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Archiv "Pharmaindustrie bietet Stillhalteabkommen an" (22.06.1992)

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AKTUELLE POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

A

uf konziliante Weise haben die Spitzengremien des Bun- desverbandes der Pharma- zeutischen Industrie (BPI) dem neu- en Bundesgesundheitsminister si- gnalisiert, daß es im Pharmabereich auch bei rigorosen Versuchen zur Kostendämpfung nicht unbedingt ein „Friß oder stirb" geben muß. Als Beispiel für Nuancen, die zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegen, empfahl der Gesamtvorstand den Mitgliedsfirmen und somit auch dem Minister ein befristetes freiwilliges Preismoratorium.

Die Einfrieraktion soll zunächst bis zur Fertigstellung einer Kabi- nettsvorlage, voraussichtlich also bis Ende Juli, dauern, könnte aber bis Ende 1992 verlängert werden, falls Bonn einige Bedingungen beachtet, die in der Pharmaindustrie als uner- läßlich gelten. Dazu gehört, daß Arz- neimittel ohne Festbeträge nur einer Erstattungshöchstgrenze unterliegen sollen, daß auf eine unmittelbare Reglementierung von Preisen ver- zichtet wird, daß die Belastungen gleichmäßig auf die Leistungserbrin- ger verteilt werden und daß alle Ko- stendämpfungsmaßnahmen durch Begrenzung auf das Jahresende 1994 überschaubar bleiben.

Was kommt nach 1994?

Kritiker aus den Reihen der Mitgliedsfirmen, die daran erinner- ten, daß Stillhalteabkommen von der Politik noch niemals honoriert wor- den seien, beruhigte der Verbands- vorsitzende, Dr. Hubertus von Loe- per, auf der Verbandsversammlung in München mit einem Hinweis auf den Vorschlagscharakter des Mora- toriumsgedankens. Fragen, wie es denn nach 1994 weitergehen solle, beantwortete er mit dem Ausdruck der Erwartung, daß bis dahin die

„Folterwerkzeuge der Regierung"

ebenso ausgedient haben werden wie das gesamte zählebige Instrumenta- rium der Planwirtschaft.

Um günstiges Verhandlungsklima bemüht

Der Vorwurf, die Verbandsspit- ze habe sich angesichts der neuen

Strudel im Gesundheitswesen wie ei- ne „lahme Ente" verhalten, wur- de vom Vorstand zurückgewiesen:

Zweck der Moratoriumsempfehlung sei es lediglich gewesen, bis zum Be- ginn der eigentlichen harten Ausein- andersetzung in Bonn ein günstiges Verhandlungsklima zu erhalten. Es dürfe aber keinen Zweifel daran ge- ben, daß der Vorstand nicht daran denkt, „irgendetwas ä fonds perdu auf den Altar zu legen". Da Beden- ken gelegentlich scharf, aber immer maßvoll vorgetragen wurden, blieben dem Plenum gefährliche Funken-

überschläge erspart. Wohl aber bo- ten einige Einwände dem Vorsitzen- den die Handhabe, an eine demokra- tische Grundregel zu erinnern: es solle zwar mit Offenheit und Klar- heit gestritten werden, ein aus dem Meinungsstreit hervorgegangenes Ergebnis müsse dann aber von allen Beteiligten respektiert und nach au- ßen hin ungeteilt vertreten werden.

Zur Überraschung mancher De- legierter sah Dr. von Loeper in den Seehofer-Plänen auch positive und weiterführende Elemente. So ließe sich die Spaltung des Pharmamark- tes überwinden, wenn Festbetrags- und Selbstbeteiligungsregelung ent- koppelt werden. Einer durchgängi- gen zehnprozentigen Selbstbeteili- gung billigte er sogar die Funktion eines wettbewerbsneutralen und nicht diskriminierenden Steuerungs- instruments zu. Zwar werde die Selbstbeteiligung den Versicherten eine Last von 400 Millionen Mark auferlegen, von den Mengenrück- gängen sei aber ein Abbau des Arz- neimittelumsatzes um 1,5 Milliarden Mark zu erwarten, der bei der Indu- strie mit 800 Millionen Mark zu Bu- che schlagen werde.

