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Archiv "Primärprävention kardialer Erkrankungen: Gilt nicht für alle" (12.09.2003)

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traindikationen vorliegen, eine sechs- wöchige Behandlung mit 100 mg Doxycyclin täglich durchgeführt wer- den kann. Zusätzlich sollte während der Doxycyclingabe und fünf bis sechs Monate nach Beginn derselben jeweils eine einmalige Standarddosis von Ivermectin gegeben werden, weil Doxycyclin die Mikrofilarien nicht tö- tet und diese dann erst im Rahmen ih- rer Halbwertszeit im Körper abster- ben würden (9).

Von dieser Behandlung ist außer- halb der Endemiegebiete, in denen Neuinfektionen häufig sind, ein Stopp der Mikrofilarienproduktion und da- mit ein Verschwinden des pathogenen Agens zu erwarten. Dieser Effekt ist bei Ivermectin alleine erst nach meh- reren Jahren zu erzielen. Damit ist die Doxycyclintherapie im Hinblick auf die logistischen Kosten einer mehr- jährigen Betreuung wohl auch eine kostengünstigere Alternative. Zur Frage der Unbedenklichkeit einer sechswöchigen Doxycyclintherapie sei vermerkt, dass für die Malariaprophy- laxe in Südostasien seit Jahren eine tägliche Doxycyclineinnahme für drei Monate (3) und länger empfohlen und praktiziert wird. Bei gefährlichen In- fektionskrankheiten wie der Brucello- se ist eine unter Umständen noch län- gere Doxycyclintherapie indiziert.

Danksagung

Unser Dank gilt den Mitarbeitern der Abteilung Hel- minthologie und des Kumasi Centre of Collaborative Research in Ghana für die Mitarbeit an den darge- stellten Projekten. Die eigenen Projekte werden von der DFG (Ho 2009/1-3 und Ho 2009/5-1), der Eu- ropäischen Union (INCO-DEV-grant ICA4-CT-1999- 100002 und ICA4-CT-2002-10051), dem Wellcome Trust (grant o62680/B/00/Z), der Caritas- und der VW-Stiftung (I/73952) gefördert. Die Firma Pfizer, Karlsruhe, stellte Vibramycin für die Studien zur Ver- fügung.

Manuskript eingereicht: 5. 2. 2003, revidierte Fassung angenommen: 10. 6. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2383–2386 [Heft 37]

Literatur

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5. Cross HF, Haarbrink M, Egerton G, Yazdanbakhsh M, Taylor MJ: Severe reactions to filarial chemotherapy are associated with the release of Wolbachia endo- symbionts into the blood. Lancet 2001; 358:

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6. Hoerauf A, Mand S, Adjei O, Fleischer B, Büttner DW:

Depletion of Wolbachia endobacteria in Onchocerca volvulus by doxycycline and microfilaridermia after ivermectin treatment. Lancet 2001; 357: 1415–1416.

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8. Hoerauf A, Volkmann L, Hamelmann C et al.: Endo- symbiotic bacteria in worms as targets for a novel chemotherapy in filariasis. Lancet 2000; 355:

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9. Hoerauf A,Walter RD, Remme H, Lazdins J, Fleischer B:

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10. Keiser PB, Reynolds SM, Awadzi K, Ottesen EA, Taylor MJ, Nutman TB: Bacterial endosymbionts of Oncho- cerca volvulus in the pathogenesis of posttreatment reactions. J Infect Dis 2002; 185: 805–811.

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12. Richards FO, Boatin B, Sauerbrey M, Seketeli A: Con- trol of onchocerciasis today: status and challenges.

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15. The Carter Center. Final report of the conference on the eradicability of onchocerciasis. In: Dadzie Y, Hop- kins DR, Neira M, eds.: Atlanta, GA, USA, 2002:down- loadable as PDF via http://www.cartercenter.org/

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Achim Hörauf Institut für Medizinische Parasitologie Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn

E-Mail: hoerauf@bni.uni-hamburg.de M E D I Z I N

A

A2386 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3712. September 2003

Gilt nicht für alle

Im Rahmen eines Buchprojektes be- schäftige ich mich gerade intensiv mit der von Herrn Löllgen zitierten Literatur.All diese Studien belegen aussagekräftig nur eines, nämlich, dass Menschen, die sich bewegen, gesünder sind, als Menschen, die sich nicht bewegen. Sie belegen nicht, dass Menschen, die sich zunächst nicht bewegen, aber anfangen sich mehr zu be- wegen, dadurch allgemein einen gesund- heitlichen Nutzen haben. Aber genau dies ist die entscheidende Frage und des- wegen sind verallgemeinernde Aufrufe zur Steigerung der Bewegungsaktivität voreilig. Die Sportwissenschaft geht an- scheinend in die gleiche Korrelationsfalle wie die Ernährungswissenschaft.

