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Archiv "Unfallchirurgie: Ettlinger Abkommen" (09.10.1980)

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Aufsätze • Notizen Unfallchirurgie

Nun aber hat Friedrich ein neues

„modernes Konzept": Danach hat der „Unfallchirurg" allein die Kom- petenz für die Koordination der Be- handlung sämtlicher Verletzungen.

Infolgedessen müßten zahlreiche weitere unfallchirurgische Abteilun- gen — siehe auch Memorandum der Unfallchirurgen 1979 — an den Uni- versitätskliniken sowie auch an den Krankenhäusern der Schwerpunkt- und Regelversorgung geschaffen werden. Die geforderten 80 zusätzli- chen unfallchirurgischen Kliniken würden zwar mehr Geld kosten, aber eine erhebliche Qualitätssteigerung bringen. Dadurch würde die Primär- versorgung besser und der heute lei- der noch allzu aufwendige Mehrauf- wand von Folgebehandlungen und Dauerschäden vermieden. Das wür- de sich auch kostendämpfend aus- wirken.

Den Orthopäden spricht Friedrich die Kompetenz für die Unfallbehand- lung ab. Allgemeinchirurgen, Neuro- chirurgen, Kieferchirurgen oder auch Anästhesisten werden als kom- petent aufgeführt — „es wird wohl kaum einmal der Orthopäde sein können". Diese „moderne Konzep- tion" — so Friedrich — hätte aus der Orthopädie nicht kommen können, weil diese sich lediglich mit den Er- krankungen der Stütz- und Bewe- gungsorgane befaßt habe. Das wi- derspricht den klaren Bestimmun- gen der Weiterbildungsordnung, wonach sich die Orthopädie mit den Verletzungen ihres Gebietes befas- sen muß.

Die Sammlung aller Verletzungen in unfallchirurgischen Zentren bedeu- tet, daß sie aus den zuständigen Or- gangebieten herausgelöst werden, um sie unter dem Etikett „Unfallchir- urgie" zu zentralisieren. Das ist Friedrichs „modernes Konzept" und gleichzeitig eine Disqualifizierung der Orthopädie.

Die bisherige Erfahrung hat aber er- geben, daß alle Zentren auf den ver- schiedensten Gebieten, die bisher entstanden sind, sehr teuer waren und den Erwartungen nicht immer entsprachen. Zentren sind nur zu diskutieren, wenn sie sich mit selten

vorkommenden Erkrankungen be- fassen und es dem einzelnen Arzt kaum möglich ist, einen größeren Überblick für Erfahrung und wissen- schaftlichen Fortschritt zu gewin- nen. Aber Zentren für eine halbe Mil- lion Unfallverletzte jährlich bedeu- ten eine Kostenexplosion und sicher keine Kostendämpfung, wie Fried- rich meint.

Die Kosten für ein dichtes Netz von qualifizierten Organfachärzten, die an Ort und Stelle die Behandlung vornehmen und — wenn nötig — die Patienten weiterleiten, sind dagegen geringer. Darüber hinaus besteht das patientennahe Netz qualifizier- ter „Unfallärzte" bereits und braucht nicht erst mit hohen Kosten aufge- baut zu werden. Abgesehen davon ist die auch im Memorandum der Unfallchirurgen 1979 geforderte Zahl von zusätzlichen 80 Unfallklini- ken nicht zu begründen. Wenn in den bestehenden unfallchirurgi- schen Abteilungen so viel Platz ist, daß darin bis zu 50 Prozent orthopä- dische Erkrankungen behandelt werden, braucht man nicht mehrun- fallchirurgische Betten, sondern kann die Hälfte einsparen, es sei denn, man würde zur Verbesserung der organspezifischen Unfallbe- handlung selbständige orthopädi- sche Abteilungen mit orthopädi- schen Chefärzten an den Unfallklini- ken einrichten.

Der Grund, weshalb Friedrich gera- de den Orthopäden die Qualifikation zur Unfallbehandlung abspricht, während er sie anderen Organfach- ärzten beläßt, ist offensichtlich:

Nach den berufsgenossenschaftli- chen Statistiken sind etwa 80 Pro- zent aller Unfälle Frakturen und Luxationen, wovon etwa die Hälfte ausschließlich die Stütz- und Bewe- gungsorgane, also das Gebiet der Orthopädie, betreffen. Wer also alle Unfälle zentralisieren will, muß den Orthopäden die Befähigung zur Un- fallbehandlung absprechen, weil ihm sonst die große Zahl fehlt.