Insgesamt sah der BPI-Vorsit- zende die Pharmaindustrie durch das Seehofer-Projekt „überpropor- tional belastet". In dieses Bild paßt, daß das Verbandsorgan „Medika- ment und Meinung" frühzeitig von

„nutzlosen und unkontrollierten Ide- enspielereien" gesprochen hatte, mit denen die Regierungsparteien nur Wind in die Segel der Opposition ge- blasen hätten. Kantiger als es aus taktischen Gründen auf der Haupt- versammlung geschehen konnte, hat- te das Blatt kommentiert: „Statt eine Gemeinsamkeit aller Parteien zu su-

chen, wie eine tragbare Finanzierung der Gesundheitskosten zu finden ist, verprellen jetzt untaugliche Vor- schläge einer Partei alle anderen Partner in der Politik."

Dem Hauptgeschäftsführer des BPI, Professor Dr. med. Hans Rüdi- ger Vogel, fiel die Aufgabe zu, der Hauptversammlung und der Öffent- lichkeit zu erklären, daß der Ver- band als Repräsentant einer Wirt- schaftsgruppe, die 1991 für mehr als 30 Milliarden Mark Arzneimittel produzierte, auch noch andere Sor- gen hat als die hochaktuellen Front- stellungen im Gesundheitswesen be- ziehungsweise der Gesundheitspoli- tik.

Europa —

die große Perspektive In dem erstaunlich vielseitigen Katalog, den Vogel abhandelte, durfte die Arbeit auf der EG-Ebene auch dann besondere Aufmerksam- keit in Anspruch nehmen, wenn sie nur als ein Teilthema unter vielen anderen angeboten wurde. Bedauer- licherweise mußte der Hauptge- schäftsführer außer Erfolgen auch

Pharmaindustrie bietet Stillhalteabkommen an

Hauptversammlung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie

Dt. Ärztebl. 89, Heft 25/26, 22. Juni 1992 (19) A1-2263

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Rückschläge melden - zumal sol- che, die auf einer zu starren Haltung der deutschen Instanzen beruhen.

Wie kompliziert und gelegentlich auch zweischneidig die Europa-Ar- beit auf dem Arzneimittelsektor ist, ließ Vogel mit der Erwähnung er- kennen, daß die Bundesregierung ei- nen Kabinettsbeschluß zum Thema

"Schutz geistigen Eigentums" in Ei- genregie nicht ändern wollte, aber zusicherte, die Banner Regierungs- beamten in Brüssel dürften "Kom- promisse eingehen".

Angesichts der vordergründigen politischen Aktivitäten war es ver- dienstvoll, daß auch Dr. von Loeper das Thema Europa ansprach und da- mit dem Eindruck entgegentrat, man drohe über den Tagesaktualitäten die großen Perspektiven zu verlie- ren. Für die Pharmaindustrie, sagte der Vorsitzende, sei "Europa 1993"

weder ein romantischer Traum noch eine Iegalistische Formel, sondern in der nüchternen Sprache der Wirt- schaft ein "neuer globaler Markt".

Künftig werde es nicht mehr nötig sein, in möglichst jedem Staat eigene Produktionsstätten oder Forschungs- einrichtungen zu unterhalten, "nur um die Kassenzulassung oder besse- re Preise genehmigt zu bekommen".

Die Ende vorigen Jahres er- reichte Ausweitung des Erfinder- schutzes auf fünfzehn Jahre bezeich- nete von Loeper als "deutlichen Er- folg für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie", die sich seither mit den wesentlichen Mitbewerbern USA und Japan auf der gleichen Stufe befinde.

Gerade erst mit den Aussichten auf eine neue europäische Normali- tät vertraut gemacht, wurde die Hauptversammlung durch Staatsse- kretär Baidur Wagner vom Bundes- gesundheitsministerium gleich wie- der mit der aktuellen Lage konfron- tiert: die Bundesregierung werde über die Grundsätze des Seehafer- Konzepts nicht mit sich reden lassen, in Fragen der Methodik aber flexibel

bleiben. KG

Ärzte

im

Öffentlichen Gesundheitsdienst

Grund zum Selbstbewußtsein

"Heute haben wir allen Grund

zum Selbstbewußtsein, nachdem wir viele Jahre über unser Schattenda- sein geklagt haben", konstatierte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärzte des Öffentlichen Gesund- heitsdienstes, Ltd. Med.-Direktor Dr. Peter Grieve, zur Eröffnung des 42. Wissenschaftlichen Kongresses des Verbandes in Oldenburg. Profes- sor Dr. med. A. Windorfer, Ministe- rialdirigent im niedersächsischen So- zialministerium, drückte es in seinem humorvollen Grußwort so aus: Die

