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Archiv "Gestagene, Östrogene und fakultative Synkarzinogenese" (21.10.1976)

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Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Ärzteschaft und die Öffentlich- keit sind in letzter Zeit mehrfach durch Pressenachrichten über ver- mutete Zusammenhänge zwischen der Langzeitanwendung von Gesta- genen sowie Östrogenen und einer fakultativen Synkarzinogenese an Endometrium und Brustdrüse beunruhigt und verunsichert wor- den. An diesen Veröffentlichungen ist zu kritisieren, daß sie meist in sensationeller, unkritischer Form Angst erzeugten und teilweise Fehl- information ausstreuten, ferner daß sie in der Laienpresse erfolg- ten, ehe die Fachleute von den zu- grunde liegenden Sachverhalten Kenntnis erhielten und für die Ärz- te sowie vor der Öffentlichkeit dazu fundiert Stellung nehmen konnten.

Die Ärzteschaft ist mit Recht gegen diese Art der Berichterstattung aufgebracht. Naturgemäß leidet das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient durch solche laut- starke, zudem meist unberechtigte Infragestellung bewährter Thera- pieformen. Jahrelange Bemühung um ärztliche Fortbildung und lang- fristige Aufklärungsarbeit im Inter- esse der Patienten wird auf diese Weise leichtfertig zunichte ge- macht. Sehr viel Kritik hat dabei die Haltung der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) ausgelöst, deren Beamte, wenn man die den Entscheidungen zugrunde liegenden Tatsachen und Beweise betrachtet, häufig inad- äquate Reaktionen gezeigt haben.

Diese Behörde reagiert offenbar sehr empfindlich auf die sogenann-

te öffentliche Meinung und politi- schen Druck und zeigt die Ten- denz, eher psychologisch motivier- te als sachverständige und daten- kritische Entscheidungen zu fällen.

Bedauerlicherweise haben sich Be- schlüsse der FDA fast immer als Kettenreaktionen auf die nationa- len Arzneimittelbehörden fortge- setzt.

Stellungnahme zu

vorliegenden Untersuchungen Gestagene

Da der ganze Ärger der Zurückzie- hung einiger Gestagene aus dem Handel auf Arzneimittelprüfungen an ungeeigneten Versuchstieren beruht, sei hier kurz die Problema- tik der Austestung der Gestagene im Tierversuch berührt. Im Rahmen der im Jahre 1967 von der Food and Drug Administration erlasse- nen Richtlinien für Langzeitprüfun- gen von Sexualhormonen mußten Hunde mit den neuen gestagenen Steroiden über 7 Jahre, Affen über 10 bis 15 Jahre fortlaufend mit Do- sen behandelt werden, die das 2-, 10- und 25fache der beim Men- schen anzuwendenden Menge, be- rechnet pro Kilogramm Körperge- wicht, betragen. Die Bedeutung solcher Befunde wird dadurch be- einträchtigt, daß die endokrinologi- schen Wirkungsmechanismen, die für die Tumorentstehung wie auch die Laktation beim Hund verant- wortlich sind, von den entspre-

Für die Untersuchung der oralen Gestagene auf tumor- fördernde Wirkung in der Brustdrüse ist der Bea- gle-Hund ungeeignet, da die Prüfergebnisse auf die Ver- hältnisse beim Menschen nicht übertragbar sind. Die Zurückziehung verschiede- ner oraler Gestagene (Ana- geston-, Chlormadinon- und Megestrolacetat) ist daher wahrscheinlich unberechtigt.

Vergleichbare Kontrazeptiva der Sequenztherapie mit überhöhter Östrogendosis und zu kurzer Gestagenpha- se, wie sie in den USA kürz- lich aus dem Markt genom- men wurden, sind in der Bun- desrepublik Deutschland nicht im Handel. Die drei re- trospektiven Studien aus Nordamerika über einen möglichen Zusammenhang zwischen Östrogeneinnahme in der Postmenopause und einer Förderung der Korpus- karzinomentstehung können nach Material und Methodik nicht überzeugen und wider- sprechen der großen Mehr- zahl der bisher vorliegenden Befunde und den praktischen Erfahrungen.

chenden physiologischen Verhält- nissen beim Menschen erheblich abweichen.

