• Keine Ergebnisse gefunden

Untersuchung zur Vererbung von Augenkrankheiten beim Tibet Terrier mit komplexen Segregationsanalysen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Untersuchung zur Vererbung von Augenkrankheiten beim Tibet Terrier mit komplexen Segregationsanalysen"

Copied!
204
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Untersuchung zur Vererbung von Augenkrankheiten beim Tibet Terrier mit komplexen Segregationsanalysen

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer DOKTORIN DER VETERINÄRMEDIZIN

(Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Karina Ketteritzsch

aus Kassel

Hannover 2002

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. O. Distl

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. O. Distl 2. Gutachter: Prof. Dr. M. H. Boevé Tag der mündlichen Prüfung: 21.11.2002

(3)

Meiner verstorbenen Mutter gewidmet

(4)
(5)

2 Literatur...2

2.1 Der Tibet Terrier ...2

2.1.1 Rassegeschichte ...2

2.1.2 Zuchtverbände...4

2.1.3 Rassestandard ...4

2.1.4 Zuchtbestimmungen ...5

2.2 Dortmunder Kreis (DOK) ...7

2.3 Embryologie, Anatomie und Physiologie des Auges ...9

2.3.1 Entwicklung des Auges...9

2.3.2 Anatomie und Physiologie des Hundeauges ...12

2.3.3 Funktion des Auges...25

2.4 Genetische Grundlagen...26

2.4.1 Definitionen...26

2.4.2 Mendel‘sche Erbgänge ...27

2.4.3 Mitochondriale Vererbung...29

2.4.4 Heterogenie ...29

2.4.5 Multifaktorielle Vererbung...30

2.4 Erbliche Augenerkrankungen ...31

2.4.1 Tränenpunktstenose/Tränenpunktatresie...31

2.4.2 Entropium ...31

2.4.3 Ektropium ...33

2.4.4 Trichiasis ...33

2.4.5 Distichiasis...34

2.4.6 Glaukom ...35

2.4.7 Membrana Pupillaris Persistens (MPP) ...37

2.4.8 Linsenluxation...39

2.4.9 Katarakt ...41

2.4.10 Progressive Retinaatrophie (PRA)...48

3 Material und Methoden ...55

3.1 Datenquellen und Datenerfassung ...55

3.2 Struktur des Datenmaterials ...56

3.3 Deskriptive Statistiken für die Augenuntersuchungsergebnisse ...66

3.4 Statistische Methoden ...70

3.4.1 Varianzanalyse ...70

3.4.2 Varianzkomponentenschätzung ...74

3.4.3 Segregationsanalysen ...76

(6)

4.1.2 Segregationsanalyse ...83

4.1.3 Diskussion ...92

4.2 Membrana Pupillaris Persistens (MPP) ...95

4.2.1 Varianzanalyse ...95

4.2.2 Segregationsanalyse ...97

4.2.3 Diskussion ...109

4.3 Linsenluxation...112

4.3.1 Systematische Effekte ...112

4.3.2 Segregationsanalyse ...114

4.3.3 Diskussion ...122

4.4 Katarakt ...126

4.4.1 Varianzanalyse ...126

4.4.2 Segregationsanalyse ...127

4.4.3 Diskussion ...138

4.5 Progressive Retinaatrophie (PRA)...141

4.5.1 Varianzanalyse ...141

4.5.2 Segregationsanalyse PRA...142

4.5.3 Diskussion ...151

5 Schlussfolgerung ...156

6 Zusammenfassung...165

7 Summary...167

8 Literaturverzeichnis ...169

9 Anhang ...194

9.1 VDH-Untersuchungsbogen...194

9.2 „Befundbogen Augenuntersuchung“ des DOK ...195

(7)

Abb. Abbildung

CTA Club für Tibet Terrier und Lhasa Apso e.V.

DOK Dortmunder Kreis

F.C.I. Féderation Cynologique Internationale ggr. geringgradig

H Hündin h2 Heritabilität

hgr. hochgradig

ILT Internationaler Club für Lhasa Apso und Tibet Terrier e.V.

KTR Klub Tibetischer Rassehunde e.V.

-2 lnL -2 Log Likelihood

LRT Likelihood-Ratio-Test LSM Least Square Mittelwerte

mgr. mittelgradig

MPP Membrana pupillaris persistens n Anzahl

OD rechtes Auge

OS linkes Auge

p Irrtumswahrscheinlichkeit post. posterior

PRA Progressive Retinaatrophie R Rüde

REML Restricted Maximum Likelihood s Standardabweichung VDH Verband Deutsches Hundewesen

(8)
(9)

1 Einleitung

Augenerkrankungen stellen ein weitverbreitetes Problem bei sehr vielen Hunde- rassen dar. Aus diesem Grunde haben sich bereits vor mehr als zehn Jahren Tierärzte in Untersucherkreisen zusammengeschlossen, um objektive Diagnosen als Grundlage für die Selektion von Zuchttieren aus Rassezuchtvereinen zur Verfügung zu stellen.

In Deutschland hat sich der Dortmunder Kreis (DOK), Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tieren e.V., im Jahre 1995 etabliert.

Beim Tibet Terrier wurde das Auftreten der Linsenluxation und der Progressiven Retinaatrophie (PRA) mehrfach beschrieben, bei beiden Erkrankungen mit einem monogen autosomal rezessivem Erbgang. Die Erblichkeit weiterer Augenerkrankun- gen, wie z. B. die Katarakt, die Membrana pupillaris persistens (MPP) oder die Distichiasis, ist beim Tibet Terrier bisher nicht geklärt.

Infolge der häufigen genetischen Heterogenie von erblich bedingten Augenerkran- kungen lassen sich die Erbgänge nicht von einer Hunderasse auf eine andere übertragen. Zudem wurden in den letzten Jahren wesentlich verbesserte Analyse- methoden für die Aufklärung von Erbgängen entwickelt, wodurch Ergebnisse früherer Untersuchungen eventuell revidiert werden müssen. Daher besteht in diesem Bereich noch ein sehr großer Forschungsbedarf.

Ziel dieser Arbeit ist es, in Zusammenarbeit mit dem größten deutschen Zuchtver- band für Tibet Terrier, dem Internationalen Klub für Tibetische Hunderassen e. V.

(KTR), und dem Dortmunder Kreis (DOK) die Erbgänge der beim Tibet Terrier vorkommenden Augenerkrankungen Distichiasis, MPP, Linsenluxation, Katarakt und PRA zu analysieren.

Weiterhin sollen Vorschläge für ein Zuchtprogramm entwickelt werden, mit dessen Hilfe genetisch bedingte Augenerkrankungen bekämpft werden können.

(10)

2 Literatur

2.1 Der Tibet Terrier

2.1.1 Rassegeschichte

Der Tibet Terrier (Abbildung 1 und 2) zeigt die Eigenschaften eines Hütehundes und gleicht in seinem Erscheinungsbild und Wesen den europäischen zotthaarigen Hütehunden. Seine Heimat ist das bis 5000m hohe Hochplateau von Tibet. Während die anderen tibetischen Kleinhunde wie Tibet Spaniel und Lhasa Apso als Tempel- hunde gehalten wurden, war der Tibet Terrier Arbeitshund der Bauern und Vieh- züchter, vor allem bei der Hütearbeit in unwegsamem Gelände.

Die Tibet Terrier gelangten erst im 20. Jahrhundert über die britische Ärztin Dr.

Agnes Greig, die in Indien nahe der tibetischen Grenze arbeitete, nach Europa. In England lies die Mutter von Dr. Greig diese Hunde unter dem Zwingernamen „of Ladkok“ 1926 als Lhasa Terrier registrieren. In Indien, wo Dr. Greig selbst weiter züchtete, dauerte es noch bis 1930, bis diese Hunde als eigenständige Rasse unter der Bezeichnung Tibet Terrier anerkannt wurden. Hier wurde bereits der Fehler begangen, die Hunde mit der falschen Bezeichnung Tibet Terrier auszustatten.

Korrekter müsste es eigentlich „Tibet Apso“, also Tibet Langhaar, heißen, da der Tibet Terrier keine vergleichbare Eigenschaften der in Europa gezüchteten Terriern aufweist. 1931 schloss sich auch der British Kennel Club der Entscheidung des Indischen Kennel Clubs an und führte ab diesem Jahr die Registrierung unter der Bezeichnung „Tibet Terrier“ ein. In den späten 30er Jahren gelangten Hunde aus der Zucht von Dr. Greig nach Deutschland, Dänemark, Italien und auch in die USA.

In England entwickelte sich ab 1953 eine zweite Zuchtlinie aus dem Zwinger „Lune- ville“ des Ehepaares Downey. Diese Linie war zunächst umstritten, da sie auf einen Findling, einen sogenannten „crossbred“ zurückging, der eher zufällig als „Trojan Kynos“ mit unbekannter Abstammung in das Zuchtbuch der Tibet Terrier aufge- nommen wurde.

(11)

In Deutschland begann Frau Erika Bruns Anfang der 30-er Jahre in Berlin mit einer kleinen Zucht. Bedingt durch den zweiten Weltkrieg kam es jedoch fast zu einem Stillstand. Nach dem zweiten Weltkrieg lebte in Deutschland die Zucht wieder auf, vor allem durch den Zwinger „vom Potala“. Durch die Unterstützung aus dem Ausland gelang es, die enge deutsche Zuchtbasis zu erweitern. Einer der daraus hervorgehenden Hunde war „Dschowo vom Potala“, der Weltsieger von 1947. Er war einer der wichtigsten Begründer der deutschen Nachkriegszucht (KRAßNIGG 1997, CLARC undBRACE 1995)

Abbildung 1: Tibet Terrier, goldzobel (nach KRAßNIGG 1997)

Abbildung 2: Tibet Terrier, schwarz mit weissen Abzeichen (nach KRAßNIGG 1997)

(12)

2.1.2 Zuchtverbände

Der Klub für Tibetische Hunderassen (KTR) wurde am 02.10.1966 gegründet und am 15.03.1967 in das Vereinsregister des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) aufgenommen. Vom KTR werden die vier Tibetischen Hunderassen Tibet Terrier, Lhasa Apso, Tibet Spaniel und Do Khyi betreut. Diese wurden zunächst in das „Deutsche Sammelzuchtbuch“ (DSaZB) eingetragen. 1979 wurde dann vom KTR der Entschluss gefasst, ein eigenes Zuchtbuch zu führen. Die Bezeichnung DSaZB verschwand aus den Ahnentafeln und wurde durch den KTR-Schriftzug ersetzt. Damit war der KTR im VDH der erste selbständig zuchtbuchführende Verein mit der Zuchtbuchhoheit für tibetische Hunderassen.

