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Archiv "Gesundheitsreform: Streit um Kassenbeiträge" (14.11.2003)

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ür Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ging es um viel, als sie am Dienstag vergangener Woche die Verbandsvorstände der gesetzlichen Krankenkassen in ihr Ministerium be- stellte. Seit Wochen weigern sich die Kassenvertreter hartnäckig, der Politik eine Senkung des durchschnittlichen Beitragssatzes von derzeit 14,3 Prozent auf 13,6 Prozent im nächsten Jahr zuzu- sagen. Am Ende der gut zweistündigen Unterredung war klar: Die Fronten bleiben verhärtet. Damit werden die von Schmidt in Aussicht gestellten deut- lichen Beitragsabsenkungen immer un- wahrscheinlicher.

Im Ministerium will man davon je- doch nichts wissen. Auf Nachfrage hieß es dort, man gehe nach wie vor davon aus, dass die von den Spitzenverbänden unmittelbar nach Verabschiedung des Reformpaketes gegebene Zusage, dass es zu „signifikanten Beitragssenkun- gen“ kommen werde, weiterhin gilt. Um allerdings zu klären, was unter „signifi- kant“ zu verstehen ist, sind eilig weitere Treffen mit den Spitzenverbänden an- beraumt. Denn die Zeit drängt: In den nächsten Wochen stellen die Kranken- kassen ihre Haushalte für das nächste Jahr auf. Nach bisherigem Stand wird man sich bei den Planungen auf Be- rechnungen des so genannten Schätzer- kreises der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) stützen. Und diese las- sen nach Angaben des Bundesversiche- rungsamtes allenfalls einen durch- schnittlichen Beitragssatz von knapp unter 14 Prozent realistisch erscheinen.

Lediglich 13,9 Prozent prognostizierten kürzlich auch die sechs führenden deut- schen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten.

Verärgerung bei den gesetzlich Versi- cherten scheint damit programmiert.

Schließlich wurden günstigere Kassen-

beiträge immer wieder als Ausgleich für drastisch steigende Zuzahlungen ge- nannt. Niedrigere Beiträge waren gar das erklärte Reformziel von Rot-Grün und Union. Nun ist zu befürchten, dass sich der Unmut der Patienten auch bei den Vertragsärzten entladen wird, die die umstrittene Praxisgebühr einziehen müssen.

Die Gründe für die Diskrepanz zwi- schen den von Rot-Grün (und ebenso von der Union) geschürten Erwartun- gen einerseits und der Einschätzung der

Krankenkassenverbände andererseits sind vielfältig. Anders als Schmidt ste- hen die Krankenkassen auf dem Stand- punkt, dass der größte Teil der erhofften Reformeinsparungen von zehn Milliar- den Euro eingesetzt werden muss, um bereits entstandene Defizite und künf- tige – strukturbedingte Mindereinnah- men – auszugleichen. Dadurch verrin- gere sich der Spielraum für Beitrags- satzsenkungen auf bescheidene 0,4 Pro- zentpunkte.

Gerhard Schulte, Vorstandsvorsit- zender der Bundeskrankenkassen des Landesverbandes Bayern und früher im Bundesgesundheitsministerium tätig, bemängelt zudem die Rechengrundlage der Reformkoalitionäre. So sei man bei den Konsensgesprächen von Mehrein- nahmen durch Zuzahlungen von 3,3 Milliarden Euro ausgegangen, die sich

im Wesentlichen aus den Einnahmen durch die Praxisgebühr ergeben sollten.

Weil man sich aber in der Schlussrunde der Verhandlungen darauf verständigt habe, dass die Gebühr nicht wie ur- sprünglich geplant bei jedem Arztbe- such, sondern nur einmal pro Quartal erhoben werden soll, würden sich die zusätzlichen Mittel verringern. Realisti- scher wären deshalb 1,6 Milliarden Eu- ro Mehreinnahmen durch Zuzahlun- gen, sagte Schulte gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.

Die Union, maßgeblich am Reform- werk beteiligt, kritisiert, dass die GKV- Einnahmeentwicklung deutlich schlech- ter sei als von der Regierung bei den Konsensgesprächen zugrunde gelegt.

Tatsächlich werden wegen des am Don- nerstag vergangener Woche von Rot- Grün beschlossenen Wegfalls der Ren- tenerhöhung im nächsten Jahr auch die Beiträge der Rentner zur Krankenver- sicherung nicht steigen. Experten er- warten Einnahmeverluste der Kran- kenkassen in dreistelliger Millionen- höhe. In einer ähnlichen Größenord- nung dürften sich die Ausfälle wegen des zu erwartenden langsameren An- stiegs der Löhne bewegen.

Ob das Finanzierungsproblem der Krankenkassen, das ja die Gesund- heitsreform nötig gemacht hat, in den nächsten Jahren gelöst wird, ist frag- lich. Nach dem Willen der Reformer soll der durchschnittliche Beitragssatz bis 2006 auf unter 13 Prozent sinken.

Gelingt dies nicht, wird wohl zur Bun- destagswahl im selben Jahr nach Sün- denböcken gesucht. Für die Politik an- bieten würden sich nach Meinung Schultes die Krankenkassen, aber auch Kliniken und Ärzte. Ein möglicher Vor- wurf: Sie hätten die guten Vorgaben von Rot-Grün und Union nicht richtig umgesetzt. Samir Rabbata P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4614. November 2003 AA2983

Gesundheitsreform

Streit um Kassenbeiträge

Die Krankenkassen sollen nach dem Willen Ulla Schmidts ihre Beiträge drastisch senken. Bleibt dies aus, könnte der Unmut der Versicherten auch in die Arztpraxen getragen werden.

Bundesgesundheitsmi- nisterin Ulla Schmidt:

In ihrem Ministerium geht man offiziell nach wie vor davon aus, dass es 2004 zu signi- fikanten Beitragssatz- senkungen der Kran- kenkassenbeiträge kommt.

Foto:dpa

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