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Archiv "Humanität läßt sich nur bedingt organisieren: Auszüge aus der Stellungnahme der Spitzenverbände der Krankenkassen zu Fragen einer humanen Krankenversorgung" (04.12.1980)

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Academic year: 2022

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eric t uni•emung Konzertierte Aktion

Können schon Spezialisierung und Differenzierung in der Medi- zin zu Lockerungen der personen- gebundenen zwischenmenschli- chen Beziehungen führen, ist dies ebenso von wissenschaftlich si- cher begründeten organisatori- schen Maßnahmen zu erwarten?

So erfordern Infektionskrankhei- ten eine Isolierung des Patienten, die ebenso wie zahlreiche andere zur Aufrechterhaltung der Hygiene im Krankenhaus notwendige Maß- nahmen eine Geborgenheit ver- mittelnde taktile Zuwendung er- schweren oder unmöglich ma- chen. Im Interesse der Patienten notwendige Maßnahmen zur In- fektionsverhütung werden beson- ders augenfällig in maschinell be- triebenen Operationssaalschleu- sen. Patienten in der vor Operatio- nen verständlichen Angst sehen sich dort allein gelassen und einer sterilen Fließbandmedizin ausge- liefert. Die notwendige Sterilität der Räume bewirkt gewisserma- ßen seelische Sterilität und Leere.

Andere bauliche Strukturen beein- flussen ebenso das Wohlbefinden der Patienten, wenn zum Beispiel gehfähige Patienten zum Essen ins Bett müssen, weil es auch in vielen Krankenhaus-Neubauten keine Möglichkeit gibt, die Mahl- zeiten an einem Tisch einzu- nehmen.

Einige Arbeitszeitregelungen sollten dem Patienten

zuliebe überdacht werden Doch auch die Tarifpartner sind gefordert. Viele Tarifbestimmun- gen, die sich im Bereich der Admi- nistration oder der industriellen Fertigung durchaus bewährt ha- ben mögen, sind nicht oder nur schwer im Krankenhaus anwend- bar, weil sie den für die Patienten- versorgung erforderlichen spezifi- schen Arbeitsbedingungen und Arbeitsabläufen nur unzureichend oder überhaupt nicht Rechnung tragen. Wenn der personale Bezug zum einzelnen Patienten wieder den ihm zukommenden Stellen- wert bekommen soll, müssen zum Beispiel manche Arbeitszeitrege-

lungen ebenso überdacht werden wie die Tätigkeitsmerkmale für die Eingruppierung, die sich nicht an der für den Patienten zu erbrin- genden Leistung orientieren, son- dern an der Zahl der unterstellten Mitarbeiter und die eher die Hin- wendung zu Schreibtisch und Technik honorieren als die Zuwen- dung zum Patienten.

Humane Krankenversorgung ist nicht in erster Linie eine Frage der Annehmlichkeiten und Bequem- lichkeiten oder von mehr oder weniger eingreifenden Untersu- chungs- und Behandlungsmetho- den. Das zeigt die höchst unter- schiedliche Bewertung derartiger Dinge zu Zeiten der Sicherheit und des Wohlstandes oder in Zeiten von existentieller Bedrohung und Not.

So wichtig die Entschließung der Konzertierten Aktion zu Fragen ei- ner humanen Krankenversorgung auch ist, so wenig kann sie dies weit gespannte Thema erschöp- fend behandeln. Sie kann aber vielleicht dazu beitragen, daß mehr Menschen als bisher über diese vielschichtige Problematik nachdenken. Alle Beteiligten soll- ten sich jedoch davor hüten, die Dinge rein technokratisch — „hu- manokratisch" — lösen zu wollen und in Ergänzung einer einnah- menorientierten Ausgabenpolitik einer einnahmenorientierten Hu- manität das Wort zu reden, etwa nach dem Motto: So viel Wirt- schaftlichkeit wie möglich, so viel Humanität wie nötig.

Humanität ist nicht in erster Linie eine Frage der Größe von Kran- kenhäusern und ihrer Träger- schaft, der Stellenpläne, des Vor- handenseins von Naßzellen und der Gerätesicherheit sowie der da- mit verbundenen Finanzierungs- probleme. Sie ist eine Frage der Einstellung, von Motivation und Engagement. Sie ist abhängig von der Stabilität zwischenmenschli- cher Beziehungen und der Fähig- keit jedes einzelnen Menschen ei- ner Gesellschaft zu Mitgefühl, Mit- leid und zur Nächstenliebe. ❑

Humanität läßt sich nur bedingt organisieren

Auszüge aus der Stellungnahme der Spitzenverbände der

Krankenkassen zu Fragen einer humanen Krankenversorgung

Karl Kaula

Es ist nicht ganz unproblematisch, wenn die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zur Humanität der Krankenversorgung eine Stel- lungnahme abgibt. Der gesetzli- che Auftrag der Konzertierten Ak- tion geht dahin, medizinische und wirtschaftliche Orientierungsda- ten und Vorschläge zur Rationali- sierung und zur Erhöhung von Ef- fektivität und Effizienz zu entwik- keln. Dieser Auftrag bewegt sich im Bereich handfester Daten, und er betrifft organisierbare Ziele. So schwer die Aufgabe im einzelnen auch sein mag, sie ist zumindest theoretisch lösbar. Anders verhält es sich mit der Humanität. Huma- nität läßt sich nicht verordnen, Hu- manität ist nicht käuflich, Humani- tät läßt sich nur bedingt organisie- ren. Ja, man muß sich eigentlich fragen, ob in unserer Gesellschaft überhaupt eine übereinstimmende Vorstellung von Humanität be- steht.

