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Archiv "Der Künstler als Patient" (17.08.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Der Künstler als Patient

Eine Untersuchung über Erkrankungen der

Bewegungsorgane bei Orchestermusikern

Albrecht Molsberger, Peter Wehling,

Friedrich Molsberger und Eckehard Hille

D

as Patientenkollektiv der Künstler mit seinen spezi- fischen, häufig gerade or- thopädischen Beschwer- den wird in Deutschland — anders als in den USA — bisher zu wenig beach- tet. Unter den Künstlern zeichnen sich die Berufsmusiker durch eine beruflich bedingte erhöhte Bela- stung der Bewegungsorgane aus (6, 8, 9, 10). Wir führten eine Untersu- chung an Orchestermusikern der Deutschen Oper Berlin und des Düsseldorfer Symphonieorchesters durch. Die Studie hatte folgende Fragestellungen:

O Wie sieht das Verteilungsmuster muskuloskelettaler Beschwerden bei Orchestermusikern aus?

O Gibt es für einzelne Instrumen- tengruppen charakteristische Häu- fungen orthopädischer Beschwerde- lokalisationen?

O Welche Bedeutung hat der Or- thopäde im Vergleich zu anderen (Gebiets-)Arzten bei der ambulan- ten Versorgung des Orchestermusi- kers?

O Fühlt sich der Orchestermusiker von seinem Arzt im Hinblick auf sei-

Orchestermusiker leiden be- sonders häufig an Beschwer- den des Bewegungsappara- tes — dies zeigt eine Untersu- chung der Orthopädischen Klinik der Universität Düssel- dorf an Musikern der Deut- schen Oper Berlin und des Düsseldorfer Symphonieor- chesters. Die Musiker sind mit den herkömmlichen The- rapieangeboten unzufrieden.

Ähnlich wie Sportler, brau- chen Musiker Therapiemaß- nahmen, die auf ihre speziel- len körperlichen und künstle- rischen Anforderungen ab- gestimmt sind.

ne beruflich-künstlerische Tätigkeit adäquat behandelt?

Methodik

Orchestermusiker der Düssel- dorfer Symphoniker und der Deut- schen Oper Berlin erhielten einen standardisierten Erhebungsbogen.

Der Erhebungsbogen war unterteilt in folgende Fragekomplexe — jeweils mit geschlossenen, halboffenen und offenen Antwortmöglichkeiten:

Allgemeine Fragen: Alter, Ge- schlecht, Gesundheitszustand, be- kannte Grunderkrankungen.

Spezielle Fragen: Musikalische Tätigkeit, Vertragsinstrument und hierdurch bedingte zeitliche und körperliche Belastung; Erkrankun- gen, die durch die berufliche Tätig- keit ausgelöst sein könnten; (Ge- biets-)Arzte, die vom Musiker wegen seiner Beschwerden aufgesucht wer- den; Beurteilung der Kompetenz des behandelnden Arztes durch den Mu- Orthopädische Klinik (Leiter: Prof. Dr. med.

Klaus-Peter Schulitz) der Universität Düssel- dorf

siker bei der Therapie musikerspezi- fischer Beschwerden; Compliance des Patienten.

Zusätzlich zeigte der Frage- bogen eine schematische Figur, in die die Musiker ihre vorrangigen Schmerzregionen eintragen konnten.

Die Darstellung von Schmerzregio- nen mittels Markierungen in einer Zeichnung wird in ähnlicher Form auch von anderen Untersuchern ver- wendet (3): Alle Musiker erhielten standardisierte Anweisungen zum Ausfüllen des Erhebungsbogens und standardisierte Informationen über die Studie.

Ergebnisse

100 von 103 ausgeteilten Erhe- bungsbögen konnten ausgewertet werden. Die Daten beziehen sich auf 82 männliche und 18 weibliche Orche- stermusiker. Das durchschnittliche Alter betrug 43,9 Jahre. Die durch- schnittliche Spieldauer des Vertrags- instrumentes (dasjenige Instrument, welches berufsmäßig im Orchester gespielt wird) lag bei 24,1 Jahren —von Holzbläsern mit 14,3 Jahren bis tiefe Streicher mit 37,6 Jahre. Hierbei muß man beachten, daß die Musiker viele Jahre vor Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit als Orchestermusiker — meist bereits im Alter von sechs bis zehn Jahren — mit dem Üben des In- strumentes beginnen.

