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Archiv "Diskussion: Umweltmedizin ist fachübergreifend und vielseitig" (21.05.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Umwelt und Gesundheit

Berlin. Er forderte die in der Praxis oder im Krankenhaus tätigen Ärzte auf, Fragen oder Sorgen der Pa- tienten wegen möglicherweise umweltbedingter Gesundheits- schäden nicht pauschal zu vernei- nen. Dies führe weniger zur Beru- higung der Patienten als vielmehr zur Hinwendung zu weniger kom- petenten Personen oder Institutio- nen, zur Abkehr vom Arzt.

Sankowsky berichtete über einen Arbeitskreis für Umweltmedizin der Ärztekammer Berlin. Dieser stößt dort auf besonders günstige

Senatsrat Dr. Götz Sankowsky, Berlin, beschrieb die vielfältigen Aufgaben des Arztes im Umweltschutz

Bedingungen, weil kompetente Ansprechpartner vorhanden sind:

das Umweltbundesamt, die ein- schlägigen Institute des Bundes- gesundheitsamtes, das Hygiene- Institut der Freien Universität und eine — da eine Mittelinstanz fehlt — konzentrierte Gesundheitsverwal- tung. Den Ärzten in den Gesund- heitsverwaltungen und -ämtern fallen, so Dr. SankoWsky, im Schwerpunkt die ärztlichen Um- weltaufgaben zu. Hier aber gibt es eine unmittelbare Möglichkeit zu politischer Wirkung, weil die Ge- sundheitsämter in die (sonst

manchmal als lästig empfundene) Verwaltungsstruktur eingebunden sind, damit aber auch den Zugang zu den Kommunalpolitikern und die Möglichkeit zur Durchsetzung ärztlicher Konzepte auf politischer Ebene haben. Eine personell und sachlich gut ausgestattete Ge- sundheitsverwaltung kann in der Lage sein, „als Mittler zum Bürger zwischen Verharmlosung und Hy- sterie beim Umweltschutz zu wir- ken, epidemiologisch einwand- freie Forschungsarbeiten zu un- terstützen und unter anderem den Wert von Schadstoff-Minimie- rungsprogrammen aus der politi- schen Öffentlichkeit richtig einzu- schätzen". bt

Diskussion

Umweltmedizin ist fachübergreifend und vielseitig

Die Diskussion der sechs Referate und der Anträge war anfangs eine eigenartige Mischung aus Emo- tion und Polemik einerseits und sachlichen Beiträgen andererseits

— selbst innerhalb einzelner Bei- träge. So Dr. Helmut Becker (Ber- lin): Ich hätte mir diesen Tages- ordnungspunkt nicht als Fachse- minar vorgestellt. Man hätte viel- mehr „den Status der Umweltme- dizin selbstkritisch herausarbei- ten" sollen. Dr. Bernd Köppl (Ber- lin): Man hätte über die vorhande- nen gesicherten Erkenntnisse sprechen müssen und darüber, daß daraus keine entsprechenden Maßnahmen abgeleitet werden.

Und Dr. Huber (ebenfalls Berlin, Leiter eines Gesundheitsamtes):

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein umweltmedizinisches Ent- wicklungsland.

Ein Delegierter aus Westfalen-Lip- pe gab seine praktischen Erfah- rungen wieder: Zum Einzugsbe- reich seiner psychiatrischen Pra- xis in Dortmund gehört eine Wohnanlage auf dem belasteten

Grund einer früheren Kokerei, und er erlebe bei den Patienten aus diesem Bereich ein großes Maß an seelischer Dekompensation. Ursa- che sei nicht die Konfrontation mit der Gefahr, sondern die ständigen Auseinandersetzungen mit Behör- den und deren mangelhafte Infor- mation oder gar Desinformation.

Diese Belastung könnte durch of- fene und ehrliche Auskünfte ver- mieden werden. Dies war ein Mo- tiv, das in der allgemeinen Debatte mehrfach wiederkehrte, auch im Zusammenhang mit dem Atomun- glück von Tschernobyl. Und der Berliner Gesundheitsamtsleiter trug ebenfalls praktische Erfah-

rungen bei: Sein an sich gut aus- gestattetes Amt könne die Aufga- be der Lebensmittelüberwachung noch immer erst zu fünfzig Pro- zent erfüllen. Er habe die Stelle ei- nes Umweltbeauftragten ausge- schrieben: Es meldeten sich 50 Bewerber, aber unter ihnen war kein Arzt.