Resümee:

Koslowski ist zu danken, daß er auf Fehlentwicklungen innerhalb der

„Unfallchirurgie" hingewiesen hat.

Das angeblich „moderne Konzept"

von Friedrich, das monopolistische Züge sowie unkollegiale Abwertung einer anderen Arztgruppe enthält und bisher weltweit keine Nachah- mer gefunden hat, bestätigt, daß die Sorgen Koslowskis nur allzu be- gründet sind. Es ist dringend not- wendig, daß Chirurgen und Ortho- päden gemeinsam mit den für die Weiterbildungsordnung Verantwort- lichen Schritte unternehmen, um die Entwicklung einer „Pseudo-Ortho- pädie" neben der bestehenden Or- thopädie zu verhindern. Um klare, der organbezogenen Aufgabentei- lung entsprechende Verhältnisse zu schaffen, wird man auch über eine angemessene Strukturierung der Unfallkliniken unter entsprechender Beteiligung der Orthopäden reden müssen.

Die Aufgabenteilung unter Ärzten hat unter anderem den Sinn, den Patienten nicht unter dem Streit ri- valisierender Zuständigkeitsansprü- che einzelner Ärzte leiden zu lassen.

Voraussetzung dafür ist, daß sich al- le Ärzte an die in der Weiterbil- dungsordnung festgelegten Gren- zen halten und sich nicht gegensei- tig abqualifizieren.

Dr. med. Ernst Rausch Erster Vorsitzender des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie e. V.

Ehrenfeldgürtel 138 5000 Köln 30

Ettlinger Abkommen

Der Auffassung von Prof. Koslowski in der ungünstigen Beurteilung ei- ner ätiologischen Aufteilung eines so traditionsreichen organbezoge- nen Faches, wie es die Chirurgie darstellt, ist zuzustimmen. Mit Recht weist Koslowski auf die durch den allumfassenden Anspruch des rei- nen Unfallchirurgen entstehenden Nachteile für die Unfallversorgung hin. Seinen Darstellungen kann im Grunde nichts hinzugefügt werden.

Herr Friedrich selbst bestätigt, daß beim Polytraumatisierten andere Fä- cher (Neurochirurg, Urologe u. a.)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 9. Oktober 1980 2433

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Aufsätze • Notizen Unfallchirurgie

zur Versorgung mit hinzugezogen werden müssen.

Wenn Herr Friedrich die Meinung vertritt, daß der Orthopäde in der Bundesrepublik entgegen interna- tionalem Gebrauch für Unfallverletz- te nicht zuständig und zur Versor- gung nicht fähig sein soll und in der Begründung sich auf die zur Genü- ge bekannte Argumentation der Ver- sorgung Polytraumatisierter stützt, so hat ihn Herr Koslowski ausführ- lich widerlegt.

Der Hinweis auf die Biomechanik als Pfeiler der Unfallheilkunde und wei- tere Argumente seiner Ausführun- gen gegen die Orthopädie sind un- verständlich. Herrn Friedrich ist ent- gangen, daß zahlreiche Arbeiten über die Biomechanik, Kenntnisse um die Bedeutung für den Haltungs- und Bewegungsapparat, besonders aber Forschungen auf diesem Ge- biete wie derjenigen von Implanta- ten und die Neuentwicklung von Biomaterialien im wesentlichen im orthopädischen Fachgebiet behei- matet sind.

Unstreitbar dürfte das Verdienst des Orthopäden Friedrich Pauwels um die Darstellung und Erforschung der Biomechanik sein. Aber auch weite- re Namen aus dem orthopädischen Fach im deutschsprachigen wie im internationalen Bereiche haben auf diesem, wie Herr Friedrich mit Recht herausstellt, für die Unfallheilkunde so wesentlichen Gebiete entschei- dende Forschungsarbeit geleistet (Charnley, M. E. Müller, H. G. Willert, H. Mittelmeier).

M. E. Müller, Bern, hat mit der Grün- dung der AO (Schweizerischen Ar- beitsgemeinschaft für Osteosynthe- sefragen) grundlegende biomecha- nische Arbeit zum systematischen Einsatz von Implantaten in der Frak- turenheilkunde geschaffen. Herr

Friedrich scheint übersehen zu ha- ben, daß auch M. E. Müller aus der Orthopädie hervorgegangen ist.