Ein zweiter problematischer Punkt ist die Argumentation mittels der Angabe von relativen Risiken. Schaut man sich jedoch die Zahlen an, also zum Beispiel Gewinn an Lebenszeit, wird das Ergeb- nis wesentlich magerer. Der Verfasser weist zwar auf die methodische Proble- matik vieler früherer Studien hin, aber auch neuere Veröffentlichungen halten sich meist nicht an Grundregeln, insbe- sondere was die Interpretation der Er- gebnisse anbelangt. Auch in den USA wirken Lehrmeinungen oft wie festze- mentiert. Mit der Vergabe von Evidenz- graden geht man jedoch wesentlich vor- sichtiger um. In einem im Vergleich zu den von dem Autor aufgeführt Metaana- lysen viel aussagekräftigeren Review, veröffentlicht in einem Sonderheft von Medicine & Science in Sports & Exercise aus dem Jahr 2001 nach einem evidenz- basierten Symposium, veranstaltet von den führenden amerikanischen Fachver- bänden, wird für den Zusammenhang, ob

zu dem Beitrag

Primärprävention

kardialer Erkrankungen

von

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen in Heft 15/2003

DISKUSSION

(2)

Bewegung das Leben verlängert, die Evi- denzempfehlung C gegeben. Der Autor, der den Kenntnisstand in der Primär- prävention im kardialen Bereich be- schreibt, vergibt erst gar keinen Evidenz- grad. Das heißt, wir befinden uns hier im- mer noch im Bereich der Spekulation und das nach 50 Jahren Sportwissen- schaft. Die Behauptung, dass durch Be- wegungsmangel der Volkswirtschaft ein großer finanzieller Schaden entsteht, ist und bleibt eine Hypothese, ganz abgese- hen von den weitgehend verharmlosten chronischen Schäden durch Sport. Hier wird neben der fettreichen Ernährung ei- ne zweite epidemiologische Luftblase aufgebaut. Dabei gibt es Untersuchun- gen, die dem Kern der Sache wesentlich näher kommen. In einer Studie konnten nur Träger bestimmter Erbanlagen durch Sport Gewicht abnehmen. In einer ande- ren Langzeitbeobachtung leben Träger bestimmter Merkmale mit oder ohne Sport länger als andere. Nur sind diese Merkmalsträger unter Sportlern ver- mehrt anzutreffen. Der Schlüssel liegt in der Individualität der Menschen

Prävention besitzt zurzeit einen hohen Stellenwert, gerade auch in der Politik.

Was den Einzelnen jedoch gesund erhält, bleibt unklar. Dabei ist die uralte ärztli- che Sicht auf die Individualität des Men- schen immer noch hilfreicher als hypo- thetische Verallgemeinerungen. Der eine benötigt Bewegung, der andere eher den Konzertbesuch.Auch für Prävention gilt:

Wenn alle das gleiche bekommen, krie- gen nur wenige das, was sie brauchen.

Dr. med. Gunter Frank Schloßberg 2

69117 Heidelberg

Strukturierte Konzepte für die Praxis

Der Autor ruft mit seiner Arbeit dan- kenswerterweise nicht nur den hohen Stellenwert körperlicher Aktivität in der Prävention kardiovaskulärer Erkran- kungen in Erinnerung, sondern auch die dafür notwendige gezielte Anleitung und Motivation der Patienten. Dieser Aspekt wird in der täglichen Praxis leider häufig vernachlässigt oder beschränkt sich auf den wohlmeinenden Ratschlag an die Adresse des Patienten, dass „etwas mehr

Bewegung nicht schaden könnte“. Nicht umsonst fordert die Ärztliche Zentral- stelle Qualitätssicherung in ihrem Leitli- nien-Clearingbericht „Hypertonie“, Pro- bleme der Motivation zu verschiedenen nichtmedikamentösen Maßnahmen in den jeweiligen Leitlinien zu erörtern (1).