Während Hunde an sich für phar- makologische Untersuchungen auf Grund ihrer besonderen Empfind- lichkeit als gut geeignet angesehen werden, sind diese Tiere, insbeson- dere die hier verwendeten Beagle- Hunde, für die Tumorprüfung unter Steroidmedikation weniger geeig- net, da bei ihnen im fortschreiten- den Alter Mammatumoren auf Grund einer genetischen Disposi- tion auch spontan ohne jegliche Behandlung auftreten. Im Alter von 5 Jahren weisen bereits 50 Prozent, im Alter von 10 Jahren 80 bis 90 Prozent der Tiere Mammatumoren auf.

Gestagene, Östrogene und fakultative Synkarzinogenese

Christian Lauritzen

Aus dem Zentrum Operative Medizin der Universität Ulm Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe II

(Leiter: Professor Dr. med. Christian Lauritzen)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 21. Oktober 1976 2715

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Aktuelle Medizin

Langzeitbehandung mit Ostrogenen und Gestagenen

Ferner ist der Steroidstoffwechsel der Hunde mit dem des Menschen gar nicht vergleichbar. Insbesonde- re der Leberstoffwechsel zeigt be- trächtliche Unterschiede. Die Aus- scheidung der Steroidhormone er- folgt nicht, wie beim Menschen, überwiegend durch den Urin, son- dern fast ausschließlich mit dem Stuhl. Die Hormonproduktion der Eierstöcke unterliegt jahreszeitli- chen Schwankungen. Diese Tiere haben nur zweimal im Jahr einen kurzdauernden Östrus. Eine unun- terbrochene hochdosierte Bela- stung mit hormonal wirksamen Ste- roiden ist daher bei diesen Hunden besonders unphysiologisch.

Es kommt hinzu, daß auf Grund der obengenannten Besonderheiten im Stoffwechsel die Gestagene beim Hunde viel stärker wirksam sind als beim Menschen, so daß die ge- wählten Dosierungen tatsächlich nicht dem 10- und 25fachen, son- dern dem 100- bis 300fachen der beim Menschen angewandten wirk- samen Dosen entsprechen. Bei Hunden können ganz im Gegensatz zum Menschen bereits Gestagene alleine eine volle Entwicklung des Brustdrüsengewebes bewirken.

Dies liegt auch daran, daß Gesta- gene, anders als beim Menschen, beim Hunde die Prolaktinsekretion fördern (siehe auch Plotz und Hal- ler, 1971, Hill und Dumas, 1974).

1967 wurde zuerst das Anageston- acetat (Neonovum® der Cilag-Che- mie) aus dem Handel gezogen, da unter der Behandlung mit diesem Gestagen bei den Beagle-Hunden gutartige Mischtumoren im Gesäu- ge aufgetreten waren. Diese Misch- tumoren sind für den Hund typisch und kommen beim Menschen sel- ten vor. Ende 1969 traten auch bei den mit Chlormadinonacetat be- handelten Tieren entsprechende Befunde auf. Die Weiterentwick- lung der Dauerbehandlung mit klei- nen Gestagendosen (Minipille) wurde daraufhin von der amerika- nischen Food and Drug Administra- tion abgebrochen und die geplante Freigabe von Chlormadinonacetat fallengelassen, obwohl bei den Af- fen, die den Menschen biologisch

viel ähnlicher sind, im Versuch Knoten nicht aufgetreten waren.

Obzwar ein Östrogenzusatz zum Chlormadinonacetat das Auftreten der gutartigen Mammatumoren beim Hunde verhindert hatte, wurde damals trotzdem bei uns das Chlor- madinonacetat und damit die ora- len Kontrazeptiva Aconcen®, Euno- min®, Estirona®, Estirona 21®, Di- sut 21 ®, Gestakliman® und das Me- droxyprogesteronacetat Cyclo-Far- lutal® aus dem Handel gezogen. Auf diese Weise gingen eine Reihe von therapeutisch wertvollen und offen- bar harmlosen Präparaten für die individuelle Behandlung verloren.

Im Jahre 1975 wurde dann das Me- gestrolacetat aus dem Handel ge- nommen, da auch dieses Steroid Knoten in den Brustdrüsen der Bea- gle-Hunde erzeugt hat. Hier wa- ren bei den Tieren vereinzelt ma- ligne Brustknoten und auch Meta- stasen beobachtet worden. Aller- dings sind in den Affenversuchen, die bisher über sieben Jahre lau- fen, noch keinerlei Knotenbildung beobachtet worden. Diesmal wur- den das Niagestin®, das Plan- ovin®, das Agenoral ® und das Ve- radys®, ferner Kombiquens®, Tri-Er- vonum®, Oraconal® und Co-Ervo- num® zurückgezogen.

