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Archiv "Neurodermitis constitutionalis atopica" (18.08.1988)

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Aktueller Stand der Therapie

DEUTSCHES III 111 1 411

ÄRZTEBLATT

Weltweit ist eine Zunahme der Neurodermitis-Inzidenz zu verzeichnen. Trotz rasch anwachsender Erkenntnisse, besonders über die Immunpathogenese der Erkrankung in den letzten zehn Jahren, ist eine kausale kurative Be- handlung nicht in Sicht. Durch geschickten, kombinierten Einsatz der heute verfügbaren Therapieverfahren ist je- doch in der Regel eine ausreichende Beherrschung der Krankheit zu erreichen.

Neurodermitis

constitutionalis atopica

Hans-Ulrich Voigt

ie Standardtherapie der Neurodermitis hat sich in den letzten 25 Jahren kaum geän- dert, wie ein Ver- gleich der heute verfügbaren Be- handlungsmethoden (Tabelle 1) mit den Therapieempfehlungen von 1962 zeigt (2). Obwohl noch keine kausale kurative Behandlung in Sicht ist, sind neue Therapieansätze und der Versuch erkennbar, die ge- samte Therapie auf eine rationalere Basis zu stellen (Tabelle 2).

Lokaltherapie

als Basis der Behandlung

Die Basis der Neurodermitisbe- handlung ist nach wie vor die Lokal- therapie, deren zwei tragende Säu- len die Glukokortikoide und die Ba- sisexterna bilden. Die meist notwen- dige Langzeittherapie verlangt Maß- nahmen der Kortikoideinsparung, da vor allem bei Langzeitapplikation starker Präparate die bekannten lo- kalen und — besonders bei Kindern — auch systemischen Nebenwirkun- gen, proportional zur Wirkungsstär- ke, drohen. Die Kortikoideinspa- rung ist durch eine diskontinuier- liche Therapie (7) möglich.

Gebräuchlich sind folgende Verfahren, mit abnehmender Akui- tät:

■ Stufen-Therapie:

Einige Tage Applikation eines stärkeren Kortikoids, anschließend längere Zeit schwaches Steroid, zum Beispiel einprozentiges Hydrocorti- son, möglichst baldiges Ersetzen durch ein Basisexternum. Schwere Schübe und stark infiltrierte und li- chenifizierte Areale erfordern gele- gentlich einige Tage hochpotente, halogenierte Kortikoide und eine Zwischenschaltung eines mittelstar- ken Steroids. Das Gesicht, das Scro- tum und das Gesäß von Säuglingen sollten nicht mit starken Präparaten behandelt werden.

■ Tandem Therapie:

Zwölfstündiger Wechsel zwi- schen Kortikoid und Basisexternum.

Wegen des abendlichen Minimums der Epithelproliferation vermindert eine einmalige abendliche Applika- tion des Kortikoides das Atrophieri- siko, zudem ist diese durch den De- poteffekt der Hornschicht in der Re- gel ausreichend wirksam.

■ Intervall-Therapie:

Mehrtägiger Wechsel zwischen Kortikoid und Basisexternum.

Dermatologische Klinik und Poliklinik (Di- rektor: Professor Dr. med. Dr. phil. Sieg- fried Borelli) der Technischen Universität München

Systemische Immunsup- pression nur in Notfällen

Die systemische Kortikoidthera- pie (40 bis 50 mg Prednisolon-Äqui- valent [zum Beispiel Decortin initial) beinhaltet die Gefahr des Re- bounds und sollte auf anders nicht beherrschbare Exazerbationen und die Erythrodermie beschränkt blei- ben. Immunsuppressiva und Zyto- statika wurden zwar erfolgreich ein- gesetzt, sollten aber wegen des er- heblichen Nebenwirkungsrisikos ge- mieden werden.

Kortikoidalternativen

— vorteilhafter?

Besonders in der Klinik, bei kortikoidvorgeschädigter Haut und bei stark lichenifizierten und infil- trierten Herden wird häufig auf die klassische Teertherapie ausgewi- chen. Zu empfehlen sind Tumenol- Ammonium beziehungsweise Ich- thyol 2 bis 5 Prozent bei Kindern und Liquor carbonis detergens oder Pix lithanthracis 5 bis 20 Prozent in Salben oder Pasten bei Erwachse- nen. Nebenwirkungen sind Geruchs- belästigung, Wäscheverschmutzung, Lichtsensibilisierung und eine mög- liche Mutagenität, die allerdings bis- her nur im Tierversuch und in vitro nachgewiesen wurde.