Die Größen der einzelnen In- strumentengruppen stehen in unse- ren westlichen Kulturorchestern in einem weitgehend konstanten Ver- hältnis zueinander. In dieser Hin- sicht ist das von uns untersuchte Kol- lektiv repräsentativ (Abbildung 1).

Abbildung 2 zeigt die Häufigkeit der von den Orchestermusikern an- gegebenen Erkrankungen — ein- schließlich solcher Erkrankungen, die nicht unbedingt in Zusammen- hang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stehen. Man erkennt, daß 75 Prozent aller Orchestermusiker an orthopä- dischen Beschwerden leiden — mit Abstand gefolgt von Augen- (23 Pro- zent) und Nervenerkrankungen (12 Prozent). Mithin stehen die Be- schwerden der Bewegungsorgane im Vordergrund.

Differenziert man die Beschwer- den des Bewegungssystems hinsicht- A-2292 (48) Dt. Ärztebl. 86, Heft 33, 17. August 1989

(2)

Größe der Instrumentengruppen

o Harfe III Blechbläser 2 Holzbläser

(n = 2) (n = 15) (n = 16)

tiefe Streicher 51 hohe Streicher Schlaginstrument/Pauke

(n = 18) (n = 42) (n = 2-4)

In Klammern die Normalverteilung

Abbildung I: Größe der Instrumenten- gruppen im eigenen Kollektiv (fettge- druckt); zusätzlich Angaben zur Normal- verteilung bei großen westlichen Kulturor- chesters. Das Haupt- kontingent besteht aus Streichern und Bläsem (92 Prozent aller Musiker)

Kopf Lokalisation

keine Angabe

Fuß

Schulter Hand Arm gesamt 23

12

6 3 3

Häufigkeit der Erkrankungen (%)

Augen Ohren Innere Organe

El Häufigkeit

AZIIIIIIIIIIMIIIII■411111111ä111■1•11111

Bewegungsapparat Nerven andere

Musiker

(%) Schmerzlokalisationen der orthopädischen Beschwerden (%) 40

30

20

10-1

43

1-4.1-e91

-e9-

WS gesamt Unterschenkel Ellenbogen Knie

Sakrum BWS

Oberschenkel Nacken LWS

Abbildung 3: Schmerzlokalisation orthopädischer Beschwerden im gesamten Kollektiv. Auf- fällig ist die Häufung von Nacken- und Wirbelsäulenbeschwerden sowie Kopfschmerzen lich ihrer Lokalisation, so ergibt sich

das Verteilungsmuster von Abbil- dung 3. Man erkennt, daß bei Orche- stermusikern Beschwerden im Nak- kenbereich mit 35 Prozent besonders häufig auftreten, gefolgt von Be- schwerden der übrigen Wirbelsäule mit 16 Prozent und Kopfschmerzen mit 11 Prozent.

Abbildung 4 zeigt einen Ver- gleich der Beschwerdelokalisation zwischen den Instrumentengruppen der Streicher und der Bläser. Bei Streichern findet man neben der auf- fälligen Häufung von Nacken-, Wir- belsäulen- und Kopfschmerzen ver- mehrt Beschwerden im Schulter-, El-

(

Abbildung 2: Häufigkeit der von den Musi- kern angegebenen Erkrankungsarten. Auf- fällig ist das Überwiegen von Beschwer- den des Bewegungsapparates (75 Prozent) gefolgt von Augen- (23 Prozent) und Ner- venerkrankungen (6 Prozent). Ohrener- krankungen scheinen trotz der hohen Schalldruckpegel im Orchester erstaunli- cherweise seltener aufzutreten (6 Prozent) lenbogen- und Armbereich, hinge- gen bei den Bläsern eher im Bereich der Schulter und der Hand.