Dass für die Umsetzung in der Praxis strukturierte Konzepte benötigt werden, die die richtige, regelmäßige und dauer- hafte körperliche Aktivität der Patienten gewährleisten (2), wird bei Betrachtung der Dissonanz zwischen Kognition und Handeln offenkundig (während das Wis- sen um die gesundheitsfördernde Wir- kung regelmäßiger Bewegung in der Be- völkerung fast ausnahmslos vorhanden ist, wird dieses jedoch von 60 Prozent nicht oder nur unzureichend umgesetzt [3]). Dabei sollten auch innovative An- sätze, wie beispielsweise internetgestütz- te Bewegungsprogramme, nicht außer Acht gelassen werden (4).

Literatur

1. Leitlinien-Clearing-Bericht „Hypertonie“ der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung (ÄZQ). Köln 2000.

2. Brehm W, Pahmeier I: Gesundheitsförderung durch sport- liche Aktivierung als gemeinsame Aufgabe von Ärzten, Krankenkassen und Sportvereinen. Bielefeld 1992.

3. Dunn AL, Marcus BH, Kampert JB, Garcia ME, Kohl HW, Blair SN: Comparison of lifestyle and structured interven- tions to increase physical activity and cardiorespiratory fitness. JAMA 1999; 281: 327–334.

4. Napolitano MA, Fotheringham M, Tate D; Sciamanna C, Leslie E, Owen N, Bauman A, Marcus B: Evaluation of an internet-based physical activity intervention: a prelimi- nary investigation. Ann Behav Med 2003; 25: 92–99.

Dr. med. Gunther Lorenz Rheinauer Ring 22 68219 Mannheim

Nil nocere!

Herr Kollege Löllgen führt in seiner Zu- sammenfassung aus: „Nachteile und kar- diovaskuläre Komplikationen bei kör- perlicher Aktivität sind zu vernachlässi- gen, wenn Vorsorgeuntersuchungen er- folgen und ein sinnvolles Aufbautraining eingehalten wird“. So einfach ist es also, Primärprävention bezüglich Sportverlet- zungen und sonstigen Sportschäden zu betreiben! Dieser durchaus unter Sport- medizinern weit verbreiteten „idealisti- schen Saat“ steht in der Realität eine

„reiche Ernte“ an Sportunfällen gegen- über.Aber auch für das Herz gibt es beim kardial-primärpräventiv gedachten Ge- sundheitssport Risiken: So rechnete der namhafte Sportmediziner Rost 1988 für die alte Bundesrepublik „jährlich mit cir- ca 500 internistisch bedingten Todesfäl- len beim Sport“, im wesentlichen „Herz- todesfälle“, weil „das Risiko unter kör- perlicher Belastung erhöht ist“. 1992 führte Rost dann im Zusammenhang mit Richtlinien für Wiederbelebung und Notfallversorgung aus: „Der plötzliche Herztod ist beim Sport nach den Un- tersuchungsergebnissen von Siskovick um den Faktor 50 häufiger als in Körper- ruhe!“

Konsequenterweise wurden von der Kommission „Gesundheit“ des Deut- schen Sportbunds 1990 im Deutschen Ärzteblatt Vorsorgeuntersuchungen ge- fordert, und zwar grundsätzlich „bei Be- ginn des aktiven Sporttreibens in jedem Lebensalter“ und dann ab dem 60. Le- bensjahr jährlich, seit August 1998 so- gar ab dem 35. Lebensjahr (http://www.

dgsp. de/ds-e001.htm). – In einer aktuelle Schweizer Studie (http://www.hepa.ch/

Publikationen/Stn_Volkswirtschaft_de.

pdf) wird folgende Jahresbilanz für kör- perliche Aktivität aufgestellt: Direkten Behandlungskosten durch Sportunfälle sowie 160 Todesfälle von 1,1 Milliarden zuzüglich indirekten Kosten von 2,3 Mil- liarden Franken stehen an direkt einge- sparten Behandlungskosten 2,7 Milliar- den zuzüglich indirekt eingesparten Ko- sten von 1,4 Milliarden Franken gegen- über. Trotz dieser Bilanz von 3,3:4,1 wird für körperliche Aktivität als „gut beleg- ter“ [. . .] „vielfältiger Gesundheitsres- source“ geworben. Ähnlichen Bilanzen hatte bereits Rost 1989 vorgehalten, man dürfte Äpfel nicht mit Birnen verglei- M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3712. September 2003 AA2387

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wissen- schaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kon- gressberichte und Zeitschriftenreferate – können grundsätzlich in der Rubrik „Diskussion“ zusam- men mit einem dem Autor zustehenden Schluss- wort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb vier Wochen nach Erscheinen der betreffenden Publikation bei der medizinisch-wissenschaftli- chen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens einer Schreibmaschinenseite (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen, Literaturverzeichnis mit bis zu vier Zitaten) wissenschaftlich begrün- dete Ergänzungen oder Entgegnungen enthalten.

