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Politische Bildung im Sachunterricht Eine Schulbuchanalyse

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Academic year: 2022

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Institut für Grundschuldidaktik und Sachunterricht Stiftung Universität Hildesheim

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Education (M. Ed.)

Politische Bildung im Sachunterricht – Eine Schulbuchanalyse

Betreuerin/ Erstgutachterin: Prof. Dr. Katrin Hauenschild

Zweitgutachter: Bernd Franke

Vorname, Nachname: Markus Hoffmann

Abgabedatum: 21.07.2021

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Inhalt

1 Einleitung ... 1

2 Sachunterricht ... 2

2.1 Aufgaben und Ziele des Sachunterrichts ... 2

2.2 Didaktisch-methodische Prinzipien des Sachunterrichts ... 5

3 Politische Bildung im Sachunterricht ... 7

3.1 Was ist Politik? – Definitorische Ansätze der Politikwissenschaft ... 7

3.2 Entwicklungslinien der politischen Bildung ... 10

3.3 Aufgaben und Ziele der politischen Bildung ... 12

3.4 Didaktisch-methodische Prinzipien der politischen Bildung ... 22

4 Zusammenfassung und Begründung der Forschungsfrage ... 26

5 Methodologische Grundlagen ... 28

5.1 Was ist ein Schulbuch? ... 28

5.2 Schulbuchanalyse ... 30

5.3 Inhaltsanalyse ... 31

5.4 Stichprobenauswahl ... 33

5.5 Vorstellung und Begründung des eingesetzten Erhebungsinstrumentes ... 33

6 Analyse ... 38

6.1 Pusteblume ... 38

6.1.1 Pusteblume 1 ... 38

6.1.2 Pusteblume 2 ... 38

6.1.3 Pusteblume 3 ... 43

6.1.4 Pusteblume 4 ... 50

6.2 Niko ... 52

6.2.1 Niko 1/2 ... 52

6.2.2 Niko 3 ... 54

6.2.3 Niko 4 ... 57

6.3 Jo-Jo ... 61

6.3.1 Jo-Jo 2 ... 62

(3)

6.3.2 Jo-Jo 3 ... 62

6.3.3 Jo-Jo 4 ... 68

7 Ergebnisse ... 73

8 Fazit ... 78

9 Literaturverzeichnis ... 81 Anhang

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Dimensionen der Politikkompetenz; In: Detjen, Joachim; Massing, Peter;

Richter, Dagmar; Weißeno, Georg (2012): Politikkompetenz – ein Modell. Wiesbaden: Springer VS, S. 13. ... 14 Abbildung 2: Basis- und Fachkonzepte der Politik; In: Detjen, Joachim; Massing, Peter;

Richter, Dagmar; Weißeno, Georg (2012): Politikkompetenz – ein Modell. Wiesbaden: Springer VS, S. 31.1 ... 16 Abbildung 3: Ausschnitt aus Pusteblume 2, S. 103; In: Kraft, Dieter u.a. (2017b): Pusteblume.

Das Sachbuch 2. Braunschweig: Westermann/ Schroedel [978-3-507-45970-0], S. 103. ... 39 Abbildung 4: Ausschnitt aus Pusteblume 2, S. 117; In: Kraft, Dieter u.a. (2017b): Pusteblume.

Das Sachbuch 2. Braunschweig: Westermann/ Schroedel [978-3-507-45970-0], S. 117. ... 42 Abbildung 5: Ausschnitt aus Pusteblume 3, S. 123; In: Kraft, Dieter u.a. (2019a): Pusteblume.

Das Sachbuch 3. Braunschweig: Westermann/ Schroedel [978-3-507-45971-7], S. 123. ... 48 Abbildung 6: Ausschnitt aus Niko 3, S. 13; In: Birchinger, Julia u.a. (2018a): Niko 3.

Sachbuch. Stuttgart: Ernst Klett Verlag [978-3-12-310605-7], S. 13. ... 56 Abbildung 7: Ausschnitt aus Niko 4, S. 13; In: Birchinger, Julia u.a. (2018b): Niko 4.

Sachbuch. Stuttgart: Ernst Klett Verlag [978-3-12-310608-8], S. 13.3 ... 60 Abbildung 8: Ausschnitt aus Jo-Jo 3, S. 22; In: Christ, Anna u.a. (2016b): Jo-Jo.

Sachunterricht 3. Ausgabe N. Berlin: Cornelsen [978-3-06-083383-2], S. 22. ... 66 Abbildung 9: Ausschnitt aus Jo-Jo 3, S. 94-95; In: Christ, Anna u.a. (2016b): Jo-Jo.

Sachunterricht 3. Ausgabe N. Berlin: Cornelsen [978-3-06-083383-2], S. 94-95.. ... 68 Abbildung 10: Ausschnitt aus Jo-Jo 4, S. 35; In: Christ, Anna u.a. (2014): Jo-Jo.

Sachunterricht 4. Ausgabe N. Berlin: Cornelsen [978-3-06-083384-9], S. 35. ... 73

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1 Einleitung

„Für die Griechen der Antike ist der Mensch – wie Aristoteles es ausdrückt – ein zoon politikon, ein politisches Lebewesen“ (Schwarz/ Breier/ Nitschke 2015, S. 136). Der Mensch als ein politi- sches Lebewesen gestaltet sein Lebensumfeld (vgl. ebd., S. 137). In einer Demokratie kommt diese Gestaltungsaufgabe allen Menschen zu. Die politische Bildung hat das Ziel, die Menschen bei dieser Aufgabe zu unterstützen (vgl. Nitschke 2020, S. 75). Die Relevanz der politischen Bildung ist deutlich. Weniger eindeutig in der Wissenschaft war lange Zeit der Diskurs über das Alter, in welchem mit der politischen Bildung begonnen werden soll. Die Wissenschaft hat mitt- lerweile herausgefunden, dass Kinder schon in der Vorschule politische Phänomene wahrneh- men und in der Grundschulzeit weitreichende politische Kenntnisse erwerben (vgl. Richter 2015, S. 161). Die politische Sozialisation findet dabei durch Familie, Medien und Schule statt (vgl.

Asal/ Burth 2016, S. 115). Insbesondere Medien haben häufig schon einen großen Einfluss auf die politische Sozialisation, sodass eine kritische Einordnung des in den Medien vermittelten Wissens in der Schule sinnvoll ist (vgl. ebd., S. 120). Entsprechend der Kenntnisse ist die politi- sche Bildung eine Aufgabe der Grundschule, welche im Fach Sachunterricht umgesetzt werden soll (vgl. Richter 2015, S. 159). Dennoch hält sich die Vermutung, dass Politik für Kinder ein zu komplexes Phänomen ist, weshalb die politische Bildung im Sachunterricht der Grundschule weiterhin eine vernachlässigte Disziplin ist (vgl. Götzmann 2015, S. 7). Dies spiegelt sich ent- sprechend auch in Sachunterrichtsschulbüchern wieder. Wissenschaftliche Untersuchungen ver- gangener Jahre zeigen, dass es sowohl qualitative (vgl. Weißeno 2004, S. 218 ff.) als auch quan- titative Mängel (vgl. Blaseio 2004, S. 233) in Sachunterrichtsschulbüchern hinsichtlich politi- scher Bildung gibt. Entsprechende Materialien sind für die politische Bildung in der Grundschule allerdings wichtig, insbesondere für fachfremde Lehrende (vgl. Asal/ Burth 2016, S. 122). Hinzu kommt, dass Schulbücher einen großen Einfluss auf die unterrichtliche Gestaltung haben (vgl.

Jürgens 2009, S. 308).

Der vermeintlich geringe Stellenwert der politischen Bildung an der Grundschule trotz der wis- senschaftlich begründeten Relevanz und die länger zurückliegenden Forschungsergebnisse, die qualitative und quantitative Mängel hinsichtlich der Aufbereitung politischer Bildung in Sachun- terrichtsschulbüchern zeigen, machen neue oder neuaufgelegte Schulbücher im Sachunterricht interessant. Ziel muss es sein, für den Sachunterricht und die politische Bildung geeignete Schulbücher zu entwickeln. Daher gilt es, aktuell zugelassene Lehrwerke zu prüfen. Zum einen kann hierdurch festgestellt werden, ob sich Qualität und Quantität der Inhalte verbessert haben und zum anderen können mögliche Mängel aufgezeigt werden. Hieraus ergibt sich die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit: „Eignen sich die aktuell zugelassenen Sachunterrichts- schulbücher für die politische Bildung im Sachunterricht?“

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Zur Beantwortung der Fragestellung befasst sich diese Arbeit zunächst mit den Aufgaben und Zielen des Sachunterrichts sowie den didaktischen und methodischen Maßstäben, die vom Fach Sachunterricht vorgegeben werden. Neben diesen Kriterien muss sich die politische Bildung im Sachunterricht an politikwissenschaftlichen Kompetenzen orientieren. Weiterhin macht auch die Politikwissenschaft eigene didaktische und methodische Vorgaben an den Unterricht. Aus diesen theoretischen Bezugspunkten können Kriterien zur Überprüfung von Schulbüchern in Nieder- sachsen hinsichtlich der Forschungsfrage entwickelt werden. Auf dieser Basis werden anschlie- ßend die entsprechenden Schulbücher untersucht, um die Forschungsfrage dieser Arbeit zu be- antworten.

2 Sachunterricht

2.1 Aufgaben und Ziele des Sachunterrichts

Der Referenzrahmen für den Sachunterricht ist der Bereich der Bildung (vgl. Götz et al. 2015, S.

14). Die Bildung im Sachunterricht ist dabei eng verbunden mit der Grundschule (vgl. Köhnlein 2015, S. 88). Auch der Sachunterricht greift die grundlegende Bildungsarbeit, die an der Grund- schule geleistet wird, auf (vgl. Köhnlein 2012, S. 145). Dieser Beitrag des Sachunterrichts zur grundlegenden Bildung wirkt sich unmittelbar auf die Aufgaben und Ziele des Sachunterrichts aus (vgl. Köhnlein 2015, S. 88). „[…] [G]rundlegende Bildung umfasst nicht nur kognitives Ler- nen im Bereich von Wissen und Kompetenz, sondern bezieht sich auch auf motivationale, ästhe- tische und moralische Komponenten der Persönlichkeitsentwicklung“ (Köhnlein 2012, S. 250).