In Deutschland existieren noch zwei weitere Vereine, der Internationale Club für Lhasa Apso und Tibet Terrier e.V. (ILT) und der Club für Tibet Terrier und Lhasa Apso e.V. (CTA), die beide ebenfalls dem VDH angeschlossen sind. In der Schweiz vertritt der „Tibet-Terrier-Klub der Schweiz“ und in Österreich der „Österreichische Klub für Tibetische Hunderassen“ die Rasse der Tibet Terrier (KRAßNIGG 1997).

Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt die Welpenzahlen der Tibet Terrier aller deutschen, dem VDH angeschlossenen Zuchtverbände.

Tabelle 1: Welpenzahlen des Tibet Terriers im VDH (2002) Jahr 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Anzahl der

Welpen 963 991 778 795 826 803

2.1.3 Rassestandard

Der Tibet Terrier wird in der FCI-Gruppe 9, Gesellschafts- und Begleithunde, Sektion 5, Tibetische Hunde, Standard Nr. 209, geführt. Es ist vom allgemeinen Erschei- nungsbild ein robuster Hund von mittlerer Größe, langhaarig, mit quadratischer

(13)

Silhouette. Er ist lebhaft und gutmütig, treu und mit vielen einnehmenden Wesens- zügen. Auch ist er wachsam, intelligent, mutig, wenig ungestüm oder streitsüchtig und Fremden gegenüber zurückhaltend. Rüden erreichen eine Schulterhöhe von 35,6 – 40,6 cm, Hündinnen sind geringfügig kleiner. Das Haarkleid ist doppelt. Die Unterwolle ist fein und wollig, während das Deckhaar üppig, fein, lang, glatt oder gewellt, jedoch nicht lockig ist. Bezüglich der Fellfarbe ist jegliche Farbe erlaubt, außer schokoladen- oder leberbraun. Üblicherweise sind die Hunde weiß, gold, creme, grau, rauchfarben, schwarz, zobelfarben, zwei- oder dreifarbig. Der Körper der Hunde ist gut bemuskelt, kompakt und kraftvoll. Die Länge von der Schulterblatt- spitze bis zum Rutenansatz soll der Widerristhöhe entsprechen. Die Rute selbst ist mittellang, hoch angesetzt, üppig behaart und wird fröhlich eingerollt über dem Rücken getragen. Die Gliedmaßen sind stark behaart, die Läufe stehen gerade und parallel. Die Hinterhand ist gut gewinkelt. Die Pfoten sind groß und rund und zwi- schen den Zehen und Ballen reichlich behaart. Das Gangwerk der Tibet Terrier ist zügig mit gutem Vortritt und kraftvollem Schub aus der Hinterhand.

2.1.4 Zuchtbestimmungen

Seit Ende der 70er Jahre gab es die allgemeine Empfehlung, Tibet Terrier vor dem Deckakt auf erbliche Augenerkrankungen, insbesondere auf die Linsenluxation und die Progressive Retina Atrophie (PRA), untersuchen zu lassen. Erkrankte Hunde durften nicht zur Zucht verwendet werden.

Im Herbst 1984 fand die erste Reihenuntersuchung auf erbliche Augenerkrankungen des KTR in Hamburg statt. Im Frühjahr 1986 wurde die Untersuchung vor dem Deckakt Pflicht. Das Attest behielt bei Rüden eine Gültigkeit von sechs Monaten, bei Hündinnen von acht Wochen. Im Frühjahr 1987 wurden dann offiziell bekannte Genträger für die PRA und die Linsenluxation von der Zucht ausgeschlossen (Kinder und Eltern eines erkrankten Tieres). Die Begründung für diese Zuchtmaßnahem leitet sich aus den nach Literaturangaben unterstellten monogen autosomal rezes- siven Erbgängen sowohl für die PRA als auch für die Linsenluxation ab. Die Befunde

(14)

der Reihenuntersuchungen werden im KTR-Report, der Verbandszeitschrift, veröf- fentlicht.

Seit 1989 führt der KTR regelmäßig Reihenuntersuchungen auf den Ausstellungen (CAC-Schauen) durch. Seit Juli 1998 werden nur noch Befunde der Mitglieder des Dortmunder Kreises, Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkran- kungen bei Tiere e. V. (DOK) anerkannt (SCHROTH 2000).

Ab einem Alter von 9 Monaten dürfen Rüden und Hündinnen zur Zuchtzulassungs- prüfung vorgestellt werden. Hündinnen dürfen ab einem Alter von 18 Monaten zur Zucht eingesetzt werden (Decktag), Rüden ab einem Alter von 12 Monaten. Das Höchstalter für die Zuchtverwendung liegt bei den Hündinnen grundsätzlich bei der Vollendung des achten Lebensjahres (Decktag). In Ausnahmefällen darf nach der Vollendung des achten Lebensjahres noch ein Wurf gezogen werden, wenn dies im besonderen Interesse der Rasse liegt. Rüden können zeitlich unbegrenzt eingesetzt werden.

Zum Schutz der Hündin darf diese nicht mehr zur Zucht eingesetzt werden, wenn sie sechs Würfe aufgezogen hat oder wenn bei ihr zweimal ein Kaiserschnitt durchge- führt wurde. Es dürfen nicht mehr als zwei Würfe in zwei Kalenderjahren gezogen werden. Wurden aus einem Wurf mehr als sechs Welpen aufgezogen, muss der Hündin eine zwölfmonatige Ruhepause gewährt werden.

Tiere, die zur Zucht eingesetzt werden sollen, müssen vor jeder Zuchtverwendung auf erbliche Augenkrankheiten untersucht werden. Nach den neusten Zuchtbe- stimmungen darf dieses Attest zum Zeitpunkt der Belegung maximal 6 Monate alt sein. Als Gutachter werden ausschließlich die Mitglieder des DOK anerkannt. Die Befunde aus diesen Gutachten werden vom Hauptzuchtwart zentral registriert.

Befunde über PRA und Linsenluxation werden regelmäßig veröffentlicht.

Hunde, die bekannte Anlageträger von PRA und Linsenluxation sind, dürfen zur Zucht nicht verwendet werden. Dies beinhaltet auch die Eltern und Nachkommen betroffener Tiere. Es besteht eine Meldepflicht für die Züchter. Weiterhin werden Hunde nicht zur Zucht zugelassen, die weitere in der Zuchtordnung genannten zuchtausschließenden Fehler haben wie z. B. Wesensschwäche, angeborene Taubheit oder Blindheit, Hasenscharte, Spaltrachen, erbliche Zahnfehler und

(15)

Kieferanomalien, Epilepsie, Kryptorchismus, Monorchismus, Albinismus, Fehlfarben, schwere Hüftgelenksdysplasien, ererbte Canide Neuropathie (Canine Inherited Neuropathie, CIN) (KTR-Zuchtordnung vom 01.01.2001, KTR Zuchtzulassungsprü- fungsordnung vom 01.07.2000).

2.2 Dortmunder Kreis (DOK)

Der Dortmunder Kreis, Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkran- kungen bei Tieren e.V. (DOK) wurde am 12.10.1995 gegründet, um ein unabhängi- ges Gremium von fachkompetenten Gutachtern zu bilden,.

Ziel des DOK ist es, für Deutschland eine Basis von qualifizierten und anerkannten Augenuntersuchern zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund kann im DOK nur Mitglied werden, wer nach der Satzung seine Qualifikation bewiesen und die Vor- aussetzungen nach der Zulassungsordnung erfüllt hat. Untersucher, die für den DOK tätig werden, müssen eine Prüfung ablegen. Zulassungsvoraussetzung für die Prüfung ist eine mindestens zweijährige intensive Beschäftiung mit der Augenheil- kunde bei Tieren und der Nachweis von mindestens 500 kontrollierten Augenunter- suchungen unter Anweisung von DOK-Mitgliedern oder von Mitgliedern des Euro- pean College of Veterinary Ophthalmologists (ECVO). Dies sichert für den DOK und seine Mitglieder einen Standard, der für die Erstellung von ophthalmologischen Gutachten nötig ist. Um diesen Standard auch zukünftig sicher zu stellen, bedarf es einer permanenten Fortbildung der Mitglieder und der Abstimmung von unklaren Befunden.

Werden bei einem Untersucher gehäuft Mängel bei der Untersuchung oder im vorgeschriebenen Verfahren festgestellt, kann vom Vorstand eine Nachschulung und/oder eine Nachprüfung beschlossen werden. Bei besonders schweren Verfeh- lungen ist der Vorstand verpflichtet, der Jahreshauptversammlung den Ausschluss des Mitgliedes vorzuschlagen.

Die Befunde von zur Untersuchung vorgestellten Tieren werden auf dem derzeit gültigen Formular des DOK dokumentiert (Anhang 2). Durchschriften dieses Formu-

(16)

lars gehen an den Zuchtverband (gelb), an den Eigentümer (blau) und an die zentrale Erfassungsstelle des DOK (weiß).