Ärztebl. 85, Heft 33, 18. August 1988 (49) A-2289 Dt.

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IgE t Al•-• T-Zell-Funktion zelluläre Immunität *

t

flinuMediato r- il

PDE cAMP ausschüttung

vly

Freisetzbarkeit t Juckreiz Hautveränderungen Prostaglandin-Synthesehemmer

wie das Bufexamac (Parfenac®) wer- den als Kortikoidalternative eben- falls eingesetzt. Die Wirkungsstärke ist allerdings relativ gering, nämlich etwa 60 bis 70 Prozent einer einpro- zentigen Hydrocortison-Salbe. Sen- sibilisierungen kommen vor.

Schwierige Wahl der Grundlage

Die Auswahl der Grundlage ge- staltet sich häufig problematisch und muß stadiengerecht erfolgen. Sehr fettreiche Grundlagen werden trotz der trockenen Haut häufig nicht ver- tragen und können zur sogenannten

„Fettreizung" führen. Günstig sind Halbseitenversuche zur Testung der Verträglichkeit. In empfindlichen Arealen, bei Säuglingen und in leichteren Fällen genügt häufig die Applikation von Pasta zinci mollis, Zinköl oder Pasta Cordes. Die Sal- ben- und Cremegrundlagen sollten frei von allergisierenden Bestandtei- len wie Konservierungsmitteln, sein.

Zentrales Problem Juckreiz

Das zentrale Problem bei der Neurodermitis ist der Juckreiz, wo- bei bisher nicht geklärt ist, was eher auftritt, der Juckreiz oder die Haut- veränderungen. Zur Durchbrechung des Teufelskreises zwischen Juck-

Tabelle 1: Standardtherapie der Neurodermitis

Lokaltherapie:

— Glukokortikoide

—nichtsteroidale Antiphlogistika

—Basisexterna

—Bäder

Antihistaminika Zusatztherapie

—Antibiotika per os, Desinfizientien lokal

—nichtsteroidale Antiphlogi- stika lokal

—Lichttherapie

—Diät

— Klimatherapie

—Psychoharmaka, Psycho- therapie

—Umgebungs- und Verhaltenskontrolle

—Immuntherapie

(spezifisch, unspezifisch)

—Kortikoide und

Immunsuppressiva per os

—experimentelle Therapien (DNCG, PDE-Hemmer, Nachtkerzensamenöl)

reiz, Kratzen und Hautveränderun- gen haben sich als dritte tragende Säule in der Neurodermitistherapie die Antihistaminika etabliert. Neue Substanzen wie Terfenadin (Telda- ne®) und Astemizol (Hismanal®) bieten Vorteile, da sie die Bluthirn- schranke nicht überwinden, somit

relativ hoch dosiert werden können und die Berufs- und Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigen. Abends emp- fehlen sich allerdings eher sedieren- de Präparate (zum Beispiel Feni- stil®, Tavegil®, Repeltin®, Atosil®).

Die Kombination von H1- und H2-Blockern bietet keine Vorteile.

Juckreizlindernde Eigenschaften weist auch Harnstoff in einer 5- bis 10prozentigen Beimischung zu ei- nem Basisexternum auf. Einen gut juckreizstillenden Effekt entfalten auch Bäder (Tabelle 3).

Superinfektionen wirksam bekämpfen

Die meist staphylogenen Super- infektionen müssen mit lokalen Des- infizienzien (zum Beispiel Chino- sol®, Vioform) und in schweren Fäl- len systemisch mit Antibiotika be- kämpft werden. Hierbei empfehlen sich penicillinasefeste Penicilline (zum Beispiel Dichlor-Stapenor®, Staphylex®), wir bevorzugen Cepha- losporine oder Erythromycin.

Etwa 90 Prozent aller Neuroder- mitiker sind mit dieser Standardthe- rapie ausreichend zu beherrschen.

Die Behandlung der übrigen Patien- ten gestaltet sich teilweise sehr pro- blematisch, aber auch hier können durch eine große Zahl von adjuvan- ten Verfahren teilweise gute Erfolge erzielt werden.

Gibt es eine

„Neurodermitis-Diät "?