Grundlegende Bildung zielt somit auf alle Dimensionen menschlicher Interessen und Fähigkei- ten ab und bildet so auch einen Orientierungsmaßstab für die Grundschule (vgl. Klafki 1993, S.

3). Hier zeigt sich auch die gesellschaftliche Bedeutung der grundlegenden Bildung. Für die Ge- sellschaft sind gemeinsame Kompetenzen und normative Übereinstimmungen erforderlich, um eine Basis an gemeinsamen Werten zu schaffen. Denn durch grundlegende Bildung kann die multikulturelle Komplexität der Gesellschaft von ihren Individuen verarbeitet werden (vgl.

Köhnlein 2015, S. 89). Folglich zielt grundlegende Bildung als notwendige Bedingung für de- mokratische Beteiligung auch auf eine Konsensbildung innerhalb der Gesellschaft ab. Gleichzei- tig schafft sie Perspektiven im privaten und gesellschaftlichen Bereich (vgl. ebd.).

Die Aufgaben und Ziele des Sachunterrichts sind durch diesen Bildungsbegriff bedingt. Als Aufgaben des Sachunterrichts werden die in den verschiedenen Kerncurricula der Bundesländer genannten Kompetenzen verstanden. Diese Aufgaben sollen zweckdienlich sein, das heißt, den Kompetenzen werden entsprechende Ziele zugeordnet. Diese Ziele können beispielsweise aus dem Bildungsbegriff ableitet werden (vgl. Köhnlein 2015, S. 88). Die Gesellschaft für die Didak- tik des Sachunterrichts (im Folgenden abgekürzt durch GDSU) formuliert weitere Aufgaben und

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Ziele neben der grundlegenden Bildung. Eine Kernaufgabe des Sachunterrichts ist es, die „[…]

Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen, ihre natürliche, kulturelle, soziale und techni- sche Umwelt sachbezogen zu verstehen, sie sich auf dieser Grundlage bildungswirksam zu er- schließen und sich darin zu orientieren, mitzuwirken und zu handeln“ (GDSU 2013, S. 9). Zu dieser Aufgabe hinzu kommt die sogenannte doppelte Anschlussaufgabe des Sachunterrichts.

Ausgangspunkt für sachunterrichtliche Lernprozesse sind die Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse, welche die Kinder in ihrer bisherigen Biografie erworben haben. Diese Ausgangs- punkte werden im Sachunterricht wiederum so aufbereitet, dass sie auch Ausgangspunkt für das weiterführende Lernen sein können (vgl. ebd., S. 9 f.). Der Sachunterricht schließt somit sowohl an die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler an als auch an das Wissen, welches in den Fachkulturen erarbeitet wird (vgl. ebd., S. 10). Der Sachunterricht gliedert seine Inhalte durch unterschiedliche Perspektiven (vgl. Köhnlein 2015, S. 91). Übergreifend zu diesen Per- spektiven hat der Sachunterricht folgende Aufgaben: „[…] Aufbau von Wissen und Können (Kompetenzen), die Öffnung von Denkräumen (Weltverstehen), das Erfassen von Repräsentati- onsformen und Kategorien (Konzepte), die Einführung in Problemlösungsstrategien und Ar- beitstechniken (Verfahren und Methoden) und die Anbahnung von Haltungen (Werte und Nor- men) […]“ (ebd., S. 91 f.). Diese Aufgabenbereiche sind eng miteinander verknüpft (vgl. ebd., S.

92). Gleichzeitig finden sie sich auch im niedersächsischen Kerncurriculum wieder. Dieses schreibt dem Sachunterricht die Aufgabe zu, „[…] grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten, Fer- tigkeiten und Haltungen […]“ zu vermitteln (Niedersächsisches Kultusministerium 2017, S. 5).

Anknüpfend an die Aufgabenbereiche des Sachunterrichts lassen sich verschiedene Leitziele des Sachunterrichts formulieren. Diese sind „[…] Mündigkeit und Handlungskompetenz, Moralität und Sachlichkeit, Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft“ (Köhnlein 2015, S.

95). Verbunden mit diesen Leitzielen sind verschiedene Zielperspektiven, die auf die epochalty- pischen Schlüsselprobleme nach Klafki zurückgehen. Diese gehen über den Bereich der Grund- schule hinaus, können aber exemplarisch im Sachunterricht zugänglich gemacht werden (vgl.

ebd.), denn Kinder sind, ob bewusst oder unbewusst, direkt oder indirekt, bereits von diesen Problemen betroffen (vgl. Klafki 1993, S. 5).

Die Ordnung der Inhalte des Sachunterrichts in verschiedene Perspektiven wird als vielperspek- tivischer Sachunterricht bezeichnet (vgl. Thomas 2015, S. 254). Sie geht zurück auf Walter Köhnlein und später auch Joachim Kahlert (vgl. Thomas 2018, S. 108). Köhnlein stellt neun Di- mensionen des Sachunterrichts vor mit dem Ziel, die sachunterrichtlichen Inhalte zu gliedern (vgl. Köhnlein 2012, S. 64). Eine andere vielperspektivische Gliederung des Sachunterrichts findet sich im Perspektivrahmen der GDSU wieder. Angelehnt an die dimensionale Gliederung nach Köhnlein finden sich hier fünf verschiedene Perspektiven des Sachunterrichts zur inhaltli-

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chen Gliederung (vgl. Thomas 2018, 108; 116 f.). Neben der inhaltlichen Gliederung werden auch Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen zu den entsprechenden Perspektiven dargelegt (vgl.

Hartinger/ Giest 2015, S. 260 f.). Für die Inhalte und Verfahren werden somit jeweils deklarative (Themenbereiche) und prozedurale (Denk,- Arbeits- und Handlungsweisen) Kompetenzen for- muliert (vgl. ebd., S. 259). Zu diesen perspektivenbezogenen Kompetenzen formuliert die GDSU perspektivenvernetzende Bereiche und perspektivenübergreifende Denk-, Arbeits- und Hand- lungsweisen (vgl. GDSU 2013, S. 15 ff.), die sich ebenfalls an Kompetenzen orientieren (vgl.

Hartinger/ Giest 2015, S. 260). Diese didaktisch-methodische Strukturierung des Sachunterrichts innerhalb des Perspektivrahmens findet sich vermehrt in den verschiedenen Lehrplänen der Bun- desländer wieder, sodass der Perspektivrahmen der GDSU eine wichtige bundesländerübergrei- fende Grundkonzeption des Sachunterrichts kennzeichnet (vgl. ebd., S. 262). Die Perspektiven des Sachunterrichts sind an die Erkenntnisse aus den entsprechenden Fachkulturen angelehnt.

Die GDSU stellt die fünf folgenden Perspektiven auf: sozialwissenschaftliche Perspektive, na- turwissenschaftliche Perspektive, geographische Perspektive, historische Perspektive und techni- sche Perspektive (vgl. GDSU 2013, S. 14). Diese Perspektiven werden bei der Aufbereitung sa- chunterrichtlicher Inhalte keineswegs einzeln gedacht, sondern sollen miteinander vernetzt wer- den (vgl. ebd., S. 15). Dies geschieht auch durch die beispielhaft aufgestellten perspektivenver- netzenden Themenbereiche: Mobilität, nachhaltige Entwicklung, Gesundheit und Gesundheits- prophylaxe und Medien (vgl. ebd., S. 6). Neben diesen Themenbereichen gibt es Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen die perspektivenübergreifend angewendet werden können. Die GDSU formuliert sie wie folgt: „Erkennen/Verstehen“, „Eigenständig arbeiten“, „Evaluieren/ Reflektie- ren“, „Kommunizieren/ Mit anderen zusammenarbeiten“, „den Sachen interessiert begegnen“ und „Umsetzen/ Handeln“ (vgl. ebd., S. 5). Diese Form der Strukturierung zusammengefasst in perspektivenbezogene und perspektivenübergreifende Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen sowie perspektivenbezogene und perspektivenvernetzende Themenbereiche, zielt darauf ab, die komplexen Probleme und Fragestellungen der Welt angemessen, das heißt aus verschiedenen Blickwinkeln (Perspektiven), zu betrachten (vgl. ebd., S. 15). Dieses Vorgehen ist mit Blick auf die Lernvoraussetzungen der Kinder angemessen, da kindliche Erfahrungen und Interessen viel- fältiger sind, als dass sie sich einzelnen Perspektiven zuteilen lassen (vgl. ebd.).

Blickt man auf das niedersächsische Kerncurriculum für den Sachunterricht, wird die Nähe zum Perspektivrahmen sehr deutlich. Das Kerncurriculum strukturiert sich ebenfalls nach fünf Per- spektiven, welche sehr ähnlich angelegt sind und ebenfalls fachwissenschaftliche Bezüge auf- weisen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2017, S. 5). Unterschiede bestehen bei den prozessbezogenen Kompetenzen, die nicht wie die inhaltsbezogenen Kompetenzen einzelnen Perspektiven zugeordnet werden (vgl. ebd., S. 8). Außerdem werden Bereiche, die bei der GDSU

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als perspektivenübergreifend bezeichnet werden, im Kerncurriculum als fächerübergreifende Bereiche deklariert (vgl. ebd., S. 13 ff.).

Richtet man den Blick zurück auf die übergeordneten Ziele des Sachunterrichts so lassen diese sich nach Kahlert in vier Punkten zusammenfassen: „[…] [Der] Sachunterricht [lässt sich] als der Lernbereich der Grundschule bezeichnen, der Kinder dabei unterstützen soll

– sich sachgemäßes Wissen über die soziale, natürliche und technisch gestaltete Umwelt anzueignen;

– sinnvolle und bewährte Zugangsweisen, Methoden und Arbeitsformen zu erwerben, um dieses Wissen zunehmend selbstständig aufzubauen, zu prüfen und anwenden zu können;

– sich unter Berücksichtigung dieses Wissens und Könnens in der modernen Gesellschaft zunehmend selbstständig und verantwortlich zu orientieren, das heißt, in gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen kompetent zu urteilen und zu handeln – verständig in der Sache und verantwortungsvoll in der Wahl von Zielen und Mitteln;

– anschlussfähige Grundlagen für den Unterricht in weiterführenden Sachfächern bzw.