Vergleicht man nur die hohen Streicher (Violinen und Bratschen) mit den tiefen Streichern (Cello und Kontrabaß), so sieht man, daß sich die Beschwerden am Schulter-, El- lenbogen- und Armbereich vor allem bei den hohen Streichern finden, wo- hingegen die tiefen Streicher ver- mehrt Kopf- und Nackenbeschwer- den angeben (Abbildung 5).

Die durchschnittliche Erkran- kungsdauer der orthopädischen Be- schwerden ist mit 61,3 Monaten als chronisch anzusehen. 45 Prozent al- ler Musiker fühlen sich durch ihre Beschwerden beruflich beeinträch- tigt, und 57 Prozent glauben, daß die berufliche Belastung die Erkrankung verursacht. 25 Prozent der Musiker führen die Beschwerden nicht auf das Spielen ihres jeweiligen Instru- mentes, sondern auf Umweltbela- stungen zurück, die durch den Ar- beitsplatz gegeben sind. Licht und Bestuhlung seien häufig mangelhaft.

Entsprechend der deutlichen Häufung orthopädischer Erkrankun- gen lassen sich von den in ärztlicher Behandlung befindlichen Musikern, die meisten von einem orthopädi- Dt. Ärztebl. 86, Heft 33, 17. August 1989 (49) A-2293

(3)

Beschwerdelokalisation Bläser / Streicher

Bläser gesamt % Streicher gesamt %

Kopf 40

30

20

10

Lokalisation

BWS

Nacken LWS Oberschenkel Fuß Arm gesamt

Sakrum Knie Schulter Hand

Ar / Ar,

keine Angabe WS gesamt Unterschenkel Ellenbogen

Abbildung 4: Vergleich orthopädischer Beschwerdelokalisationen bei Streichern und Blä- sern. Tendenziell findet man bei Streichem Beschwerden der gesamten oberen Extremität (Schulter, Ellbogen, Arm), bei Bläsern eher Beschwerden der Schulter und der Hand. Die unterschiedlichen Spieltechniken in beiden Gruppen können dieses Verteilungsmuster be- dingen: während bei Bläsern die Schulter durch das Halten des Instrumentes und die Hand durch die Betätigung der Klappen belastet wird, benützen die Streicher den gesamten Arm zur Bogenführung

keine Angabe

Nacken LWS Oberschenkel Fuß Arm gesamt WS gesamt Unterschenkel Ellenbogen Beschwerdelokalisation bei Streichern (%)

Ei hohe Streicher tiefe Streicher 50

40

30

20

10

Ani /

Lokalisation

Kopf BMS Sakrum Knie Schulter Hand

Abbildung 5: Vergleich orthopädischer Beschwerdelokalisationen bei hohen und tiefen Streichem. Im untersuchten Kollektiv zeigen ausschließlich die Spieler der hohen Streicher- gruppe (Geigen und Bratschen) Beschwerden im Schulter- und Armbereich. Eine Erklärung könnte darin liegen, daß die hohen Streicher im Gegensatz zu den tiefen Streichern den Bo- genarm gegen die Schwerkraft führen müssen

schen Gebietsarzt behandeln (55,6 Prozent). Mit Abstand folgen andere Gebietsärzte mit 26,7 Prozent. Der Allgemeinarzt (8,9 Prozent) steht in gleich hoher Gunst wie der Heilprak- tiker (8,9 Prozent) (Abbildung 6).

89 Prozent der Orchestermusi- ker geben an, daß ihr Arzt über die speziellen beruflich-künstlerischen Anforderungen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die besonderen Belastungen des Bewe- gungsapparates informiert ist. Aber nur 36 Prozent aller Musiker sind der Meinung, daß die Therapie opti- mal auf diese beruflich-künstleri- schen Anforderung abgestimmt sei (Abbildung 7).

Die Unzufriedenheit über eine nach Meinung der Musiker unzurei- chende ärztliche Betreuung, die die künstlerisch-beruflichen Anforde- rungen bei der Therapie der Erkran- kung nicht ausreichend berücksich- tigt, zeigt sich in einer geringen Compliance: 68 Prozent aller in Be- handlung befindlichen Musiker be- folgen die von ihrem Arzt vorge- schlagene Therapie selten oder nie (Abbildung 7).

