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Die Kosten des Klimawandels sind höher als die Kosten des Klimaschutzes | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Wirtschaftswissenschaftliche Stellungnahmen

28 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 9-2007

Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre hat heute schon fast ein Niveau erreicht, welches irreversible Klima- schäden zur Folge haben kann. Durch die Verbrennung von fossiler Energie wie Kohle, Öl und Gas entstehen klimagefährliche Treib- hausgase. Um den Klimawandel einzudäm- men, müssen es die modernen, entwickelten Volkswirtschaften schaffen, die Klimagase drastisch zu vermindern und fossile Energien durch alternative Kraftstoffe ersetzen. Eine Vermeidung des Klimawandels ist nur dann möglich, wenn die Treibhausgasemissionen nahezu auf das heutige Niveau eingefroren werden. Für den Klimawandel hauptverant- wortlich ist das Treibhausgas CO2, das durch die Verbrennung fossiler Energie entsteht.

Weitere Treibhausgase sind Methan und Lach- gas, die vorwiegend durch landwirtschaftliche Produktionsprozesse entstehen. Die weltweit grössten Produzenten von Treibhausgasemis- sionen sind die USA, gefolgt von China, Euro- pa, Russland und Japan.

Ökonomische Komponente des Klimawandels

Der Stern-Bericht hat deutlich gemacht, dass der Klimawandel eine starke ökonomi- sche Komponente beinhaltet. Bis zum Jahre 2100 können Kosten von bis zu 20% des glo- balen Bruttosozialprodukts (BSP) auftreten.

Nach unseren Berechnungen müsste die deut- sche Volkswirtschaft in den kommenden 50 Jahren bis zu 800 Mrd. US-$ für die Behebung von Klimaschäden, erhöhten Energiekosten und Anpassungskosten aufwenden. Mit einer Klimaschutzpolitik, die unverzüglich einsetzt, könnten enorme Schäden vermieden werden.

Würden die Hauptverursacher des Klima- wandels bei einem raschen Ausbau von CO2- freien Techniken kooperieren und gemeinsam einen Emissionshandel einrichten, könnten die Kosten deutlich vermindert werden. Nur 1% der weltweiten Wirtschaftsleistung wäre dazu notwendig, wie der Stern-Bericht bestä- tigt. Damit sind die Kosten des Handelns deutlich geringer als die Kosten des Nichthan- delns.

Extreme Hitzephänomene und Regenfälle waren in den vergangenen Jahren in Europa deutlich sichtbar: In Mittel- und Osteuropa traten im Jahre 2002 ausserordentlich starke

Regenfälle und Überflutungen auf. Im Osten und Süden Deutschlands, im Südwesten Tschechiens, in Österreich und in Ungarn kam es zu starken Überschwemmungen der Do- nau, Elbe, Moldau, Inn und Salzach. Das

«Jahrtausendhochwasser» hat – neben Öster- reich und Tschechien – vor allem Deutschland stark getroffen, wo sich die Schäden auf rund 9,2 Mrd. Euro beliefen.

Im Jahre 2003 litt ganz Europa unter einer extremen Hitzewelle. Die volkswirtschaftli- chen Schäden umfassen Gesundheitsbeein- trächtigungen durch erhöhte Krankheitsge- fahren, Ernteausfälle, Störungen in der Energiebereitstellung und einen Anstieg der Waldbrände. Insgesamt können für das Jahr 2003 wirtschaftliche Schäden der Hitzewelle in Höhe von 10 bis 17 Mrd. Euro für Europa geschätzt werden.

Die Schäden des Hurrikans Katrina werden von den Versicherungsunternehmen auf 200 Mrd. US-$ beziffert, was Wachstumseinbus- sen in den USA in Höhe von 0,2%–0,4% des BSP entspricht. Doch zusätzlich müssen Zer- störungen der Infrastruktur, Krankheits- und Todesfälle durch das Ausbrechen von Seuchen sowie Schäden in der Landwirtschaft und der Ökologie berücksichtigt werden. Die Mittel zur Behebung dieser Schäden, die vom Staat aufzuwenden sind, fehlen dafür an anderer Stelle der Volkswirtschaft. Allerdings können durch den Wiederaufbau beschädigter Infra- struktur gewisse Branchen – wie beispielswei- se die Baubranche – auch profitieren (ca.