Lernbereichen im schulischen Bildungsgang aufzubauen“ (Kahlert 2016, S. 29).

2.2 Didaktisch-methodische Prinzipien des Sachunterrichts

„Ausgangspunkt sachunterrichtlicher Lernprozesse sind die Erfahrungen und die Lebenswelt der Kinder“ (GDSU 2013, S. 10). Schon dieser Satz betont den didaktischen Stellenwert von Kind und Lebenswelt. Unterrichtsinhalte im Sachunterricht sollten immer einen Bezug zur Lebenswelt der Kinder haben (vgl. Nießeler 2015, S. 28). Sie steht somit in einem engen Zusammenhang mit einer Kindorientierung. Diese ist im Sachunterricht unumstritten. Das Kind ist der Adressat der sachunterrichtlichen Lernprozesse (vgl. Fölling-Albers 2015, S. 31). In seiner herausragenden Rolle für den Sachunterricht verlangt das Kind den Aufgriff lebensweltlicher Bezüge (vgl. Köhn- lein 1996, S. 56). Neben dem Lebensweltbezug sind auch die Bedürfnisse, Handlungs- und Er- kenntnisinteressen, Fähigkeiten und die geistige Struktur wichtige Facetten eines kindgemäßen Sachunterrichts (vgl. ebd.). Das Kind oder die Kindgemäßheit können jedoch nicht alleine als didaktische Kategorie stehen, denn ausgehend vom Kind geht es im Sachunterricht um die Er- schließung von Sachen (vgl. Fölling-Albers 2015, S. 34). Die Schülerinnen und Schüler sollen zu Einsichten gelangen, die eine wissenschaftliche Tragfähigkeit aufweisen (vgl. Köhnlein 1996, S.

56). In der Grundschule geht es zunächst darum diese wissenschaftlich tragfähigen Einsichten anzubahnen, um sie im Sekundarbereich dann sukzessive zum eigentlichen Unterrichtsgegen- stand zu machen (vgl. Thomas 2015, S. 237). Über didaktische Reduktionen kann ein Zugang zu den entsprechenden Lerninhalten geschaffen werden, beachtet werden muss jedoch, dass die Sachzusammenhänge des Lerninhalts dadurch nicht verfälscht werden (vgl. ebd., S. 240). Diese

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Hinwendung zu wissenschaftlichen Perspektiven erzeugt ein Spannungsfeld zwischen Sache und Kind (vgl. Köhnlein 1996, S. 57). Zur Bewältigung dieses Spannungsfeldes dienen einerseits die Perspektiven des Sachunterrichts und der Rückbezug auf die kindliche Lebenswelt im Sinne des genetischen Prinzips. Hieraus ergeben sich das genetische Prinzip und die Exemplarität als wei- tere Prinzipien des Sachunterrichts (vgl. Thomas 2015, S. 239 f.). Beide Prinzipien sind eng mit- einander verbunden (vgl. ebd., S. 58). Das genetische Prinzip zielt darauf ab, einen neuen Lern- gegenstand mit dem bereits vorhandenen Wissen der Schülerinnen und Schüler zu verknüpfen (vgl. Fölling-Albers 2015, S. 34). Hierdurch wird auch eine Überprüfung der eigenen Vorstel- lungen der Kinder vorgenommen (vgl. Kahlert 2016, S. 60). Nach Wagenschein geht es um eine

„[…] Verknüpfung des Erlernten mit der erlebten Wirklichkeit […]“ (Möller 2015, S. 243). Die Umsetzung des genetischen Prinzips erfolgt häufig durch ein exemplarisches Vorgehen. Für das exemplarische Lernen werden bedeutsame Beispiele gewählt, die Zugänge zu konkreten Phäno- menen ermöglichen (vgl. Köhnlein 1996, S. 59). Durch das Erleben der Beispiele wird das Ler- nen vertieft und fundiert (vgl. ebd., S. 60). Die vielperspektivische Konzeption des Sachunter- richts nimmt einen direkten Einfluss auf die Didaktik des Sachunterrichts. Inhalte und Verfahren des Sachunterrichts können zwar einen Schwerpunkt in einer bestimmten Perspektive haben, aber eine isolierte Betrachtung einer einzelnen Perspektive ist im Sachunterricht nicht vorgese- hen (vgl. GDSU 2013, S. 15). Hinzu kommt, dass selbst die einzelnen Perspektiven des Sachun- terrichts unterschiedliche Fachdisziplinen abbilden. So schließt die sozialwissenschaftliche Per- spektive Politik, Wirtschaft und Soziales ein, sodass sie in sich vielperspektivisch ist (vgl. ebd., S. 27 f.). Die vielperspektivische Aufbereitung von Inhalten ist darüber hinaus notwendig, um der Komplexität der im Sachunterricht behandelten Probleme und Fragestellungen gerecht zu werden (vgl. ebd., S. 15; Kapitel 2.1).

Methodisch führt der Sachunterricht zurück auf eine ausgeprägte und vielfältige Methodenkultur.

Methoden spielen eine essenzielle Rolle für die menschlichen Bildungsprozesse. Besonders in der Grundschule kann im Sachunterricht schon frühzeitig der Grundstein für eine Methodenori- entierung, die das lebenslange Lernen unterstützt, gelegt werden (vgl. von Reeken 2017, S. 10 f.). Mit Blick auf den Perspektivrahmen der GDSU lässt sich konstatieren, dass Verfahren (Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen) sowie Inhalte (Themenbereiche) gleichwertig betrachtet werden. Der Stellenwert von Methoden für den Sachunterricht wird auch an dieser Stelle erneut deutlich (vgl. ebd., S. 12). Auch Klafki erhebt das methodenorientierte Lernen zum Unterrichts- prinzip (vgl. 1993, S. 6). Sachunterrichtliche Methoden müssen immer an sachunterrichtliche Inhalte gebunden sein. Durch eine Vergrößerung des Stellenwerts von Methoden wird der Sach- unterricht keinesfalls inhaltsleer (vgl. von Reeken 2017, S. 14). Für den sinnvollen Einsatz von Methoden muss deshalb auch eine entsprechende didaktische Begründung vorgenommen werden

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(vgl. Kahlert 2016, S. 202). Der Einsatz von Methoden kann im Sinne eines metakognitiven Lernprozesses bereichert werden, indem Kinder ihr methodisches Vorgehen eigenständig reflek- tieren, um Möglichkeiten und Grenzen dieser zur Wissensgenerierung kennenzulernen (vgl. von Reeken 2017, S. 13). Dieses Nachdenken über das eigene Lernen sorgt für eine überdurch- schnittliche Wirksamkeit des Unterrichts (vgl. Einsiedler 2015, S. 389). Nach Kahlert können strukturierende (dramaturgische) und tätigkeitsbezogene methodische Entscheidungen getroffen werden (vgl. 2016, S. 206). Strukturierende Methoden ordnen den Unterricht, während tätig- keitsbezogene Methoden den Fokus darauf legen, wie etwas geschehen soll (vgl. ebd.). Struktu- rierende Methoden sollen zunächst das Interesse der Schülerinnen und Schüler wecken und in ein Anliegen überführen. Dieses soll anschließend bearbeitet und muss folglich geplant und durchgeführt werden. Abschließend sollte eine Reflexion des Ergebnisses stattfinden (vgl. ebd., S. 206 ff.). Tätigkeitsbezogene Methoden sollen freier angelegt sein, indem Kindern der Raum gegeben wird, die Wirklichkeit nach ihren individuellen Lernbedürfnissen und ihrer individuel- len Auffassungsgabe zu entdecken (vgl. ebd., S. 209). Hierfür kann sich auf methodische Vorer- fahrungen gestützt werden. Schlussendlich ermöglichen tätigkeitsbezogene Methoden ein selbst- gesteuertes Lernen (vgl. von Reeken 2017, S. 13). Im Sinne des Prinzips der Sachgemäßheit greift der Sachunterricht häufig Methoden aus seinen Bezugsdisziplinen auf, dabei muss beachtet werden, dass solche Methoden gleichzeitig auch kindgemäße Zugänge, beispielsweise über die Ästhetik, anbieten müssen (vgl. ebd., S. 13 f.).

3 Politische Bildung im Sachunterricht

3.1 Was ist Politik? – Definitorische Ansätze der Politikwissenschaft

Politik lässt sich aus dem griechischen Wort „polis“ ableiten (vgl. Schubert/ Klein 2020). Die

„polis“ steht für das, was wir heute unter politischer Ordnung verstehen. Sie bildet den instituti- onellen Rahmen für Politik (vgl. Schwarz/ Breier /Nitschke 2015, S. 138). Politik wiederum be- zeichnet grob ausgedrückt alles, was die Bürgerinnen und Bürger betrifft und verpflichtet (vgl.

Schubert/ Klein 2020). Eine genauere Definition von Politik und dem Politischen ist schwierig (vgl. von Reeken 2012, S. 8). Einen einheitlichen Politikbegriff gibt es innerhalb der Politikwis- senschaft nicht und Definitionen sind nicht in der Lage, alle Seiten der politischen Wirklichkeit zu erfassen (vgl. Massing 2007, S. 282; Frech/ Massing 2020b, S. 161). Weit gefasst behandelt Politik „[…] die Ordnung des Zusammenlebens, […] verbindliche Regeln, […] [und] Verfahren und Lebensbereiche, auf die sich das politische Beraten, das politische Entscheiden und das poli- tische Verantworten beziehen“ (Schwarz/ Breier/ Nitschke 2015, S. 135). Politik als Begriff lässt sich nach dieser Zusammenfassung kaum beschränken, denn die Regeln des Zusammenlebens beeinflussen selbst die intimsten Lebensbereiche, wie zum Beispiel die Sexualität oder die Er- ziehung von Kindern (vgl. von Reeken 2012, S. 8). Politik muss sich dabei nicht explizit auf eine

