktur ist zwar die Voraussetzung für ein gu-

tes Behandlungsergebnis, sie bie- tet aber keine Gewähr für eine schmerzfreie befriedigende Funk- tion des Ellenbogengelenkes.

Für diese Schmerzzustände ist in vielen Fällen die Art der Nachbe- handlung verantwortlich.

Es ist nicht gerechtfertigt, im Rönt- genbild festgestellte Fehlstellungen

und Deformitäten als Ursache von Schmerzen anzusehen und operati- ve Korrekturmaßnahmen vorzuneh- men.

Durch solche Maßnahmen mag es zwar häufig gelingen, die Form zu verbessern und ein kosmetisch befriedigenderes Resultat zu erzie- len. Die Funktion wird hierdurch je- doch in vielen Fällen nicht ent-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 11 vom 11.März 1976 719

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Ellenbogenfrakturen

Abbildung 7 (oben): Zwölfjähriger Junge, Zustand nach Radiusköpf- chenluxation vor acht Monaten.

Außer vorübergehender Gips- ruhigstellung keine Therapie.

Jetzt permanente Radiusköpf- chenluxation mit deutlicher Ein- schränkung der Beugung im El- lenbogengelenk

Abbildung 8 (Mitte): Elfjähriger Junge, zwei Jahre nach Fraktur des rechten Ellenbogens. Abriß- fraktur des Condylus lateralis.

Zustand nach konservativer Be- handlung. Pseudarthrose des Condylus lateralis, starker Cubi- tus valgus, Ulnarisirritation

Abbildung 9 (unten): Vierjähriger Junge, Zustand nach suprakon- dylärer Fraktur links, ischämische Kontraktur

scheidend verbessert und auch die bestehenden Schmerzen werden nicht behoben.

Aussagen über das Ausmaß der zu erwartenden Arthrose und über den Zeitpunkt des Eintretens sol- cher arthrotischer Erscheinungen lassen sich im allgemeinen weder aufgrund des Frakturtyps, der ge- lungenen oder nicht gelungenen Reposition noch aufgrund der wie- dererlangten Funktion machen. An- dererseits muß aber mit allem Nachdruck festgestellt werden, daß nur die rechtzeitige und schonende Reposition mit einer weder Kno- chen noch Weichteile schädigen- den ausreichenden Fixation die Vor- aussetzung für eine gute und schmerzfreie Funktion des Ellenbo- gengelenkes auch auf Dauer dar- stellt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. habil.

Bernd-August Blencke Oberarzt an der _

Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universität Marburg

Schützenstraße 49

3550 Marburg an der Lahn

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