"dritte Säule" des deutschen Ge- sundheitswesens ist nun kein "Spar- gel" mehr, sie muß aber "noch dik- ker" werden. Dabei wird auch die neu gegründete Deutsche Gesell- schaft für das öffentliche Gesund- heitswesen nach Kräften beitragen, versprach Professor Windorfer; er, der höchste Ministerialbeamte des Landes Niedersachen, ist Vorsitzen- der dieser neuen Gesellschaft.

Dr. Grieve stellte zwei moderne Hauptaufgaben des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes in den Vorder- grund:

~ Gesundheitsförderung: Das Gesundheits-Reformgesetz hat le- diglich die Krankenkassen "finan- ziell in die Pflicht genommen" für Aufgaben, derer sich die Gesund- heitsämter schon seit Jahrzehnten anzunehmen pflegten. Wichtig sei, daß die Gesundheitsministerkonfe- renz der Länder auf ihrer Sitzung im Oktober 1991 dem öffentlichen Ge- sundheitsdienst eine "zentrale Rol- le" in der Gesundheitsförderung zu- geschrieben habe, vor allem die Ko- ordinierung der Aktivitäten der nun- mehr durch das GRG verpflichteten Partner.

~ Umweltschutz: Hier haben die Modellversuche bei Gesund- heitsämtern gezeigt, was heute mög- lich ist; wobei nach wie vor, bei aller Diskusssion über Kompetenzen oder Ar-2264 (20) Dt. Ärztebl. 89, Heft 25/26, 22. Juni 1992

über fachliche versus politische Lei- tung, der Anspruch bestehen bleibt:

Das Gesundheitsamt ist eine medizi- nische Institution und gehört unter die fachliche Leitung des Amtsarz- tes. Diese Auffassung setzt sich all- mählich auch in den Landkreisen durch.

Hier stellte Dr. Grieve einen möglichen "Ost-West-Transfer" im wiedervereinigten Deutschland fest, zumal in den neuen Bundesländern eine hohe Motivation bei den Amts- ärzten zu verzeichnen sei.

Darauf ging auch Ministerialdi- rigentin Ellen Wolf von Bundesge- sundheitsministerium ein: Die Qua- lifizierungsprogrammefür die Mitar- beiter des öffentlichen Gesundheits- dienstes in den neuen Ländern wer- den fortgesetzt, um sie in Rechts- und Verwaltungskunde auf den bun- desdeutschen Standard zu bringen. Frau Wolf machte im übrigen auf die Notwendigkeit aufmerksam, daß der öffentliche Gesundheitsdienst bei den Schutzimpfungen nicht locker läßt: Der Durchimpfungsgrad, die Anti-Infektionskette, könnte sonst durchbrachen werden, nachdem in den neuen Bundesländern die bishe- rigen Zwänge entfallen sind.

Bundesärztekammerpräsident Dr. Karsten Vilmar konnte darauf verweisen, daß der soeben beendete 95. Deutsche Ärztetag in seiner gro- ßen Reform der ärztlichen Weiter- bildung den Facharzt für Öffentli- ches Gesundheitswesen beibehalten hat. Die Bundesärztekammer unter- stütze den öffentlichen Gesundheits- dienst nach Kräften, versicherte Vil- mar; daher auch die Förderung für neue Studiengänge im Bereich "Pub- lic Health", oder für Maßnahmen der Qualitätssicherung.

Letztere war übrigens - neben Fragen der Gesundheitsförderung und der Ausbildung - ein Thema der wissenschaftlichen Kongreßver- anstaltungen. Womit, wie Dr. Grieve andeutete, der Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheits- dienstes auch an der Grenze dessen angekommen ist, was noch ehren- amtlich machbar ist. Mit dem zuneh- menden Gewicht der Amtsärzte stel- le sich auch die Frage einer künfti-

gen "verbandspolitischen Professi-

onalisierung". gb

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