An der zentralen Erfassungsstelle wurde eine Datenbank etabliert, um zum einen bundesweit sämtliche Befunde zu speichern und zu vergleichen, zum anderen aber auch, um die jährlichen Untersuchungszahlen der einzelnen DOK-Mitglieder zu ermitteln. DOK-Mitglieder, die eine geforderte Mindestuntersuchungszahl von 100 Untersuchungen pro Jahr nicht erreichen, wird empfohlen, dass sie mit einem anderen DOK-Mitglied zusammen die Untersuchungen durchführen sollen, um ihre Untersuchungstechnik und Diagnosesicherheit zu trainieren. Ab dem Jahre 2002 wurde für diese DOK-Mitglieder ein Requalifikationstest eingeführt.

Bei unterschiedlicher Befundung von DOK-Mitgliedern, auf Antrag von DOK-Mitglie- dern oder bei von Tierbesitzern angezweifelten Gutachten, kann ein schriftlicher Antrag auf Erstellung eines Obergutachtens gestellt werden. Dieses wird von drei erfahrenen Ophthalmologen erstellt, die das Tier nacheinander untersuchen, ihre Diagnosen miteinander diskutieren und eine Entscheidung treffen.

Die Obergutachten sollen gleichzeitig mit einer Versammlung aller DOK Mitglieder der Region verbunden werden, auf der zweifelhafte Fälle diskutiert werden können.

Dafür sind in Deutschland vier Obergutachtenzentren gebildet worden, in Dortmund, München, Berlin und Leipzig. Diese tagen zweimal jährlich. Die Termine werden ein Jahr im Voraus festgelegt und sollen möglichst im Zusammenhang mit großen Hundeschauen stattfinden.

Jedes DOK-Mitglied ist laut Satzung verpflichtet, an den Jahreshauptversammlungen teilzunehmen. Diese Jahreshauptversammlungen dienen auch gleichzeitig als Weiterbildungsveranstaltung. Hier werden zwischen den Mitgliedern zweifelhafte Befunde diskutiert. Außerdem dienen Vorträge von DOK-Mitgliedern und externen Referenten der Fortbildung. Auch im Rahmen der Jahreshauptversammlung werden Obergutachten angefertigt (Satzung des DOK).

Vorschriften der tierärztlichen Untersuchung des Auges beim DOK

Die Untersuchungen dürfen nur persönlich von einem Mitglied des DOK durchgeführt werden. Es muss das gesamte Auge mit Adnexen unter Bezug auf die speziell zu untersuchenden Erkrankungen bei den verschiedenen Hunderassen untersucht

(17)

werden. Die Anwendung eines Mydriatikums und die Untersuchung nach Einsetzen einer maximalen Mydriase ist ebenfalls im Rahmen der Standarduntersuchung vorgeschrieben. Untersuchungen, die hierdurch behindert werden, sind vor der Anwendung vorzunehmen. Spezielle Untersuchungsgänge wie das Untersuchen mit einer Spaltlampe mit mindestens 10-facher Vergrößerung und die binokulären indirekten Opththalmoskopie sind ebenso vorgeschrieben wie das Dokumentieren pathologischer Befunde mit der Funduskamera. Die erhobenen Befunde sind bei den relevanten Erkrankungen in Wort, Skizze und Ankreuzen auf den Befundbögen (Anlage 1 und 2) zu dokumentieren.

Der Untersuchungsgang und die einzelnen Punkte der Untersuchung des DOK entsprechen den Anforderungen des European College of Veterinary Ophthalmolo- gists (ECVO).

2.3 Embryologie, Anatomie und Physiologie des Auges

2.3.1 Entwicklung des Auges

Die Entwicklung des Auges beginnt mit der Bildung von zwei lateralen Augenblasen, die dem Neuroektoderm entstammen. Diese stülpen sich seitlich am Boden des Vorderhirnbläschens aus und erweitern sich zu den Augenblasen. Wenn die Augen- blasen durch weiteres Wachstum das Oberflächenektoderm erreichen, wird dort eine Verdickung des Ektoderms induziert, aus dem die Linsenplatten geblidet werden.

Diese senken sich in der weiteren Entwicklung zu den Linsengrübchen ein. An- schließend schnüren sie sich als Linsenbläschen vom Oberflächenektoderm ab. Im weiteren Verlauf bilden die peripheren Zellen des Linsenbläschens die Linsenkapsel.

Aus den Zellen der vorderen Linsenbläschenwand entsteht das einschichtige isoprismatische Linsenepithel, die hinteren Zellen differenzieren sich zu langge- streckten Zellen, den primären Linsenfasern, die das Linsenbläschen vollständig ausfüllen. Diese primären Linsenfasern bilden den embryologischen Linsenkern.

Während der Embryonalentwicklung wird die Linse durch die Arteria hyaloidea und einem gefäßführenden mesenchymalen Gewebe, der Tunica vasculosa lentis, ver-

(18)

sorgt. Mit der Arteria hyaloidea wachsen Mesenchymzellen in den Augenbecher hinein und bilden mit den Gliazellen der Retina den Glaskörper. Die Mesenchym- zellen im Glaskörper bilden sich zurück. Die Arteria hyaloidea beginnt beim Hund etwa zwei Wochen vor der Geburt zu atrophieren, die Tunica vasculosa lentis kann bis etwa zwei Wochen nach der Geburt noch erhalten sein, manchmal auch länger.

Abbildung 3: Entwicklung des Auges (nach STADES et al. 1998) 1: A. hyaloidea, 2: Tunica vasculosa lentis, 3: Membrana pupillaris, am Tag 20, 25, 35, und 45 der Trächtigkeit (A, B, C, D) und bei der Geburt (E)

Die neuroektodermalen Anteile der Augenbläschen bilden den doppelwandigen Augenbecher, woraus die Retina entsteht. Diese läßt sich in zwei Bereiche unter- teilen, die Pars optica retinae und die Pars caeca retinae. Diese beiden Bereiche lassen sich durch die Ora serrata abgrenzen. Im Bereich der Pars optica retinae differenziert sich das äußere, einschichtige Blatt des Augenbechers zum Pigmente- pithel, dem Stratum pigmentosum, das mehrschichtige, innere Blatt zur Netzhaut, dem Stratum nervosum. Im Bereich der Pars caeca retina bleiben beide Blätter ein- schichtig und verwachsen miteinander. Sie überziehen den Ziliarkörper und setzen

(19)

sich auf der Rückseite der Iris als Pars iridica retinae fort, um am Pupillarrand ineinander überzugehen.

Der Sehnerv, Nervus opticus, wird vom Neuroektoderm des Augenbecherstils gebildet. In ihn dringen die Neuriten des Stratum nervosum hirnwärts zum Chiasma opticum vor. Die Zellen des Augenbecherstiles bilden die Neuroglia, im Zentrum verläuft die Arteria hyaloidea.

Der Augenbecher wird bis auf die vorderen Abschnitte vom Kopfmesenchym um- schlossen, aus dem sich die Gefäßhaut, Chorioidea, und die faserreiche Sclera bilden. Am Übergangsbereich zur Kornea wird außerdem die Grundlage für den Processus ciliaris und für den Musculus ciliaris aus diesem Mesenchym gebildet.

Processus ciliaris und Pars ciliaris retinae bilden zusammen den Ziliarkörper. Durch Atrophie der Tunica vasculosa lentis entsteht zwischen Linse und Irisrückseite die hintere Augenkammer.

Die Augenlider, die Lidwülste, der Tränenapparat und das Hornhautepithel entstehen aus dem Oberflächenektoderm. Jeweils zwei halbringförmige Wülste wachsen über die sich entwickelnde Augenblase und verkleben miteinander. An der Innenseite differenziert sich das Oberflächenepithel zum Konjunktivalepithel und zur Lidplatte, dem Tarsus. Auf der Außenseite differenziert sich das Epithel zur Epidermis, den Wimpern und den Drüsen (Mollsche, Meibomsche und Zeißsche Drüsen). Die Muskeln im Augenlid entstammen dem Kopfmesenchym. Im Zusammenhang mit der Ausbildung der Lidwülste wächst zwischen Ektoderm und Linsenanlage eine Mes- enchymplatte ein. Im weiteren Verlauf entwickelt sich in dieser Platte ein Spalt, der als Vorläufer der vorderen Augenkammer anzusehen ist. Das mit dem Ektoderm verbundene Mesenchym entwickelt sich zur Substantia propria der Kornea, die hintere Schicht wird Bestandteil der Membrana pupillaris. Desweiteren liefert das Mesenchym die Endothelauskleidung der vorderen Augenkammer, das Kornea- und Irisendothel. Im Bereich der Iris verbindet sich das Endothel mit der Pars iridica retinae zur Iris. Im Irisstroma entwickeln sich Pigmentzellen, die zur Färbung der Iris führen. Durch Resorption der Membrana pupillaris besteht ein Übergang von der hinteren zur vorderen Augenkammer durch die nun gebildete Pupille (NICKEL et al.

1992, KOCH undBERG 1993, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, SCHNORR undKRESSIN

2001).

(20)

2.3.2 Anatomie und Physiologie des Hundeauges

2.3.2.1 Äußere Anteile des Auges Augenlider

Die Augenlider sind Hautfalten, die den Bulbus bedecken. Sie dienen zum Schutz vor eindringenden Fremdkörpern, zur Ernährung der Kornea durch die Vermischung der Drüsensekrete mit der Tränenflüssigkeit, zur Verteilung der Tränenflüssigkeit auf der Bulbusoberfläche und zum Ausschalten von Lichtreizen. Die Außenseite besteht aus dünner, leicht behaarter äußerer Haut, die am Lidrand, dem Limbus palpebralis, in die Bindehaut, die Conjunctiva palpebralis übergeht. An der Innenseite geht die Bindehaut im Bereich des Fornix auf den Augapfel über und wird dort zur Conjunc- tiva bulbi. Im Augenlid befindet sich neben Muskulatur, Faszien und Sehnen eine Bindegewebsplatte, der Tarsus, als Versteifung. Weiterhin sind verschiedene Drüsen im Augenlid eingelagert (Mollsche Drüsen, Zeißsche Drüsen und Meibomsche Drüsen). Am oberen Augenlid befinden sich auf der Außenseite nahe des Lidrandes die den Tasthaaren zuzuordnenden Wimpern, die dem Unterlid fehlen. Das dritte Augenlid, Palpebra tertia, der sog. Blinzknorpel, ist eine elastische Knorpelplatte, die von einer Bindehautfalte, der Plica semilunaris conjunctivae überzogen wird und von der Nickhautdrüse, Glandulae palbebrae tertiae, umgeben ist. Der Aufbau des Augenlides ist in Abbildung 4 dargestellt (KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, BUDRAS et al.2000).