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demokratische Ordnung beziehen, sondern Politik findet auch in anderen Herrschaftsformen statt (vgl. Nitschke 2020, S. 12). Die Politikwissenschaft möchte sich kritisch mit dem Verständnis von Politik auseinandersetzen, folglich ist sie anders als die Politik selbst eine demokratische Wissenschaft, da andere Herrschaftsformen einen kritischen Umgang mit Politik nicht zulassen können (vgl. ebd., S. 13). In der westlichen Welt sind der Politikbegriff und damit auch die Poli- tikwissenschaft geprägt durch Pluralismus (vgl. ebd., S. 14). Dies sorgt dafür, dass politische Prozesse von Konflikten geprägt sind (vgl. Weißeno et al. 2010, S. 30). Dieses Verständnis von Pluralismus birgt auch eine Aufgabe der Politikwissenschaft in sich. Es zeigt, dass politische Handlungen niemals alternativlos sind und diese Alternativen aufzuzeigen, ist eine zentrale Auf- gabe der Politikwissenschaft (vgl. Nitschke 2020, S. 16). Der Mensch spielt innerhalb der Politik eine zentrale Rolle. Der politische Mensch muss „[…] gemeinsam mit Seinesgleichen, das er- fahrbare Lebensumfeld […] gestalten […] (Schwarz/ Breier/ Nitschke 2015, S. 137). In anderen Worten bedeutet dies, politisch mündig zu sein (vgl. ebd.). Zur Gestaltung dieses Lebensumfelds ist die politische Ordnung entscheidend. Sie ist von den Menschen geschaffen und strukturiert das Zusammenleben (vgl. Nitschke 2020, S. 16). Politik bezieht sich somit zum einen sehr stark auf Ordnungsfragen, zum anderen müssen innerhalb dieser Ordnung Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger erfüllt werden. Folglich braucht es inhaltliche Lösungen für gesellschaftliche Prob- leme, die in konflikthaltigen Prozessen gefunden werden müssen. Hieraus ergibt sich das drei- dimensionale Verständnis von Politik (vgl. Weißeno et al 2010, S. 32). Den drei Dimensionen Polity, Policy und Politics können unterschiedliche Kategorien zugeordnet werden (vgl. Detjen 2013, S. 297). Sie dienen der Analyse politischer Abläufe (vgl. Frech/ Massing 2020a, S. 17).

Die Dimension Polity behandelt den Ordnungsaspekt. Dieser gibt einen Rahmen vor, in dem politische Prozesse vollzogen werden. Diesen Rahmen bildet auf staatlicher Ebene die Verfas- sung und auf supranationaler Ebene zeigt er sich beispielsweise durch zwischenstattliche Ab- kommen. Neben der Verfassung ist auch die politische Kultur von Bedeutung für die Ebene der Polity (vgl. Weißeno et al. 2010, S. 32 f.). Hierzu zählen normative Grundfragen wie die Men- schenrechte (vgl. Nitschke 2020, S. 17). Zur Polity-Dimension gehören die Kategorien „[…]

[i]nternationale Abkommen, Verfassung, Gesetze, andere Rechtsnormen, Geschäftsordnungen, Kompetenzen (staatlicher Institutionen) […] [und] politische Kultur“ (Detjen 2013, S. 297).

Die zweite der drei Dimensionen bildet die Ebene der Policy. Policy bezeichnet die Inhalte zur Lösung gesellschaftlicher Probleme (vgl. Weißeno et al 2010, S. 33). Betroffen sind hier einzel- ne Themenfelder wie zum Beispiel die Bildungspolitik (vgl. Nitschke 2020, S. 18). Die Gestal- tungsaufgabe zur Lösung dieser gesellschaftlichen Probleme kommt unter anderem den Parteien zu. Diese entwickeln Lösungen in Form von Programmen (vgl. Weißeno et al. 2010, S. 33). Zu-

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sammengefasst geht es um Entscheidungen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme (vgl. Detjen 2013, S. 296). Der Policy-Dimension können die Kategorien „[…] [s]taatliche Politikfelder, ge- sellschaftliche Probleme, politische Programme, politische Lösungsvorschläge […] [und] politi- sche Entscheidungsinhalte“ zugewiesen werden (ebd., S. 297).

Die dritte Dimension ist Politics. Sie behandelt Konflikte in Form von Aushandlungsprozessen (Schwarz/ Breier/ Nitschke 2015, S. 135). Strittige gesellschaftliche Fragen werden in der Öf- fentlichkeit ausgetragen mit dem Ziel der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung (vgl. Weißeno et al. 2010, S. 33). Dies betrifft auch die politisch Agierenden und ihr Handeln zum Durchsetzen von Macht und politischen Zielen (vgl. Nitschke 2020, S. 18). Erkennbar wer- den diese politischen Prozesse beispielsweise in Parlamentsdebatten oder bei Demonstrationen (vgl. von Reeken 2012, S. 10). Detjen ordnet der Politics-Dimension die Kategorien „[…] Inte- ressenartikulation, Interessendurchsetzung, Machteinsatz, Konfliktstrategien, Verhandlungen, Kompromisssuche […] [und] Konsensfindung“ zu (2013, S. 297).

Die dreidimensionale Erfassung von Politik verdeutlicht, dass die Politikwissenschaft nicht nur auf einem theoretischen Fundament basiert, sondern dass sie sich auch mit Tatsachen (Politics) auseinandersetzt. Ein Verständnis für diese Tatsachen wird durch die empirische Sozialfor- schung geschaffen. Durch die Gewinnung empirischer Beweise sollen politische Wirklichkeiten erschlossen werden (vgl. Nitschke 2020, S. 18). So kommt die Politik ihrer Aufgabe nach, alter- native Handlungsmöglichkeiten zu erschließen. Aus dem Blick geraten darf auch nicht, dass die drei Dimensionen sich gegenseitig bedingen. Die Polity-Dimension ist nicht nur (Ordnungs-) Rahmen politischer Prozesse (Politics) und Inhalte (Policy), sondern gleichsam auch ihr Ergeb- nis (vgl. Frech/ Massing 2020a, S. 18).

Ein anderes Modell von Politik wird durch den sogenannten Politikzyklus gezeichnet. Dieser bildet vor allem die Prozesshaftigkeit von Politik ab (vgl. Brunold 2012, S. 216). Politik wird im Politikzyklus als ein Kreislauf beziehungsweise eine nicht-endende Reihenfolge sich wiederho- lender Phasen dargestellt (vgl. Detjen 2013, S. 298 f.). Diese Phasen sind unterteilt in: „Problem – Auseinandersetzung – Entscheidung – Vollzug der Entscheidung – Bewertung der Entschei- dung – Reaktionen – neues Problem“ (Frech/ Massing 2020b, S. 164). Das Modell will zeigen, dass sich politische Probleme in der Regel nicht in einem Zyklus bewältigen lassen, sondern dass es häufig mehrere Zyklen braucht, bis ein Problem als gelöst betrachtet werden kann (vgl. ebd.).

Abseits des Prozesscharakters von Politik zeigt der Politikzyklus auch die Komplexität von Poli- tik. Politische Problemlösungen sind oftmals unzureichend und müssen im Nachhinein weiter korrigiert oder revidiert werden. Sie unterscheiden sich von technischen Lösungen (vgl. Detjen 2013, S. 300).

(14)

3.2 Entwicklungslinien der politischen Bildung

Schon in der Weimarer Republik wurde politische Bildung als ein bedeutendes innerstaatliches Thema betrachtet. Die Reichszentrale für Heimatdienst hatte den Auftrag, die Bürgerinnen und Bürger über die neue Staatsform zu informieren und die „staatsbürgerliche Gesinnung“ zu ent- wickeln (vgl. Lotter 2018, S. 3). Zu diesem Zweck sollte das Fach „Staatsbürgerkunde“ in den Schulen etabliert werden (vgl. Sander 2014, S. 18). Die an die Weimarer Republik anschließende NS-Diktatur nutzte die politische Erziehung aus, um ihre Weltanschauung innerhalb der Bevöl- kerung zu implementieren, beispielsweise durch Jugendorganisationen wie die Hitlerjugend (vgl.

ebd.). Die Institution der Reichszentrale für Heimatdienst wurde unter der nationalsozialistischen Herrschaft aufgelöst (vgl. Lotter 2018, S. 3). Im Jahr 1952 wurde sie dann als Bundeszentrale für Heimatdienst unter Berufung auf die ursprüngliche Institution neugegründet. Heute ist diese Bundeszentrale bekannt als Bundeszentrale für politische Bildung (vgl. ebd.). Schon 1945 wurde in der westdeutschen Bundesrepublik ein Fachunterricht zur politischen Bildung etabliert. Dieser fußte auf der Re-education Politik der Besatzungsmächte. In den 1950er Jahren wurden akade- mische Diskussionen zu der Bildungsaufgabe der demokratischen politischen Bildung geführt, sodass es nach und nach zur Einführung von Unterrichtsfächern zur Erfüllung dieser Aufgabe kam. Die Konstitution des Schulfachs professionalisierte den Fachbereich (vgl. Sander 2014, S.

19). Als Folge entstanden Professuren für die Didaktik der politischen Bildung und es wurden fachdidaktische Konzeptionen ausgearbeitet. Ein bis heute gültiger didaktischer Konsens für die politische Bildung wurde im Jahr 1976 erreicht (vgl. Nitschke 2020, S. 76). Der sogenannte Beu- telsbacher Konsens schrieb drei Grundprinzipien für die politische Bildung fest: Überwälti- gungsverbot, Kontroversitätsgebot und Schülerorientierung (vgl. Frech/ Richter 2017, S. 11 f.).

Diesem Konsens ging eine längere Konfrontationsphase von zwei Lagern voraus. Das eine Lager wollte die politische Bildung als pädagogisches Instrument zur demokratischen Erziehung nut- zen, während das konservativere Lager die politische Bildung eher als Instrument zum Schutz der verfassungsmäßigen politischen Ordnung sah (vgl. Sander 2014, S. 20). Erst fast 30 Jahre nach dem Beutelsbacher Konsens gab es einen neuen entscheidenden Ansatz für die politische Bildung. Die GPJE schrieb einen Entwurf für nationale Bildungsstandards, in welchem kompe- tenzorientiert die Aufgaben und Ziele politischer Bildung dargelegt werden (vgl. ebd., S. 22;

GPJE 2004). In der DDR fand politische Erziehung in Form einer ideologisierten Staatsbürger- kunde statt, die eng an die politischen Ziele des Einparteienstaates geknüpft waren (vgl. Sander 2014, S. 19). Mit der Wende wurden auch in den Bundesländern der ehemaligen DDR Schulfä- cher für die politische Bildung nach westdeutschem Vorbild geschaffen, denn es gab in der DDR zuvor keine Debatten über andere Gestaltungformen politischer Bildung (vgl. Detjen 2013, S.

