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Archiv "Die Interessen der Ärzte erfaßt: Wie Kommunisten ihre Gesundheitspolitik sehen" (16.03.1984)

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W

ie beeinflußt die marxistisch-leninistische Phi- losophie die Entwiddung der modernen na- turwissenschaftlichen Forschung, und welchen Bei- trag leisten ihrerseits Naturwissenschaft und Technik für die Weiterentwicklung und Festigung der marx- istisch-leninistischen Weltanschauung? Diese Fra- gen stehen im Mittelpunkt einer neuen Artikelserie,

die „Neues Deutschland" heute in Zusammenarbeit mit der URANIA beginnt. Sie wird im 35. Grün- dungsjahr unserer Republik zugleich das Werden und Wachsen der Wissenschaft unseres Landes und die Früchte interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Natur-, Technik- und Gesellschaftswissen- schaftlern dokumentieren.

Naturerkenntnis und Weltanschauung (1)

Arbeiterklasse im Bunde mit moderner Wissenschaft

ND-Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Eberhard Leibnitz, Präsident der URANIA

ND: Die Vereinigung der Arbei-

I

Wissenschaft insgesamt . — zu I kennbaskeit und Veränderbarkeit terklosse mit der Wissenschaft ge- einem erstrangigen Faktor des der Welt, an die untrennbare Ein-

Ein wichtiges Instrument der Propaganda in der DDR ist die „Gesellschaft zur Ver breitung wissenschaftlicher Kenntnisse — Urania". Ihre mehr als 50 000 Mitglieder

,

Wissenschaftler, Ärzte, Pädagogen, Künstler — müssen an der sozialistischen Bil- dungsarbeit mitwirken — natürlich im Sinne der SED, wie in diesem Artikel aus dem

„Neuen Deutschland" vom Januar 1984 deutlich wird. Jährlich führt die vor 30 Jah- ren gegründete Urania angeblich mehr als 300 000 Veranstaltungen durch

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

J

unge Ärzte fordern seit eini- gen Jahren immer nach- drücklicher eine Aufarbei- tung des Themas „Medizin und Nationalsozialismus". Tatsächlich gibt es da noch erhebliche Lük- ken in der Geschichtsschreibung

— dazu gehört übrigens auch die Beteiligung von Ärzten am Wider- stand gegen den Nationalsozialis- mus, ein Thema, für das sich die

„jungen Linken", merkwürdiger- weise, bisher so gut wie gar nicht

interessiert haben. Wenn man aber bedenkt, daß ein Teil des deutschen Volkes jetzt in einem Staat leben muß, der sich auf die Traditionen des deutschen Sozia- lismus beruft, so wird klar, daß auch über das Verhältnis der Ärz- teschaft zur linken Seite des poli- tischen Spektrums noch vieles aufgearbeitet werden muß. Dabei kommt manches zutage, was noch für unsere heutigen sozial- politischen Diskussionen relevant ist.

Aus Anlaß des 65. Jahrestages der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands hieß es kürz- lich in einem Jubiläumsvortrag:

„Es gelang der KPD in zunehmen- dem Maße, alle wesentlichen Sei- ten der gesundheitspolitischen In- teressen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen — einschließlich der Ärzteschaft — zu erfassen".

Dieser Satz bezieht sich auf die Periode der Weimarer Republik und ist typisch für die Noncha- lance, mit der Linke ihren Glau- benssatz Nummer 1 „belegen", der bekanntlich lautet: Wir haben schon immer recht gehabt.

Nun kann man wirklich nicht be- haupten, daß die meisten Ärzte in der Weimarer Zeit Anhänger der KPD gewesen seien (ein paar mehr, als manchem in der Bun- desrepublik heute lieb wäre, wa- ren es schon). Deshalb heißt es nur, recht vage ausgedrückt, die KPD habe „die wesentlichen ge- sundheitspolitischen Interessen der Ärzteschaft erfaßt" — ein fei- ner, aber wichtiger Unterschied.

Wenn es aber wirklich so wäre, dann ergibt sich daraus natürlich

Die Interessen der Ärzte erfaßt

Wie Kommunisten

ihre Gesundheitspolitik sehen

die Frage, warum dann „gerade unter der Ärzteschaft der Natio- nalsozialismus sehr starken Ein- fluß hatte", wie es zum Beispiel der Parteivorstand der SED be- reits im August 1947 in seinem Be- richt an den II. Parteitag fest- stellte.