(21)

Abbildung 4: Histologischer Aufbau des Augenlides (nach MARTIN 1995)

Tränenapparat

Zum Tränenapparat gehören die Tränendrüsen, Glandulae lacrimales, und die Nick- hautdrüsen, Glandulae palpebrae tertiae, welche die Tränenflüssigkeit bilden. Die Tränendrüsen liegen innerhalb der Orbita dorsotemporal dem Augapfel an. Die Ausführungsgänge der Drüsen enden nahe dem Fornix in der temporalen Hälfte der Konjunktiven. Durch den reflektorischen Lidschlag wird die Tränenflüssigkeit gleich- mäßig auf der Bulbusoberfläche verteilt. Sie schützt zum einen die Kornea vor dem Austrocknen und vor Fremdkörpern, dient aber auch zu deren Ernährung und zur Reinigung von Fremdkörpern.

Das ableitende Kanalsystem des Tränenapparats des Hundes beginnt mit den schlitzfömigen Tränenpünktchen, jeweils am inneren nasalen oberen und unteren Lidrand. Sie bilden die Eintrittspforte in die Tränenkanälchen, Caniculi lacrimales, die

(22)

sich im Tränensack, dem Saccus lacrimalis, vereinigen und sich von dort als Tränen- nasenkanal, Ductus lacrimalis, durch das Oberkieferbein fortsetzen und nasal als Tränennasenpunkt enden (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al.1992, BUDRAS et al. 2000).

2.3.2.2 Augapfel

Der Augapfel, Bulbus oculi, (Abbildung 5) liegt in der knöchernen Augenhöhle, der Orbita. Diese wird von dem Stirnbein, Os frontale, mit der Augenhöhlenplatte als mediale Abgrenzung und dem Processus zygomaticus, dem Tränenbein, Os lacrimale, mit der Fossa sacci lacrimalis und dem Jochbein, Os zygomaticum, mit dem Processus frontalis gebildet. Von dem Processus zygomaticus des Stirnbeines zieht das Ligamentum orbitale zum Processus frontalis des Jochbeines und schließt somit den Orbitalring. Der Bulbus selbst wird von sieben Augenmuskeln (Musculus rectus dorsalis, ventralis, medialis und lateralis als gerade Augenmuskeln, Musculus obliquus dorsalis und ventralis als schräge Augenmuskeln und dem Musculus retractor bulbi) und einem retrobulbären Fettkörper, dem Corpus adiposum orbitae, in der Orbita gehalten (KOCH undBERG 1992, NICKEL et al. 1992, BUDRAS et al. 2000).

Der Augapfel selbst ist beim Hund ein kugelförmiges Gebilde. Die Wand des Aug- apfels ist aus drei Schichten aufgebaut: der äußeren Augenhaut, Tunica fibrosa bulbi, der mittleren Augenhaut, Tunica vasculosa bulbi und der inneren Augenhaut, Tunica interna bulbi, auch Netzhaut (Retina) genannt. Sie umschließt die innenlie- genden Strukturen wie die Linse und den Glaskörper (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, BUDRAS et al.2000).

(23)

Abbildung 5: Augapfel (nach STADES et al. 1998)

Äußere Augenhaut

Die äußere Augenhaut besteht aus kollagenfaserhaltigem Bindegewebe und ist von derbelastischer Konsistenz. Durch den Augeninnendruck wird sie in ihrer runden Form gehalten und gibt somit dem Augapfel die äußere Gestalt. Sie läßt sich in zwei

(24)

Bereiche unterteilen, die Sclera, auch weiße Augenhaut oder Lederhaut genannt, und die Kornea.

Die Sclera umfaßt etwa 4/5 der Bulbusoberfläche, besteht aus kollagenfaserhaltigem Bindegewebe, sehr wenigen elastischen Fasern, Pigmentzellen und einigen wenigen Blutgefäßen. Über den Bulbus verteilt ist sie unterschiedlich dick. Besonders am anterioren Pol des Augapfels ist sie deutlich stärker als in der Äquatorregion. Am Übergangsbereich zur Kornea verdickt sie sich ebenfalls deutlich und bildet hier den sogenannten Skeralwulst. Der Übergang zur Kornea verläuft in einer schrägen Linie, dieser Bereich wird auch als Limbus bezeichnet. Im Bereich des Bindehautsackes ist die Sclera von der Bindehaut überzogen (Tunica conjunctiva bulbi) (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995).

Die Kornea ist im Gegensatz zur Sclera durchsichtig und stärker gewölbt. Sie ist frei von Gefäßen, aber reich an sensiblen Nervenfasern. Die Ernährung erfolgt per Diffusion über das Kammerwasser und die Tränenflüssigkeit. Durch ihre Wölbung und einem unterschiedlichem Brechungsindex zwischen der Luft und der Kornea spielt diese bei der Lichtbrechung eine wesentliche Rolle (MOSIMANN und KOHLER

1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). Die Kornea selbst ist in fünf Schichten aufgebaut:

1. Das Korneaepithel ist ein mehrschichtiges, nicht verhornendes Plattenepithel (MOSIMANN undKOHLER 1990, NICKEL et al. 1992).

2. Die Bowmansche Membran (Lamina limitans externa seu anterior) fehlt bei den Haussäugetieren, elektronenmikroskopisch läßt sich jedoch eine Basallamina feststellen (MOSIMANN undKOHLER 1990, NICKEL et al. 1992).

3. Die Substantia propria ist die mächtigste Schicht in der Kornea. Sie besteht überwiegend aus kollagenen Fasern, die schichtweise oberflächenparallel ange- ordnet sind. Diese Fasern sind in eine Grundsubstanz eingebettet, die den glei- chen Brechungsindex wie die Fasern hat (MOSIMANN undKOHLER 1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995).

4. Die Descemetsche Membran (Lamina limitans interna seu posterior) besteht aus sich wahllos kreuzenden feinen Kollagenfibrillen mit einer dichten Interzellular-

(25)

substanz, die so eine homogene Schicht bilden (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992).

5. Das Epithelium posterior corneae, auch Vorderkammer-Endothel genannt, bildet die innere Auskleidung der Kornea. Das einschichtige Plattenepithel erstreckt sich auf die Kornearückseite und auf die Irisvorderfläche (MOSIMANN und KOHLER

1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995).

Mittlere Augenhaut

Die mittlere Augenhaut (Tunica vasculosa bulbi) wird auch als Aderhaut oder Traubenhaut bezeichnet. Sie besteht aus locker strukturiertem Bindegewebe mit vielen Blutgefäßen und Pigmentzellen. Sie läßt sich gliedern in:

• die Chorioidea,

• den Corpus ciliare (Ziliarkörper) und

• das Stroma iridis (Bindegewebskörper der Iris).

Die Chorioida (Aderhaut, Uvea) erstreckt sich vor allem auf den rückwärtigen Bereich des Augapfels zwischen äußerer und innerer Augenhaut. Sie läßt sich in mehrere Schichten unterteilen. Die äußerste, der Sclera anliegende Schicht, die Lamina suprachorioidea besteht aus lockerem Bindegewebe mit zahlreichen Pig- mentepithelzellen und elastischen Fasern. Die Verbindung zwischen ihr und der Sclera ist nur locker. Darauf folgt die Lamina vasculosa, eine Bindegewebsschicht mit vielen Pigmentzellen und einem dichten Gefäßgeflecht. Nach innen schließt sich ein Netz aus feinen Kapillaren an, die Lamina chorioideocapillaris. Über dem Seh- nerveneintritt liegt der dreieckig erscheinende Bereich des Tapetum lucidum. In diesem Bereich befinden sich modifizierte polygonale Pigmentzellen, die in der Lage sind, das Licht zu reflektieren. Im Randgebiet des Tapetum lucidum sind vermehrt Melanozyten eingelagert, weswegen es dunkelbraun bis schwarz erscheint und daher auch als Tapetum nigrum bezeichnet wird. Die dem Bulbusinneren zuge- wandte Schicht wird als Lamina vitrea oder auch BRUCHsche Membran bezeichnet, eine Basallamina, die aus einer mit elastischen Fasern versehenen Basalmembran

(26)

besteht (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995).

Das Corpus ciliare (Ziliarkörper, Strahlenkörper) beginnt an der Ora serrata, sitzt dem Skleralwulst auf und schiebt sich hinter der Iris in das Augeninnere vor. Es ist eine kreisförmige Verdickung der Chorioidea, Pars ciliaris uveae, der allerdings die Lamina chorioideocapillaris fehlt. Die der Chorioidea zuzuordnenden Blutgefäße sind maßgeblich an der Bildung von Kammerwasser beteiligt. Der Ziliarkörper steigt als Ziliarplatte (Orbiculs ciliaris) in zunächst feinen, dann immer tiefer werdenen Fält- chen zur ringförmigen Corona ciliaris mit den Ziliarfortsätze, Processus ciliaris, auf.