Für Leserbriefe anderer Ressorts gelten keine be- sonderen Regelungen (siehe regelmäßige Hinwei-

se). DÄ/MWR

(3)

chen und darauf verwiesen: „Sport ist nur so gesund, wie man ihn betreibt“ – was ja wohl für jede Tätigkeit gilt.

Das hier dargelegte Risikoszenario des sportlichen Alltags wird weder im Beitrag von Herrn Kollegen Löllgen, noch in den von ihm genannten inter- nationalen Studien berücksichtigt. Der Hinweis „wenn Vorsorgeuntersuchun- gen erfolgen“, stellt ein blauäugiges Alibi in einem Freizeitsport-Umfeld von „no risk no fun“ dar. Auch in der Präventiv- medizin gilt: gut gemeint ist noch nicht gut gekonnt. Angesichts der gesundheit- lichen Risiken des realen Sporttreibens wäre es präventivmedizinisch ärztliche Pflicht, auf dessen Risiken und die Me- chanismen hinzuweisen, die zu solchem physisch nachteiligen Sporttreiben füh- ren. Darauf wären dann präventivmedi- zinische Abhilfemaßnahmen aufzubau- en. Würde man – wie so oft beschrie- ben – Sport als „Medikament“ einstufen, müsste er wegen seiner Nebenwirkungen schon längst verboten sein.Auch präven- tivmedizinische Maßnahmen sollten un- ter der alten ärztlichen Devise stehen: Nil nocere!

Literatur

1. Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Präven- tion: Abgestufte sportärztliche Untersuchung. Freiburg i. Br. 1998 http://www.dgsp.de/ds-e001.htm (Stand:

28. 5. 2003)

2. Deutscher Sportbund – Kommission Gesundheit: Vorsor- geuntersuchungen für Sporttreibende. Dtsch Arztebl 1990; 87: A-3298 [Heft 43]

3. Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz: Volks- wirtschaftlicher Nutzen der Gesundheitseffekte der kör- perlichen Aktivität: erste Schätzungen für die Schweiz.

Magglingen 2001 http://www.hepa.ch/ Publikationen/

Stn_Volkswirtschaft.de.pdf (Stand: 28. 5. 2003).

4. Rost R: Der plötzliche, nichttraumatische Tod im Sport.

Fortschr Med 1988; 106: 103–106.

5. Rost R: Stellungnahme zum Diskussionsbeitrag von Herrn Moser. Dtsch Z Sportmed 1989; 40: 222–224.

6. Rost R: Reanimation – Richtlinien für Wiederbelebung und Notfallversorgung. Dtsch Z Sportmed 1992; 43: 210.

Prof. Dr. med. Hans-Volkhart Ulmer Sportphysiologische Abteilung, FB Sport Johannes-Gutenberg-Universität, 55099 Mainz http://www.uni-mainz.de/FB/Sport/physio

Schlusswort

Herr Kollege Frank hält die evidenzba- sierte Datenlage noch nicht für ausrei- chend gesichert.Auf die Problematik der Evidenzgrade wurde aber im Beitrag ein- gegangen, nach gängiger Einteilung er-

gibt sich ein Evidenzgrad 2a oder 2b. Stu- dien zum Thema körperliche Aktivität können keinen höheren Evidenzgrad er- reichen, da randomisiert doppelblinde Studien mit regelmäßigem Training na- turgemäß nicht möglich sind. Anderer- seits gelten prospektive, kontrollierte Kohortenstudien, hier mit Beobach- tungszeiten bis zu 25 Jahren und an über 400 000 Personen als epidemiologisch ausreichend zuverlässig und aussage- kräftig (1). Die zitierten Studien (2) sind in Zeitschriften mit einer „peer review“- Begutachtung publiziert. Zeitschriften wie N Engl J Med, Lancet, Circulation oder JACC gelten gemeinhin als seriös und die darin publizierten Arbeiten als wissenschaftlich solide und selten speku- lativ. Die Phase der „Spekulation“ zum Thema Prävention und körperliche Akti- vität ist inzwischen absolut überwunden, dabei sei auf das von Herrn Kollegen Frank zitierte Sonderheft ausdrücklich verwiesen. Veranlagung oder Genetik in der Langlebigkeit spielen eine Rolle, dar- auf wurde hingewiesen. Man hätte es ger- ne gesehen, wenn Herr Dr. Frank seine pauschalen Anmerkungen in der wissen- schaftlich üblichen Weise belegt hätte.

