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Archiv "Körperliche Aktivität: Das große Therapiedefizit" (21.07.2014)

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A 1296 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 29–30

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21. Juli 2014

KOMMENTAR

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Sportmedizin

W

er die Entlassungsbriefe aus den internistischen Kliniken und kardiologischen Abteilungen auf- merksam verfolgt, sieht bei den Thera- pieempfehlungen zahlreiche Medika- mente, mitunter zehn oder mehr, aber keinerlei Hinweise zu regelmäßiger kör- perlicher Aktivität und Lebensstilände- rung. Dabei sind diese Empfehlungen zur Prävention und Therapie innerer Er- krankungen mit hoher bis höchster Evi- denz gesichert. Zahlreiche Metaanaly- sen und prospektive Kohortenstudien

belegen dies. Die relative Änderung von Morbidität und Mortalität übersteigt sogar in einigen Bereichen die der teu- ren Medikamente.

Regelmäßige körperliche Aktivität ist zudem die bisher einzige gesicherte Maßnahme des „Anti-Aging“ und kann zu einer Lebensverlängerung führen.

Darüber hinaus ist sie preisgünstig, kann zum Teil Medikamente einsparen und ermöglicht im Alter eine längere Zeitspanne der Selbstbestimmung und Autonomie. Die Verzögerung einer De- menz durch körperliche Aktivität sei nur am Rande erwähnt.

Daher erstaunt es sehr, dass in den Entlassungsbriefen keinerlei Hinweise auf diese Therapieform zu finden sind.

Selbst die Ärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung oder die Krankenkassen beachten dies nicht, könnten sie doch durchaus von einer solchen Empfehlung (und Umset- zung) eine erhebliche Einsparung er- warten.

Wo liegen die Gründe dafür? Das geringe Wissen vom therapeutischen Wert von Sport und Bewegung ist zu- nächst einmal der Ausbildung der Me- dizinstudierenden zu verdanken. Es gibt keine Pflichtvorlesung Sport- und Be- wegungsmedizin; daher erreichen viele die Approbation, ohne von den negati- ven Auswirkungen von Bewegungs-

mangel auf die Gesundheit gehört zu haben. So wissen junge Ärztinnen und Ärzte häufig nicht, wie man körperliche Aktivität korrekt verschreibt. Es gilt, dringend, die Aus- und Weiterbildungs- ordnung zu ergänzen und zu ändern – dort mehr Bewegung hineinzubringen.

Dem Hausarzt kommt bei der Bewe- gungsförderung eine zentrale Rolle zu.

In der Schweiz wurde 2009 das Pa- prica-Projekt (Physical Activity Promo - tion in Primary Care) im Kanton Waadt initiiert und seit 2012 in Kantonen der

deutschsprachigen Schweiz umgesetzt.

Neben regelmäßigen Fortbildungsver- anstaltungen wurden ein Handbuch als Leitfaden und Nachschlagewerk, Pa- tientenbroschüren und didaktische Hilfsmittel erarbeitet, die den Ärztinnen und Ärzten die klinische Arbeit mit dem Patienten rund um die Bewegungsme- dizin erleichtern sollen. Auch in Öster- reich liegen entsprechende Empfehlun- gen vor.

Für Deutschland sind zu erwähnen die Aktion IN FORM des Bundesge- sundheitsministeriums und das schon länger erfolgreich bestehende Konzept Sport pro Gesundheit des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit der Bundesärztekammer (BÄK). Bun- desweit eingeführt ist mittlerweile ebenfalls das Rezept für Bewegung (Deutsche Gesellschaft für Sportmedi- zin, DOSB und BÄK), das inzwischen auch europaweit als „Exercise pres- cription for health“ umgesetzt wird.

Die Frage nach der regelmäßigen körperlichen Aktivität eines Patienten ist immer in die Anamnese aufzuneh- men. In Amerika wird die körperliche Aktivität auch als „5th vital sign“ er- fasst, neben Körpertemperatur, Herz- frequenz, Atemfrequenz und Blutdruck.

Die regelmäßige Aktivität wird eingeteilt und „verordnet“ nach Frequenz, Inten- sität, Dauer und Art der Aktivität (FIDA

oder FITT im Angloamerikanischen:

Frequency, Intensity, Time and Type).

Diese Angaben gehören in jeden Anamnesebogen. Jeder Arzt sollte bei jedem Patientenkontakt, ob Klinik oder Praxis, danach fragen. Damit wird die- ser Teil des gesunden Lebensstils auch dem Patienten bewusst werden.

Der Entlassungsbrief sollte mit Hin- weisen zur regelmäßigen körperlichen Aktivität versehen sein. Die Kranken- kassen können dies unterstützen, in- dem die Kostenübernahme von einer

solchen Empfehlung zur körperlichen Aktivität als Prävention, Rehabilitation und Therapie abhängig gemacht wird.

Ergänzend hierzu kann dem Patien- ten auch ein Rezept für Bewegung zum Entlassungsbericht mitgegeben wer- den, so dass er einen Verein mit dem Siegel Sport pro Gesundheit aufsuchen oder mit Fitnessgeräten zu Hause oder mit Bewegung in der Freizeit aktiv wer- den kann. Dazu muss er kompetent beraten werden nach der FITT-Regel.

Hinweise hierzu sind verschiedentlich publiziert worden. Zu begrüßen wäre eine gemeinsame Aktion der Ärzte, Kli- niken, Krankenkassen und der an Ge- sundheit interessierten Einrichtungen (Vereine, Studios).

Natürlich gehört zu diesem Konzept auch eine Beratung zu optimalem Ge- wicht, zu Ernährung und Vermeidung schädlicher Genussmittel. Hierzu sind die Techniken des transtheoretischen Modells geeignet sowie das motivie- rende „Interviewing“. Diese Gesprächs- techniken sind Standard, sie sollten auch Standard in der ärztlichen Aus- bildung sein. In der Praxis können sol- che Beratungsgespräche zur Lebens- stiländerung zum Teil abgerechnet werden. Körperliche Aktivität statt teurer Medikamente kann auch zur Entlastung des Budgets in der Praxis beitragen.

KÖRPERLICHE AKTIVITÄT

Das große Therapiedefizit

T H E M E N D E R Z E I T

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