208). Gleichzeitig wurden auch politikwissenschaftliche Institute in der DDR gegründet, sodass

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schließlich eine Infrastruktur für die politische Bildung aufgebaut wurde (vgl. Sander 2014, S.

23).

Politische Bildung in der Grundschule vollzieht sich vornehmlich im Sachunterricht (vgl. Richter 2015, S. 159). Während der Zeit der Weimarer Republik wurde der Sachunterricht noch als Heimatkundeunterricht durchgeführt und zu Beginn der Weimarer Republik hätte er noch das Potenzial gehabt, politische Konzepte für eine demokratische Grundbildung aufzugreifen (vgl.

von Reeken 2012, S. 40). Inhaltlich wurde der Heimatkundeunterricht jedoch eher dazu genutzt, die alte nicht-republikanische Gesellschaft zu glorifizieren. Auch nach dem zweiten Weltkrieg behielt die Heimatkunde diese gewissermaßen vormoderne Tradition bei. Politische Institutionen wurden durch den Vergleich zu familiären Strukturen eingeführt, wodurch die Autoritätsgläu- bigkeit weiter verstärkt wurde, da zum Beispiel der Vater in der Familie und der Bürgermeister in der Gemeinde gleichgesetzt wurden. Dieses Vorgehen ist problematisch, da die Rolle des Va- ters in der Familie durch eine ausgeprägte Autoritätsrolle gekennzeichnet war. Der Sinn, die Herrschenden zu hinterfragen, wurde dadurch kontrakariert (vgl. ebd., S. 41). In den 1960er Jah- ren änderte sich dies durch den erkannten bildungstheoretischen Reformbedarf. Der Sachunter- richt wurde stärker naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtet, allerdings fand auch eine stär- kere Ausrichtung hin zum politisch-sozialen Lernen statt (vgl. ebd., S. 42). So wurden politikdi- daktische Ansätze in die Grundschule gebracht, um den Politikunterricht der Sekundarstufe vor- zubereiten. (vgl. ebd.). Auch der mehrperspektivische Sachunterricht, bis heute eine wichtige Konzeption, griff schon früh politische Implikationen auf, ob diese politischen Inhalte der etwa 1974 entstandenen Konzeption mit dem gleichen Anspruch in der Unterrichtspraxis umgesetzt wurden, ist allerdings zweifelhaft (vgl. ebd., S. 43 f.). Hinzu kommt, dass es unrealistische An- nahmen bezüglich des Vorwissens von Grundschulkindern gab, was das Verständnis für die vor- gesehenen Themen erschwerte (vgl. Richter 2015, S. 160). Forschungen aus den 1980er Jahren wiederum führten dazu, „[…] das Grundschulkindern mangelndes Abstraktionsvermögen unter- stellt wird und in der Praxis Politischer Bildung stattdessen soziales Lernen […] oder gar empha- tische moralische Erziehung zum eindeutig Guten über[wogen]“ (ebd.). Nach dieser eher stag- nierenden Phase für die politische Bildung an der Grundschule, nimmt der Diskurs seit Ende der 90er Jahre wieder Fahrt auf. Ingrid Prote entwickelte einen Ansatz, der das politische Lernen in die Grundschule bringen sollte, ohne diese Aufgabe auf den Sachunterricht zu beschränken (vgl.

von Reeken, S. 46). Bei Ansätzen aus dieser Zeit steht häufig das soziale Lernen im Vorder- grund, dies sollte jedoch vom politischen Lernen getrennt werden (vgl. Richter 2015, S. 160).

Soziales Lernen hat das Ziel, die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, „[…] eine eigen- ständige, Ich-starke, beziehungs- und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit zu werden“ (Massing 2007, S. 20). Dabei geht es auch um eine Erziehung zur Demokratiefähigkeit (vgl. ebd.). Im

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Vordergrund des sozialen Lernens stehen die Entwicklung sozialer Kompetenzen und das ge- meinschaftliche Handeln. Das politische Lernen ist ausgerichtet auf Konfliktanalyse, politische Urteilsbildung und politische Handlungsfähigkeit auf Basis der eigenen Interessen (vgl. Wohnig 2017, S. 65). Aktuell orientiert sich die politische Bildung im Sachunterricht an Kompetenzen (vgl. ebd.). Ein Beispiel für den Versuch nationaler Bildungsstandards ist der Entwurf der GPJE für die Grundschule (vgl. GPJE 2004, S. 19 f.). Gleichzeitig ist in der aktuellen Praxis eine Ver- mischung politischer und sozialer Inhalte häufig (vgl. Wohnig 2017, S. 65). Obgleich das soziale Lernen eine wichtige Voraussetzung für politisches Lernen darstellen kann, muss es dennoch von diesem unterschieden werden (vgl. ebd.). Die zu scharfe Abgrenzung wiederum würde die Bezüge beider Bereiche vernachlässigen (vgl. ebd., S. 66). Die politische Bildung befasst sich zwangsläufig mit sozialen, gesellschaftlichen und individuellen Fragen. Entscheidend ist, dass das Politische in diesen Fragen aufgedeckt wird (vgl. Krüger 2010). Durch die vielperspektivi- sche Konzeption des Sachunterrichts wird die klare Trennung dieser Inhalte darüber hinaus er- schwert. Diese sieht eine monoperspektivische Aufbereitung von Inhalten nicht vor (vgl. Kapitel 2.2).

3.3 Aufgaben und Ziele der politischen Bildung

Ziel der politischen Bildung ist es, neben der bloßen politischen Aufklärung zu einer freien und verantwortlichen Urteilsbildung politisch mündiger Bürgerinnen und Bürger zu führen (vgl. Nit- schke 2020, S. 75). Politische Mündigkeit ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Teil- habe an der Gesellschaft und sie dient gleichzeitig auch dem Erhalt und der Weiterentwicklung einer demokratischen politischen Ordnung mit einer demokratischen politischen Kultur (vgl.

GPJE 2004, S. 9). Aus didaktischer Sicht wird versucht, den Lernenden zu einer kritischen Loya- lität zu verhelfen. Es soll ein Bewusstsein geschaffen werden, das die demokratische Ordnung anerkennt, aber auch konstruktive Kritik an dieser übt (vgl. Nitschke 2020, S. 76). Die politische Bildung muss nach Detjen fünf Funktionen erfüllen: erstens die Förderung der Mündigkeit, zweitens die Qualifizierung zu funktionierenden Mitgliedern des Gemeinwesens, drittens Stabili- sierung der gegebenen Herrschaftsordnung, viertens Verankerung der geistigen Grundlagen des Gemeinwesens und fünftens Besserung der gesellschaftlich-politischen Zustände (vgl. Detjen 2013, S. 5). Die zweite, dritte und vierte Funktion verdeutlichen insbesondere, weshalb politi- sche Bildung als staatliche Aufgabe gesehen wird (vgl. ebd.). Demokratie ist abhängig von der Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger, die mithilfe politischer Bildung gefördert wird. Diese mündigen Bürgerinnen und Bürger sichern den Staat gegenüber autoritären Scheinlösungen ab, sollte die Problemlösefähigkeit demokratischer Politik an ihre Grenzen geraten (vgl. Massing 2020, S. 175). Mündigkeit steht im Zentrum politischer Bildungsaufgaben. Die verschiedenen

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Aufgaben politischer Bildung leiten sich alle vom obersten Bildungsziel der Mündigkeit ab (vgl.

Detjen 2013, S. 227).

Um die verschiedenen Aufgaben und Ziele der politischen Bildung darzustellen, wurden Kompe- tenzmodelle konzipiert. Ein erstes bundesländerübergreifendes Kompetenzmodell wurde von der GPJE (Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung) entwi- ckelt (vgl. Kapitel 3.2). Anlässlich der Kultusministerkonferenz (kurz: KMK) im Jahr 2002, die forderte, nationale Bildungsstandards für Unterrichtsfächer zu erarbeiten, konzipierte die GPJE einen Entwurf, der die Anforderungen an nationale Bildungsstandards darstellen sollte. Kern dieses Entwurfs ist ein Kompetenzmodell, welches drei Kompetenzbereiche politischer Bildung darstellt (vgl. Sander 2005, S. 31 ff.). Diese sind Politische Urteilsfähigkeit, Politische Hand- lungsfähigkeit und Methodische Fähigkeiten (vgl. GPJE 2004, S. 13). Politische Urteilsfähigkeit definiert „Politische Ereignisse, Probleme und Kontroversen […] unter Sachaspekten und Wer- taspekten analysieren und reflektiert beurteilen [zu] können“ (ebd., S. 13). Politische Handlungs- fähigkeit bedeutet nach der GPJE, „Meinungen, Überzeugungen und Interessen [zu] formulieren, vor anderen angemessen [zu] vertreten, Aushandlungsprozesse [zu] führen und Kompromisse schließen [zu] können“ (ebd.). Die methodischen Fähigkeiten wiederum inkludieren das selb- ständige Orientieren zu politischen und gesellschaftlichen Fragen, das Arbeiten mit unterschied- lichen Methoden und das eigenständige Fortsetzen des politischen Lernprozesses (vgl. ebd.).