Orbiculus und Corona bilden die Grundplatte des Ziliarkörpers. Überzogen ist die Grundplatte des Ziliarkörpers von einer zweischichtigen Epithellage, der Pars ciliaris retinae. Die tiefere Schicht bildet das Pigmentepithel, während die oberflächliche Schicht aus pigmentlosen kubischen oder hochprismatischen Zellen besteht. Auch diese sind als epithelialer Überzug der Processus ciliares an der Kammerwasser- bildung beteiligt. Aus dieser Zellschicht gehen feine Fasern hervor, die Zonulae ciliares, die zum Linsenäquator ziehen, und so zur Aufhängung der Linse und deren Akkomodation dienen. Grundlage für diese Akkomodation ist der im Ziliarkörper liegende M. ciliaris, dessen glatte Muskelfasern radiär und zirkulär angeordnet sind (KOCH undBERG 1992, NICKEL et al. 1992).

(27)

Abbildung 6: Corpus ciliare im Querschnitt (nach KOCH und BERG 1993)

Die Iris besteht ebenso wie der Ziliarkörper aus einem uvealen und retinalen Anteil und bildet die Grenze zwischen vorderer und hinterer Augenkammer, die über die Pupille miteinander verbunden sind. Das Stroma iridis wird aus der Pars iridicae uveae der Chorioidea gebildet. Es ist ein lockeres, gefäßhaltiges Bindegewebe mit eingelagerten Pigmentzellen. Die Menge der eingelagerten Pigmentzellen bestimmt die Farbe der Iris. Eingelagert in das Stroma sind der zirkulär verlaufende M.

sphincter pupillae und weiter peripher der radiär verlaufende M. dilatator pupillae. Sie regulieren die Größe der Pupille und damit den Lichteinfall in das Auge. Die der Linse zugewandte Seite der Iris ist von der zweischichtigen Pars iridica retinae bedeckt, deren beide Schichten am Pupillarrand ineinander übergehen. Die der Kornea zugewandte Seite ist mit dem Vorderkammer-Endothel bedeckt. Der Über- gang zwischen Irisbasis und Sclera wird auch als Kammerwinkel, Angulus irido-

1 Linse

2 Margo pupillaris 3 M. sphibcter pupillae 4 Irisstroma

5 Processus ciliares 6 Cornea

7 Limbus

8 FONTANAschen Räume 9 Conjunktiva bulbi

10 Zonulafasern 11 Ziliarkörper 12 Plexus venosus sclreae 13 M. ciliaris

14 Ora serrata 15 Sclera 16 Pars caeca retinae 17 Chorioidea

(28)

cornealis, bezeichnet. Dieser Winkel ist überdeckt von einem bindegewebigen Trabekelwerk, dem Ligamentum pectinatum anguli iridocornealis, welches die Iris mit der Sclera verbindet. Hinter dem Ligamentum pectinatum liegt die Ziliarkluft mit feinen, maschenartigen und unpigmentierten Fasern, den Iristrabekeln. Sie bilden kleine Spalträume, die Spatia anguli iridocornealis (FONTANAsche Räume), welche Kammerwasser (Humor aquosus) enthalten. Die Spalten stehen mit den endothel- ausgekleideten Spalten der Sclera in direkter Verbindung, die wiederum mit dem Sinus venosus sclerae kommunizieren. Sie dienen dem Abfluss des Kammewassers in den SCHLEMMERschen Kanal (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG

1992, NICKEL et al. 1992).

Innere Augenhaut

Die innere Augenhaut, die Retina setzt sich aus zwei Blättern zusammen. Sie kleidet die innere Augenfläche vom Pupillarrand bis zur Pupille vollständig aus.

Das äußere, einschichtige Blatt bildet das Pigmentepithel (Stratum pigmentosum).

Es wird in eine Pars optica, eine Pars ciliaris und Pars iridicae unterteilt und ist mit der Chorioidea direkt verbunden (KOCH undBERG 1992).

Das innere Blatt (Stratum nervosum) läßt sich in einen lichtempfindlichen Teil, die Pars optica retinae und einen lichtunempfindlichen Teil, die Pars caeca retinae, unterteilen. Die Pars optica retinae kleidet den gesamten Augenhintergrund vom Aequator bulbi bis zum Discus nervi optici aus. Die Pars caeca retinae ist eine einfache Epithellage und überzieht zusammen mit dem Stratum pigmentosum vom Aequator bulbi ausgehenden den Ziliarkörper und die Irisrückseite bis zum Margo pupillaris. Der Übergang zwischen beiden Teilen wird als Ora serrata bezeichnet.

Im Bereich der Pars optica retinae besteht das Stratum nervosum aus folgenen von außen nach innen angeordneten neun Schichten:

1. Stäbchen- und Zapfenschicht 2. Membrana limitans externa

3. äußere Körnerschicht (Zellkerne der Stäbchen- und Zapfenzellen)

4. äußere retikuläre Schicht (Neuriten der Stäbchen- und Zapfenzellen, die mit den Dendriten der Ganglienzellschicht Synapsen bilden)

(29)

5. innere Körnerschicht (Kerne der Ganglienzellen, der Horizontal-, Bipolar- und Müllerschen Zellen sowie der Amakrinen)

6. innere retikuläre Schicht 7. Ganglienzellschicht 8. Nervenfaserschicht

9. Membrana limitans interna

Die Stäbchen- und Zapfenzellen sind die Rezeptorzellen. In den Stäbchen befinden sich sog. Scheiben, in den Zapfen analog dazu Lamellen, an denen sich der Seh- farbstoff befindet. Die Gesamtzahl der Stäbchen ist wesentlich höher als die der Zapfen, das Verhältnis zueinander variiert jedoch von Tierart zu Tierart. Während die Stäbchen für das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht verantwortlich sind (skotopisches Sehen), sind die Zapfen für das Sehen bei Helligkeit, das Farbsehen und die Sehschärfe (photoptisches Sehen) verantwortlich. Daher ist die Konzentra- tion der Zapfen in der Area centralis, der „Stelle des besten Sehens“, höher (Verhält- nis Stäbchen zu Zapfen 11:1) als in den peripheren Bereichen (61:1 – 100:1). Im Bereich des sogenannten blinden Flecks, dem Bereich, in dem der Sehnerv in die Retina übergeht, befinden sich keine Rezeptorzellen (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH undBERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, SCHNORR undKRESSIN 2001).

(30)

Abbildung 7: Aufbau der Retina (nach Stades 1998), V Glaskörper; 1 A. u. V.

retinalis; 2 Ganglion und Nervenzellschicht; 3 Schaltzellen; 4 Stäbchen;

5 Zapfen; 6 Pigmentepithel; 7 Tapetum lucidum; 8 Choridocapillaris; 9 Sklera

2.3.2.3 Bestandteile des Augeninneren Linse

Die Linse ist ein kompaktes, bikonvexes, glasklares durchsichtiges Organ von nahezu kreisrundem Umriß. Sie liegt mit ihrer vorderen Linsenfläche, der Facies anterior, direkt hinter der Pupille. Die hintere Linsenfläche, Facies posterior, liegt in der Linsengrube des Glaskörpers eingebettet. Der vordere Linsenpol, Polus anterior lentis, ist flacher als der hintere Linsenpol, Polus posterior lentis. Die Linse wird weder von Blutgefäßen noch Nerven versorgt. Die Ernährung erfolgt ausschließlich per Diffusion über das Kammerwasser.

Die Linse ist von einer homogenen elastischen Membran überzogen, der Linsenkap- sel, Capsula lentis. Diese ist an der Linsenvorderseite dicker als an der Rückseite.

Sie steht mit dem Linsenepithel nur in einer lockeren Verbindung. Sie entspricht einer semipermeablen Barriere, durch die einerseits der Kontakt des embryonalen

(31)

Linseneiweißes mit dem Immunsystem unterbunden wird und andererseits die Diffusion von Nährstoffen aus dem Kammerwasser ermöglicht. Am Linsenäquator sind die Aufhängefasern, Zonula ciliaris, des Corpus ciliare mit der Linsenkapsel verbunden, durch die die Linse in ihrer Position gehalten wird und welche die Akkomodation der Linse ermöglichen.

Unter der Linsenkapsel befindet sich das einschichtig kubische Linsenepithel, Epithelium lentis, dessen Zellen zum Äquator hin an Höhe zunehmen und zu primären Linsenfasern werden. Vom Äquator aus erfolgt die Neubildung von Lin- senfasern, die von den primären Linsenepithelzellen auswachsen und jeweils langgezogen zum vorderen und hinteren Linsenpol wachsen. Die im Querschnitt sechseckigen Linsenfasern sind untereinander durch punktförmige Verbindungen, so genannten Junctions, und Ineinandergreifen der Linsenfasern eng miteinander verbunden. Sie sind zwiebelschalenartig angeordnet. Mit dem Größerwerden der Linse reicht die Länge der Fasern nicht mehr aus um bis zum Pol zu gelangen. Die Enden der Linsenfasern stoßen am vorderen und hinteren Linsenpol aufeinander und sind durch eine Kittsubstanz miteinander verbunden. Dadurch entstehen auf der Vorder- und Rückseite je drei Nahtlinien, die so genannten Linsensterne. Der vordere Linsenstern besitzt die Form eines umgekehrten, der hintere Linsenstern die Form eines aufrecht stehenden Ypsilon.

Da die Produktion der Linsenfasern kontinuierlich über das ganze Leben erfolgt, werden am Linsenkern oft ein embryonaler, fetaler und adulter Anteil unterschieden, die bei der Untersuchung mit einer Spaltlampe zu erkennen sind (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, STADES et al.

1998).

Die Linse des Hundes hat einen durchschnittlichen Durchmesser von 10,5 mm, eine Dicke von ca. 7,5 mm und ein Gewicht von etwa 1–1,5 g. Bei Hunden nimmt das Linsenvolumen etwa 9,8% des Bulbusvolumens ein. Sie besteht zu 65% aus Wasser und zu 34% aus Proteinen. Durch die Abgrenzung des Linsenkerns durch die Linsenkapsel in der früher Embryonalentwicklung werden diese Linsenproteine vom Immunsystem nicht als körpereigen erkannt und können beim Austritt aus der Linse zu einer autoimmun-vermittelten Entzündung führen (Phakoanaphylaxie) (MARTIN

1995, STADES et al. 1998).

