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Archiv "Organtransplantation: Tumor im Transplantat – was tun?" (15.06.2007)

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A1720 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 24⏐⏐15. Juni 2007

M E D I Z I N R E P O R T

D

ie Patienten reagieren ängst- lich, manche sind schockiert, wenn ihnen der Arzt nach einer Transplantation mitteilt: „Wir haben Ihnen unabsichtlich ein Organ von einem tumorkranken Spender ein- gepflanzt.“ „Das Risiko für die Übertragung eines Tumors ist ge- ring, aber nicht null – und das müs- sen wir den Organempfängern auch sagen“, betonte Prof. Dr. med. Han- no Riess von der Charité Berlin bei der 3. Jahrestagung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in der Bundeshauptstadt.

Valide Daten, wie häufig Tumoren mit Organspenden übertragen wer- den und wie häufig die Empfänger am Tumor des Spenders erkranken, gibt es für Deutschland nicht. Im Is- rael Penn Transplant Tumor Regis- try (IPTTR), das in den USA seit 1968 geführt wird, lag die Übertra- gungsrate zu Beginn des Jahrtau- sends bei 0,04 Prozent. 63 Prozent der Menschen, denen mit dem Transplantat ein Malignom übertra-

gen wurde, erkrankten an dem Tu- mor des Spenders.

Eine retrospektive Auswertung von 626 Organspendern aus Däne- mark ergab dagegen, dass 1,3 Pro- zent der Spender Tumoren hatten, die bei der Spende unentdeckt geblie- ben waren, und dass das Risiko der Tumorübertragung für den Empfän- ger 0,2 Prozent betrug (S.A. Birke- land, Transplantation, Band 74, 2002, S. 1409–13). Riess und andere Ta- gungsteilnehmer sprachen sich für ein Register aus, in dem Daten aus Deutschland und möglichst auch aus anderen europäischen Ländern gesammelt würden.

Tumorübertragung häufiger als bislang angenommen

Die DSO koordiniert die Entnahme von Organen und arbeitet in Fragen der Qualitätssicherung eng mit der Deutschen Transplantationsgesell- schaft (DTG) zusammen. „Es gibt mehr Fälle von Tumorübertragun- gen durch Organtransplantation als

früher angenommen“, konstatierte DSO-Vorstand Prof. Dr. med. Gün- ter Kirste. Deshalb müssten die Be- mühungen, Tumoren des Spenders rechtzeitig zu erkennen, intensiviert werden. Von einer „hohen Dunkel- ziffer“, geht Prof. Dr. med. Wolf- Otto Bechstein aus, Chirurg an der Universitätsklinik Frankfurt am Main.

Nach den Empfehlungen der DTG und den Richtlinien der Bun- desärztekammer sollte durch sorg- fältige Anamnese (möglichst mit Konsultation des Hausarztes), klini- sche Untersuchung des Spenders, Sonografie und gegebenenfalls auch durch CT die Übertragung von Tu- moren verhindert werden. Auch ei- ne Autopsie des Spenders wird emp- fohlen. Aber auch Pathologen kön- nen nicht immer rechtzeitig das richtige Ergebnis liefern.

Onkozytom oder Nierenzellkarzinom?

Beispiel: Nierenzellkarzinom. Gibt es im Spendeprozess einen verdäch- tigen Befund an der Niere, sollte ein histologischer Schnellschnitt veran- lasst werden. „Bei Schnellschnitten kann es schwierig sein, zum Bei- spiel ein Onkozytom von einem Nierenzellkarzinom zu unterschei- den“, sagte Priv.-Doz. Dr. med.

Dietmar Mauer, Geschäftsführender Arzt der DSO-Region Mitte.

Zwischen 2006 und Februar 2007 seien vier Organe (Leber, Herz, zwei Nieren) von drei tumorkranken Spendern der Region Mitte bei der zentralen Vermittlungsstelle Euro- transplant (ET) gemeldet und ver- pflanzt worden. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass die Spender ein Nierenzellkarzinom hatten. Zwei Tumoren lagen blutge- fäßnah am Nierenpol, wo die Fett- schicht aus transplantationstechni- schen Gründen normalerweise nicht entfernt wird. Einmal war statt eines

ORGANTRANSPLANTATION

Tumor im Transplantat – was tun?

Wie häufig Organempfänger an Malignomen der Spender erkranken, ist für Deutschland kaum untersucht, der Umgang mit dem Problem sehr uneinheitlich.

Foto:dpa

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A1722 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 24⏐⏐15. Juni 2007

M E D I Z I N R E P O R T

Karzinoms ein Onkozytom diagnos- tiziert worden. Bei einer retrospekti- ven Untersuchung während eines Zeitraums von 13 Monaten habe es bei 16 von 164 Spendern aus der Re- gion Mitte im Spendeprozess Ver- dacht auf ein Nierenzellkarzinom ge- geben (knapp zehn Prozent), der sich bei der Hälfte bestätigt habe, so Mauer.

Um die Sicherheit der Organe zu verbessern, habe sich die DSO-Regi- on Mitte mit den Explantationsteams nach einer Häufung der Fälle im Juli 2006 darauf geeinigt, bis auf den Nierenpol die Fettschicht um die Niere zu entfernen, ohne die Nieren- kapsel zu verletzen, um die Ober- fläche des Organs genau untersuchen zu können. Jede verdächtige Stelle müsse biopsiert werden, sagte Mau- er. Möglich sei auch eine sterile, in- traoperative Sonografie. Zysten und Onkozytome gelte es, kritisch zu be- urteilen. In Deutschland sei das Vor- gehen aber nicht einheitlich.