+0,1% des BSP im Jahr 2005). Beim Extremer- eignis des Hurrikans Katrina kam erschwe- rend hinzu, dass es durch die Beschädigung von Ölbohrplattformen zu Angebotsausfällen kam und damit der Ölpreis stark angestiegen ist. Würde man dies alles hinzurechnen, wären die ökonomischen Schäden auf ca. 450 Mrd.

US-$ zu beziffern; das sind ca. 2%–3% des BSP der USA im Jahre 2005.

Klimaschutz mit technologischen Kooperationen

Derzeit existiert eine lange Liste an techno- logischen Optionen zur Emissionsminde- rung. Verbesserungen der Energieeffizienz – etwa durch gezielte Isolierungen bei Gebäuden – können zu geringen Kosten sowohl in der Energieerzeugung als auch im Verbrauch bei-

Die Kosten des Klimawandels sind höher als die Kosten des Klimaschutzes

Prof. Dr. Claudia Kemfert Leiterin Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt (EVU), Deutsches Institut für Wirtschafts- forschung, Berlin, Professorin für Umwelt- ökonomik, Humboldt Universität Berlin ckemfert@diw.de kemfert@wiwi.hu-berlin.de

Der für sehr viel Aufmerksamkeit sorgende Bericht der britischen Regierung unter der Schirmherr- schaft von Sir Nicolas Stern hat die weltweiten Effekte des Klima- wandels berechnet und kommt zum Schluss, dass die volkswirt- schaftlichen Kosten erheblich sein könnten. Manche Regionen in der Welt sind stärker vom Kli- mawandel betroffen als andere.

In Nordamerika sind vermehrt Hurrikane und Tornados mit extremen Windintensitäten zu erwarten, wohingegen in Asien Überschwemmungen wahrschein- licher sind. In Europa ist in Zu- kunft neben extremen Hitze-Er- eignissen und Fluten auch mit starken Stürmen, in den Alpenre- gionen unter anderem mit ver- mehrten Steinschlägen, Murgän- gen und Lawinen zu rechnen.

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Wirtschaftswissenschaftliche Stellungnahmen

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tragen. Zudem werden künftig die erneuerba- ren Energien eine immer bedeutsamere Rolle spielen, und dies sowohl in der Strom- und Wärmeerzeugung als auch im Transportbe- reich. Schliesslich können künftig weitere, in- novative Technologien zum Einsatz kommen, wie die Abscheidung und Einlagerung von CO2-Emissionen in der Erdkruste. Da derarti- ge innovative Technologien der Schlüssel für Klimaschutz und Versorgungssicherheit sind, ist es zum einen wichtig, die Ausgaben zur Erforschung und zur Entwicklung dieser Technologien deutlich zu erhöhen. Zum an- deren müssen weltweite Kooperationen zum Ausbau CO2-freier und sicherer Techniken stattfinden.

Verbindliche Emissionsminderungsziele geben die notwendigen Signale und führen damit zu einer frühzeitig kosteneffizienten Investition. Wenn beispielsweise der Emissi- onshandelspreis auf über 30 Euro pro Tonne Kohlenstoff ansteigt, kann die Technologie der CO2-Abscheidung und -einlagerung im Ver- gleich zu herkömmlicher fossiler Energieer- zeugung durchaus rentabel werden. Durch die Knappheit von Öl und Gas wird es in den kommenden zwei Dekaden zu erheblichen Preissteigerungen beider Rohstoffe kommen.

Damit können emissionsarme Technologien schnell kosteneffizient werden.