Die Bedeutung der Ernährung des Neurodermitikers wurde in den.

letzten Jahren sehr kontrovers dis- kutiert (10). Neuere kontrollierte Doppelblindstudien (1, 8) belegen die Bedeutung von Nahrungsmittel- unverträglichkeiten und -allergien, besonders bei der kindlichen Neuro- dermitis. Für die Entstehung von Hautveränderungen nach Nahrungs- mittelzufuhr werden IgE-vermittelte Typ-I-Reaktionen, IgE-vermittelte Spätreaktionen, zirkulierende Nah- rungsmittelantigen-IgE- beziehungs- weise IgG-Immunkomplexe, zellulä- re Mechanismen sowie eine Idiosyn- krasie gegenüber Nahrungsmittelzu- sätzen diskutiert. Auch metabolische Faktoren werden angeschuldigt. >

Abbildung I: Schema zur Immunpathologie der Neurodermitis. IgE-Überschuß, gestörte cAMP-Regulation und eine erhöhte Freisetzbarkeit der Mastzellen und Basophilen be- wirken eine verstärkte Mediatorausschüttung, diese wiederum Juckreiz und Hautverän- derungen und eine Hemmung der T-Suppressor-Zell-Funktion. Dies bewirkt einerseits eine Schwächung der zellulären Immunität, andererseits eine verstärkte IgE-Produktion durch B-Lymphozyten, wodurch sich der Teufelskreis schließt

A-2290 (50) Dt. Ärztebl. 85, Heft 33, 18. August 1988

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Zahlreiche Studien wurden in den letzten Jahren über den Wert von Eliminations- und hypoallerge- nen Diäten durchgeführt, die insge- samt uneinheitliche Ergebnisse er- brachten. Immerhin kann aus ihnen geschlossen werden, daß Nahrungs- mittel nur bei einem kleinen Teil (ca. 10 Prozent) der Patienten eine bedeutende Rolle für den Verlauf der Erkrankung spielen. Bei dieser Gruppe kann eine gezielte Elimina- tionsdiät zu einer Besserung des Be- schwerdebildes führen, wobei mit ei- ner Diät allein in der Regel jedoch keine Erscheinungsfreiheit zu erzie- len ist. Je jünger die Patienten sind, desto erfolgversprechender ist eine derartige Diät. Zu beachten ist, daß in der Regel nur eine kleine Anzahl von Nahrungsmittelnallergen wirkt, am häufigsten sind dies Hühnerei- weiß und Kuhmilch (Abbildung 2).

Die Nahrungsmittelallergien verlie- ren sich häufig mit zunehmende Al- ter der Kinder. Für die tägliche Pra- xis können folgende Empfehlungen gegeben werden:

Häufigste allergene Nahrungsmittel (nach Sampson)

%

--

35 - 36 30 - 25 - 20 -

15 t-- r - ~

14

,..

~ 14

10 t-- I - - - 11 - 11 -

...- --

5 1--- I - - - - - 7 - 7

- -

0

Ei Milch Weizen Erdnuß Soja Huhn übrige Abbildung 2: Häufigste allergene Nahrungsmittel (nach Sampson)

pie intensiv und konsequent durch- führen;

• Die Diät ist keine Routinemaß- nahme, zunächst die Standardthera-

• bei Therapieresistenz und deut- lichen anamnestischen Hinweisen auf N ahrungsmittelunverträglich- keiten Nahrungsmittel-Allergie-Dia- Tabelle 2: Gezielte Beeinflussung von Funktions- und Regelkreisstö- rungen bei der Neurodermitis

Sebostase2 Xerose: Dermatitis, Ekzem: Superinfektion:

- Hautfettung - Kortikoide - Antibiotika -Bäder - Teer, Bufexamac - Desinfizientien - Harnstoff - Lichttherapie

Juckreiz: Arachidonsäure- IgE-Erhöhung:

- Antihistamine Stoffwechselstörung: - Allergenkarenz - Kortikoide, Teer - Nachtkerzensamenöl N ahrungsmittelallergie:

- Harnstoff T-Zellschwäche: -Diät

-Bäder - Immuntherapie - DNCG

Psychosomatik: cAMP-Regel-Störung:

- Psychopharmaka - PDE-Hemmer - Psychotherapie

Tabelle 3: Bäder mit juckreizstillendem Effekt Zusätze:

Temperatur:

Dauer:

Frequenz:

Öl, Teer, Haferstroh, Weizenkleie

bei Kindern "Kleopatrabad" (1 Eßlöffel Olivenöl in eine Tasse Milch, jedoch nicht bei Milchallergie!) 34 bis 36°C

5 bis 10 Minuten 1- bis 2mal pro Woche

A-2292 (52) Dt. Ärztebl. 85, Heft 33, 18. August 1988

gnostik durchführen;