Die Konsequenz ist, daß 98 Pro- zent aller Musiker es begrüßen wür- den, wenn es — ähnlich wie bei der Sportmedizin — einen Arzt für „Kunst- medizin" geben würde, der sich auf

bei den Streichern (N = 66) und Bläsern (N = 28) vorliegt. Erkran- kungen, über die die zwei Harfeni- stinnen in unserer Studie berichten, sind nicht verwertbar.

Die jeweilige Größe der von uns untersuchten Instrumentengruppen entspricht der Normalverteilung der Größe der Instrumentengruppen in unseren westlichen Kulturorche- stern. Deswegen zeigen die in dieser Studie genannten Krankheitshäufig- keiten tatsächlich auch diejenigen Krankheitshäufigkeiten, mit denen der Arzt, der Orchestermusiker be- handelt, konfrontiert ist. Man er- kennt, daß Erkrankungen zum Bei- spiel bei Schlagzeugern/innen nicht deswegen seltener vorkommen, weil das Schlagzeug-Spielen für den Mu- siker körperlich weniger belastend wäre, sondern weil Schlagzeuger/in- nen absolut gesehen wesentlich we- niger im Orchester eingesetzt wer- den als etwa Geiger (Schlagzeuger 2 bis 4, Geiger 15 bis 25 je Orchester).

Am häufigsten sind Streicher und Bläser im Orchester vertreten — am häufigsten wird man eben deswegen auch mit Erkrankungen dieser Musi- ker konfrontiert werden. Beginnt man musikerspezifische Belastun- gen, die daraus entstehenden Er- die besonderen Belange der Musiker

spezialisiert hätte (Abbildung 8).

Diskussion

Bei der Interpretation der Er- gebnisse muß man beachten, daß ei- ne ausreichende Kollektivgröße nur

A-2294 (50) Dt. Ärztebl. 86, Heft 33, 17. August 1989

(4)

Arzt-Patienten-Verhältnis

Häufigkeitsangaben (%) 1 00

89

80

60—

40

20—

0

68

64

36

Gute Compliance? Ist Arzt informiert?

Therapie optimal abgestimmt?

Ja U Nein

Abbildung 7: 89 Pro- zent der Orchester- musiker geben an, daß ihr Arzt über die speziellen beruflich- künstlerischen Anfor- derungen mit den sich daraus ergeben- den Konsequenzen für die besonderen Belastungen des Be- wegungsapparates informiert ist. Aber nur 36 Prozent aller Musiker sind der Meinung, daß die Therapie optimal auf diese beruflich-künst- lerische Anforderung abgestimmt sei. Die Abbildung spiegelt die Unzufriedenheit mit der medizini- schen Betreuung und die daraus resultie- rende schlechte Compliance wider

Wo läßt sich der Musiker behandeln?

O Allgemeinarzt C2 anderer Facharzt

Orthopäde Ea Heilpraktiker

n = 45 8.89%

8.89%

26.67%

55.56%

krankungen und die darauf abge- stimmten Therapieverfahren zu un- tersuchen und zu entwickeln, so soll- te man sich besonders mit den Pro- blemen der Streicher und der Bläser auseinandersetzen.

Im gesamten Kollektiv stehen Kopf- und HWS-Beschwerden mit 46 Prozent auffällig im Vordergrund.

Vergleicht man dieses Ergebnis mit den Angaben von Krämer, wonach nur 20 Prozent aller Patienten einer allgemeinen orthopädischen Praxis sich wegen Nackenbeschwerden be- handeln lassen, dann sind Orche- stermusiker besonders belastet (4).

Dies bestätigen auch Schecke und Kwiatkowski, die in ihrer Untersu- chung an Orchestermusikern eine doppelt so hohe Häufung der ortho- pädischen Beschwerden im Nacken- bereich wie bei Büroangestellten feststellten (2, 9).

Die statischen und dynamischen Belastungen der Orchestermusiker sind abhängig vom gespielten Instru- ment. Im einzelnen ergeben sich fol- gende Punkte:

0 Statische Faktoren (sitzende

Abbildung 6: Von 100 Musikern stehen zum Zeitpunkt der Unter- suchung 45 in Be- handlung. Die mei- sten Musiker lassen sich vom Orthopäden behandeln (55,56 Prozent). Mit Ab- stand folgen andere Ärzte (26,67 Prozent).

