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Archiv "HIV-verseuchte Blutprodukte: Rückrufe, Firmenschließung und Mahnung zu Besonnenheit" (12.11.1993)

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POLIT KURZBERICHT

H IV-verseuchte Blutprodukte

Rückrufe, Firmenschließung

und Mahnung zu Besonnenheit

Im Wirrwarr um HIV-verseuchte Blutpro- dukte wird den Behörden vorgeworfen, sie hätten die Gewinnung und Verarbeitung von Blut und Blutprodukten nicht ausrei- chend überwacht. Das holen einige von ih- nen derzeit nach: Die Meldungen über Ak- tivitäten des Bundesministeriums für Ge- sundheit und verschiedener Landesregie- rungen reißen nicht ab. Vertreter der Ärzte- schaft halten jedoch nicht alles, was getan und vorgeschlagen wird, für sinnvoll.

D

a das mittlerweile geschlos- sene Koblenzer Unterneh- men UB Plasma zahlreiche Krankenhäuser und andere Unternehmen im ganzen Bundesge- biet beliefert hat, ziehen die Ermitt- lungen um möglicherweise HIV-infi- zierte Blutprodukte Kreise. Zur Er- innerung: Mitarbeitern des Unter- nehmens wird vorgeworfen, daß sie Plasma nur unzureichend auf eine HIV-Infizierung hin getestet hätten.

Inzwischen wurde laut einer Pres- semitteilung des hessischen Gesund- heitsministeriums unter anderem die Firma Biotest in Dreieich bei Frank- furt/Main durchsucht. Betroffen ist auch die Pharma Dessau GmbH, die Plasma des Koblenzer Unternehmens verarbeitet hat. Inzwischen habe man festgestellt, so der Sozialminister von Sachsen-Anhalt, Werner Schreiber (CDU), daß UB Plasma-Produkte wei- terverarbeitet wurden, obwohl die Zertifikate Mängel aufwiesen. Zwar seien Spendernummer und die vorge- schriebenen Untersuchungen ausge- wiesen worden, es habe jedoch in vie- len Fällen die entscheidende Unter- schrift des Kontrolleiters gefehlt. Die Herstellungserlaubnis für die betrof- fenen Produkte sei widerrufen, der Rückruf der entsprechenden Chargen angeordnet. Außerdem hat das Mini- sterium bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen des Verdachts eines

Verstoßes gegen das Arzneimittelge- setz erstattet. Schreiber rief jedoch zur Besonnenheit auf: Bisher gebe es kei- nen Anhaltspunkt, daß in Sachsen- Anhalt tatsächlich HIV-verseuchte Produkte verarbeitet oder verwendet wurden.

Auch die betroffenen Firmen ha- ben sich in Presseerklärungen zu Wort gemeldet: So weist Pharma Dessau darauf hin, daß man zwar Plasma der Firma UB Plasma erhalten habe. „Die für diese Lieferung erforderliche Do- kumentation weist die geforderten Tests als EDV-Ausdruck nach, aber ohne Unterschrift", schreibt das Un- ternehmen jedoch. Biotest hat eben- falls betont, daß es sich bei dem ange- ordneten Rückruf für Arzneimittel, für die Plasma aus Koblenz verwendet wurde, um eine „vorbeugende Maß- nahme" handele: „Alle Lieferunterla- gen und -zertifikate, die zusammen mit dem Plasma geliefert wurden, wa- ren nicht zu beanstanden."

Angesichts zahlreicher Unge- reimtheiten lassen die Landesbehör- den jedoch nicht locker. So lud der bayerische Sozialminister Dr. Geb- hard Glück (CSU) zu einem Exper- tengespräch über die Sicherheit von Blut und Blutprodukten ein. Er for- derte Krankenhäuser, die Plasma von UB Plasma bezogen hätten, auf, ein

„Look-back-Verfahren" anzuwen- den: Die Kliniken sollten möglicher- weise infizierte Patienten ermitteln und zu einem HIV-Test veranlassen.

Er habe das Verfahren für zwei Krankenhäuser seines Geschäftsbe- reichs bereits angeordnet, und zwar

„für bisher nicht entdeckte HIV-Infi- zierte vor dem 1.10.1985".

Dr. med. Karsten Vilmar, Präsi- dent der Bundesärztekammer, for- derte im „Deutschlandfunk" eine kühle Analyse der Situation und an- gemessene Schritte. Nach seiner An- sicht sollten Blutimporte vermieden und die Auswahl der Spender genau- er geprüft werden. Vilmar warnte im

Gespräch mit dem Deutschen Ärzte- blatt außerdem vor Panikmache:

Nicht jeder, der sich in den letzten Jahren einer Operation unterzogen habe, sei infektionsgefährdet.

Schließlich würden bei vielen Ein- griffen weder Bluttransfusionen noch Plasmapräparate gegeben. Ange- sichts der momentanen Lage äußerte der Kammerpräsident seine Sorge, daß Patienten aus Angst notwendige Operationen unterließen.

Dr. med. Frank-Ulrich Montgo- mery, Vorsitzender des Marburger Bundes, widersprach im „Deutsch- landfunk" der Ansicht, daß Ärzte zu sorglos mit Blutkonserven und Plas- mapräparaten umgegangen seien.

Bei Frischblut sei man sich einer ge- wissen Gefährdung bewußt gewesen.

Deshalb suche man ja seit Jahren nach Alternativen. Im Fall der Blut- produkte handele es sich aber um Medikamente, bei denen Hersteller und Aufsichtsbehörden den Ein- druck vermittelt hätten, daß sie mit Hilfe von Inaktivierungsverfahren unschädlich gemacht seien.

Auch Prof. Dr. Walter Brand- städter gab in den letzten Tagen häu- figer Auskunft, denn der Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt ist Transfusionsmediziner. Falls es stim- me, was über die Praktiken von UB Plasma zu lesen sei, dann sei das „et- was Kriminelles". Trennen müsse man diesen Aspekt allerdings von den Seehoferschen Maßnahmen:

Hier liege ein hohes Maß an Unver- hältnismäßigkeit vor. Brandstädter ist weiterhin der Überzeugung, daß das Transfusionswesen in Deutsch- land einen hohen Standard hat und Blutkonserven noch nie so sicher ge- wesen sind wie heute. Die Eigenver- sorgung mit Blut müsse zukünftig aber erhöht werden, damit man nicht auf Importe angewiesen sei. Auch solle man für Blutspenden stärker werben und dabei die Ärzteschaft einbeziehen. Sabine Dauth

A.1-2970 (18) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 45, 12. November 1993

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