(32)

Die Aufhängung und Akkomodation erfolgt über die Zonula zinnii. Sie bestehen aus vom M. ciliaris ausgehenden Kollagenfibrillen, die am und um den Linsenäquator, Aequator lentis, ansetzen. Im Allgemeinen ist die Linse auf Fernsicht eingestellt, d.h.

der M. ciliaris ist entspannt, die Zonula ciliaris stehen unter Zug und ziehen somit die Linse in ihre typisch bikonvexe Form. Umgekehrt erschlaffen die Fasern bei Kontrak- tion des M. ciliaris, was zu einer Abrundung der Linse führt. Die Akkomodations- fähigkeit der Linse ist bei Haustieren weniger ausgeprägt als beim Menschen (NICKEL

et al., 1992, MARTIN, 1995, STADES et al., 1998).

Glaskörper

Der Glaskörper, Corpus vitreum, ist eine gallertartige, gefäßlose Masse, die sehr feine kollagene Fasern enthält. Die Grundsubstanz, Humor vitreus, besteht überwiegend aus Hyaluronsäure. Er füllt den rückwärtigen Raum des Bulbus zwi- schen der Linse, ihrem Aufhängeapparat und der rückwärtigen Bulbuswand aus. Im Bereich der Linse ist er etwas ausgehöhlt und bildet die Fossa hyaloidea. Vom Quellungszustand des Glaskörpers hängt weitgehend der Binnendruck des Auges ab. Dadurch wird auch die Netzhaut in ihrer Lage fixiert. Bei zu geringem Druck kann es zur Netzhautablösung, bei erhöhtem Druck zu Schädigungen der Retina kommen (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN

1995).

Augenkammern

Zum Innenraum des Bulbus gehören auch die beiden Augenkammern, Camera bulbi, die mit einer klaren, wässrigen Flüssigkeit, dem Kammerwasser, Humor aquosus, gefüllt sind. Die hintere Augenkammer, Camera posterior bulbi, wird von der Linse, dem Ziliarkörper, den Zonulae ziliares und der Irisrückseite begrenzt. Die vordere Augenkammer, Camera anterior bulbi, liegt zwischen Kornea, Iriswinkel und Irisvorderfläche. Beide Kammern sind über die Pupille miteinander verbunden. Das Kammerwasser, welches in der hinteren Augenkammer von der Pars caecae retinae produziert wird, gelangt durch die Pupille in die vordere Augenkammer und kann durch die im Iriswinkel liegenden FONTANAschen Räume abfließen (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992).

(33)

2.3.3 Funktion des Auges

Das Auge wandelt die elektromagnetischen Schwingungen des Lichtes in elektro- physiologische Nervenreize um, die dann an das Gehirn weitergeleitet werden. Die Wahrnehmungsmöglichkeiten reichen vom einfachen Hell-Dunkel-Sehen bei niede- ren Tieren bis hin zum dreidimensionalen farbigen Bildsehen bei höheren Säugetie- ren und dem Menschen.

Das durch die Kornea und die Pupille einfallende Licht, das elektromagnetischen Schwingungen mit einer Wellenlänge zwischen 400 nm und 800 nm entspricht, wird in der Linse gebündelt und als umgekehrtes, reelles und verkleinertes Bild auf der Retina dargestellt. Die Bestandteile des Auges, die an diesem Vorgang beteiligt sind (Kornea, vordere Augenkammer, hintere Augenkammer, Linse und Glaskörper), nennt man auch dioptrischer Apparat. Der Brechungsindex richtet sich nach dem Grad der Wölbung der Kornea und der Linse und kann durch die Akkomodation der Linse variiert werden.

Die Umwandlung des Lichtreizes in einen elektronischen Nervenreiz erfolgt durch die Umwandlung des Sehfarbstoffes Rhodopsin. Das Rhodopsin in den Stäbchenzellen kann Licht aus dem gesamten sichtbaren Wellenlängenbereich absorbieren (400- 700nm), die Sehfarbstoffe der Zapfen sind auf einzelne Wellenlängen spezialisiert (650-700nm für Rot, 450-600nm für Grün und 400-550 nm für Violett).

Rhosopsin besteht aus einem Proteinanteil, dem Opsin, und einem Aldehyd, dem 11-cis-Retinal. Bedingt durch den Lichtreiz kommt es zu einer Umlagerung am C- Atom 11 des Retinals, so dass über die Zwischenstufen Bathorhodopsin, Lumirho- dopsin und Metathodopsin I das Metathodopsin II entsteht. Das Metarhodopsin aktiviert die α-Untereinheit des Transduzins, einem Guanin-bindenden Protein, bestehend aus drei Untereinheiten. Die α-Untereinheit aktiviert ihrerseits die cGMP- Phoshodiesterase (PDE). Die Phospodiesterase besteht aus drei Untereinheiten, der PDEα- und PDEβ-Untereinheiten, die zusammen die aktive Untereinheit der PDE bilden, und der PDEγ-Untereinheit. Diese wird durch das Transduzin von der cGMP- PDE abgespalten und aktiviert somit die PDE. Diese kann nun cGMP hydrolysieren und somit den cGMP-Level in der Zelle senken. Bedingt durch diesen abgesenkten cGMP-Level dissoziiert cGMP von den zuvor offenen Kationenkanälen der Zelle,

(34)

wodurch es zu einer Hyperpolarisation der Zellmembran kommt (MOSIMANN und KOHLER 1990, SILBERNAGEL und DESPOPULUS 1991, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995).

2.4 Genetische Grundlagen

2.4.1 Definitionen

Als Erbfehler werden Missbildungen von Organen oder Organteilen oder klinisch manifeste Störungen von Körperfunktionen bezeichnet, die ererbt werden. Sie sind entweder bei der Geburt schon erkennbar oder unmittelbar nach der Geburt, bzw. im frühen Lebensalter. Im Gegensatz dazu wird die genetisch bedingte Krankheitsdis- position unterschieden, welche die Anfälligkeit der Tiere für bestimmte Krankheiten mitbestimmt, aber nicht zwangsläufig zur Ausprägung der Krankheit führt.

Die Ursache für einen Erbfehler ist eine Veränderung der genetischen Information in Form einer Genmutation oder eine Veränderung in der Anzahl oder Stuktur der einzelnen Chromosomen (nummerische oder strukturelle Chromosomenaberration mit daraus resultierendem Verlust des intakten Genes) (MURKEN undCLEVE 1996).

Als Letalfaktoren werden die Erbfehler bezeichnet, die zum Tod des Individuums vor Erreichen der Fortpflanzungsfähigkeit führen. Sie können als prä- oder postnatale Letalfaktoren auftreten (DORNBLÜTH undPSCHYREMBEL 2001).

Die Ausprägung eines Erbfehlers ist abhängig von der Penetranz des Genes. Die Penetranz drückt die Wahrscheinlichkeit aus, mit der ein Merkmal bei dafür emp- fänglichen Genotypen phänotypisch auftritt. Die Penetranz liegt bei 100%, wenn jeder empfängliche Genotyp das Merkmal zeigt. Liegt die Penetranz unter 100%

steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unerkannte Merkmalsträger defekte Gene and die Nachkommen weitergeben. Die genetischen Ursachen einer unvollständigen Penetranz können sein: Heterogenie, mitochondriale Vererbung, Imprinting, Epista- sie von anderen Genorten und polygene Einflüsse (WIESNER und WILLER 1993, DORNBLÜTH undPSCHYREMBEL 2001).

(35)

2.4.2 Mendel‘sche Erbgänge

Der Hund (Canis familiaris) besitzt 39 Chromosomenpaare, wovon 38 Paare homo- log sind. Sie werden auch als Autosomen bezeichnet. In ihnen ist die Zahl und Anordnung der Gene identisch. Das 39. Chromosomenpaar bilden die Gonosomen (Geschlechtschromosomen). Bei der Hündin ist auch dieses Chromosomenpaar homolog (XX), beim Rüden dagegen heterolog (XY).

Nach der Anordnung der merkmalsprägenden Gene auf den Autosomen und Gonosomen lassen sich autosomale und X-chromosomale Erbgänge unterscheiden.

Der Ort, an dem sich ein Gen auf einem Chromosom befindet wird als Genort oder Genlocus bezeichnet, die Ausprägung eines einzelnen Genes als Allel. Homozygote Individuen haben an den homologen Genorten eines Chromosomenpaares je ein Allel mit gleicher Ausprägung, heterozygote Tiere Allele mit unterschiedlicher Ausprägung.

Nach der Form der Ausprägung des Genotyps werden weiterhin die intermediäre und die kodominante Vererbung unterschieden. Bei Kodominanz sind in einem heterozygoten Genotyp beide Allele phänotypisch nachweisbar (WIESNER und WILLER 1993, MURKEN undCLEVE 1996).

Beim monogen autosomal dominanten Erbgang überwiegt die Ausprägung eines Allels an einem heterozytgoten Genort. Die Wirkung des anderen, rezessiven Allels ist nicht erkennbar ist. Bei der Anpaarung eines Merkmalsträgers mit einem merk- malsfreien Tier (Aa*aa) ist demnach die Hälfte der Nachkommen heterozygot (Aa) und damit Merkmalsträger. Sind beide Elterntiere an diesem Genort heterozygot (Aa*Aa) sind nach den mendelschen Regeln 75% der Nachkommen Merkmalsträger.

Bei monogen autosomal dominanter Vererbung tritt das Merkmal in allen Generatio- nen auf. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine vollständige Penetranz und Expression des Genes. Liegen diese nicht zu 100% vor, kann sich das Verhältnis verschieben, bzw. es können Generationen übersprungen werden. Man spricht dann auch von unregelmäßiger Dominanz. Beim monogen autosomal rezessiven Erbgang kommt es nur dann phänotypisch zur Ausprägung eines Merkmals, wenn die beiden merkmalsprägenden Allele homozygot vorhanden sind. Heterozygote Tiere sind dann zwar Anlagenträger und können das zur Merkmalsausprägung

(36)

führende Allel auch zu 50% an ihre Nachkommen weitergeben, zeigen aber selbst keine Veränderung im Phänotyp. Das Merkmal wird jedoch dann manifest, wenn ein Nachkomme von beiden heterozygoten Elterntieren das rezessive Allel erhalten hat.