Der Heilpraktiker steht in gleich hoher Gunst wie der Allge- meinarzt (8,89 Pro- zent). Die Abbildung verdeutlicht den ho- hen Stellenwert des Orthopäden für Be- rufsmusiker

Tätigkeit, Halten und Stützen des In- struments):

Sitzende Tätigkeiten — wie hier bei Orchestermusikern — mit man- gelnder Bewegungsmöglichkeit des Rumpfes stellen nach einschlägigen Untersuchungen eine erhebliche Be- lastung für die Wirbelsäule dar (1, 2, 3, 4, 7).

Geiger und Bratscher halten das Instrument, indem sie den Instru-

mentenkorpus mit dem Kinn auf die Schulter drücken. Bei der Halswir- belsäule bewirkt das eine — über die Jahre hin konstante — Kyphosierung in Seitneigung. Cellisten und Kon- trabassisten hingegen halten die Halswirbelsäule meist in einer ver- mehrten Lordosestellung. Diese Haltungskonstanz der HWS könnte die auffällige Häufung der Nacken- beschwerden und Kopfschmerzen erklären.

Im Unterschied zu Cellisten und Kontrabassisten müssen Geiger und Bratscher Bogenarm und Spielhand während des Spiels fortwährend ge- gen die Schwerkraft anheben, was zu den bei diesen Instrumentengruppen bekannt häufig auftretenden Ver- spannungen der Schultermuskulatur führt (Abbildungen 4 und 5).

Fagottisten hingegen berichten, daß ihre Nackenbeschwerden von dem Gewicht des Instrumentes, wel- ches an einem Halteriemen um den Hals getragen wird, herrühren. Obo- isten klagen typischerweise über Schmerzen im Daumengrundgelenk

— das Instrument wird beim Spielen auf dem Daumen abgestützt.

Dynamische Faktoren (Bewe- gungen am und mit dem Instru- ment):

Im Vordergrund steht bei Streichern die Bogenbewegung und bei Streichern und Bläsern die Fin- gerbewegung.

Nach Bullinger und Solf 1979 liegt hier eine „geschlossene kineti- sche Bewegungskette des Hand- Armsystems mit beidhändigem Zu- griff am Instrument" vor (1). Mit Dt. Ärztebl. 86, Heft 33, 17. August 1989 (51) A-2295

(5)

El Nicht erforderlich Begrüßenswert Additive Therapieformen / Spezialist für Musiker Häufigkeitsangaben (%)

Zusätzliche Musikerarzt Therapieformen

100

80

60

40

20

kleiner werdendem Ring „Arm-In- strument-Arm-Rumpf" verringert sich die Bewegungsmöglichkeit, kon- sekutiv steigt die statische Belastung.

Weitere dynamische Belastun- gen ergeben sich aus dem Bedienen der Klappen und Ventile bei den Blasinstrumenten, aus dem Zupfen der Saiten bei Streich- und Zupfin- strumenten (zum Beispiel Harfe) so- wie durch Beinarbeit bei Instrumen- ten wie Klavier, Harfe und Pauke.

Q Ursachen sonstiger Musiker- erkrankungen:

Musikererkrankungen wie zum Beispiel Erkrankungen der Augen und der Nerven sind häufig durch die mangelhaften Umweltbedingun- gen am Arbeitsplatz des Orchester- musikers bedingt (6, 9). Hohe Schall- druckpegel während des Musizierens

— man denke hier an den Cellisten am sogenannten letzten Pult, der 35 Jahre vor der Öffnung des hinter ihm spielenden Tubabläsers sitzt — füh- ren zu erheblichen physischen und psychischen Belastungen (5, 6, 10).

Viele Musiker klagen über die Be- leuchtungsverhältnisse und die Be- stuhlung. Gerade bei Opernauffüh- rungen müssen die Musiker mit mi- nimaler Beleuchtung auf engstem Raum spielen — eine Situation, die das Wort „Orchestergraben" im Wortsinn bezeichnet.