Der zitierte Vortrag wurde in Ost- berlin gehalten, auf einer Veran- staltung der Akademie der Wis- senschaften der DDR. Und die DDR hat es sicher schwerer als wir, mit solchen Widersprüchen fertig zu werden. Wenn man ge- nau darauf achtet, was drüben veröffentlicht wird, so findet man noch mehr pikante Merkwürdig- keiten, die auch manche der Lin- ken bei uns sich mal zu Gemüte führen sollten.

In diesem Jubiläumsvortrag wur- de der Versuch gemacht nachzu-

weisen, daß die KPD durch viele Stationen hindurch stets eine ganz konsequente gesundheits- politische Linie verfolgte: vom Gründungsparteitag 1918 über gesundheitspolitische Anträge im Preußischen Landtag 1921, das Kommunalprogramm von 1923, den „Kongreß der Werktätigen"

1926, das „Programm der nationa- len und sozialen Befreiung" 1930, Reichtagsvorlagen von 1925, 1928 und 1931 bis hin zu den „Gesund- heitspolitischen Richtlinien" von 1944/45 — spätestens an dieser Stelle werden einige der wenigen Sachkenner aber die Augenbrau- en hochziehen: diese „Gesund- heitspolitischen Richtlinien" der KPD von 1944/45 dürften nämlich weithin unbekannt sein!

Der oben zitierte Vortrag wurde in Auszügen in der Ostberliner Zei- tung für Medizin und Gesellschaft

„humanitas" veröffentlicht. In der darauffolgenden Ausgabe der gleichen Zeitung „orientiert" der Chefredakteur bereits auf den in diesem Jahr bevorstehenden 35.

Jahrestag der DDR. Er erinnert sich noch an alles, auch an die wesentlichen Dokumente aus den Anfängen, insbesondere an die

„Kommunalpolitischen Richtli- nien" der SED vom Juli 1946, ihre Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 11 vom 16. März 1984 (39) 779

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gesundheitspolitik der Kommunisten

„Gesundheitspolitischen Richtli- nien" vom März 1947 und natür- lich auch an den berühmten Be- fehl Nummer 234 der Sowjeti- schen Militär-Administration in Deutschland vom Oktober 1947, der in solchen Zusammenhängen immer zitiert werden muß. Er war ja die Grundlage der Errichtung von Polikliniken und des betrieb- lichen Gesundheitswesens.

Aber: „Gesundheitspolitische Richtlinien" der KPD von 1944/45 kommen in diesem Artikel des Chefredakteurs der „humanitas"

nicht vor. Warum wohl?

„Freie Arztwahl"

Die Erklärung ist einfach. Der Au- tor dieses Dokuments, verfaßt im Auftrage der KPD-Führung im Moskauer Exil, war nämlich Anton Ackermann. Eigentlich hieß er Eu- gen Hanisch, gehörte seit 1926 der KPD an, kam 1945 mit der

„Gruppe Ulbricht" nach Deutsch- land zurück, war 1946 Mitbegrün- der der SED und schrieb Anfang 1947 für die erste Nummer der theoretischen SED-Zeitschrift

„Einheit" einen später berühmt gewordenen Artikel über den „be- sonderen deutschen Weg zum Sozialismus". Dafür hat er dann teuer bezahlen müssen: nachdem Tito zum Abtrünnigen erklärt wor- den war, und insbesondere nach dem 17. Juni 1953, galt es als Ver- brechen, von einem „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus"

zu reden, und Ackermann durfte jahrelang nicht mehr erwähnt werden.

Außerdem aber hatte er in seinem Papier Ende 1944 zum Beispiel geschrieben: „Allen Arbeitneh- mern wird das Recht der freien Arztwahl zuerkannt"; und: „Ver- staatlichung der Heilmittelerzeu- gung und der großen Heilanstal- ten und Sanatorien" — also, die kleinen Krankenhäuser und die Arztpraxen wollte er gar nicht ver- staatlichen. Deshalb ist es wohl

bis auf den heutigen Tag besser, wenn man ihn verschweigt.