Anhand der Erwerbs oder der Verbesserung dieser Kompetenzen findet die Wissensvermittlung statt (vgl. ebd., S. 14). Das durch Förderung der drei Kompetenzen gewonnene Wissen nennt die GPJE konzeptuelles Deutungswissen. Dieses unterstützt das Verstehen politischer, wirtschaftli- cher, rechtlicher und gesellschaftlicher Prozesse. Dieses Deutungswissen bildet das Zentrum der Politischen Bildung. Folglich ist die Vermittlung von Kenntnissen zu einzelnen Aspekten dem konzeptuellen Deutungswissen nachgeordnet. Beispielhaft dargestellt sollen die Schülerinnen und Schüler Sinn und Logik von Institutionen erschließen. Weniger wichtig ist das Wissen über einzelne Fakten entsprechender Institutionen (vgl. ebd., S. 14). Das Kompetenzmodell der GPJE konnte sich jedoch nicht wesentlich etablieren und ist nicht mehr konsensfähig (vgl. Götzmann 2015, S. 97). Das Modell war bildungspolitisch motiviert und es fehlte eine theoretische Begrün- dung. Auch die Curricula der einzelnen Bundesländer haben eigene Wege entwickelt und sich nicht am Kompetenzmodell der GPJE orientiert (vgl. Weißeno 2012, S. 156). Insbesondere der Begriff des konzeptuellen Deutungswissens ist problematisch. Das konzeptuelle Deutungswissen beschreibt das Fachwissen, welches vermittelt werden soll, allerdings fehlen diesem Begriff die konkreten Inhalte (vgl. ebd., S. 163). Die politische Bildung hingegen verlangt Fachwissen, das der Politik zuzuordnen ist, um schließlich konkrete Fachkonzepte erlernen zu können (vgl. ebd., S. 164). Die anderen im Kompetenzmodell der GPJE genannten Fähigkeiten sind ebenfalls zu

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allgemein gehalten. Die Kompetenz der politischen Urteilsfähigkeit wird ohne klare inhaltliche Kriterien dargestellt. Die Kompetenz der politischen Handlungsfähigkeit benennt keine politi- schen Fähigkeiten sondern eher soziale und kommunikative Fähigkeiten. Der Kompetenzdimen- sion der methodischen Fähigkeiten fehlen die politischen Inhalte (vgl. ebd., S. 164 f.). Die be- nannten Fähigkeiten dieser Kompetenzdimension sind Schulfach unabhängig (vgl. Detjen et al.

2012, S. 24).

Angeregt durch das Kompetenzmodell der GPJE haben die vier Autoren Joachim Detjen, Peter Massing, Dagmar Richter und Georg Weißeno ein neues Kompetenzmodell für die Politikdidak- tik erarbeitet (vgl. 2012, S. 7). Aus ihrem Kompetenzmodell gehen vier Kompetenzdimensionen hervor: Fachwissen, Politische Urteilsfähigkeit, Politische Handlungsfähigkeit und Politische Einstellung und Motivation (vgl. Detjen et al. 2012). Das Kompetenzmodell beschreibt diese vier Dimensionen als Grundlage für die Politikkompetenz von Bürgerinnen und Bürgern (vgl. ebd., S. 11). Diese Dimensionen stehen nicht strikt voneinander getrennt, sondern zueinander in Be- ziehung (vgl. ebd., S. 12). Außerdem sind diese Kompetenzen inhaltsbezogen, das heißt sie be- ziehen sich auf politische Problemstellungen, politische Lösungen oder entsprechend inszenierte Unterrichtssituationen (vgl. ebd., S. 19 f.). Ziel von Kompetenzmodellen ist es, „[…] zwischen abstrakten Bildungszielen und konkreten Aufgabenstellungen zu vermitteln“ (ebd., S. 20). Das Modell eignet sich somit, die Aufgaben und Ziele politischer Bildung darzustellen.

Abbildung 1: Dimensionen der Politikkompetenz; aus Detjen et al. 2012, S. 13

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Politische Bildung an der Grundschule ist dem Fach Sachunterricht zugeordnet (vgl. Richter 2015, S. 159; Kapitel 3.2). Die Bezüge des Sachunterrichts zur politischen Bildung werden in der sozialwissenschaftlichen Perspektive des Sachunterrichts deutlich. Diese hat das Ziel, „[…]

Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler für das Zusammenleben in der Demokratie zu för- dern“ (GDSU 2013, S. 27). Die Relevanz dieses Ziels und der politischen Bildung im Sachunter- richt zeigt sich schon dadurch, dass Kindheit kein politikfreier Raum ist (vgl. Richter 2016, S.

58). Kinder sind als Mitglieder der Gesellschaft von politischen Entscheidungen betroffen und sollten deshalb auch an ihnen teilhaben (vgl. ebd.). Die Aufgabe, die Demokratiefähigkeit zu fördern, wird dem Sachunterricht auch durch das niedersächsische Kerncurriculum gegeben.

Diesbezüglich werden die Fähigkeiten „Mündigkeit“, „Selbstbestimmung“, „Mitbestimmung“,

„Solidarität“ und „Gleichberechtigung“ genannt (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2017, S. 5). Die Schülerinnen und Schüler sollen aktiv am demokratischen Leben teilhaben kön- nen (vgl. ebd., S. 24). Auch für die Grundschule bietet das Kompetenzmodell von Detjen et al.

Anhaltpunkte zu den Aufgaben und Zielen der politischen Bildung im Sachunterricht. Diese können jedoch nicht nur aus rein politikwissenschaftlicher Sicht betrachtet werden, sondern müssen auch den Kriterien und Aufgaben des Sachunterrichts angemessen sein. Spezifische Zieldimensionen für das politische Lernen im Sachunterricht wurden von Dietmar von Reeken entwickelt (vgl. von Reeken 2012). Somit können auch diese in die Betrachtung miteinfließen.

Darüber hinaus sind der Perspektivrahmen der GDSU und das niedersächsische Kerncurriculum als sachunterrichtsspezifische Kompetenzmodelle miteinzubeziehen. Beide Kompetenzmodelle sind multiperspektivisch angelegt (vgl. Kapitel 2.1) und enthalten jeweils eine Perspektive, die entsprechend auch Kompetenzen der politischen Bildung aufgreifen. Das niedersächsische Kerncurriculum stellt gleichzeitig eine bindende Richtlinie für die Lehrerinnen und Lehrer dar (vgl. Wiater 2009, S. 127). Die Förderung der Demokratiefähigkeit im Sachunterricht wird ex- plizit festgeschrieben (vgl. Niedersächsisches Kerncurriculum 2017, S. 5). Die politische Bil- dung im Lehrplan wird der Perspektive „Gesellschaft, Politik, Wirtschaft“ zugeschrieben. In dieser Perspektive ist der Bereich Demokratie und Partizipation für das politische Lernen rele- vant. Da nur die Kompetenzen aus diesem Bereich einen expliziten politischen Fachbezug auf- weisen. Neben dem Kerncurriculum ist auch der Perspektivrahmen Sachunterricht ein wichtiges Planungsinstrument für den Sachunterricht. Ähnlich wie im Kerncurriculum werden die politi- schen Inhalte in der gleichen Perspektive behandelt wie wirtschaftliche und soziale Inhalte (vgl.

GDSU 2013, S. 27). In diesem Kompetenzmodell finden sich die Inhalte zur politischen Bildung in der sozialwissenschaftlichen Perspektive. Gegliedert werden die Kompetenzen in Themenbe- reiche (TB) und Denk-, Arbeits-, und Handlungsweisen (DAH) (vgl. ebd., S. 29 f.).

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Im Folgenden werden die vier genannten Kompetenzdimensionen von Detjen et al. kurz vorge- stellt und in Relation zu den anderen Kompetenzmodellen und Zieldimensionen des politischen Lernens im Sachunterricht gesetzt. Die erste Kompetenzdimension ist Fachwissen. Fachwissen gliedert sich in unterschiedliche Fachkonzepte, denen drei Basiskonzepte übergeordnet sind. Das Modell besagt, dass sich sämtliche politische Geschehnisse mehr oder weniger einem der drei Basiskonzepte „Ordnung“, „Entscheidung“ oder „Gemeinwohl“ zuordnen lassen (vgl. Detjen et al. 2012, S. 30). Diese Basiskonzepte entwickeln sich durch die Erarbeitung der passenden Fach- konzepte durch die Lernenden (vgl. ebd., S. 30 f.) und lassen sich an Klassenform und Schulstu- fe anpassen (vgl. ebd., S. 31). Außerdem sorgen sie für eine inhaltliche Strukturierung und treten in unterschiedlichen unterrichtlichen Zusammenhängen immer wieder auf (vgl. Weißeno 2012, S. 166). Die Fachkonzepte beschreiben spezifisches Wissen innerhalb der Domäne „Politik“ (vgl. Weißeno et al. 2010, S. 48 f.).

Abbildung 2: Basis- und Fachkonzepte der Politik; aus Detjen et al. 2012, S. 31

Für die Grundschule werden hinsichtlich dieser Kompetenzdimension von den Autoren Mindest- standards genannt. Für das Basiskonzept „Ordnung“ werden die Fachkonzepte „Repräsentation“,

„Demokratie“, „Staat“, „Rechtsstaat“ und „Grundrechte“ genannt. Das Basiskonzept „Entschei- dung“ soll über die Fachkonzepte „Macht“, „Öffentlichkeit“, „Wahlen“ und „Parteien“ erarbeitet werden. Das dritte Basiskonzept „Gemeinwohl“ sollte durch die Fachkonzepte „Gerechtigkeit“,

„Frieden“ und „Nachhaltigkeit“ entwickelt werden (vgl. Weißeno et al. 2010, S. 191). Der Per- spektivrahmen der GDSU bezieht sich explizit auf die Kompetenzdimension Fachwissen und orientiert sich auch an dieser (vgl. Götzmann 2015, S. 107). Die drei Basiskonzepte dieser Di-

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mension werden in drei Themenbereichen exakt aufgegriffen. Dies wird unter anderem durch die Benennung deutlich. Der erste Themenbereich „Die politische Ordnung“ bezieht sich auf das entsprechende Basiskonzept. Es behandelt die Rahmenbedingung der politischen Ordnung, das heißt es soll ein Überblick über die politischen Prozesse unserer Bundesrepublik gegeben werden (vgl. GDSU 2013, S. 34). Das Basiskonzept „Entscheidung“ wird im zweiten Themenbereich aufgegriffen. Dieser befasst sich mit der politischen Entscheidung als eine Wahl zwischen Alter- nativen, die im Hinblick auf eigene Interessen und Werte getroffen werden (vgl. ebd.). Das dritte Basiskonzept wird schließlich im Themenbereich „Das Gemeinwohl“ aufgegriffen. Der The- menbereich zielt darauf ab, die gemeinsamen Ziele der politischen Ordnung zu betonen. Dabei spielt der Begriff der Gerechtigkeit zum Beispiel bei der Verteilung eine wichtige Rolle (vgl.