Einige Korrekturen: Die Sportwissen- schaft, entstanden aus der Sportmedizin, ist der Teil der Wissenschaft, der sich vor- wiegend mit Didaktik, Pädagogik oder Trainingslehre beschäftigt. Die Sportme- dizin als Teil der Medizin beschäftigt sich hingegen mit medizinischen Fragen der Bewegung oder Inaktivität und dies seit 91 (!) Jahren. Ein Hinweis, der Volkswirt- schaft entstehe ein finanzieller Schaden, findet sich in meinem Beitrag nicht, ebensowenig wurden Korrelationen be- rechnet, hier mag eine Verwechslung vor- liegen.

Wie im Schlussabsatz erwähnt, ist eine Lebensverlängerung durch körperliche Aktivität weniger bedeutsam als die Ver- besserung der Lebensqualität, vor allem beim leider sehr häufig „unbeweglichen“

älteren Menschen. Wer ältere Menschen im Rollstuhl im Altersheim sieht, wer die krankmachende „Bettruhe“ in unse- ren Akutkrankenhäusern beobachtet, der wünscht sich schon, auch ohne rando- misiert kontrollierte Studien mehr Be- wegung in den Altersheimen oder Kran- kenhäusern mithilfe von Sportlehrern oder Krankengymnasten. Mitarbeiter, die heute häufig – paradoxerweise – aus

Kostengründen eingespart werden. Herr Dr. Lorenz gibt eine wichtige Ergänzung, dies kann uneingeschränkt befürwortet werden.

Herr Kollege Ulmer rennt offene Türen mit seinen Vorschlägen ein, seit den 30er-Jahren werden Vorsorgeun- tersuchungen für Sporttreibende durch- geführt und angeboten. Empfehlungen hierzu liegen vor (3). Leider haben Politi- ker aus Spargründen langjährig bewähr- te Modelle in Berlin und Hessen been- det. Jeder Sportler kann sich untersuchen lassen, muss dies aber selber bezahlen (Kosten entsprechen in etwa einer drei- fachen Tankfüllung). Kollege Ulmer soll- te sein Schreiben daher sofort an die po- litischen Instanzen in Berlin weiterleiten (Anschrift beim Unterzeichner). Neben- bei: Die Zahlen aus der Siskovick-Arbeit sind so leider falsch dargestellt, nachzule- sen in der Originalarbeit.

Auch mit einer noch so gründlichen und apparativ aufwendigen Vorsorgeun- tersuchung kann ein Risiko nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden. Das Le- ben an sich ist (leider) mit einem Restri- siko verbunden. Die wichtigsten Maß- nahmen zur Erkennung kardiovaskulä- rer Risiken vor dem Sport sind eine sorg- fältige Anamnese (familiäre Belastung, eigene Anamnese und sportliche Vorge- schichte) und die klinische Untersu- chung. Damit lässt sich die Mehrzahl al- ler Gefährdeten erkennen. Aber, wer nimmt sich angesichts der „High-Tech- Medizin“ noch dafür die Zeit?

Zum guten Schluss: Der Unterzeich- ner bekennt, dass er lieber mit 86 Jahren beim Joggen an einem sonnigen Herbst- tag plötzlich tot umfallen möchte als mit 93 Jahren im Rollstuhl vor dem laufen- den Fernseher dahinzudämmern.

Literatur

1. Concato J, Shah N, Horwitz RI: Randomized controlled trials, observational studies and hierarchy of research designs. N Engl J Med 2000; 342: 1887–1892.

2. Löllgen H: Primärprävention kardialer Erkrankungen.

Dtsch Arztebl 2003; 100: A-987–996 [Heft 15].

3. Löllgen H: Ärztliche Untersuchung und körperliche Akti- vität. In: Samitz G, Mensink GBM (eds.): Körperliche Aktivität in Prävention und Therapie. München: Marseille Verlag 2002.

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen Medizinische Klinik

Sana-Klinikum Remscheid GmbH Bürgerstraße 211

42859 Remscheid M E D I Z I N

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A2388 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3712. September 2003

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