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Archiv "Nierenzell-Karzinom" (05.03.1993)

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Academic year: 2022

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geguilwam

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Nierenzell-Karzinom

Organerhaltende Operation

und Wandel im Therapiekonzept

Eduard Becht, Volker Moll und Manfred Ziegler

Das klinische Bild des Nierenzell- karzinoms hat sich deutlich ge- wandelt. Mehr als sechzig Prozent der Nierentumoren sind heute Zu- fallsbefunde und klinisch asym- ptomatisch. Entsprechend sind diese im Frühstadium entdeckten Tumoren verhältnismäßig klein.

Sie sind häufig peripher liegend und nicht selten im Bereich der Nierenpole lokalisiert. Die Erfah- rungen mit der organerhaltenden Nierentumoroperation bei Tumo- ren in Einzelnieren oder bilatera- len Tumoren (imperative Indikati- on) sind günstig. Trotz fortge- schrittenem Tumorstadium und.

aufwendigen Operationsmetho- den ist die Tumorprognose in die- ser Patientengruppe gut und ein entscheidender Gewinn für die Lebensqualität. Basierend auf den Ergebnissen bei Patienten mit im- perativer Indikation zum Organer- halt hat sich ein deutlicher Wan- del im Therapiekonzept bei Pa- tienten mit Nierentumor und ge- sunder Gegenniere vollzogen, zu- mal sich auch das klinische Bild der Nierentumoren seit Einfüh- rung der Sonographie gewandelt hat. Elektiv sehen wir mehr und mehr eine organerhaltende Nie- rentumoroperation statt einer Tu- mornephrektomie als indiziert an.

Die Behandlungsergebnisse zei- gen, daß dies ohne erhöhtes Tu- morrisiko möglich ist.

Urologische Klinik und Poliklinik (Direktor:

Prof. Dr. Dr. med. h. c. Manfred Ziegler) der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar

as Nierenzellkarzinom gehört zu den Tumo- ren mit zunehmender Häufigkeit. Die Inzi- denz beträgt zwölf Männer und zehn Frauen je 100 000 Einwohner (Krebsregister Saarland 1986 [4]) mit einem Altersgipfel in der 5. Lebensdekade. Nach wie vor gehört dem chirurgischen Vorgehen in der Behandlung des Primärtumors die oberste Priorität. Die Strahlen- therapie, die Chemotherapie, die Hormontherapie oder die Immun- therapie zeigen kaum einen kurati- ven Effekt.

Der Standardeingriff beim Nie- renzellkarzinom ist die radikale Tu- mornephrektomie. Die Indikation zur organerhaltenden Operation wurde bisher sehr eng gestellt und orientierte sich traditionell an einer schlechten Nierenfunktion, der Ein- nierigkeit und dem Vorliegen bilate- raler Tumoren. Obwohl diese Pa- tienten häufig an einem lokal fortge- schrittenen Tumor leiden und die Operation zur Tumorenentfernung aufwendig ist, sind die Ergebnisse hinsichtlich der Uberlebensrate gün- stig.

Die guten Therapieergebnisse stellen aber die absolute Notwendig- keit einer radikalen Tumornephrek- tomie bei Patienten mit unilateralem kleinem Nierentumor und normal funktionierender Gegenniere in Fra- ge. Dies umsomehr, als die breite Anwendung der Ultraschalluntersu- chung während der letzten zehn Jah- re in der Allgemeinmedizin, der In- neren Medizin sowie der Urologie die Zahl kleiner, zufällig entdeckter Nierentumoren hat rapide ansteigen lassen. Die Bedeutung der Sonogra- phie dieses vergleichsweise lange lo- kal verdrängend wachsenden Tu- mors in der Früherkennung kann nicht hoch genug eingeschätzt wer- den (1).

Lag 1976 die Zahl der im asym- ptomatischen Stadium zufällig ent- deckten Tumoren bei etwa vier Pro- zent, so ist sie an unserer Klinik 1991 auf 61 Prozent angestiegen (7). Der Grund zur Sonographie waren häu- fig unspezifische Harnwegsinfekte, unklare leichte BSG-Erhöhung oder allgemeines Unwohlsein, oder sie er- folgte im Rahmen der urologischen Vorsorgeuntersuchung zur Früher- kennung. Aufgrund der frühen Dia- gnose ist auch die Tumorgröße deut- lich gesunken, und die Hälfte aller Tumoren sind bei Diagnosestellung auf die Niere beschränkt und in ei- nem niedrigen Tumorstadium.