GDSU 2013, S. 35). Die im Perspektivrahmen formulierten Kompetenzen lehnen sich nahezu vollständig an die von Weißeno et al. vorgeschlagenen Fachkonzepte als Mindeststandard für die Grundschule an. Auch konstituierende Begrifflichkeiten für die einzelnen Fachkonzepte werden von der GDSU aufgegriffen. So nennen beide Werke für das Fachkonzept „Demokratie“ die Be- griffe „Abstimmung“, „Diskussion“ und „Mehrheitsprinzip“ (vgl. Weißeno et al. 2010, S. 191;

GDSU 2013, S. 34). Die Kompetenzen im niedersächsischen Kerncurriculum lassen sich auch zu zwei der drei Basiskonzepte der Kompetenzdimension Fachwissen zuordnen. Das Basiskonzept

„Ordnung“ wird durch die Aufgaben von Repräsentantinnen und Repräsentanten, die Kinder- rechte und demokratische Wahlprinzipien angebahnt (vgl. Niedersächsisches Kerncurriculum 2017, S. 25). Außerdem werden Inhalte, welche sich innerhalb des Basiskonzepts „Entschei- dung“ verorten lassen, gefordert. Diese sind die Trennung von Person und Amt, das Unterschei- den privater und öffentlicher Lebensbereiche sowie das Reflektieren über Macht und Macht- missbrauch (vgl. ebd.). Das Basiskonzept „Gemeinwohl“ wird im niedersächsischen Lehrplan über den Punkt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ teilweise aufgegriffen, da dieser eng mit dem Fachkonzept „Nachhaltigkeit“ verknüpft ist (vgl. ebd., S. 13). Die Kompetenzdimension des Fachwissens lässt sich auch in den Zieldimensionen nach von Reeken wiederfinden. In der drit- ten Zieldimension geht es um die Differenzierung und Erweiterung bereits vorhandenen politi- schen Wissens. Das kindliche Vorwissen ist sehr heterogen und teilweise auch falsch. Es ist wichtig, dieses Wissen im Unterricht aufzugreifen und aufzuarbeiten, um den Kindern neue Per- spektiven außerhalb ihres Vorwissens aufzuzeigen. Das Aufzeigen neuer Perspektiven differen- ziert, strukturiert und erweitert das Vorwissen (vgl. von Reeken 2012, S. 51 f.). So wird es auch in der Kompetenzdimension Fachwissen verlangt. Das Wissen der Lernenden soll aufgegriffen und an belastbares Wissen herangeführt werden (vgl. Detjen et al. 2012, S. 33). Auch von Reekens fünfte Zieldimension weist eine Nähe zur Kompetenzdimension Fachwissen auf. Diese Zieldimension soll das Politische in der kindlichen Lebenswelt ermitteln und hinterleuchten,

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sodass Kinder kennenlernen, dass politische Entscheidungen beispielsweise nicht von Personen abhängen, sondern auch von Institutionen, die die Verantwortlichen in ihrem Handeln beeinflus- sen (vgl. von Reeken 2012, S. 52 f.). In erster Linie geht es in dieser Zieldimension um Aufklä- rung über das Politische im Alltag, deshalb weist sie eine Nähe zur Kompetenzdimension Fach- wissen auf. Die erfahrungsbasierten politischen Präkonzepte der Kinder sollen Grundlage sein, um im Sinne eines „Conceptual-Change“ fachlich fundiertes Wissen anzubahnen und aufzubau- en (vgl. Detjen et al. 2012, S. 33 f.).

Die zweite Kompetenzdimension ist die politische Urteilsfähigkeit. Die Fähigkeit zum politi- schen Urteil ist seit jeher eines der wichtigsten Ziele der politischen Bildung (vgl. Weißeno 2012, S. 170). Sie zielt auf das Kommunikative der Politik ab wie zum Beispiel Gründe, die für politische Absichten genannt werden (vgl. Detjen et al. 2012, S. 26). Im Alltag zeigt sich das politische Urteil zum Beispiel bei Diskussionen oder bei Protesten (vgl. ebd.). Politische Sach- verhalte weisen die Besonderheit auf, dass sie in der Regel multiperspektivisch zu betrachten sind, wodurch eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist (vgl. ebd., S. 49). Das Modell schlägt fünf unterschiedliche Typen politischer Urteile vor: Feststellungsurteile, Erweiterungsur- teile, Werturteile, Entscheidungsurteile und Gestaltungsurteile (vgl. ebd., S. 55 ff.). Diese Urteile fußen häufig auf Sachurteilen, welche den Rahmen bilden für eine anschließende normative Be- wertung eines Sachverhalts (vgl. ebd., S. 52 ff.). Feststellungs- und Erweiterungsurteile haben im Gegensatz zu den anderen drei Urteiltypen keine normative Ebene und dienen der analytischen Erschließung von Sachverhalten (vgl. ebd., S. 52). In von Reekens Zieldimensionen ist diese Kompetenzdimension nur weniger konkret wiederzufinden. In der zweiten Zieldimension wird das „politische Fragen stellen lernen“ genannt. Fragen eröffnen einen Zugang zu politischen Phänomenen und den selbständigen zielorientierten Umgang mit diesen (vgl. von Reeken 2012, S. 51). Die eigenen Fragen der Schülerinnen und Schüler müssen im Unterricht aufgegriffen und

„[…] durch politische Fragen differenziert und erweitert werden“ (ebd.). Fragen dienen als eine Art Analyseinstrumentarium (vgl. ebd.). Eine Verbindung zum Kompetenzmodell von Detjen et al. wird durch diesen Analyseaspekt geschaffen. Analysen sind für die politische Urteilsfähigkeit relevant, weil sie Teil des Urteilbildungsprozesses sind (vgl. Detjen et al. 2012, S. 52). Das stel- len politischer Fragen bahnt diese Kompetenz somit an. Darüber hinaus kann die siebte Zieldi- mension am ehesten der politischen Urteilsbildung zugewiesen werden. Sie behandelt die Befä- higung zur Antizipation künftiger Entwicklungen. Kinder sollen lernen, dass sich die Gegenwart verändern wird. Mögliche positive und negative Entwicklungen der Zukunft sollen antizipiert werden, sodass auch erkannt werden kann, wie Politik Einfluss auf Gegenwart und Zukunft aus- übt (vgl. von Reeken 2012, S. 53). Eine Nähe zur Kompetenzdimension ergibt sich durch die Lösung von Problemen und somit auch um die Gestaltung von Zukunft (vgl. Detjen et al. 2012,

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S. 57). Politischen Urteilen geht eine Feststellung gegenwärtiger Zustände voraus (vgl. ebd., S.

53). Die Ausrichtung auf die Zukunft sorgt dafür, dass beide Dimensionen gewisse Parallelen aufweisen. Der Perspektivrahmen der GDSU greift verschiedene Kompetenzen, die dieser Kom- petenzdimension zugeschrieben werden können, auf. Besonders ist die Denk-, Arbeits- und Handlungsweise „politisch Urteilen“ zu nennen, die verschiedene Urteilstypen aufgreift (vgl.

GDSU 2013, S. 31 f.). Aber auch das Partizipieren an ausgewählten gesellschaftlichen Gruppen ist eine Denk-, Arbeits- und Handlungsweise, die diese Kompetenz fördern kann. In dieser Denk-, Arbeits- und Handlungsweise soll beispielsweise zu kontroversen Themen begründet Stellung genommen werden, sodass die Schülerinnen und Schüler Sach- oder Werturteile zum Thema vornehmen können (vgl. ebd., S. 30 f.). Im niedersächsischen Kerncurriculum wird das Urteilen zwar genannt (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2017, S. 9), allerdings ohne inhaltliche Kriterien und politischen Bezug, weshalb nicht von einer politischen Urteilsbildung gesprochen werden kann (vgl. Weißeno 2012, S. 164 f.).

Die dritte Kompetenzdimension ist die politische Handlungsfähigkeit. Der Politikunterricht der Schule kann diese Kompetenz nur anbahnen, da sie sich erst durch die Partizipation an der de- mokratischen Öffentlichkeit konkret zeigt (vgl. Detjen et al. 2012, S. 27). Im Kompetenzmodell werden vier unterschiedliche Kompetenzfacetten des politischen Handelns dargestellt: Artikulie- ren, Argumentieren, Verhandeln und Entscheiden (vgl. ebd., S. 81). Das Artikulieren und Argu- mentieren beschreibt eher eine kommunikative politische Handlung, wohingegen das Verhan- deln und Entscheiden eher eine partizipative politische Handlung darstellt (vgl. ebd., S. 82). Ins- besondere das Argumentieren ist Teil aller Kompetenzfacetten, weshalb es nicht trennscharf ab- gegrenzt werden kann (vgl. ebd., S. 83). Von Reekens sechste Zieldimension kann an diese Kompetenzdimension angeschlossen werden. Sie behandelt die Befähigung zum politischen Handeln in den kindlichen Lebenswelten. Dies meint beispielsweise politische Handlungen in- nerhalb des schulischen Kontextes. Kinder sollen ihre Partizipationsmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft nutzen lernen, indem sie an die Öffentlichkeit treten. Hierzu benötigen sie zum Bei- spiel Fähigkeiten im kommunikativen Bereich (vgl. von Reeken 2012, S. 53). Diese Zieldimen- sion weist eine eindeutige Verwandtschaft zur Kompetenzdimension „politische Handlungsfä- higkeit“ auf. Für das Nutzen der genannten gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten ist es essenziell, dass die Schülerinnen und Schüler kommunikative und partizipative Handlungsmög- lichkeiten kennenlernen (vgl. Detjen et al. 2012, S. 81 f.). Im Perspektivrahmen Sachunterricht kann diese Kompetenzdimension in den drei Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen „An ausge- wählten gesellschaftlichen Gruppen partizipieren“, „Argumentieren sowie zwischen Einzelnen oder zwischen Gruppen mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen verhandeln“ und

„Gesellschaftsbezogene Handlungen planen und umsetzen“ gefunden werden (vgl. GDSU 2013,

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S. 30 ff.). Vor allem kommunikative Handlungen wie das Herstellen von Öffentlichkeit und das Vertreten der eigenen Meinung und eine damit einhergehende Argumentation sind Teil der bei- den erstgenannten Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen (vgl. ebd., S. 30 f.). Die zweite Denk-, Arbeits- und Handlungsweise schließt zudem das Verhandeln in Konflikten mit ein und beinhal- tet somit auch eine partizipative politische Handlung (vgl. ebd., S. 30). Dies gilt auch für das Planen und Umsetzen gesellschaftsbezogener Handlungen. Dieser Bereich soll das Planen und Umsetzen von Handlungen fördern, so können beispielsweise in Planspielen verschiedene Kom- petenzfacetten dieser Kompetenzdimension zum Einsatz kommen (vgl. ebd., S. 33). Das nieder- sächsische Kerncurriculum weist das Handeln, ähnlich wie das Urteilen, als prozessbezogene Kompetenz aus, allerdings ohne politische Inhalte zu berücksichtigen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2017, S. 9), weshalb nicht explizit eine politischen Handlungsfähigkeit geför- dert wird (vgl. Weißeno 2012, S. 165).

