Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 112|
Heft 3|
16. Januar 2015 A 63 Nachdem das Bundesinstitut fürArzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Dezember bei 80 Arz- neimitteln aufgrund mangelhafter klinischer Studien ein Ruhen der Zu- lassung angeordnet hat, ist die Liste der betroffenen Medikamente auf weniger als die Hälfte geschrumpft.
Nur noch 32 der Präparate sind derzeit aus dem Verkehr gezogen.
Bei 21 Arzneimitteln wurde von den Herstellern Einspruch gegen die Ruhensanordnung eingelegt.
Dieser hat aufschiebende Wirkung, die Mittel dürfen also vorerst weiter in Verkehr gebracht werden.
27 Medikamente wurden teilwei- se schon kurz nach der Bekanntga- be der Liste wieder freigegeben.
„Zu allen dieser Arzneimittel gab es neue Informationen, weil die phar- mazeutischen Unternehmen weitere Unterlagen eingereicht haben“, sag- MANIPULIERTE BIOÄQUIVALENZSTUDIEN
Weniger als die Hälfte der Zulassungen ruhen
te Maik Pommer vom BfArM dem Deutschen Ärzteblatt.
Das BfArM wurde für sein Vorge- hen kritisiert, die Liste mit betroffe- nen Arzneimitteln zu veröffentlichen, ohne zuvor Fachkreise gesondert zu informieren. Der Präsident der Bun- desvereinigung Deutscher Apothe- kerverbände, Friedemann Schmidt, sagte: „Wenn die breite Öffentlich- keit und Heilberufsorganisationen praktisch gleichzeitig über ruhende Zulassungen informiert werden, ist ein Rennen schon verloren.“
Pommer vom BfArM erklärte, es gebe „klare gesetzliche Vorgaben.
Wir müssen vorab informieren. Da- bei handelt es sich um eine Maß- nahme des vorbeugenden Gesund- heitsschutzes.“
Die Einspruchsfrist der Herstel- ler gegen die Ruhensanordnung ist mittlerweile bereits abgelaufen. gru
Experten der Rechercheplattform VroniPlag Wiki überprüfen derzeit 50 000 Promotionen und Habilita- tionen im Bereich Medizin, Che- mie, Biologie, Zahn- und Veterinär- medizin aus mehr als 40 deutsch-
sprachigen Hochschulen. „Wissen- schaft baut auf Ehrlichkeit auf, und das Ausmaß an Unehrlichkeit hat mich erschreckt“, erklärte Prof. Dr.
Debora Weber-Wulff, Informatike- rin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, und Mit- glied des VroniPlag-Netzwerkes, gegenüber dem Deutschen Ärzte- PLAGIATE
Täuschung bei 50 Medizin-Hochschularbeiten
blatt. Durch die Analyse im Bereich der Humanmedizin sind bis Ende vergangenen Jahres 50 plagiierte Arbeiten aufgedeckt worden. „Um die gesamten 50 000 Arbeiten zu überprüfen, brauchen wir noch Jah- re, da wir alle freiwillig in unserer Freizeit arbeiten. Mit der Menge an Arbeit bräuchten wir eigentlich drei Leute Vollzeit für zwei Jahre“, er- klärte Weber-Wulff.
Doch nicht nur die Abschlussar- beiten von Medizinern werden un- tersucht. Die Experten von Vroni- Plag Wiki nehmen sich auch wis- senschaftliche Veröffentlichungen aus Open-Access-Fachzeitschriften vor, die PubMed – eine Meta-Da- tenbank mit medizinischen Artikeln – anbietet. Derzeit werden weit mehr als 800 000 Artikel analysiert.
Weber-Wulff stören die fehlenden Konsequenzen nach Aufdeckung eines Plagiats. Wenn die plagiierten Arbeiten weiterhin zugänglich blie- ben, könne es schnell passieren, dass Doktoranden unwissentlich Plagiate verwendeten. me
Foto: picture alliance
Auch die Medizin gerät
nun ins Visier der „Plagiats- Jäger“.
RANDNOTIZ
Falk Osterloh
Kommt eine Frau zur Apotheke . . . Was wie ein Witz beginnt, endet auch wie einer. Denn diese Frau er- hielt in der Apotheke ein Arzneimit- tel, obwohl sie kein ärztliches Rezept dafür vorlegen konnte. Der Betreiber der Apotheke war davon ausgegan- gen, er sei zur Abgabe des Medika- ments berechtigt, weil er telefonisch
die Auskunft einer ihm bekannten Ärztin eingeholt hatte.
Der Betreiber einer weiteren Apo- theke erhielt von diesem Vorgang Kenntnis und klagte vor dem Land- gericht Ravensburg auf Unterlas- sung. Das Landgericht gab der Kla- ge statt. Das Oberlandesgericht Stuttgart war jedoch anderer Mei- nung. Zwar sei die beklagte Apothe- ke nicht ohne Rezept zur Abgabe des Arzneimittels berechtigt gewe- sen. Der einmalige Gesetzesverstoß sei aber nicht geeignet gewesen, Verbraucherinteressen spürbar zu beeinträchtigen.
Wiederum anderer Ansicht war der Bundesgerichtshof. Auch unter besonderen Umständen dürfe eine Apotheke keine Arzneimittel ohne Rezept abgeben, urteilten die Rich- ter. Gemäß Arzneimittelverschrei- bungsverordnung könne ein Arzt ei- nen Apotheker zwar fernmündlich über eine Verschreibung unterrich- ten, wenn die Anwendung des ent- sprechenden Arzneimittels keinen Aufschub dulde. Diese Ausnahme setze aber eine Therapieentschei- dung des behandelnden Arztes auf- grund eigener Diagnose voraus. An einer solchen Therapieentscheidung fehle es, wenn ein Apotheker einen Arzt zu einer Verschreibung für einen dem Arzt unbekannten Patienten be- wege. Da keine akute Gesundheits- gefährdung für die Patientin bestan- den habe, so der Bundesgerichtshof, hätte diese den ärztliche Notdienst im Nachbarort aufsuchen müssen.