Bei der Anpaarung heterozygoter Eltern (Aa*Aa) treten nach den mendelschen Regeln 25% (Spaltungsfrequenz ϑ = 0,25) homozygote Merkmalsträger (aa) auf, 50% (ϑ =0,5) der Nachkommen sind heterozygot, jedoch phänotypisch frei von dem Merkmal (Aa) und 25% (ϑ =0,25) der Nachkommen sind sowohl phänotypisch als auch genotypisch merkmalsfrei (AA). Bei der Merkmalsausprägung können so Generationen übersprungen werden (WIESENER und WILLER 1993, MURKEN und CLEVE 1996, DORNBLÜTH und PSCHYREMBEL 2001).

Beim monogen X-chromosomal dominanten Erbgang liegt das Allel auf dem X- Chromosom. Bei männlichen Tieren sind die Gonosomen heterozygot (XY). Bei einem X-chromosomal-dominanten Erbgang wird das Merkmal bei einer Anpaarung eines betroffenen Vatertieres mit einem homozygot merkmalsfreien Muttertier auf alle Töchter, jedoch nicht auf die Söhne übertragen. Diese haben ihr X-Chromosom ausschließich von der Mutter. Sind beide Elterntiere Merkmalsträger und das Muttertier heterozygot, tritt der Defekt bei allen Töchtern auf, bei den Söhnen zeigt sich eine Aufspaltung 50:50. Die Inzidenz der Merkmalsträger ist bei den weiblichen Nachkommen also doppelt so hoch wie bei den männlichen. Beim monogen X- chromosomal rezessiven Erbgang ist bei männlichen Tieren (hemizygot) kein homologes Allel vorhanden, daher zeigen überwiegend die männlichen Tiere das betreffende Merkmal. Bei der Anpaarung eines merkmalsfreien Vatertieres (XY) mit einer phänotypisch merkmalsfreien Mutter, die jedoch Überträgerin ist (Xx), sind alle Töchter phänotypisch merkmalsfrei, 50% der Töchter sind jedoch Überträgerinnen.

Bei den Söhnen sind 50% phänotypisch merkmalsfrei (XY) während 50% Merkmals- träger sind. Bei den betroffenen Nachkommen ist somit immer die Mutter phäno- typisch unauffällig, jedoch Merkmalsüberträgerin, während der Vater phänotypisch kein merkmalsprägendes Allel zeigt (WIESENER undWILLER 1993, MURKEN undCLEVE

1996).

(37)

Imprinting

Unter Imprinting versteht man die unterschiedliche Ausprägung eines Merkmals, in Abhängigkeit davon, ob das merkmalsprägende Allel vom Vater oder der Mutter übertragen wurde. Ein Phänotyp kann z. B. bei einem monogenen autsomal domi- nanten Erbgang somit nicht zur Ausprägung kommen, wenn paternales Imprinting vorliegt und das merkmalsprägende Allel vom Vater übertragen wurde. Wurde das merkmalsprägende Allel dagegen von der Mutter übertragen, wird die Wirkung des Alles nicht inaktiviert und das Merkmal phänotypisch ausgeprägt. Es kommt somit zu einer elternabhängigen Inaktivierung des jeweiligen Gens. Als Folge der Geninakti- vierung können Gene betroffen sein, die ein Merkmal prägen oder Gene, die als Repressoren wirken und somit die Ausprägung eines Merkmals unterdrücken.

Imprinting ist somit nicht generell mit der fehlenden Ausprägung eines Merkmals gleichzusetzen (MURKEN undCLEVE 1996).

2.4.3 Mitochondriale Vererbung

Die DNA befindet sich hauptsächlich in den Zellkernen. Aber auch in den Mitochond- rien sind ringförmige DNA-Moleküle (mt-DNA) enthalten. Beim Menschen liegen hier hauptsächlich Gene für die t-RNA, aber auch für Untereinheiten von Enzymen, die für die Energieproduktion in den Zellen verantworlich sind. Da das Spermium fast ausschließlich auf den Zellkern reduziert ist, kann die mt-DNA ausschließlich über die Mutter übertragen werden. Die mt-DNA unterliegt häufiger Mutationen als Kern- DNA. In einer Eizelle können somit mehrere Mitochondrien mit unterschiedlicher mt- DNA vorkommen. Die Ausprägung des von ihnen übertragenen Merkmals hängt unter anderem auch von der Anzahl der mutierten Mitochondrien in einer Zelle ab (MURKEN undCLEVE 1996).

2.4.4 Heterogenie

Unter Heterogenie versteht man, dass phänotypisch gleichen Krankheitsbildern verschiedene genetische Defekte zugrunde liegen. Die Mutationen können auf verschiedenen Genen liegen (nicht-allelische Heterogenie) oder auf verschiedenen Chromosomenabschnitten desselben Allels liegen (allelische Heterogenie). Beispiele

(38)

hierfür sind die Progressive Retinaatrophie (PRA) bei Hunden und Katzen, kongeni- tale sensorineurale Taubheit und die Mucopolysaccharidose beim Menschen. Bei der PRA sind sowohl beim Hund als auch bei der Katze verschiedene Typen der PRA bekannt, für die es unterschiedliche genetische Mutationen gibt. Eine allelische Heterogenie wurde bei der PRA des Irischen Setters (rcd1) und Sloughis festgestellt (RAY et al. 1994, 1995, DANCIGER et al. 1995, AGUIRRE et al. 1999, WIESENER und WILLER 1993, MURKEN undCLEVE 1996, DEKOMIEN und EPPLEN 2000, DEKOMIEN et al.

2000, DORNBLÜTH und PSCHYREMBEL 2001).

2.4.5 Multifaktorielle Vererbung

Viele Merkmale werden nicht nur von einem Gen beeinflußt, sondern von vielen Genorten mit ihren unterschiedlichen Allelen. Sind viele verschiedene Genorte an der Ausprägung eines Merkmals beteiligt, hat das einzelne Gen selbst nur eine sehr geringe Wirkung, aber alle Gene zusammen bestimmen das Merkmal. Die Genwir- kungen könne additiv, dominant oder epistatisch sein. Je mehr Gene und verschie- dene Allele pro Genort an der Merkmalsausprägung beteiligt sind, desto größer wird die Anzahl der möglichen Merkmalsausprägungen.

Meist sind auch Umweltfaktoren an der phänotypischen Ausprägung dieses Merk- mals beteiligt. Man spricht daher von multifaktorieller Vererbung. Der wichtigste Parameter zur Charakterisierung des Anteils der genetischen Varianzen der ge- samten phänotypischen Varianz ist die Heritabilität (h2). Die Heritabilität im engeren Sinne beinhaltet nur die additiv genetischen Geneffekte, während die Heritabilität im weiteren Sinne auch die dominante und epistatisch bedingte Varianz mit einschließt.

Es gibt Merkmale mit sehr hoher Heritabilität und Merkmale, die vorwiegend auf zufällige Umweltfaktoren zurückzuführen sind.

Um das Auftreten von Krankheiten durch umweltfaktorielle Modelle zu erklären, wurde von FALCONER (1984) das Schwellenwertmodell eingeführt. Erst wenn eine bestimmte Anzahl von Genwirkungen vorliegen, kommt es zur Ausprägung der Krankheit. Reicht die Zahl der Gene und ihrer Wirkungen nicht aus, tritt die Krankheit nicht auf (WIESENER undWILLER 1993, MURKEN und CLEVE 1996).

(39)

2.4 Erbliche Augenerkrankungen

2.4.1 Tränenpunktstenose/Tränenpunktatresie

Als Tränenpunktstenose wird die Verengung eines Tränenpunktes bezeichnet. Unter Tränenpunktatresie wird die unvollständige Öffnung als auch der Verschluss des Tränenpunktes verstanden. Tränenpunktstenose und –atresie können als kongeni- tale Anomalien auftreten oder in Folge einer Infektion sekundär entstanden sein.

Beide Erkrankungen können den oberen oder den unteren Tränenpunkt oder beide Tränenpunkte sowohl uni- als auch bilateral betreffen. Die unteren Tränenpunkte sind häufiger betroffen als die oberen. Das charakteristische Symptom ist die über- mäßige Bildung von Tränenflüssigkeit (Lacrimation) und die dauerhafte Bildung von Tränenstrassen (Epiphora), da die Tränenflüssigkeit nicht durch den Tränenkanal abfließen kann. Bei der Atresie läßt sich die Tränenkanüle gar nicht in die Tränen- punkte einführen, bei der Stenose nur unter Schwierigkeiten. Die Fluoreszinpassage ist vermindert oder fehlt ganz. Bei einigen Welpen zeigt sich die Epiphora trotz kongenitalem Auftreten der Tränenpunktatresie erst im Alter von acht Wochen.

Prädisponiert sind vor allem der Golden Retriever und der Cocker Spaniel, insbe- sondere Tiere mit heller Fellfarbe. Beim Tibet Terrier wurde noch kein Fall einer erblichen Tränenpunktatresie oder –stenose beschrieben. Beim Menschen wurde ein dominanter Vererbungsmodus mit variabler Penetranz und Expression beschrieben (BARNETT 1979, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, ACVO 1999, GRAHN 1999).