Nur mit wenigen anderen Klini- ken führen wir, wenn diese Tumoren klein und peripher in der Nierenrin- de liegen, aufgrund unserer günsti- gen Erfahrungen bei Einzelnieren eine organerhaltende Tumorresekti- on auch bei Patienten mit gesunder Gegenniere durch.

Material und Methoden Zwischen 1975 und 1991 wurden an der Urologischen Universitäts- Klinik Homburg/Saar 152 Patienten (164 Operationen) wegen eines Nie- renzellkarzinoms organerhaltend operiert. Bei acht Patienten erfolgte zusätzlich eine organerhaltende Operation wegen Angiomyolipomen, die an Größe deutlich zugenommen hatten. In 75 Prozent dieser Fälle waren die Tumoren asymptomatisch und wurden während einer Routine- Ultraschalluntersuchung (Abbildung 1) wegen uncharakteristischer Be- schwerden entdeckt. Die Indikation zum Organerhalt war imperativ bei 47 Patienten (59 Operationen, Grup- pe I) wegen Einzelniere, Nierenin- suffizienz oder bilateralen Tumoren.

Die durchschnittliche Tumorgröße in dieser Gruppe lag bei 5,9 cm (1,5 A1-622 (30) Dt. Ärztebl. 90, Heft 9, 5. März 1993

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bis 20 cm). Bei 105 Patienten war ei- ne elektive nierenerhaltende Opera- tion (Gruppe II) bei gesunder Ge- genniere durchgeführt worden. Die Tumoren dieser Gruppe waren deut- lich kleiner und im Durchschnitt 4 cm (0,4 bis 10 cm) im Durchmesser.

Das Durchschnittsalter der Pa- tienten lag bei 58 Jahren (25 bis 84 Jahre). Die Nachbeobachtungsdauer betrug im Mittel 25 Monate (3 Mo- nate bis 16 Jahre). Vor der Operati- on erfolgten als diagnostische Unter- suchungen: Ultraschall, Urogramm, Angiographie (DSA) und CT. Das Nierenzellkarzinom läßt sich häufig schon im Ultraschall vom benignen Angiomyolipom abgrenzen (Abbil- dung 2); dies gilt mit Einschränkun- gen für das Onkozytom im CT und der Angiographie.

Operationstechnik

Im Detail sind die Operations- techniken an anderer Stelle be- schrieben (2). Generell gilt, daß sich die Tumorresektion an den Seg- mentgrenzen der fünf Segmentarte- rien (Endarterien) orientiert.

Imperative Indikation

Bei der organerhaltenden Ope- ration von Einzelnieren (imperative Indikation, Gruppe I) ist das Verfah- ren aufgrund der Tumorgröße und der häufig ungünstigen zentralen Tu- morlokalisationen aufwendig. Die zur Verfügung stehenden Operati- onsmethoden berücksichtigen Er- kenntnisse aus der allogenen Nieren- transplantation. Individuell erfolgt, falls ein Überschreiten der maximal warmen Ischämietoleranz von 40 Mi- nuten erwartet wird, entweder eine In-situ-Perfusion mit auf 4° C ge- kühlter Ringerlactatlösung oder eine Perfusion nach Nierenentnahme mit gekühlter Euro-Collinslösung,

„Workbench-Tumorresektion" und anschließende Retransplantation in die gegenüberliegende Fossa iliaca (Abbildungen 3a—c). Durch die Per- fusion sind kalte Ischämiezeiten bis zwölf Stunden möglich.

Elektive Indikation

Demgegenüber ist bei kleinen, peripher liegenden Nierentumoren

Abbildung 1: Routineultraschalluntersu- chung wegen uncharakteristischer Be- schwerden. Von normalem Nierenparen- chym gut abgrenzbare echoreiche Raumfor- derung am oberen Nierenpol; histologisch:

Nierenzellkarzinom

Abbildung 2: Sonographie: Raumforderung am Unterpol der linken Niere mit ausge- prägten Binnenechos, typisch für ein Angio- myolipom

(Abbildungen 4, 5) (elektive Indikati- on) das Operationsverfahren we- sentlich einfacher. Über einen thora- koabdominellen Zugang in Seitenla- gerung erfolgt die Inzision über der 11. Rippe. Die Niere wird retroperi- toneal freigelegt und in einem Si- cherheitsabstand der Nierentumor

mit einem Saum von normalem Nie- renparenchym entfernt (Abbildung 5). Eine intraoperative Schnell- schnittuntersuchung zur Beurteilung der Tumorfreiheit des Absetzungs- randes ist unumgänglich.

Eine solche Operation ist ohne Ischämie oder in kurzer warmer Ischämie möglich (in unserem Pa- tientengut im Durchschnitt 19 ± 8 Minuten Dauer der Nierenstielab- klemmung).