• da die Anamnese häufig unzuver- lässig und Hautteste und RAST in 70 Prozent bis 80 Prozent falsch po- sitiv ausfallen, vor Einleiten einer Eliminationsdiät die klinische Ak- tualität der anamnestisch suspekten oder im Hauttest positiven Nah- rungsmittel durch mehrfache orale Provokation überprüfen;

• nur klinisch aktuelle Nahrungs- mittelallergene weglassen, die Zahl soll so niedrig wie möglich sein

( <

4). Speziell bei Kindern Diät in

Zusammenarbeit mit Diätassisten- tinnen zusammenstellen, um durch Gabe von Ersatznahrungsmitteln Mangel- und Fehlernährungen zu vermeiden;

• Diät zunächst 6 Wochen probe- weise durchführen, bei Kleinkindern ab 3. bis 4. Lebensjahr weggelassene Nahrungsmittel versuchsweise nach und nach wieder verabreichen.

Neurodermitisprophylaxe durch Stillen?

Der prophylaktische Wert des Stillens wird ebenfalls sehr kontro- vers beurteilt. Die meisten neueren Studien fanden keinen signifikant protektiven Effekt des Stillens (5). Das Stillen kann sicher den Aus- bruch einer Neurodermitis nicht völ-

(4)

Abbildung 4: Typ Beugenekzem bei einem eineiigen Zwillingspärchen lig verhindern. Trotzdem empfehlen

wir, gefährdete Säuglinge, das heißt solche mit einem oder mehreren erstgradig verwandten Neurodermi- tikern, prophylaktisch mindestens vier Monate ausschließlich zu stillen und häufig allergene Nahrungsmittel wie Ei, Kuhmilch, Fisch, Nüsse, Schokolade erst nach dem 12. bis 18.

Monat zuzufüttern, wenn sich die Darmschleimhautbarriere weitge- hend gefestigt hat. Sinnvoll ist hier- bei dann allerdings, daß auch die Mutter in der Schwangerschaft und Stillzeit keine größeren Mengen al- lergener Nahrungsmittel zu sich nimmt, um eine Sensibilisierung des Kindes zu vermeiden.

Unspezifische Immun- therapie und spezifische Hyposensibilisierung

Der Einsatz von unspezifischen T-Zell-Stimulatoren beruht auf dem relativ konstanten Befund eines funktionellen und quantitativen De- fizits von T-Lymphozyten, speziell von T-Suppressor-Lymphozyten bei der Neurodermitis (3), hat aber überwiegend enttäuscht. Lediglich Thymopentin (Timunox®) wies bis- her in ersten klinischen Studien er- mutigende Effekte auf die T-Sup- pressor-Zellen und auf klinische Pa- rameter bei der therapieresistenten Neurodermitis auf.

Abbildung 3: Milchschorf. Typischer Befall von Gesicht und oberem Rumpf

Auch bei der spezifischen Im- muntherapie in Form der Hyposen- sibilisierung wird als ein möglicher Wirkungsmechanismus eine Induk- tion von T-Suppressor-Zellen disku- tiert. Es ist bekannt, daß nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Inha- lationsallergene die Neurodermitis verschlimmern können, wobei die Allergene offenbar sowohl inhalativ als auch perkutan aufgenommen werden können. Neuere Untersu- chungen weisen günstige Effekte der

Hyposensibilisierung auf den Ver- lauf der Neurodermitis auf (9). Der- zeit können folgende Empfehlungen gegeben werden:

■ Bei begleitender respiratorischer Allergie ist die Hyposensibilisierung indiziert.

■ Bei alleiniger Neurodermitis ver- suchsweise hyposensibilisieren.

III Vorsichtige Dosissteigerung (0,1 ml), geringe Allergenzahl (< 4); bei Zunahme der Hauterscheinungen Abbruch.

Gute Erfolge durch UV-Licht

Viele Neurodermitiker erfahren in den Sommermonaten eine Besse- rung ihrer Erkrankung. Dieser gün- stige Effekt kann durch eine Licht- therapie imitiert werden. Das UV- Licht entfaltet dabei antiproliferati- ve und immunsuppressive Wirkun- gen.

In mehreren neueren Studien zeigte sich eine Unterlegenheit einer reinen UVB-Bestrahlung (6), des- halb ziehen wir eine UVA- oder kombinierte UVA- + VVB-Be- strahlung einer UVB-Behandlung vor. Eine Lichttherapie empfiehlt sich insbesondere im subakuten und.

chronischen Stadium in den Winter- monaten, mit anfangs drei bis fünf Bestrahlungen pro Woche und all- mählicher Verringerung der Fre- quenz. Die orale PUVA-Therapie setzen wir, trotz ihrer Effektivität, wegen des potentiellen mutagenen Risikos, zumindest bei jungen Pa- tienten, nicht als Routinemethode ein.