Liegt das daran, daß Umweltmedi- zin in der Aus-, Weiter- und Fort- bildung zu kurz kommt? Verschie- dene Diskussionsbeiträge und An- träge gingen dieser Frage nach.

An den Hochschulen sei das Fach Umwelthygiene schwach vertre- ten, es fehle deshalb auch den Studenten die Motivation, sich da- für zu interessieren, hieß es. Ein Antrag, an allen Universitäten die Einrichtung von Lehrstühlen für Umweltmedizin zu fordern, verfiel allerdings deutlich der Ablehnung.

Auch der Vorschlag, die Umwelt- hygiene möglichst jetzt noch in die Approbationsordnung und da- mit in das Medizinstudium einzu- bringen, kam nicht durch. Dr. Jörg Dietrich Hoppe, Vorsitzender des Marburger Bundes, wies darauf hin, daß zum einen ein Mehr an Befrachtung des Studiums auch irgendwo eine „Entfrachtung" er- fordere, und außerdem sei Um- weltmedizin weit fachübergrei- fend: Strahlenheilkunde und inne- re Medizin seien ebenso beteiligt wie HNO, Psychiatrie und andere Disziplinen.

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 21 vom 21. Mai 1986 (27) 1511

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Umwelt und Gesundheit

In der Weiterbildung ging es um die Richtlinien beim „Arzt für Hy- giene": Hier soll die Umwelthygie- ne schwerpunktmäßig berücksich- tigt werden (angenommener An- trag von Prof. Dr. Dr. Dieter Adam

— Bayern). An der Universität liege die Kompetenz auch beim Hygie- niker, bemerkte Prof. 'Jr. Ulrich Kanzow (Nordrhein).

In der Fortbildung soll die Bundes- ärztekammer mit gutem Beispiel vorangehen. Zwar soll nicht all- jährlich ein ganzer Kongreß der Umwelt gewidmet werden (abge- lehnter Antrag von Dr. Becker — Berlin), aber auf Vorschlag von Dr.

Karl Nicklas (Hessen) soll das Pro- blem „Umwelt und Gesundheit"

nach Möglichkeit in den Themen- katalogen dieser Kongresse er- scheinen.

Für die Praxis ist eine Entschlie- ßung bedeutsam, die an die Kran- kenhausträger appelliert: Sie sol- len wissenschaftliche Untersu- chungen über Umwelteinflüsse auf Patienten in den Krankenhäu- sern dadurch ermöglichen, daß sie dies zur Dienstaufgabe der Kran- kenhausärzte machen und dafür, wenn erforderlich, auch die Stel- lenpläne ergänzen. Dies war die Reaktion des Ärztetages auf die Klage des Referenten Prof. Schlip- köter, daß zu wenig Antworten auf die Umfragen der Epidemiologen eingingen (die angenommenen Anträge sind nach diesem Bericht im Wortlaut dokumentiert).

Eine kurze Debatte gab es noch einmal zu Anträgen im Zusam- menhang mit dem Atomunglück in der UdSSR. Ein Antrag von Dr. Ot- frid Schaefer (Hessen), der ange- nommen wurde, verlangt von allen Regierungen in Ost und West, die Öffentlichkeit schnell, sachlich und erschöpfend zu informieren, und betont die Wichtigkeit des Ka- tastrophenschutzes und der ent- sprechenden gesetzlichen Rege- lungen auch in Friedenszeiten. Ein anderer, von Dr. Ernst Theodor Meyer (Bayern) eingebrachter und angenommener Antrag verlangt von allen Regierungen, nur Atom-

reaktoren der höchsten Sicher- heitsstufe zuzulassen. Abgelehnt wurde mit großer Mehrheit die Forderung von Dr. Köppl aus Ber- lin, in der Bundesrepublik ein

„atompolitisches Moratorium"

einzuhalten, um alternative und ungefährlichere Energiequellen zu suchen (von der Sowjetunion verlangt der gleiche Antrag ledig- lich die Stillegung der Kraftwerke vom Typ Tschernobyl).