Ergebnisse

Die Ergebnisse der organerhal- tenden Operation sind in der Tabelle zusammengestellt. Lokale Rezidive sind bisher nur in zwei Fällen mit im- perativer Indikation aufgetreten, aber in keinem Fall mit elektiver In- dikation. Während des Beobach- tungszeitraumes wurden in der elek- tiven Gruppe, wenn man von einem Patienten absieht, der bereits vor der Operation mit einer Lungenmetasta- se auffiel, bisher keine Fernmetasta- sen beobachtet. Die Überlebensra- ten im Vergleich zu radikal tumor- nephrektomierten Patienten zeigen keine Unterschiede.

Zwei Patienten mit lokalen Re- zidiven aus der imperativen Gruppe konnten wiederum erfolgreich an ih- rem Lokalrezidiv operiert werden.

Einer dieser Patienten konnte drei- mal an einem Tumor in der auto- transplantierten Einzelniere operiert werden. Histologisch ließ sich zwei- mal ein Nierenzelltumorrezidiv und zuletzt überraschenderweise eine Melanommetastase nachweisen. Das Primärmelanom war Jahre zuvor an der unteren Extremität entfernt wor- den. Dem jetzt sechzigjährigen Mann konnten ohne Hinweis für Fernmetastasen bisher 13 Jahre an der chronischen Hämodialyse er- spart und für ihn damit ein entschei- dendes Stück Lebensqualität gewon- nen werden.

Von besonderem Interesse ist, daß bei 105 Patienten aus der elekti- ven Gruppe vor der Operation histo- logisch bei sieben ein Onkozytom nachgewiesen werden konnte, das heißt bei diesen benignen Tumoren wäre die Tumornephrektomie eine Überbehandlung gewesen.

A1 -624 (32) Dt. Ärztebl. 90, Heft 9, 5. März 1993

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Abbildung 3: (oben) ausgedehnter, sich weit nach zentral erstreckender Nierentu- mor rechts in der digitalen Subtraktionsan- giographie (42jährige Patientin mit bilatera- len Nierentumoren; (oben rechts) Tumorre- sektion auf der Werkbank; (unten rechts) Operationsschema: Nierenentnahme, Tu- morresektion auf der Werkbank nach Perfu- sion mit Euro-Collins-Lösung, Autotrans- plantation in die gegenüberliegende Fossa iliaca

Diskussion

Die organerhaltende Nierentu- moroperation ist in der Urologie ein anerkanntes Verfahren bei Patien- ten mit Nierenzelltumoren, die im Falle einer Nierenentfernung einer chronischen Hämodialyse unterzo- gen werden müßten. Die Langzeiter- gebnisse dieser Patienten sind trotz lokal fortgeschrittener Tumorstadien in der Literatur und auch nach den eigenen Ergebnissen sehr gut (5, 6, 10, 14).

Die Einführung verbesserter diagnostischer Möglichkeiten er- laubt es heute, Nierentumoren ab ei- ner Größe von einem Zentimeter zu entdecken. Dies führt dazu, daß zu- nehmend kleine Nierentumoren bei vergleichsweise jungen Patienten nachgewiesen werden. Die Möglich- keit für diese Patienten, ohne ein er- höhtes Tumorrisiko ihr Organ zu er- halten, ist für diese Patienten sehr attraktiv.

Neben der technischen Einfach- heit und dem Vorteil der Erhaltung der Nierenfunktion sprechen die Er- gebnisse für eine organerhaltende Operation, wobei das Tumorrisiko nicht erhöht ist, wie die vergleichen- den Überlebensraten von Patienten im Stadium pT1 und pT2 (Tumor auf

die Niere beschränkt) aus unserem Krankengut belegen. Entscheidend ist dabei, daß der Tumor in toto mit einem Sicherheitsabstand von nor- malem Nierenparenchym entfernt wird. Eine Tumorenukleation — wie verschiedentlich entlang der soge- nannten Pseudokapsel propagiert (Abbildung 6) — ist nicht ausreichend.

Insbesondere Rosenthal (11) fand in einem hohen Prozentsatz eine Tu- morkapselinfiltration.

Der durchschnittliche Tumor- durchmesser bei unseren Patienten lag bei vier Zentimetern. Herrlinger (3) fand — wie wir in unserem Mate- rial —, daß Tumoren unter dieser

Größe meist gut differenziert sind (G1-Tumoren) und kaum metasta- sieren. Nur sechs Prozent der Tu- moren > 4 cm entwickeln Metasta- sen, aber 31 Prozent > 10 cm.