Behandlung des Musikers

Der häufigste Gebietsarzt (55,6 Prozent) des Orchestermusikers ist der Orthopäde (Abbildung 6). 26,7 Prozent der Musiker lassen sich von anderen Gebietsärzten behandeln.

Obwohl der behandelnde Arzt über die berufliche Tätigkeit seines Pa- tienten informiert ist, glauben die meisten Musiker, daß die Therapie nicht optimal auf ihre speziellen Be- lange abgestimmt sei. Offensichtlich aus diesem Grund befolgen zwei Drittel aller Musiker die Therapie- empfehlung des Arztes selten oder nie, und nur ein Drittel aller Musiker zeigt eine gute Compliance (Abbil- dung 7). Der Allgemeinarzt wird nicht öfter als der Heilpraktiker kon- sultiert.

Um sich das Dilemma zu ver- deutlichen, stelle man sich vor, ein Geiger erhalte die Empfehlung, auf-

Abbildung 8: 98 Pro- zent aller Musiker würden es begrüßen, wenn es einen Arzt für „Kunstmedizin", der sich auf die be- sonderen Belange der Musiker speziali- siert hätte, geben würde. Ein weites differentialtherapeuti- sches Spektrum ein- schließlich additiver Therapieformen (zum Beispiel Manualthe- rapie, Akupunktur) wird von 94 Prozent befürwortet

grund eines Überlastungsschadens — zum Beispiel einer Epicondylitis — den Arm drei Wochen auf einer Gipsschiene ruhigzustellen. Beson- ders beim Musiker muß die Therapie einerseits darauf abgestimmt sein, bei den fortwährenden stereotypen Arbeitsbewegungen chronische Überlastungsschäden des Haltungs- apparates und der Muskulatur mit oft langen Krankheitsverläufen zu verhindern: die isometrische Auf- schulung der Muskulatur ist, ähnlich wie bei Sportlern, eine wichtige The- rapiemaßnahme. Operative Verfah- ren gerade an den Händen sind, da sie die Biomechanik geringfügig, aber für Musiker häufig entschei- dend verändern können, nur mit äu- ßerster Zurückhaltung anzuwenden.

Literatur

1. Bullinger, H. J., J. J. Solf: Vermeidung von Haltungsschäden durch ergonomische Ar- beitsmittel- und Maschinengestaltung, Ar- beitsmed. Sozialmed. Präventivmed. 4:

145-150, 1979

2. Grandjean, E., U. Burandt: Das Sitzverhalten von Büroangestellten. Industr. Org., 8, 1967

3. Grandjean, E., W. Hünting: Sitzen Sie rich- tig? Sitzhaltung und Sitzgestaltung am Ar- beitsplatz, 6. Auflg. Max Schick GmbH, Druck und Verlag München 1983 4. Krämer, J.: Bandscheibenbedingte Erkran-

kungen, Thieme Verlag, 1986'

5. Kwiatkowski, A., G. Schäcke, A. Fuchs:

Schalldruckpegel im Orchestergraben eines Opernhauses, Das Orchester, 6, 1986 6. Lorenz, M.: Analysen von Berufskrank-

heiten und Berufsunfähigkeiten bei Orche- stermusikern und speziell bei Streichern, Arbeitsmed. Information für Theater und Orchester, 1, 1980

7. Mittelmeier, H.: Schulterarmsyndrom bei Büroangestellten. Z. Orthop. Suppl. 97, 1963, 237

8. Mittenentzwei, F.: Darstellung einiger Un- terschiede im Kraft- und Bewegungsauf- wand zwischen Geigen- und Bratschenspiel.

ESTA Bulletin Nr. 5, 1985

9. Schäcke, G., A. Kwiatkowski: Beschwerden im Bereich des Muskel-Skelett-Systems von Orchestermusikern. Das Orchester, 3, 1986 10. Schmale, H., H. Schmidtke: Der Orchester-

musiker, seine Arbeit und seine Belastung.

B. Schott's Söhne, Mainz 1985

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Albrecht Molsberger Orthopädische Klinik der Universität Düsseldorf Moorenstraße 5 4000 Düsseldorf 1 A-2296 (52) Dt. Ärztebl. 86, Heft 33, 17. August 1989

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