2.4.2 Entropium

Als Entropium bezeichnet man das Einwärtsrollen des Lidrandes. Das Entropium kann sich lediglich über einen Teil des Augenlids, aber auch über das gesamte Augenlid erstrecken sowie Ober- und Unterlid gleichzeitig betreffen. Ein Einwärtsrol- len bis ca. 45° wird als geringgradig bezeichnet, ein Einwärtsrollen bis ca. 90° als mittelgradig und bis ca. 180° als hochgradig. Bedingt durch das Einwärtsrollen des Augenlides kommt es zum Kontakt der mit Haaren versehenen äußeren Haut der

(40)

Augenlider mit der Kornea und der Konjunktiva. Als Folge zeigen sich eine erhöhte Tränenproduktion, ein Blepharospasmus und Hornhautirritationen. Durch den ständigen Schmerz, den die Reizung der Wimpern auf der Hornhaut erzeugt, wird der Bulbus zurückgezogen, was zu einer Verstärkung der Symptome führt. Man spricht hier auch von einem spastischen Entropium. Zusätzlich kann es durch die ständige Reizung der Kornea und der Konjunktiva zu einer sekundären Entzündung dieser beiden Strukturen kommen. Bei chronischer Hornhautirritation kommt es häufig zur Vaskularisation und Pigmentation, es können Sequester entstehen. In besonders schwerwiegenden Fällen kommt es zu Hornhautulzerationen (BARNETT

1976, MARTIN 1995, ECVO 1998, STADES et al.1998, BEDFORD 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Ob ein Entropium auftritt, hängt wesentlich von dem Grö- ßenverhältnissen zwischen Augenlid, speziell dem Tarsus, und dem Bulbus ab.

Dieses Größenverhältnis wird durch die Größe des Bulbus, seine Position in der Augenhöhle, die Größe der Lidspalte und dem Tonus des im Augenlid verlaufenden Muskels (Musculus orbicularis oculi) beeinflusst (BARNETT 1976, ACVO 1999, BEDFORD 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Das Entropium kann als primäres Entropium allein auftreten oder sekundär mit anderen Anomalien wie Mikrophthalmus oder Enophthalmus (BARNETT 1976, 1988, SMITH 1989, BEDFORD

1999). Während einerseits vermutet wird, dass an der Entstehung des Entropiums mehrere verschiedene Gene beteiligt sind(STADES et al. 1998, ACVO 1999), spricht BEDFORD (1999) davon, dass der Erbgang noch nicht vollständig geklärt ist. Bei eini- gen Hunderassen wird ein einfacher dominanter Erbgang mit vollständiger Penetranz angenommen, während bei anderen Rassen das Entropium nur gelegentlich auftritt und die Art der Vererbung kaum zu bestimmen ist (BARNETT 1976). Prädisponiert sind vor allem große Rassen wie Bernhardiner und Dänische Dogge, aber auch andere Rassen wie Chow Chow, Shar Pei, Amerikanischer und Englischer Cocker Spaniel, Labrador Retriever, Bull Mastiff, Irish Setter, Toy- und Zwerg-Pudel. Unter- suchungen beim Tibet Terrier hinsichtlich einer genetischen Prädisposition liegen nicht vor (BARNETT 1976, 1988, CURTIS et al. 1984, SMITH 1989, ACVO 1999, BEDFORD 1999).

(41)

2.4.3 Ektropium

Als Ektropium bezeichnet man eine anormale Ausstülpung eines Teils oder des gesamten Augenlides. Betroffen ist in den meisten Fällen das untere Augenlid. In vielen Fällen ist das Ektropium klinisch kaum auffällig, kann aber zu einer geringgra- digen chronischen Konjunktivitis führen. In hochgradigen Fällen kann, bedingt durch die verlorene Schutzfunktion des Augenlides vor äußeren Einflüssen und durch das schnellere Verdunsten der Tränenflüssigkeit, eine chronische hochgradige, muko- purulente Konjunktivitis auftreten.

Das Ektropium zeigt sich in zwei verschiedenen Formen. Zum einen als angebore- nes Ektropium, hauptsächlich sind auch hier große Hunderassen wie Bernhardiner, Dänische Dogge, Neufundländer, Boxer, Bull Mastiff und der Bluthund, aber auch kleinere Rassen wie einige Spaniel-Rassen und der Basset betroffen. In einigen Rassestandards der FCI wird diese Veränderung sogar als erwünscht angesehen (Basset, Bluthund, etc.). Beim Tibet Terrier wurde ein gehäuftes Auftreten oder eine erbliche Disposition bisher nicht beschrieben. Sekundär tritt es häufig als Narben- ektropium nach Verletzungen durch die Narbenretraktion auf (STADES et al. 1998).

Als Vererbungsmodus wird hier fast ausnahmslos ein polygener Erbgang beschrie- ben, wobei verschiedene Gene, die für die Entwicklung der Augenlider, der Kopf- haut, der Bulbusgröße und der Schädelform eine Rolle spielen, beteiligt sein sollen.

Untersuchungen hinsichtlich einer genetischen Prädisposition beim Tibet Terrier liegen nicht vor (BARNETT 1976, SMITH 1989, MARTIN 1995, ECVO 1998, STADES et al.

1998, ACVO 1999, BEDFORD 1999, RENWICK undPETERSEN-JONES 2001).

2.4.4 Trichiasis

Unter Trichiasis versteht man definitionsgemäß Haare oder Wimpern, die physiolo- gisch angelegt sind, jedoch durch Fehlstellungen zu Irritationen der Kornea und Konjunktiven führen können. Häufig sind diese Haare auch abnormal lang (ACVO 1999, BEDFORD 1999, PETERSEN-JONES et al. 2001). Diese Fehlstellungen können angeboren sein, infolge eines Entropiums bestehen oder sich durch Narbenretraktion nach einer Verletzung entwickeln (STADES et al. 1998). Eine angeborene Trichiasis kann ein- oder beidseitig auftreten. Sie kommt hauptsächlich in zwei Lokalisationen

(42)

vor. Eine Hauptlokalisation befindet sich am medialen Augenwinkel an der Nasen- falte, die zweite am Oberlid (STADES et al. 1998). Die einwärts gedrehten Wimpern üben einen Reiz auf die Hornhaut aus, wodurch es zu Blepharospasmus, erhöhter Tränenproduktion und Epiphora kommt. Die Irritationen der Hornhaut durch die Haare oder die Wimpern kann zu lokalen Hornhautdefekten führen. Diese Hornhaut- defekte sind sehr schmerzhaft, so dass häufig der Bulbus reflexartig zurückgezogen wird. An den Hornhautdefekten bildet sich meistens Granulationsgewebe, es können aber auch Perforationen der Hornhaut entstehen. Die Folgen können eine Pigmen- tation der Hornhaut bis hin zum Verlust des Augapfels sein. Die Trichiasis kann in der Regel nur durch ein möglichst schnelles operatives Vorgehen behoben werden.

Prädisponiert sind brachyzephale Hunderassen mit hervortretenden Augäpfeln wie Pekingesen oder Shih Tzus. Hier tritt die Trichiasis oft mit einem Entropium oder einer zu großen Lidspalte vergesellschaftet auf. Aber auch Hunde mit sehr viel Kopfhaut und dadurch bedingter starker Faltenbildung zeigen ein Entropium des Oberlides mit einwärts gerichtete Wimpern (Trichiasis) und eine dadurch bedingte Korneairritation. Beim Tibet Terrier wurde bisher noch kein gehäuftes Auftreten der Trichiasis berichtet. Allgemein wird auch hier ein polygener Vererbungsmodus beschrieben (SMITH 1989, MARTIN 1995, ECVO 1998, STADES et al. 1998, BEDFORD

1999, PETERSEN-JONES et al. 2001).

2.4.5 Distichiasis

Als Distichiasis wird das Vorhandensein einzelner oder mehrerer Reihen von Haaren bezeichnet, die im Bereich des freien Lidrandes sitzen. Es handelt sich hierbei um eine unvollständige Entwicklung der Meibomschen Drüsen, die sich aus den gleichen Anlagen wie die Haarfollikel bilden (LAWSON 1973, BARNETT 1976, SMITH 1989, BEDFORD 1999). Die Haarbälge liegen an der Basis der Meibomschen Drüsen oder in der Nähe davon. Die Haare selbst gehen einzeln oder in Gruppen aus den Aus- führungsgängen der Meibomschen Drüsen im Bereich des Lidrandes hervor (ECVO 1998, BEDFORD 1999, PETERSEN-JONES et al. 2001). Die Distichiasis wird auch als

„Wimpernreihenverdopplung“ oder „Doppelbewimperung“ bezeichnet. Diese zweite Wimpernreihe kann mehr oder weniger dicht sein, meistens finden sich jedoch nur

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

..,._ Angehörigeu-Selbsthilfegruppen sind nicht nur therapeutisch sinnvoll für die Patienten und deren Famili- enangehörigen, sondern können wichtige

1B Was bedeutet dieses Zusammenspiel von Covid-19-Bewälti- gung und Großveranstaltungen der internationalen Umwelt- und Klimapolitik in 2021 für Forschung und Beratung für

Die unterschiedlichen Spielarten des Konstruktivismus von Knorr-Cetina und Latour machen diese beiden Autoren besonders attraktiv für die Version einer konstruktivistischen

In dieser an 515 untersuchten Entlebucher Sennenhunden durchgeführten Untersuchung konnte eine Prävalenz von 23,5 % für die Katarakt und 11,1 % für die PRA in der

Eine Erklärung dafür, dass nachts aufgestallte Islandpferde in dieser Studie signifikant häufiger von Sommerekzem betroffen waren, kann in der Tatsache liegen, dass bei

Von 500 Irischen Wolfshunden, die in einer Klinik im Rahmen von Screeninguntersuchungen und aufgrund von klinischen Symptomen vorgestellt wurden konnte für 59 Tiere

Beim Englischen Cocker Spaniel wurden vor allem die Augener- krankungen Distichiasis, persistierende Pupillarmembran (Membrana Pupillaris Persistens, MPP), Progressive Retina

Zunächst wurde für eine Population mit 20 Böcken und 400 Muttern bei einer durchschnittlichen Nachkommenzahl von 2,6 zuchtfähigen Tieren bei ausschließlicher Selektion der Muttern