Durch die Arbeiten von Thoe- nes (13) ist mittlerweile auch klar ge- worden, daß verschiedene Subtypen bei Nierenzellkarzinom eine unter- schiedliche prognostische Wertigkeit besitzen. Die neu eingeführte Tu- morklassifikation, die auf histologi- schen und zytologischen Kriterien basiert, hat zu der Erkenntnis ge- führt, daß das biologische Verhalten abhängig vom Wachstumsmuster und dem individuellen Zelltyp ist. >

Dt. Ärztebl. 90, Heft 9, 5. März 1993 (33) A1-625

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Abbildung 5: Com- putertomographie:

Kleiner, peripher in der Nierenrinde lie- gender Nierentumor, nach Kontrastmittel- gabe deutlich hypo- dens

Abbildung 6: Tumor- enukleat entlang der Pseudokapsel. Risiko der häufigen Tumor- infiltration

Tabelle: Ergebnisse der organerhaltenden Nierentumoroperation -Homburg/Saar 1975-1991

11.11111111111111011111._ . 11.11.1111.111.

Patientenstatus

lebend, ohne Tumor lebend, mit Rezidiv lebend, mit Metastase tumorbedingt verstorben nicht tumorbedingt verstorben

imperative elektive Indikation Indikation

n = 47 n = 105

36 99

2 5

3 0

1 5

Lungenmetastase schon vorbestanden

Abbildung 4: Tumorresektat aus elektiver Indikation bei einem peripher liegenden Nierentumor, der mit einer Sicherheitszone umgebenden normalen Nierenparenchyms entfernt wurde. Intraoperative Schnell- schnittuntersuchung: tumorfreie Schnitt- ränder

Patienten mit vergleichsweise klei- nen Nierentumoren gehören wie un- sere Patienten aus Gruppe II nahezu alle einem günstigen Prognosescore an, wie von Störkel (12) vorgeschla- gen.

Zur Frage des lokalen Rezidivs muß angemerkt werden, daß unter elektiver Indikation in unserem Pa- tientengut bisher noch kein Rezidiv- tumor beobachtet wurde. Selbstver- ständlich ist eine engmaschige Nach- sorge dieser Patienten mittels Ultra- schalluntersuchung erforderlich. Wir fordern außerdem eine CT-Untersu- chung nach Abschluß der Heilungs- vorgänge drei Monate postoperativ.

An die Möglichkeit eines Zweittu- mors muß insbesondere beim chro- mophilen, papillären Nierenzellkar- zinom (Inzidenz zehn Prozent) ge- dacht werden, und diese Patienten müssen besonders überwacht wer- den. Dies gilt aber auch im Falle ei- ner radikalen Tumornephrektomie, da diese Patienten ein erhöhtes Risi- ko der Tumorentwicklung in der Ge- genniere haben.

Bewußt sollte auch sein, daß Pa- tienten mit Einzelnieren das Risiko eines zukünftigen Nierenfunktions-

verlustes tragen. Dreizehn Jahre nach Nephrektomie fand Rockstroh (9) bei 51 Prozent der Patienten ei- nen pathologischen Befund der ver- bliebenen Einzelniere. Patienten, deren Nierentumor heute in einem relativ frühen Alter entdeckt wird, haben, falls sie mit einer radikalen Tumornephrektomie behandelt wer- den, eine längere Lebenszeitspanne, bis sich eventuell weitere Probleme

an der verbliebenen Einzelniere ent- wickeln.

Daher sollte es das Ziel sein, funktionstüchtiges Nierengewebe zu erhalten. Durch die Wahl der richti- gen Operationstechnik ist dies auch ohne Tumorrisiko möglich. Eine postulierte Hyperfiltration hat kaum einen negativen Effekt. Ein Gewebe- verlust von etwa 50 Prozent der Nie- re ist ohne Schaden möglich (8). >

A1-626 (34) Dt. Ärztebl. 90, Heft 9, 5. März 1993

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Die günstigen Ergebnisse einer organerhaltenden Operation sollten Anlaß sein, häufiger als bisher diese Therapie als Alternative zur Radi- kaloperation zu verfolgen. Die guten Möglichkeiten der Sonographie, ihre Einfachheit und ihre Zuverlässigkeit sollten weiter alle, insbesondere praktisch tätigen Kollegen dazu an- regen, die Nieren auch bei unspezifi- schen klinischen Symptomen in ihr

Untersuchungsprogramm miteinzu- beziehen, um asymptomatische Nie- rentumoren möglichst früh zu erken- nen.

