Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 38⏐⏐22. September 2006 A2429
A K T U E L L
Der staatliche britische Gesund- heitsdienst, der National Health Ser- vice (NHS), ist berüchtigt für seine langen Wartelisten, die manch ver- zweifelten englischen Patienten be- reits zur Behandlung ins europäi- sche Ausland getrieben haben. An- fang September nun bot der „Inde- pendent“ seinen Lesern praktische Lebenshilfe. Unter der (frei über- setzten) Überschrift „Medizin ohne
Grenzen – Die besten Behandlungs- adressen“ empfiehlt die renommier- te Tageszeitung sechs EU-Mitglied- staaten und deren angebliche the- rapeutische Stärken. Auch Deutsch- land hat einen Platz unter den Top sechs. Hervorgehoben werden ganz allgemein die vergleichsweise höhe- re Arztdichte und die Zufriedenheit der meisten Deutschen mit dem Ge- sundheitssystem. Medizinisch loh- nenswert ist hier nach Ansicht des Independent die Katarakt-Operati- on, denn eine solche ist im Ver- gleich zum NHS zum halben Preis zu haben. Zur Qualität ist leider nichts überliefert. Hüfte und Knie lässt (sich) der Brite laut Independent am besten in Frankreich machen, Herzchirurgie in Belgien und Krebs- behandlungen in den Niederlanden durchführen. Künstliche Befruch- tung kann man – wegen der Anony- mität und der Erfolgsraten – am be- sten in Spanien vornehmen lassen, während man in Ungarn prima zum Zahnarzt gehen kann: Deutsche und österreichische Patienten praktizier- ten das schon seit Jahren, heißt es.
Nun mag in Großbritanniens NHS wirklich einiges im Argen liegen.
Bemühungen, die Patientenmobilität in Europa zu stärken, haben deshalb auch ihr Gutes. Die Empfehlungen, die man potenziellen Patienten an die Hand gibt, sollten das Niveau von Restaurant-Tipps allerdings nicht unterschreiten.
RANDNOTIZ
Heike Korzilius
Hier liegen Sie richtig
Der niederländische Arznei-Ver- sandhändler DocMorris muss seine Apothekenfiliale in Saarbrücken vorläufig schließen. Das hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes in einem Eilverfahren entschieden und damit der Klage von drei Apothekern stattgegeben (Az.: 3 F 38/06). Das Verwaltungsgericht be- gründete seine Entscheidung damit, dass es nach deutschem Apotheken- recht ein Fremdbesitzverbot gebe, wonach eine Apotheke nicht von ei- ner Kapitalgesellschaft wie Doc- Morris betrieben werden darf. Um- stritten ist jedoch, inwieweit das deutsche Recht mit der europäi- schen Niederlassungsfreiheit ver- einbar ist.
DocMorris kündigte rechtliche Schritte gegen die Entscheidung an.
„Wir sind bereit, durch alle Instan- zen zu gehen, wenn notwendig bis zum Europäischen Gerichtshof“, er- klärte DocMorris-Chef Ralf Däing- haus. Die Apotheker wollten sein Unternehmen mit allen Mitteln aus dem Markt drängen. Auch der saar- ländische Gesundheitsminister Jo- sef Hecken (CDU), der den Betrieb
der DocMorris-Filiale mit Verweis auf die europäische Niederlassungs- freiheit erlaubt hatte, kündigte eine Beschwerde an.
Die ABDA – Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände be-
grüßte den Beschluss. „Dies ist ein wichtiger Etappensieg für die Apo- theker und zugleich ein Sieg für die Rechtsstaatlichkeit“, erklärte de- ren Präsident Heinz-Günter Wolf.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein- Westfalen kritisierte dagegen die Entscheidung des Gerichts. Mit dem Verbot werde die starre Preis- politik auf dem Apothekenmarkt ge-
festigt. afp/HK
MAMMOGRAPHIE
Bericht im Oktober
Der Abschlussbericht über drei Mo- dellprojekte zur flächendeckenden Brustkrebs-Früherkennung soll An- fang Oktober erscheinen. Das hat eine Sprecherin der Kooperations- gemeinschaft Mammographie auf Anfrage gegenüber dem Deutschen
Ärzteblatt angekündigt. Die Koope- rationsgemeinschaft hatte Ende Juni in einer Pressemitteilung berichtet, die gestellten Anforderungen an Prozess- und Ergebnisqualität seien innerhalb der Modellprojekte erfüllt worden. Über Details war zuvor der Gemeinsame Bundesausschuss in- formiert worden. Der Abschlussbe- richt wurde jedoch nicht parallel dazu veröffentlicht, angeblich, weil noch redaktionelle Bearbeitungen des Datenmaterials ausstanden.
Zu den Kritikerinnen dieses Vor- gehens zählt Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhauser von der Universität Hamburg. In einem Brief an die Ko- operationsgemeinschaft hatte sie es als inakzeptabel bezeichnet, „wenn in den Medien bereits Ergebnisse bewertet werden, von Wissen- schaftsseite dazu jedoch nicht kri- tisch Stellung bezogen werden
kann“. Rie
APOTHEKERKLAGE
DocMorris-Filiale muss schließen
Drei Modellprojekte zur flächendeckenden Brust- krebs-Früherkennung sind bewertet worden.
Das saarländi- sche Gesund- heitsministe- rium hatte den Betrieb der Doc- Morris-Filiale erlaubt.
Foto:ddp
Foto:dpa