Wenn Herr Friedrich sich schon nicht mit der Definition des orthopä- dischen Fachgebietes auseinander- setzt, so hätte er gut daran getan,

den Festvortrag von Prof. Allgöwer auf dem 67. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie in Basel 1979 ausgie- big zu studieren. Herr Allgöwer als Chirurg und weiteres Gründungs- mitglied der AO hat, wie vor Jahren bereits Vertreter der Deutschen Ge- sellschaft für Chirurgie dies im Ett- linger-Abkommen mit Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Orthopä- die getan haben, klar den berechtig- ten Anspruch des orthopädischen Faches in der Bundesrepublik, wie auch im internationalen Bereich, auf die Mitbeteiligung in der Traumato- logie des Haltungs- und Bewe- gungsapparates bestätigt.

Bedauerlich ist, daß ein Aufsatz wie derjenige von Herrn Friedrich droht, eine als „Ettlinger-Abkommen" be- zeichnete Vereinbarung zwischen Chirurgie und Orthopädie zunichte zu machen. Wir sind glücklich, daß sich nicht alle Chirurgen und auf unfallchirurgischem Gebiet tätigen Ärzte zu seinen Ausführungen be- kennen.

Prof. Dr. med. H. Rettig Direktor der

Orthopädischen Klinik Klinikum der

Justus-Liebig-Universität Freiligrathstraße 2 6300 Gießen

Schlußwort:

Unfallchirurgie — Spannungsfeld zwischen Chirurgie und Orthopädie

Die beiden Stellungnahmen zur Si- tuation der Unfallchirurgie in Deutschland, die im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 20 vom 15. Mai 1980, erschienen sind, haben, ob- wohl sie als Meinungsaustausch zwischen Chirurgen gedacht waren, ein überraschendes Echo von seiten der Orthopädie hervorgerufen.

So wenig es beabsichtigt v,z.‘r, die „Orthopädie zu disqualifizieren"

oder ihr gar „die Qualifikation zur Unfallbehandlung abzusprechen", so sehr wurde aber auch von beiden Autoren auf die Untrennbarkeit von Chirurgie und Unfallchirurgie hinge- wiesen. Es war weder Sinn noch Ab- sicht der Diskussion, einen Graben zu ziehen zwischen Orthopädie, Un- fallchirurgie und Chirurgie, sondern es galt, einige Gesichtspunkte für eine nach heutigen Erfordernissen und Ansprüchen möglichst sachge- rechte Versorgung unfallverletzter Patienten darzustellen.

Es ist in einem Schlußwort kaum möglich, auf alle Einzelheiten einzu- gehen — etwa die „Grauzone zwi- schen Chirurgie und Orthopädie", eigens zu deren Aufhellung die Un- fallchirurgie entstehen und nützlich sein konnte, oder die Aussage, „bis zu 50 Prozent" rein orthopädischer Patienten würden in unfallchirurgi- schen Kliniken behandelt (statt tat- sächlich 15 bis 20 Prozent), oder et- wa die Definition des „orthopädi- schen Organs" — in einer solchen Diskussion sollten aber doch wohl Überlegungen des Festhaltens an starren Grenzen oder gar eines Ver- teilungskampfes keine Rolle spielen, sondern Grundlage wird sinnvoller- weise unsere heutige Situation sein müssen, wie sie sich entwickelt hat aus der Notwendigkeit und dem Be- darf nach einer guten Versorgung des verletzten Patienten. Das be- zweckt auch die Weiterbildungsord- nung. Sie bietet die Möglichkeit für die nötige Differenzierung, ohne ei- ne Zersplitterung der Medizin zu be- wirken, ohne aber auch Gegensätze zu schaffen.

Wieweit es sinnvoll oder sogar erfor- derlich ist oder sein wird, hier ande- re Maßstäbe zu setzen, andere Wei- terbildungswege zu finden, etwa mit dem Ziel einer „orthopädischen Chirurgie", das sind Fragen, die im Rahmen der Weiterbildungsord- nung durchaus neu überdacht wer- den können, wobei die in Deutsch- land gewachsenen Rechtsgrundla- gen unseres Gesundheitssystems beachtet werden müssen. Lösun- gen, wie sie etwa als „orthopädische Chirurgie" im Ausland gefunden wurden, könnten bei solchen Über-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2434 Heft 41 vom 9. Oktober 1980

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