Die Nor-Testosteronderivate (Nor- ethisteronacetat = Primolut-Nor ® , Lynestrenol = Orgametril sowie Norgestrel) haben jedenfalls bisher im Beagle- und Affenversuch keine Knotenbildung gezeigt, jedoch üben diese Verbindungen nicht in jeder Hinsicht die typischen Proge- steronwirkungen aus, sondern ent- falten ein wirkstoffeigenes pharma-

kologisches Spektrum.

Fast alle Fachleute sind der Mei- nung, daß diese Zurückziehung der Gestagene vom Markt voreilig und wahrscheinlich unberechtigt war.

Das Chlormadinonacetat (Gesta- fortin®, Menova®, Eunomin®) ist ja inzwischen bereits wieder in den Handel gekommen. Es ist zu hof- fen, daß all diese Substanzen, so- bald die Affenversuche abge- schlossen sind, erneut verfügbar werden. Allerdings ist durch die

Diskriminierung dieser Präparate jetzt leider eine Unterbrechung in der Kontrolle der Langzeitwirkung beim Menschen eingetreten.

Verdächtige

Endometriumsbefunde nach kontrazeptiver Sequenztherapie

Zwei Arbeiten aus dem Jahre 1975 berichteten über atypische Endo- metriumsbefunde, unter anderem auch Korpuskarzinomfälle, wäh- rend oder nach Einnahmen oraler Kontrazeptiva, meist vom Sequenz- typ bei jüngeren Frauen. Es waren dies die Mitteilungen von Silver- berg und Makowski sowie die von Lyon.

In der Arbeit von Silverberg und Makowski werden aus einem Regi- ster für Endometriumskarzinome des Departement für Pathologie in Denver 21 Fälle vorgestellt. Analy- siert man diese Kasuistiken, so stellt sich heraus, daß es sich in der Mehrzahl um adenomatöse Hy- perplasien, also keine echten Kar- zinome, sondern um fakultative Vorstadien gehandelt hat. Allein aus dieser Arbeit muß über die Hälfte der angeführten Fälle aus den verschiedensten Gründen als fragwürdig erscheinen, da ein Zu- sammenhang mit der Einnahme des Sequenzpräparates (auch nach der Meinung der Autoren) als un- wahrscheinlich anzusehen ist. Im übrigen finden sich in diesem Ma- terial Patientinnen mit Ovarialtu- moren, Stein-Leventhal-Syndrom und Turner-Syndrom, bei denen ja die Häufung von Korpuskarzino- men aus genetischen Gründen auch ohne Hormonmedikation gut be- kannt ist.

Es muß hier betont werden, daß diese Frauen Präparate einer Se- quenztherapie erhielten, wie sie in Deutschland nicht üblich ist. Die Medikamente enthielten hohe Östrogendosen, nämlich 0,1 mg Athinylöstradiol, und nur sehr schwache Gestagenanteile in einer Medikation über nur fünf Tage. Das dabei verwendete Gestagen ist in

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Aktuelle Medizin Langzeitbehandung mit Östrogenen und Gestagenen

Deutschland nie im Handel gewe- sen; es ist schwach wirksam und daher nicht in der Lage, gegenüber den hohen Östrogendosen antago- nistisch zu wirken und eine Trans- formationsphase mit voller Absto- ßung der Schleimhaut herbeizufüh- ren.

Die in Deutschland zur Zeit ver- wendeten Sequenzpräparate oder auch die Zwei-Stufen-Präparate sind damit überhaupt nicht ver- gleichbar. Hierauf hat die Industrie in ihren Ärzteaussendungen auch richtig hingewiesen.

Kritisch muß noch angemerkt wer- den, daß bei drei der Patientinnen die Einnahmedauer des Sequenz- präparates zur Kontrazeption weni- ger als ein Jahr betrug und ganz ungenügend dokumentiert war. Bei sieben Patientinnen waren die ora- len Kontrazeptiva acht Monate bis sechs Jahre vor der Diagnosestel- lung nicht mehr eingenommen worden. In mehreren Fällen war das Hormonpräparat offenbar zur Behandlung von Blutungsstörun- gen gegeben worden, so daß mög- licherweise der pathologische En- dometriumsbefund schon vorher bestand. Bei sechs Frauen, bei denen vorher ein Adenokarzi- nom des Corpus uteri diagno- stiziert worden war, ließ sich nach der Hysterektomie histolo- gisch kein Karzinom mehr nach- weisen.