Es gibt keinen Ärztebund

Aus ähnlichen Gründen werden noch heute manche andere Doku- mente aus den Anfängen der SED und der DDR lieber totgeschwie- gen. Das gilt zum Beispiel für das Referat Walter Ulbrichts auf der I.

Parteikonferenz der SED im Ja- nuar 1949 in Berlin. Damals warb Ulbricht geradezu darum, daß die Ärzte doch freiwillig in den neu er- richteten Polikliniken tätig wer- den sollten, und sprach den be- merkenswerten Satz aus: „Nie- mand hat etwas dagegen, daß sie daneben ihre privatärztliche Pra- xis weiterbehalten". Ähnliches konnte man die ganzen fünfziger Jahre hindurch finden bis zu dem ausdrücklichen Zugeständnis des Politbüros der SED vom 16. De- zember 1960, daß ein „Bund Deut- scher Ärzte, Zahnärzte und Apo- theker" gegründet werden dürfe — allerdings: diese Gründung hat nie stattgefunden.

Dies ist nun ein Tatbestand, den man den Linken unter den jünge- ren Ärzten in der Bundesrepublik

— von denen ja manche immer noch das Gesundheitswesen der DDR für vorbildlich halten — im- mer wieder geradezu um die Oh- ren schlagen sollte: Die SED hat bis auf den heutigen Tag in ihrem Staat einen Zusammenschluß al- ler freien Berufe, aller Heilberufe oder auch nur aller Ärzte nicht zu- gelassen.

Im Gegensatz zu allen westlichen Ländern haben die deutschen Ärzte, die zwischen Elbe und Oder leben müssen, seit nunmehr fast 40 Jahren kein Gremium, keine Vertretung, die für sich in An- spruch nehmen kann, im Namen aller Ärzte des Landes, aber auch nur im Namen der Ärzte, zu spre- chen. Sie sind immer nur auf die jeweilige Fachgesellschaft oder aber auf die Gewerkschaft Ge- sundheitswesen angewiesen, in der aber eben die anderen Ge- sundheitsberufe die Mehrheit bil- den. Damit sind die ostdeutschen Ärzte auch automatisch von der Mitgliedschaft im Weltärztebund

ausgeschlossen, ebenso wie die Ärzteschaften anderer Länder in Osteuropa.

35-Stunden-Woche:

Nahziel oder Fernziel?

Hier war bisher von historischen Dingen die Rede, die vielleicht für die Situation im Westdeutschland der achtziger Jahre nicht beson- ders wichtig sind. Aber merkwür- digerweise lassen sich sogar ganz aktuelle Bezüge herstellen. In dem eingangs erwähnten Vortrag vor der Akademie der Wissen- schaften der DDR heißt es näm- lich auch, die KPD habe „in zu- nehmendem Maße die Dialektik von Nah- und Fernziel" gemei- stert. Das fing schon an in den

„Wirtschaftspolitischen Über- gangsforderungen", die beim Gründungsparteitag der KPD im Dezember 1918 aufgestellt wur- den.

Damals — vor 65 Jahren! — wurde gefordert: „Die Einführung eines Jahresurlaubs von 14 Tagen";

und: „Eine wöchentliche Arbeits- zeit von 35 Stunden".

Unsere heutigen DGB-Gewerk- schafter fangen jetzt sogar an, ih- re Forderung nach der 35-Stun- den-Woche mit gesundheitlichen Begründungen zu unterstreichen.

Das hätten die ersten Kommuni- sten von 1918 sicher auch ge- konnt, ebenso wie beim zweiwö- chigen Arbeitsurlaub. Bloß: den haben wir längst, de facto sogar fast das Doppelte. Nur die DDR hängt weit zurück. Und dort wer- den sich die westdeutschen Ge- werkschafter mit ihrer Kampagne für die 35-Stunden-Woche auch keineswegs beliebt machen; die Wirtschaft der DDR könnte sich so einen Luxus gar nicht leisten, und die dortigen „Gewerkschaften"

werden ihn auch gar nicht for- dern.

Denn was auf diesem Gebiet

„Nahziel" und „Fernziel" ist, das haben die Kommunisten halt 1918 schon gewußt. Günter Burkart 780 (40) Heft 11 vom 16. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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