Die vierte Kompetenzdimension ist politische Einstellung und Motivation. Die Kompetenzdi- mension ist wichtig, da die Demokratie von der politischen Kultur gestützt wird und deshalb eine positive Einstellung der Bürgerinnen und Bürger ihr gegenüber ein besonderes Gewicht hat. Dies soll allerdings kritische Haltungen zum politischen System und seinen Akteurinnen und Akteu- ren nicht ausschließen, da auch solche Einstellungen die Legitimität der Demokratie stärken (vgl.

Detjen et al. 2012, S. 27). Mit Blick auf die motivationale Komponente dieser Kompetenzdimen- sion geht es vor allem darum, ein politisches Interesse zu erzeugen (vgl. ebd., S. 104). Um das Interesse der Schülerinnen und Schüler zu generieren, bietet es sich an, ihnen bewusst zu ma- chen, welche Bereiche ihres Lebens unmittelbar von Politik betroffen sind (vgl. ebd., S. 108).

Insgesamt wird diese Kompetenzdimension eher indirekt vermittelt. Ziel sollte es sein, den Schü- lerinnen und Schülern ihre eigenen politischen Einstellungen zugänglich zu machen (vgl. ebd., S.

110). Die Kompetenzdimension politische Einstellung und Motivation lässt sich auch in den Zieldimensionen nach von Reeken wiederfinden. Die erste Zieldimension ist „Interesse am Poli- tischen wecken“. Das Interesse am Politischen kann bei Kindern geweckt werden, indem man ihnen zeigt, dass politische Entscheidungen ihr eigenes Leben schon jetzt beeinflussen. Für die Motivation zur Auseinandersetzung mit politischen Themen sollte die Lehrperson selbst Interes- se an den politischen Themen zeigen, um eine fruchtbare Lernatmosphäre zu entwickeln (vgl.

von Reeken 2012, S. 50). Ähnlich wie in der Kompetenzdimension wird auch in von Reekens Zieldimension das Interesse am Politischen als wichtige motivationale Komponente betont. Auch die vierte Zieldimension „Thematisierung und Aufklärung der politischen Sozialisationsprozesse der Kinder“ bahnt die Kompetenzdimension politische Einstellung und Motivation an. Ähnlich zur ersten Zieldimension von Reekens geht es auch hier um das Schaffen eines Bewusstseins für Politisches in der unmittelbaren Lebenswelt (vgl. von Reeken 2012, S. 52). Die Kinder sollen

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erkennen, dass sie oft unbemerkt schon in politische Verfahren eingebunden sind und somit auch einen Teil der Gesellschaft abbilden (vgl. ebd.). Kompetenz- und Zieldimension zielen beide darauf ab, dass die Kinder schon politisch sozialisiert sind und sich daraus politische Einstellun- gen ableiten lassen (vgl. Detjen et al. 2012, S. 100). Weiterhin ist auch die achte Zieldimension

„Grundlegung demokratischer Haltungen“ dieser Kompetenzdimension zuzuordnen. Sie besagt, dass politische Urteile und politische Handlungen nach Kriterien eines demokratischen Grund- konsenses getroffen werden müssen. Hierfür ist es wichtig, demokratische Grundhaltungen in- nerhalb des Schulkontextes aufzubauen und zu festigen (vgl. von Reeken 2012, S. 53 f.). Der Aufbau demokratischer Grundhaltungen ist ebenfalls in der Kompetenzdimension politische Ein- stellung und Motivation wiederzufinden (vgl. Detjen et al. 2012, S. 27). Die GDSU nennt keine Kompetenzen, die diese Kompetenzdimension unmittelbar adressieren. Gleichwohl wird auch hier das übergeordnete Ziel, Interesse an demokratischen Themen zu wecken, benannt (vgl.

GDSU 2013, S. 7). Da diese Kompetenzdimension eher indirekt vermittelt wird (vgl. Detjen et al. 2012, S. 110), sind konkrete Kompetenzformulierungen ohnehin schwer möglich. Dies gilt auch für das niedersächsische Kerncurriculum. Auch hier wird das Interesse an demokratischen Themen zu wecken als ein übergeordnetes Ziel genannt (vgl. Niedersächsisches Kultusministeri- um 2017, S. 24). Insgesamt beschreibt die Kompetenzdimension eher didaktische Kategorien.

Blickt man auf die von von Reeken formulierten Zieldimensionen, werden einige Bezüge zum Politikkompetenzmodell deutlich. Von Reekens Zieldimensionen weisen einen eindeutigen Grundschulbezug auf. Mit Verweis auf die Kompetenzdimensionen nach Detjen et al. wird deut- lich, dass Fachwissen und politische Einstellung und Motivation bei von Reekens Zieldimensio- nen stärker gewichtet werden als politische Urteilsfähigkeit und politische Handlungsfähigkeit.

Dennoch werden auch diese Kompetenzdimensionen durch von Reekens Ziele angebahnt, sodass von Reekens Ziele andere Akzentuierungen vornehmen, was aufgrund des Bezugs zum Sachun- terricht zu erwarten ist. Für den Perspektivrahmen der GDSU kann festgestellt werden, das die hier formulierten sachunterrichtsspezifischen Kompetenzen sich auch in ein politikwissenschaft- liches Kompetenzmodell einbinden lassen, sodass sie auch diesen Ansprüchen gerecht werden.

Im niedersächsischen Kerncurriculum werden die politikwissenschaftlichen Bezüge hingegen weniger deutlich. Urteils- und Handlungskompetenzen werden nur allgemein und politikunab- hängig aufgegriffen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2017, S. 9).

Die Zusammenstellung der unterschiedlichen Aufgaben und Ziele politischer Bildung in Form von Kompetenzen beziehungsweise Kompetenzdimensionen zeigt, dass Modelle aus den Fach- disziplinen der Politik und des Sachunterrichts miteinander vereinbar sind. Die für den Sachun- terricht formulierten Kompetenzen und Zieldimensionen des politischen Lernens lassen sich in

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den Kompetenzdimensionen größtenteils eindeutig wiederfinden, sodass sich die Kompetenzdi- mensionen auch in der Grundschule anwenden lassen. Für den Sachunterricht bedeutet dies, dass er politikdidaktisch geeignete Konzepte vorgibt. Insgesamt ergibt sich so ein sehr breites Spekt- rum an Aufgaben und Zielen für die politische Bildung.

3.4 Didaktisch-methodische Prinzipien der politischen Bildung

Unterschiedliche politikdidaktische Konzeptionen priorisieren immer auch unterschiedliche di- daktische Prinzipien (vgl. Pohl 2020, S. 167). Ein Minimalkonsens unter allen Politikdidaktikern ist bis heute der sogenannte Beutelsbacher Konsens (vgl. Detjen 2013, S. 187 ff.). Er bildet einen

„[…] klassische[n], bildungstheoretisch begründete[n] pädagogische[n] Prozess- und Professi- onsstandard“ (Grammes 2017, S. 83). Der Konsens benennt die didaktischen Prinzipien eines Überwältigungsverbots, eines Kontroversitätsgebots und die Orientierung an den Schülerinnen und Schülern (vgl. Frech/ Richter 2017, S. 11 f.). Durch diese Prinzipien ist der Beutelsbacher Konsens alles andere als eine präzise Richtlinie für Unterrichtsziele oder -inhalte, stattdessen ist er beschränkt auf das Verhalten der Lehrenden, insbesondere bei politischen Diskussionen (vgl.

Detjen 2013, S. 326). Kompetenzorientierter Unterricht muss sich nicht zwangsläufig am Beu- telsbacher Konsens orientieren, denn die Intentionen des Konsenses werden durch Kompetenzen in konkrete Inhalte überführt (vgl. Weißeno 2017, S. 53). Für die politische Bildung werden mittlerweile andere didaktische Prinzipien formuliert. Dennoch können auch in diesen Prinzipien Inhalte aus dem Beutelsbacher Konsens wiedergefunden werden (vgl. Sander 2014, S. 22). Für die Grundschule ist aus didaktischer Sicht zu berücksichtigen, dass viele Grundschülerinnen und Grundschüler bereits Vorwissen zu unterschiedlichen politischen Themen haben. Dieses ist je- doch eher fragmentarisch (vgl. Richter 2016, S. 67 f.). Trotzdem kann bis zum Erreichen des vierten Schuljahres eine starke Zunahme politischen Wissens festgestellt werden. Die Schülerin- nen und Schüler besitzen bereits Kenntnisse über wichtige politische Symbole, die Bedeutung von Parteien und Wahlen sowie das Trennen von öffentlichen und privaten Bereichen. Auf der anderen Seite werden abstrakte politische Institutionen und Strukturen von den Kindern nicht wahrgenommen. Auch zu Institutionen wie der Schule oder der Polizei haben sie häufig fehler- hafte Präkonzepte entwickelt. Kinder in der vierten Klasse haben außerdem noch keine gefestig- ten Vorstellungen von einem Staat (vgl. ebd., S. 68). Dennoch bietet das kindliche Vorwissen für den Sachunterricht bereits ausreichend Anknüpfungspunkte, um es im Unterricht aufzugreifen (vgl. Richter 2009, S. 53). Ein wichtiger Anteil kindlichen Vorwissens zu politischen Inhalten generiert sich aus medialen Begegnungen mit Politik. Dies geschieht beispielsweise durch Kin- dernachrichtensendungen oder das Ansehen der Tagesschau mit den Eltern. Aber auch andere lebensweltliche Begegnungen mit dem Politischen sind Teil des kindlichen Alltags, dazu gehö- ren Wahlplakate oder das Beobachten einer Demonstration (vgl. ebd., S. 51). Auch Methoden

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