Was die histologischen Befunde an- betrifft, so gibt es keinerlei Mög- lichkeit, die Richtigkeit der Dia- gnose Adenokarzinom aus der Veröffentlichung zu kontrollieren.

Fünfmal handelte es sich nach An- gabe der Autoren um sogenannte

„fokale Karzinome". Die Verfasser erkennen auch das „Carcinoma in situ" als Diagnose nicht an, was meines Erachtens ein wesentlicher Gesichtspunkt für die fragliche Be- urteilung der histologischen Dia- gnose Adenokarzinom darstellt.

Das in der Arbeit von Silverberg und Makowski mitgeteilte Material erscheint daher im ganzen frag- würdig und in seiner Bedeutung nicht einwandfrei zu beurteilen.

In der Arbeit von Lyon werden nur vier Fälle von Adenokarzino- men des Endometriums bei jungen Frauen nach Langzeitbehandlung mit Sequenzpräparaten zur Kontra- zeption mitgeteilt. Ein weiterer Fall wird im Addendum der Arbeit ge- schildert. Entgegen den Angaben im Titel handelt es sich nicht um junge Frauen. Unter diesen Fällen hatte einer sicherlich nur eine ade- nomatöse Hyperplasie, also kein Karzinom. In einem zweiten Fall konnte nach der Hysterektomie ein Adenokarzinom nicht mehr nach- gewiesen werden.

Die betroffenen Firmen haben in ihrer Stellungnahme darauf hinge- wiesen, daß diese bisherigen Ver- öffentlichungen pathologischer En- dometriumsbefunde in ihrer Häu- figkeit innerhalb der normalen Fre- quenz von Hyperplasien und Endo- metriumskarzinomen auch bei jun- gen Frauen liegen. Sie halten einen Zusammenhang mit der Medikation auf Grund der beiden Arbeiten für nicht gesichert. Als Folge der oben genannten Veröffentlichun- gen wurden dennoch unter dem Druck der FDA diese Sequenzprä- parate in den USA aus dem Handel gezogen.

Konjugierte Östrogene in der Postmenopause und pathologische Endometriumsbefunde

Es handelt sich hier um drei Arbei- ten, nämlich die von Smith und Mit- arbeitern, die von Ziel und Finkle und die von Mack und Mitarbeitern.

In der Veröffentlichung von Smith und Mitarbeitern (1975) wurden aus Krankengeschichten 317 Patientin- nen mit einem Adenokarzinom des Endometriums herausgesucht und bezüglich der Einnahmehäufigkeit von Östrogenen in der Anamnese mit einer gleichen Anzahl von Kon- trollfällen verglichen. In der Kon- trollgruppe hatten 206 Frauen ein Kollumkarzinom, 88 ein Ovarialkar- zinom und 23 ein Vulvakarzinom.

Alle waren gleich bezüglich Alter bei Diagnose und Jahr der Diagno- se. Hysterektomierte wurden aus-

geschlossen. Es zeigte sich, daß 152 der Korpuskarzinompatientin- nen Östrogene nahmen oder ge- nommen hatten, aber nur 54 der 317 Kontrollpatientinnen. Hieraus wur- de mit beträchtlichem logischen Sprung geschlossen, daß diejeni- gen Patientinnen, die Östrogene einnehmen, ein vier- bis achtfach erhöhtes Risiko bezüglich der Ent- stehung eines Korpuskarzinoms eingehen und daß dieses Risiko bei Dauer der Einnahme zunimmt.

Kritik der Arbeit

von Smith und Mitarbeitern Es handelt sich um eine retrospek- tive Studie mit Auswertung von Krankengeschichten. Jeder, der weiß, wie Krankengeschichten ge- führt werden, sieht sogleich die enormen Fehlermöglichkeiten ei- nes solchen Verfahrens. Vermutlich ist in einem hohen Prozentsatz der Fälle in den Blättern gar nicht an- gegeben worden, ob die Patientin- nen Östrogene erhielten oder nicht.