Dt. Ärztebl. 90 (1993) A 1 -622-627 [Heft 9]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschriften der Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Eduard Becht Dr. med. Volker Moll

Prof. Dr. Dr. med. h. c.

Manfred Ziegler

Urologische Klinik und Poliklinik der Universität des Saarlandes 6650 Homburg/Saar

Vereinfachung des EEG-Monitorings auf der Intensivstation

Das Elektroenzephalogramm kann dem Arzt auf der Intensivstati- on wertvolle Informationen geben, zum Beispiel bei der Steuerung und Kontrolle der Therapie des Status epilepticus, bei der Zustands- und Verlaufskontrolle von komatösen oder intensivpflichtigen Patienten und bei der Sedierungssteuerung.

Bisher wird das EEG in der Routine relativ wenig genutzt.

Ein Grund hierfür ist die sehr aufwendige Ableitetechnik bei der konventionellen Viel-Kanal-EEG- Registrierung. Der praktische Ein- satz des EEG läßt sich durch eine Reduktion der Ableitungsanzahl we- sentlich vereinfachen. Daraus ergibt sich die Frage, ob es Ableitungen oder Ableitungskombinationen gibt, die sich für ein EEG-Monitoring bei Intensivpatienten mit generalisierten EEG-Veränderungen besonders eig- nen.

Im Hinblick auf eine Reduktion der Ableitungsanzahl wurden an- hand von 12-Kanal-Intensiv-EEG- Registrierungen zwei Aspekte unter- sucht: Zum einen sollte überprüft werden, ob es Ableitungen gibt, die sich durch eine relative Artefaktar- mut auszeichnen. Insbesondere bei einer rechnerischen Weiterverarbei- tung von EEG-Signalen zum Beispiel im Sinne von Trenddarstellungen ist eine möglichst geringe Artefaktbela- stung wünschenswert, denn eine der Hauptschwierigkeiten hierbei ist die automatische Artefakterkennung

und -elimination. Weiterhin sollte überprüft werden, ob und inwieweit die relevante Information einer Viel- Kanal-Messung in einer Teilgruppe von Kanälen enthalten ist.

Bei der Auswertung im Hinblick auf die Artefaktbelastung interes- sierten insbesondere vom Patienten ausgehende, auch bei größter Sorg- falt kaum vermeidbare Störungen wie Augen- und Lidschlagartefakte, EKG-, Muskel- sowie Kabel- und Bewegungsartefakte. Bei der Durch- sicht von 150 zufällig ausgewählten Intensiv-EEG-Registrierungen er- gab sich, daß die Ableitungen C 3-P3

und C 4-P4 am geringsten mit Arte- fakten belastet waren. Schwerste Störungen, die eine Beurteilung des EEG völlig unmöglich machten, tra- ten in diesen Ableitungen in 5 bzw. 4 Prozent der Messungen auf, in den anderen Ableitungen in etwa 10 bis 15 Prozent der Registrierungen.

Ein aus 52 möglichst artefakt- freien EEG-Abschnitten bestehen- der Datensatz aus unterschiedlichen Grundaktivitätstypen und Schlafsta- dien wurde mit Hilfe zeitreihenana- lytischer Methoden untersucht. Auf der Grundlage multivariater autore- gressiver Prozesse wurde ein Maß hergeleitet, das den Informations- verlust durch Kanalreduktion be- schreibt. Eine Kombination aus den Kanälen F3-C3, C3-P3, A l -C, erwies sich im Hinblick auf einen Informati- onsverlust als günstig und erlaubte auch visuell eine Beurteilung des

Grundaktivitätstyps und des Schlaf- stadiums.

In der Literatur befürworten mehrere Autoren aus Gründen der Praktikabilität ein EEG-Monitoring mit wenigen Kanälen bei Intensivpa- tienten. Praktische Erfahrungen mit dem EEG-Monitor Narkograph zei- gen, daß sich eine automatische Klassifikation des EEG-Signals für eine Sedierungssteuerung anhand ei- nes einzigen Kanales durchführen läßt. Hierbei haben sich die relativ artefaktarmen Ableitungen C 3-P3 und C 4-P4 bewährt. sut

Schultz, B., R. Bender, A. Schultz, I. Pichl- mayr: Reduktion der Anzahl von EEG-Ab- leitungen für ein routinemäßiges Monito- ring auf der Intensivstation. Biomed. Tech- nik 37: 194-199, 1992.

Dr. med. Barbara Schultz, Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Anäs- thesie IV im Krankenhaus Oststadt, Pod- bielskistraße 380, W-3000 Hannover 51.

Dt. Ärztebl. 90, Heft 9, 5. März 1993 (35) A1-627

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