Wichtig: Kontrolle von

Umgebung und Verhalten

Zu den Standardempfehlungen für Neurodermitispatienten zählen Meidung von Irritantien wie Woll-, Seiden- und Synthetikkleidung, De- tergenzien, alkalische Seifen, Lö- sungsmittel und reichlicher Anwen- dung von Wasser, weiterhin weitge- hende Meidung potentieller Allerge- ne wie Haustiere, Schimmelpilze, Pollen und anamnestisch unverträg- licher Nahrungsmittel. Bei Haus- staubmilbenallergie müssen Staub- Dt. Ärztebl. 85, Heft 33, 18. August 1988 (53) A-2293

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fänger wie Teppiche, Vorhänge, Bettvorleger usw. entfernt werden, ferner sollte häufig Staub gesaugt werden. Die klimatischen Raumver- hältnisse sollten der Physiologie der Neurodermitishaut Rechnung tra- gen, die Temperatur sollte somit nicht zu hoch (< 25° C) und die Luftfeuchtigkeit durch Luftbefeuch- ter oder notfalls feuchte Handtücher auf über 50 Prozent gesteigert wer- den.

Kratzspuren können durch kur- ze Fingernägel, Handschuhe und verhaltenstherapeutische Maßnah- men („schmieren statt kratzen") eingedämmt werden. Übermäßiges Schwitzen sollte gemieden werden, da es den Juckreiz verstärkt. Eine weitgehende psychische Ausgegli- chenheit ist wesentlich für den Er- folg therapeutischer Bemühungen, bei akuten Schüben sind häufig se- dierende und stabilisierende Psycho- pharmaka, langfristig eventuell auch psychotherapeutische Maßnahmen angezeigt.

Klimatherapie:

auch in schwersten Fällen oft noch erfolgreich

Die Klimatherapie im Hochge- birge oder an der Nordsee erweist sich für viele Neurodermitiker als günstig, da die hohe UV-Strahlung und das Reizklima dieser Gebiete in der Regel zu einer raschen Abnah- me von Juckreiz und Hautverände- rungen und zu einer vegetativen Sta- bilisierung führt. Besonders in hart- näckigen, therapeutisch schwer be- einflußbaren Fällen und bei hoch- chronischen Verläufen ist hierdurch häufig noch eine therapeutische Wende herbeizuführen und ein Ab- setzen der Kortikoidmedikation zu erreichen.

In der deutschen Klinik für Der- matologie und Allergie Davos (Ale- xanderhausklinik) konnten in den Jahren 1961 bis 1986 von insgesamt 16 330 behandelten Neurodermiti- kern nach einem durchschnittlich fünf- bis siebenwöchigen Aufenthalt 94 Prozent erscheinungsfrei oder wesentlich gebessert entlassen wer- den, darüber hinaus bei 77 Prozent der Fälle oral verabreichte und bei

Abbildung 5: Bakterielle Superinfektion bei Neurodermitis

Abbildung 6: Neurodermitis des Erwach- senen. Großflächiger Befall mit zahlrei- chen Kratzeffekten

85 Prozent extern applizierte Korti- koide abgesetzt werden (4).

Neue Therapieansätze

Neben der Beeinflussung der gestörten T-Zellregulation stellen Mittel zur Beeinflussung des Arachi- donsäurestoffwechsels und der ge-

störten cAMP-Regulation wie Phos- phodiesterasehemmer neue logische Therapieansätze dar, die sich aber noch im experimentellen Stadium befinden.

Fazit

Sämtliche Therapiemaßnahmen sind individuell und gezielt sym- ptomorientiert, in Form einer „ge- richteten Polypragmasie" einzuset- zen. Die meisten Neurodermitiker sind mit einer konsequenten Stan- dardtherapie ausreichend zu behan- deln. Für den problematischen Rest bieten eine Vielzahl erprobter und gut dokumentierter Behandlungs- formen, geschickt eingesetzt, die Chance einer teilweisen oder voll- ständigen Remission.

Literatur

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Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans-Ulrich Voigt Dermatologische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität Biedersteiner Straße 29 8000 München 40 A-2294 (54) Dt. Ärztebl. 85, Heft 33, 18. August 1988

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