Zweifellos wird aber eine Frau mit einem Korpuskarzinom häufiger nach einer voraufgegangenen Östrogenmedikation gefragt als jede andere Patientin. Bei sol- chen vergleichenden Untersuchun- gen ist natürlich die Wahl der Kon- trollgruppe entscheidend für das Ergebnis. Beide Vergleichsgruppen repräsentieren aber völlig unter- schiedliche Populationen. Dies gilt sowohl bezüglich der endokrinen Situation und der Stoffwechsellage beim Korpuskarzinom als auch in soziologischer Hinsicht. Leider feh- len in dieser Arbeit auch die wich- tigen Angaben über voraufgegan- gene Häufigkeit von Zyklusanoma- lien, Abrasionen, Röntgenkastratio- nen, Geburtenzahlen und -alter, Häufigkeiten von Vorsorgeuntersu- chungen, familiäre Belastung und anderes als Faktoren für eine Be- urteilung des Korpuskarzinomrisi- kos.

Auch in dieser Mitteilung ist die Richtigkeit der histologischen Dia- gnostik und ihrer Interpretation nicht kontrollierbar. Es hat sich je- doch inzwischen bei der Analyse

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 43 vom 21. Oktober 1976 2717

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Aktuelle Medizin

Langzeitbehandung mit Östrogenen und Gestagenen

des Materials (durch Mrs. W. Coo- per) herausgestellt, daß 95 Prozent aller Fälle Vorstadien von Karzino- men oder oberflächliche Karzino- me des sogenannten Stadium I wa- ren, also ohne infiltratives Wachs- tum. Erstaunlicherweise fragen die Autoren gar nicht nach der mögli- chen Ursache oder der Indikation für die hohe Behandlungsfrequenz mit Östrogenen bei den Korpuskar- zinompatientinnen. Eine simple und einleuchtende Erklärung der Prävalenz der Östrogenbehandlung in der Korpuskarzinomgruppe wäre aber die häufige Östrogeneinnah- me solcher Patientinnen mit Kor- puskarzinom aus naheliegenden Gründen: Da nämlich die Patientin- nen mit Korpuskarzinom bekannt- lich überwiegend einer mittleren und höheren sozialen Schicht ange- hören, gehen diese Frauen auch häufiger zur Vorsorge und erhalten aus diesem Grunde häufiger Östro- gene. Es ist andererseits gut be- kannt, daß Patientinnen, die im Klimakterium Östrogene erhalten, ganz überwiegend der mittleren und oberen Gesellschaftsschicht angehören und häufiger eine hö- here und längerdauernde Erzie- hung genossen haben als Patien- tinnen, die keine Östrogene ein- nehmen.

Diese Gruppe, die Östrogene ein- nimmt, hat auch stärkere Probleme mit klimakterischen Beschwerden gehabt als diejenigen der Patien- tinnen, die keine Östrogene erhiel- ten (Stadel u. Weiss, 1975). Die Pa- tientinnen, die Östrogene einneh- men, gehen auch häufiger zur Vor- sorge, werden regelmäßig bestellt und daher besser überwacht. Sie haben öfter Blutungen, deshalb wird bei ihnen häufiger eine Abra- sio oder eine Hysterektomie durch- geführt und daher ein Korpuskarzi- nom und besonders dessen Vorsta- dien häufiger diagnostiziert. Das Kollektiv mit Kollum-, Vulva- und Ovarialkarzinomen gehört dagegen in der Mehrzahl zu einer mittleren bis unteren sozialen Schicht und wird derjenigen Patientengruppe zugerechnet, die weniger für ihre Gesundheit tut und dementspre- chend weniger gut betreut wird.

Diese Frauen gehen seltener zur Vorsorge, nehmen weniger häufig Medikamente (einschließlich Östro- gene) und haben seltener und we- niger starke klimakterische Be- schwerden; sie werden auch selte- ner abradiert und prophylaktisch hysterektomiert.