Schon diese Überlegungen offen- baren die Schwierigkeiten, einen konkreten Handlungskatalog für eine humanere Krankenversor- gung zu entwickeln.

Es kommt hinzu, daß das Gesund- heitswesen von seiner Aufgaben- stellung her eine humanitäre Ein- richtung ist und jeder Appell, das Gesundheitswesen zu humanisie- ren, den Verdacht in sich birgt, daß das Gesundheitswesen seiner Aufgabe in einem wesentlichen Bereich nicht gerecht wird.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2894 Heft 49 vom 4. Dezember 1980

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Zum letzten Mal nahm Horst Ruegenberg, Vorstandsvorsitzender des Bundesver- bandes der Ortskrankenkassen (im Wechsel mit Alfred Schmidt vom DGB, Ruegen- berg ist der Arbeitgebervertreter), an der Konzertierten Aktion teil. Das Bild zeigt Ruegenberg (links) mit dem Ersten Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesver- einigung, Dr. Muschallik, im März 1978, als es in der Konzertierten Aktion zum ersten Mal um eine „Honorarempfehlung" ging Foto: Darchinger Bericht und Meinung Konzertierte Aktion: Kaula

Bei den Vorbereitungen für eine Erklärung der Konzertierten Ak- tion zur Humanität im Gesund- heitswesen war daher zunächst die Frage zu prüfen, ob denn An- spruch und Wirklichkeit des Ge- sundheitswesens tatsächlich so weit auseinanderfallen, wie es nach der Diskussion über dieses Thema in der Öffentlichkeit den Anschein hat.

Der Entwurf für die Erklärung bringt klar zum Ausdruck, daß un- ser Gesundheitswesen keines- wegs als „inhuman" bezeichnet werden kann. Es wäre eine fatale Auswirkung der Diskussion über Verbesserungen im Gesundheits- wesen, die zum Teil eben auch un- ter dem Stichwort „Humanisie- rung" geführt wird, wenn die grundsätzliche Richtigkeit dieses Systems in Frage gestellt würde oder auch nur Teile dieses Sy- stems als „inhuman" dastehen würden.

Wir dürfen in dieser Diskussion nicht vergessen, daß die Klage über zu wenig Menschlichkeit in fast allen Bereichen unseres ge- sellschaftlichen Lebens auftritt.

Diese Feststellung soll kein Alibi sein. Aber sie soll uns daran erin- nern, daß Verbesserungen im Ge- sundheitswesen nur dort möglich sind, wo die Verhältnisse dem Zu- griff und der Gestaltbarkeit durch die Beteiligten im Gesundheitswe- sen selbst unterliegen.

Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß nicht alle Bereiche und Aspekte menschlichen Handelns, die für die Verwirklichung von Hu- manität wesentlich sind, durch ei- ne Erklärung der Konzertierten Aktion zugänglich sind. Vielmehr müssen wir davon ausgehen, daß wir mit unseren Aussagen nur den geringeren Teil dessen erreichen, was für ein mitmenschliches Ver- hältnis — auch im Gesundheitswe- sen — wesentlich ist.

Die Erklärung der Konzertierten Aktion kann sich mit ausreichen- der Konkretheit nur auf Organi- sierbares beziehen und muß sich —

was die Motivation, Einstellung und das Verhalten der im Gesund- heitswesen tätigen Personen an- geht — auf Appelle beschränken.

Die Erklärung der Konzertierten Aktion zur Humanität hat so viele Adressaten, wie es Beschäftigte im Gesundheitswesen gibt. Die hier vertretenen Verbände und In- stitutionen sind daher aufgerufen, die von der Konzertierten Aktion verabschiedeten Grundsätze zu Fragen einer humanen Kranken- versorgung in ihrem Bereich je- dermann zugänglich zu ma- chen.. .

Neben den in der Erklärung ge- nannten organisatorischen Maß- nahmen, die an die Adresse der jeweils beteiligten Institutionen gerichtet sind, sollte der Appell an die im Gesundheitswesen tätigen Personen, in dem Bemühen um menschliche Zuwendung nicht nachzulassen, nicht ungehört bleiben.

Bei allem Respekt vor der Bedeu- tung von Organisationen und Strukturen, Gesetzen, Verordnun- gen und Selbstverwaltungsinitiati-

ven: Ein Gesundheitssystem kann nicht humaner sein als die Men- schen, die darin miteinander um- gehen.

Sie nennt einige Grundsätze, die die komplexe Aufgabe, Humanität im Gesundheitswesen in Überein- stimmung mit dem humanitären Auftrag dieses Bereichs zu ver- wirklichen, zwar nicht erschöp- fend behandeln, die aber konkret genug sind für entsprechende Maßnahmen der Beteiligten.

Die Erklärung geht ferner davon aus, daß Humanität in der Kran- kenversorgung nicht vorrangig ein Kapazitätsproblem ist, sondern ei- ne Frage der Initiative der Beteilig- ten. Sie geht ferner davon aus, daß sich die Grundstruktur unseres Gesundheitswesens als funktions- fähig erwiesen hat, eine medizini- sche Betreuung zu gewährleisten, die die Bedürfnisse des Patienten, eine individuelle Behandlung und Betreuung, eine dem Stande der medizinischen Wissenschaft ent- sprechende Behandlung und wirt- schaftliche Gesichtspunkte mit- einander in Einklang bringt. ❑

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 49 vom 4. Dezember 1980 2895

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