differenzierte Analyse des Einflusses des EE-Index auf den Verlauf einer Schizophrenie. Da sie aus Platzgrün- den hier nicht detailliert beschrieben werden können, möchten wir uns auf eine synoptische Darstellung be- schränken:
..,._ Patienten, die in Familien mit Angehörigen mit einem hohen Grad emotionalen Engagements leben, ha- ben ein etwa dreimal erhöhtes Risi- ko, daß psychotische Symptomatik in- nerhalb eines Jahres erneut auftritt beziehungsweise sich erheblich ver- stärkt(1,2,3,4,5,6, 7,8,9,10,11, 12).
..,._ Das Risiko für eine stationäre Wiederaufnahme innerhalb eines Jah- res ist bei Patienten aus Familien mit hohem EE-Index auf das 1,3- bis 1,5fache erhöht (1, 7, 8, 13, 14, 16).
Hier scheint ein Widerspruch vorzu- liegen; denn wie ist es zu erklären, daß die Patienten zwar mehr Sym- ptome aufweisen, jedoch nicht ent- sprechend häufiger ins Krankenhaus aufgenommen werden? Der wichtig- ste Grund liegt darin, daß nicht allein psychotische Symptome, sondern häufig eine sogenannte Minussym- ptomatik (insbesondere Verminde- rungen von Antrieb und Affekt) zu einer stationären Aufnahme führt.
Demgegenüber können akute psy- chotische Symptome durch entspre- chende neuroleptische Therapie auch ambulant erfolgreich behandelt werden.
..,._ In den ersten Jahren einer schi- zophrenen Erkrankung tritt hohes emotionales Engagement bei Ange- hörigen häufiger auf. In dieser An- fangszeit geht es nicht mit einer Er- höhung der Rückfallrate einher und ist als durchaus "normale" Reaktion aufzufassen. Erst wenn ein hoher EE-Index nach mehr als vier bis fünf Jahren noch besteht, geht er mit ei- ner signifikant erhöhten Rehospitali- sierungsrate einher (7).
..,._ Die Senkung eines hohen EE-In- dex verbessert nicht automatisch den Verlauf der Erkrankung. Falls es An- gehörigen gelingt, den Patienten und seine Symptome mit innerer Ruhe, Gelassenheit, Wohlwollen und Wär- me zu akzeptieren, schaffen sie damit sicherlich gute Voraussetzungen für eine günstige Entwicklung. Wenn sie jedoch diese Haltung nicht entwik- keln können (was angesichts der mit
DIE ÜBERSICHT I FÜR SIE REFERIERT
der Krankheit verbundenen Proble- me durchaus verständlich und nach- vollziehbar sein kann) und hohes emotionales Engagement um den Preis resignativer Einstellung verlie- ren, wenn die Angehörigen gleich- sam "burned-out" sind, wird der Ver- lauf noch ungünstiger als bei hohem EE-Index (7).
..,._ Durch therapeutische Arbeit mit Angehörigen kann man den Verlauf der Schizophrenie günstig beeinflus- sen. Besonders wirksam scheinen Be- handlungswege, die den Patienten, die Angehörigen und die ganze Fa- milie im Rahmen eines integrierten Gesamtbehandlungsplanes erfassen (6, 18).
..,._ Angehörigeu-Selbsthilfegruppen sind nicht nur therapeutisch sinnvoll für die Patienten und deren Famili- enangehörigen, sondern können wichtige politische Unterstützung für die sonst allgemein benachteiligten Patienten und ihre Versorgung be- wirken.
Resümee
Die therapeutische Arbeit mit Angehörigen schizophrener Men- schen bietet einerseits große Chan- cen, jedoch sollte der Arzt immer auch die Grenzen der Belastbarkeit der einzelnen Angehörigen beach- ten, um sie nicht zu überfordern und für eine dauerhafte Zusammenarbeit vorzubereiten. Denn nach wie vor gilt, daß die Angehörigen nicht nur die wichtigsten, sondern oft auch die einzigen langfristigen Verbündeten der Patienten bleiben.
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Ärzteblatt
90 (1993) A1-2772-2775 (Heft 42]
Die Zahlen in den Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordern über den Verfasser.
Anschrift des Verfassers:
Priv.-Doz. Dr. med.
Heinrich Schulze Mönking Ärztlicher Direktor des St. Rochus-Hospitals Postfach 120 · 48283 Telgte
Reflux spielt
~uchbeim Nußknacker-Osophagus eine wichtige Rolle
Der nicht-kardiale Thorax- schmerz spielt in der medizinischen Literatur eine zunehmende Rolle; in den Vereinigten Staaten werden jährlich etwa 180 000 neue Fälle dia- gnostiziert. Neben Wirbelsäulener- krankungen sind Erkrankungen der Speiseröhre hier ursächlich bedeut- sam, wobei sowohl eine Hypermoti- lität (Achalasie, idiopathischer Qso- phagusspasmus, N ußknacker-Oso- phagus) als auch eine Hypomotilität (Refluxkrankheit) in Frage kommen . Bei Hypermotilität werden therapeu- tisch glattmuskulär relaxierende Sub- stanzen eingesetzt, bei nachgewiese- nem Reflux kommt eine antisekreto- rische Therapie zum Tragen.
Wie die Autoren aus Alabama bei einer gezielten Diagnos~ik bei Pa- tienten mit Nußknacker-Osophagus herausfanden, ist auch bei diesem primär hypermotilen Patientenkol- lektiv ein gastro-ösophagealer Re- flux, der in 65 Prozent nachgewiesen werden konnte, beteiligt. Bei zwölf Patienten wurde daraufhin eine acht- wöchige Antirefluxtherapie mit ho- hen Dosen von Ranitidin oder Omeprazol durchgeführt. 83 Prozent der Patienten erfuhren eine signifi- kante symptomatische Besserung der Schmerzepisoden, während die pa- thologischen Motilitätsparameter sich nur bei 18 Prozent besserten.
Die Autoren empfehlen deshalb, auch bei Patienten mit hypermotilem Ösophagus gezielt mittels 24-Stun- den-Langzeit-pH-Metrie nach ga- stroösophagealem Reflux zu fahn- den, bevor glattmuskulär relaxieren- de Substanzen zum Einsatz kommen.
w
Achem, S. R., B. E. Kolts, R. Wears, L.
Burton, J. E. Richter: Chest Pain Associ- ated with Nutcracker Esophagus: APre- liminary Study of the Role of Gastroeso- phageale Reflux. Am. J. Gastroenterol.
88: 187-192, 1993.
Department of Medicine, Division of Gastroenterology, Department of Surge- ry, Division of Emergency Medicine, University of Florida, Health Science Center at Jacksonville, Florida, and Divi- sion of Gastroenterology, University of Alabama at Birmingham, Alabama, USA.
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 42, 22. Oktober 1993 ( 47) A1-2775