Kritik der Arbeit von Ziel und Finkle

Hier werden 94 Patienten mit dia- gnostiziertem Endometriumkarzi- nom aus der Betreuung des Kaiser Permanent Medical Center in Los Angeles beschrieben, die dem Tumorregister aus allen Teilen des Landes auf Aufforderung gemeldet worden waren. Als Kontrollfälle wurden diesmal zu den Krebsfällen jeweils drei Fälle aus den Mitglie- derkarten der Kaiser Foundation nach Alter und Vorhandensein des Uterus ausgesucht. 57 der 94 Pa- tienten mit Endometriumskarzinom hatten in der Anamnese Östrogene erhalten, aber nur 15 aus der glei- chen Zahl der Kontrollfälle. Die Au- toren schließen daher auf ein 7,6 mal erhöhtes Risiko für die Ent- wicklung eines Korpuskarzinoms bei Patientinnen, die in der Post- menopause konjugierte Östrogene einnehmen. Dabei soll sich das Ri- siko mit der Zeitdauer der Einnah- me erhöhen. Es scheint nämlich vom Faktor 5,6 nach 1,5 Jahren auf 7,2 nach 5-7 Jahren Östrogenthe-

rapie anzusteigen.

Man fragt sich, für welche Popula- tionen die hier ausgewählten Fälle repräsentativ sein sollen, außer für sich selbst. Auch hier wurden die Angaben über eine voraufgegange- ne Östrogenbehandlung retrospek- tiv aus Krankengeschichten ge- wonnen. Eine histologische Kon- trolle des Befundes ist bei dieser Arbeit ebenfalls nicht möglich. Die Autoren machen wiederum den lo- gischen Sprung aus der Häufigkeit der Einnahme von Östrogenen in der Anamnese von Korpuskarzi- nompatienten selbstverständlich und ohne die notwendigen kriti- schen Alternativerwägungen auf die Häufigkeit einer Beteiligung

der östrogene an der Entstehung eines Korpuskarzinoms zu schlie- ßen.

Den Autoren muß entgegengehal- ten werden, daß die Indikation zur Östrogenbehandlung in ihrer Arbeit nur bei 54 Prozent der Fälle mit Korpuskarzinom erfaßt wurde, da- gegen bei 72 Prozent der Kon- trollfälle, so daß hierin bereits eine wesentliche Täuschungsmöglich- keit besteht. Drei der in der Arbeit genannten Patientinnen hatten Östrogene kürzer als ein Jahr lang eingenommen, so daß hier vermu- tet werden kann, daß das Karzinom oder dessen Vorstadium schon vorher bestand.

Im Research News der Zeitschrift Science wird auf eine dritte in Vor- bereitung befindliche Arbeit von Thomas Mack und Mitarbeiter, Uni- versity of Southern, California Me- dical School hingewiesen. Auch in dieser retrospektiven Studie wurde angenommen, daß Östrogenthera- pie das Risiko der Bildung von En- dometriumskarzinom um den Faktor 8 erhöhen kann. Auf Einzelheiten dieser Arbeit kann zur Zeit noch nicht eingegangen werden, da sie bisher nicht erschienen war.

Den beiden obengenannten Arbei- ten aus dem New England Journal of Medicine waren zwei Kommen- tare von K. Ryan, Boston, und N. S.

Weiss, Seattle, beigegeben. In die- sen sachverständigen Äußerungen wurde darauf hingewiesen (Ryan), daß der öfter geäußerte klinische Eindruck, die Östrogene könnten die Entstehung eines Korpuskarzi- noms fördern, bisher niemals wirk- lich nachgewiesen werden konnte und auch jetzt immer noch rein spekulativ bleibt. Es wird ferner darauf aufmerksam gemacht, daß die Adipositas allein einen 3- bis 9fachen Anstieg des Risikos für ein Endometriumskarzinom bedeu- tet. Das in Frage stehende Östro- genrisiko wird quantitativ ver- glichen mit dem 17fach erhöhten Risiko für ein Bronchuskarzinom bei Patientinnen, die mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchen. In dem kritischen Kommentar wird

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Aktuelle Medizin Langzeitbehandung mit Östrogenen und Gestagenen

schließlich darauf hingewiesen, daß man ein eventuell erhöhtes Ri- siko für eine Korpuskarzinoment- stehung durch Östrogene mit dem möglichen Risiko für Thromboem- bone summieren und gegenüber- stellen muß den beträchtlichen Vorteilen einer Östrogentherapie.

Die Vorteile der Östrogentherapie würden dann immer noch bei wei- tem überwiegen.

Der zweite Kommentator, N.S.Weiss, ist der Meinung, daß der generell vermutete Anstieg der Endome- triumskarzinome nicht mit der ge- stiegenen Einnahme von Östroge- nen korreliert sei. „Der Autor er- rechnet, falls Östrogene tatsächlich karzinogen seien, eine Zunahme des Karzinomrisikos von unter 3 auf 8 pro 1000 Frauen pro Jahr. Er empfiehlt, Patienten, die Östrogene erhalten, besonders sorgfältig zu überwachen.

