Schlank bleiben durch Gendefekt
Wenn man essen kann, was man will
an kennt den Fall aus dem Bekanntenkreis:
Während man selbst jede Kalorie zählt, um das Gewicht zu halten, kann er oder sie essen, ohne ein Gramm zuzunehmen. Diese Situation beschreibt ex- akt, was Wissenschaftler der Universität Washington jetzt an einem Mäusestamm beobachtet haben. Im Magazin
„Nature“ (Bd. 382, S. 622) beschreiben sie, wie die Mäuse nach einer gezielten Ausschaltung eines Genes in ihrem Erbgut selbst dann schlank blieben, wenn sie mit einer Fettdiät gemästet wurden. Der Fund weist auf ein weite- res Element in der Regulation des Körpergewichts. Das zerstörte Gen dient normalerweise zur Herstellung eines Proteins, das im Fettgewebe die Aktivität der sogenann- ten c-AMP-abhängigen Proteinkinase reguliert. Diese Proteinkinase (PKA) ist eine der wichtigsten Schaltsta- tionen der intrazellulären Signalverarbeitung.
as Enzym verstärkt eintreffende Hormonbefehle und leitet sie an die entsprechenden Stoffwech- selstationen weiter. Im braunen Fettgewebe ist die PKA an der Regulation des Energiehaushalts betei- ligt. Dort wird das Enzym zum Beispiel durch ein Absin- ken der Körpertemperatur aktiviert und sorgt unter an- derem für eine Umstellung in der Fettverbrennung: Statt die Energie für den Stoffwechsel zu nutzen, erzeugen die Zellen Wärme, um die Körpertemperatur zu erhöhen.
Die Aktivität der PKA wird durch ein zweites Protein re- guliert. Im Ruhezustand blockiert es das Enzym und gibt es erst frei, wenn nach einem Hormonbefehl die cAMP- Konzentration ansteigt. Mit dem Eingriff ins Erbgut der Mäuse haben die Forscher gezielt eine Variante dieser Regulationseinheit (RIIb) ausgeschaltet, die aus- schließlich im Gehirn und im Fettgewebe benutzt wird.
Der Ausfall zwang die Zellen, eine andere Variante die- ser Regulationseinheit (RIa) zu nutzen, die die PKA schon bei wesentlich niedrigeren cAMP-Werten freigibt.
nsonsten nicht von normalen Tieren zu unter- scheiden, führte der Austausch zu einer chro- nisch erhöhten PKA-Aktivität im Fettgewebe.
Mit anderen Worten: Die Mäuse „verheizten“ überschüs- sige Kalorien, statt sie wie unmanipulierte Tiere sparsam als Fettreserven zu speichern. Weitere Beobachtungen weisen darauf hin, daß das Fettgewebe außerdem noch unbekannte Faktoren freisetzt, die den Hunger regulie- ren. Kommentatoren haben die Hoffnung, daß sich die PKA und ihre Regulation beim Menschen zur Therapie von Übergewicht nutzen lassen könnten. Tatsächlich ha- ben Medikamente wie die b-3-Adrenozeptor-Agonisten, die spezifisch die PKA in Fettzellen aktivieren, in ersten Tierversuchen ganz ähnliche Wirkungen auf den Ener-
giehaushalt erzielt. Klaus Koch
A-2272
S P E K T R U M AKUT
M
A D
(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 37, 13. September 1996