Tumor im Spenderorgan keine absolute Kontraindikation

Findet man einen Tumor, dessen Ma- lignität nicht beurteilt werden kann, führt dies zum Abbruch der Spende.

Tumoren des Spenders sind aber keine absolute Kontraindikation; diese Or- gane können von einzelnen Zentren nach Abwägung von Nutzen und Ri- siken für ihre Patienten akzeptiert werden. Solche Ausnahmen sind möglich für Tumoren, die nicht oder selten metastasieren, wie Basaliome, das Zervixkarzinom in situ oder be- stimmte ZNS-Tumoren wie Menin- geome oder Astrozytome Grad I (In- ternationales Consensus Document des Europarats 2001). Aber die In- terpretation von Tumorbefunden des Spenders variiert erheblich. Die DSO muss im Zweifelsfall bei Euro- transplant anfragen, ob es irgendwo im zugehörigen Bereich ein Zentrum gibt, das Organe akzeptieren würde, wodurch der Prozess der Organspen- de noch komplexer und aufwendiger wird als ohnehin.

Generell gibt es die Befürchtung, dass bei einem immunsupprimierten Transplantatempfänger der Tumor rasant wächst. Dies sei unter ande- rem für Leberkarzinome belegt, so Prof. Dr. med. Sven Jonas von der Charité Berlin. Die Verdoppelungs-

rate der Zellen könne sich um ein Vielfaches erhöhen. Was also tun, wenn sich erst nach der Transplanta- tion herausstellt, dass der Spender ein Malignom hatte? Das Organ ex- plantieren und die Immunsuppressi- on absetzen? Oder den Patienten mit dem Transplantat onkologisch be- handeln, dabei eventuell die Immun- suppression reduzieren und eine Ab- stoßung riskieren? Und was tun mit den übrigen Organen eines Spenders, wenn nur in einem von ihnen ein Karzinom festgestellt wird?

Uneinheitliche Diagnostik und Interpretation der Befunde

Bei der DSO-Tagung in Berlin wurde deutlich, wie unterschiedlich die Ärz- te vorgehen würden. Generell müss- ten Morbiditäts- und Mortalitätsrisi- ko des Empfängers ohne Transplantat abgewogen werden gegen das nach einer Organverpflanzung, das Risiko der Explantation und der Wartezeit, sagte Riess von der Charité Berlin.

Auch die Therapierbarkeit des Tu- mors sei ein Kriterium.

So habe man sich vor einigen Mo- naten an der Charité entschieden, ei- ne Leber nicht zu explantieren, nach- dem die Ärzte sieben Stunden nach

der Implantation ein zwei Zentime- ter großes Nierenzellkarzinom beim Spender entdeckt hatten. Das Disse- minierungsrisiko sei gering. Bislang sei beim Empfänger auch kein Mali- gnom diagnostiziert worden.

Anders beim Empfänger einer weiteren Leber. Nach Untersuchung eines während der Operation ent- nommenen „Nullbiopsats“ ent- deckten die Ärzte der Charité eine Infiltration der Leber mit einem Plasmozytom. Dem Empfänger, dessen eigenes Organ durch eine al- koholbedingte Leberzirrhose zer- stört war, wurde keine Explantation empfohlen, sondern eine engma- schige Überwachung. Zweieinhalb Jahre nach Transplantation fand sich portal ein Plasmozytom-Infil- trat, einige Monate später vier hy- perdense Knoten in der Leber. Nach vier Zyklen Chemotherapie bildete

sich das Plasmozytom zurück, dafür aber entwickelte sich in der Leber eine Zirrhose, sodass das Organ nach insgesamt vier Jahren entfernt und der Patient erneut transplantiert wurde.

Kleines Nierenzell-Ca birgt vermutlich geringes Risiko

Handelt es sich beim Transplantat um eine Niere, würden sich – so der Tenor in Berlin – wohl die meisten Ärzte zur Explantation entscheiden, sofern der Tumor in der transplan- tierten Niere selbst, und nicht in der kontralateralen sitzt, denn es gibt die Dialyse als Ersatzverfahren. Ist die kontralaterale Niere transplan- tiert, gibt es durchaus die Option, das Organ zu belassen.

Mauer stellte Daten aus dem IPTTR-Register vor (Transplanta- tion 1995; 59: 480). Von 14 Nieren mit Tumoren von maximal vier Zen- timetern Durchmesser wurde bei acht Nieren der Tumor vor der Trans- plantation festgestellt, exzidiert und das Organ verpflanzt; fünf Nieren, bei denen der Tumor nach Implanta- tion entdeckt wurde, wurden ex- plantiert. Bei einem lebend gespen- deten Organ wurde der Tumor rese-

ziert und die Niere belassen. Keiner der Empfänger sei an einem Nieren- zellkarzinom erkrankt, so Mauer.

In einer neueren Studie (Trans- plantation Proceedings 2005; 37:

581) wurden diese Ergebnisse repro- duziert und gefolgert, dass bei mit einem kleinen, niedriggradigen Nie- renzellkarzinom der Tumor exzidiert und solche Spendernieren mit gerin- gem Risiko für den Empfänger transplantiert werden können.

„Es ist wichtig, dass von der DSO und in den Fachgremien von Bundes- ärztekammer, Deutscher Transplan- tationsgesellschaft und Eurotrans- plant konkrete Empfehlungen er- arbeitet werden zum Umgang mit Organen von Spendern, bei denen im Spendeprozess oder nach Trans- plantation ein Nierenzellkarzinom gefunden wird“, sagte Mauer. I Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Es gibt mehr Fälle von Tumorübertragungen durch Organ- transplantation als früher angenommen.

Prof. Dr. med. Günter Kirste

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