Sowohl aus der Perspektive des Klima- schutzes als auch der Kosteneffizienz sind globale Aktivitäten notwendig. Gezielte Koo- perationen in technologische Entwicklungen

können Anreize schaffen, einem Klimaschutz- abkommen beizutreten. Zudem können da- mit technologische Durchbrüche hin zu einer CO2-freien, umweltverträglichen und siche- ren Energieversorgung geschaffen werden.

Die gezielte Kooperation in technologische Entwicklungen ist gerade für stark wachsende Volkswirtschaften wie China und Indien be- sonders wichtig.

Fazit

Um den Klimawandel abzumildern oder gar zu verhindern, müssen die Treibhaus- gasemissionen drastisch gesenkt werden.

Klimaexperten gehen davon aus, dass eine Reduktion der Treibhausgase um 60% bis 80% bis zum Jahre 2100 notwendig wäre.

Aufgrund der Langlebigkeit der Treibhaus- gase in der Atmosphäre müssen die ver- antwortlichen Staaten möglichst schnell mit dieser starken Reduktion beginnen. Eine wirksame Klimaschutzpolitik muss vor allem Ländern mit hohen Treibhausgasemissionen verbindliche Ziele zur Emissionsvermeidung abverlangen. Mit dem Inkrafttreten des Kyo- to-Protokolls haben sich zwar die meisten Industrieländer zu einer – insgesamt sehr moderaten – Reduktion ihrer Treibhausgase- missionen bis zur Periode 2008–2012 ver- pflichtet. Allerdings verlaufen die Bemühun- gen um wirksame international abgestimmte Klimaschutzmassnahmen zäh, und es er- scheint zweifelhaft, ob es gelingen wird, kon- krete und verbindliche Emissionsziele auch für die Zeit nach dem Ende der ersten Ver- pflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls im Jahre 2012 durchzusetzen. Während Deutsch- land und die EU auf bindende Verpflichtun- gen zum Klimaschutz drängen und selbst be- reits zahlreiche Massnahmen ergriffen haben, verweigern sich andere Länder – u.a. die USA und China – diesen Forderungen. Nur wenn es gelingt, im Rahmen internationaler Klima- schutzpolitik so zu kooperieren, dass Klima- schutzziele zu möglichst geringen Kosten er- reicht werden, wird es mittel- bis langfristig möglich sein, Nationen mit hohen Emissio- nen in ein Klimaschutzabkommen einzubin- den. Insbesondere können Kooperationen zum Ausbau umweltfreundlicher und sicherer Energietechnologien der Schlüssel für einen kostengünstigen Klimaschutz sein.

Kasten 1

Literatur

– Edenhofer, O., Lessmann, K., Kemfert, C., Grubb, M., Koehler, J. (2006): Induced Technological Change: Exploring its Impli- cations for the Economics of Atmospheric Stabilization. In: The Energy Journal 27, Special Issue, S. 57–107.

– Kemfert, Claudia, und Katja Schumacher (2005): Costs of Inaction and Costs of Ac- tion in Climate Protection: Assessment of Costs of Inaction or Delayed Action of Cli- mate Protection and Climate Change, Final Report. Project FKZ 904 41 362 for the Fe- deral Ministry for the Environment, Berlin 2005. (In: Politikberatung kompakt 13.

DIW Berlin).

– Kemfert, C. (2005): Weltweiter Klima- schutz – sofortiges Handeln spart hohe Kosten. In: Wochenbericht des DIW Berlin, Nr. 12/2005.

– Kemfert, C. (2007): Der Klimawandel kos- tet die deutsche Volkswirtschaft Milliar- den. In: Wochenbericht des DIW Berlin, Nr.

13/2007.

– Stern, N. (2006): The Stern Review: The Economics of Climate Change. Cambridge University Press 2006.

In % des BIP

Anstieg in Grad Celsius

Tol Kemfert Stern

Naturwissenschaftler Umweltwissenschaftler Sozialwissenschaftler Nordhaus

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Quelle: Kemfert / Die Volkswirtschaft Grafik 1

Schäden durch Klimawandel bei Temperaturerhöhung

Referenzen

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