Beinahe wäre es zu einer längeren agrarpolitischen Debatte gekom- men: Dr. Klaus-Dieter Kossow, Landarzt in Niedersachsen, wies in einem Antrag darauf hin, daß die Landwirtschaft aus ökonomi- schen Gründen dazu gezwungen ist, unökologisch zu arbeiten und das Trinkwasser zu gefährden.

Deshalb sollten die Agrarsubven- tionen so umgeleitet werden, daß sie zur Pflege der landwirtschaft- lichen Umwelt und damit zu neuen Berufsperspektiven der Landwirte beitragen könnten. Dies wurde an- genommen, wobei aber weitere Erörterungen darüber, welche Landwirte — kleine oder große — wie und warum die Umwelt vergif- ten müssen, schließlich vermieden werden konnten.

Schwieriger tat sich der Ärztetag mit der Frage des Fluglärms. Ver- schiedene Anträge dazu wurden schließlich an den Vorstand über- wiesen — hier geht es sowohl um gesetzliche wie gegebenenfalls auch praktische Maßnahmen.

Ebenfalls überwiesen wurden An- träge, der Ärztetag möge für seine Drucksachen nur noch Umwelt- schutzpapier (Recycling-Papier) verwenden, der Deutsche Ärzte- Verlag möge ebenfalls mehr sol- ches Papier benutzen, und der (reichliche) Papierabfall des Ärzte- tages möge eingesammelt und wiederverwertet werden. Beden- ken: Recycling-Papier erfordert mehr Energie, belastet die Abwäs- ser und ist teurer als neues Papier.

Gegenargument: Das kann nicht stimmen, weil Behörden es ja be- nutzen (?). Die vom Ärztetag be- nutzten Druckmaschinen nehmen Umweltpapier nicht an, sagte

Hauptgeschäftsführer Dr. Heinz- Peter Brauer. Der umfangreiche Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer, der einen Katalog von vordringlichen Maß- nahmen enthält, wurde ohne Dis- kussion angenommen. Auch er ist in diesem Heft dokumentiert.

(Und eine Anmerkung der Redak- tion des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES: Sie hat das ganze Um- weltproblem hautnah erlebt. Denn sie saß in einer Baracke unmittel- bar neben einer riesigen Halle des Kongreß-Komplexes, in der an zwei Abenden Rock-Konzerte mit dem entsprechenden Lärm und den üblichen „Hinterlassenschaf- ten" stattfanden . . . ). bt

Umwelt

und Gesundheit

❑ „Der Deutsche Ärztetag stellt fest, daß die Gesundheit der Bevölkerung durch Umweltschadstoffe und durch sich verändernde Lebensgewohnheiten zunehmend gefährdet wird. Die schädi- genden Einflüsse der meisten Stoffe führen insbesondere zu einer Ver- schlechterung bzw. einer Verstärkung bestehender Grundleiden. Für eine wirksame Bekämpfung von Schadstoff- einflüssen auf die menschliche Ge- sundheit sind gesicherte Erkenntnisse über Art und Ausmaß wichtige Voraus- setzung. Im Bereich der wissenschaft- lichen Untersuchungen verdienen die epidemiologische Forschung und die Entwicklung neuer diagnostischer Ver- fahren zur Früherfassung von Risiken nachhaltige Förderung. Der Informa- tionsfluß zwischen Wissenschaft und praktisch tätigen Ärzten muß deshalb zum Schutz der Bürger verbessert wer- den. In diesem Zusammenhang sind die ärztliche Weiter- und Fortbildung um Themen „Umwelt und Gesundheit"

zu ergänzen und zu intensivieren.

Der Schutz von Wasser, Boden und Luft ist eine wesentliche Vorausset- zung für ein gesundes Leben der Men- schen. Die deutschen Ärzte in Praxis, Krankenhaus und öffentlichem Ge- sundheitsdienst müssen sich in ver- mehrtem Maße den Problemen des ge-

1512 (28) Heft 21 vom 21. Mai 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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