Aufgrund der obengenannten Arti- kel und der Sensationsmeldungen in der Presse wurde am 15./16. De- zember 1975 eine Anhörung von Experten vor dem Obstetrics and Gynaecology Advisory Committee der Food and Drug Administration durchgeführt. Auf diese Anhörung haben prominente Fachleute eine Stellungnahme zu den Arbeiten von Smith et al. und von Ziel und Finkle abgegeben. Es wurde zu- nächst von mehreren Autoren auf den großen Nutzen der Östrogen- therapie in der Postmenopause hingewiesen. Danach haben meh- rere Diskutanten die statistische Auswertung, insbesondere die Ver- gleichsgruppen, die Histologie und die Schlußfolgerungen der Arbei- ten zum Teil erheblich kritisiert. Ei- nige der Autoren brachten eigene Zahlen über Östrogentherapie und Endometriumsbefunde, die keine häufigere Einnahme von Östroge- nen bei Patientinnen mit Korpuskar- zinom zeigen. Die statistische Er- fahrung hat übrigens gelehrt, daß im Anfang einer Erhebung die aufge- fundenen, zum Teil bereits länger bestehenden Karzinomfälle (Präva- lenz) als Anzahl der in einem be- stimmten Zeitraum auftretenden Fäl- le (Inzidenz) interpretiert werden

und damit künstlich einen Häu- figkeitsanstieg vortäuschen.

Das Komitee und die FDA waren nach der Anhörung der Meinung, daß irgendwelche Konsequenzen aus den drei Arbeiten nicht gezo- gen werden müßten. Ich halte es aber doch für möglich, daß die Fir- men von der FDA angehalten wer- den, Vermerke über ein mögliches Korpuskarzinomrisiko in den Bei- packzetteln von Östrogenpräpara- ten abzudrucken.

In einem späteren Band des New England Journal of Medicine (April 1976) findet man eine Reihe von Leserzuschriften bekannter Wis- senschaftler zum Thema Östrogen- medikation und Korpuskarzinom.

In einer sehr interessanten Äuße- rung von Graham (p. 847) findet man Daten, die zeigen, daß die Prozentzahl der Patientinnen mit Korpuskarzinom, die Östrogene er- hielten, in ihrem Material geringer

ist als die von Smith und Mitarbei- tern und die von Ziel und Finkle, nämlich nur 9 Prozent. 91 Prozent der Patientinnen mit Korpuskarzi- nom erhielten keine Östrogene.

Shanklin bringt ebenfalls nochmals seine Zahlen, die keine Karzinom- risiken für Östrogenbehandelte er-

kennen lassen.

Gordan teilt seine Daten über 100 Patientinnen mit Korpuskarzinom mit. Nur 18 Prozent dieser Frauen hatten Östrogene eingenommen, gegenüber 15 Prozent Nichtbehan- delter. Auch Nachtigall und Mitar- beiter (p. 848) bringen eigene Da- ten einer prospektiven Studie über 10 Jahre von 168 Patientinnen, von denen die Hälfte langzeitig mit Östrogenen (und Gestagenen) be- handelt wurde. In der Gruppe der Östrogenbehandelten fand sich kein Karzinom, in der Placebogrup- pe sahen sie 2 Korpuskarzinome.

Zum gleichen Thema fand im De- zember 1975 eine Expertenbespre- chung beim Bundesgesundheits- amt in Berlin statt. Auch hier stimmte man überein, daß unmittel- bare Maßnahmen nicht erforderlich

seien. Man bemühte sich lediglich um eine schärfere Abgrenzung der Indikationsstellung für die Östro- gentherapie und empfahl eine zy- klische Behandlung mit Östroge- nen in nicht zu hoher Dosis, um auf jeden Fall eine Überstimulierung der Zielorgane zu vermeiden.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gab im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT 1/1976, Seite 3 eine ähnliche Stellungnah- me bekannt. Im Mai dieses Jahres wurden auf dem Weltkongreß für Klimakterium in La Grande Motte (Frankreich) neue Zahlen vorge- legt, die ebenfalls gegen ein erhöh- tes Korpuskarzinomrisiko durch Östrogene sprechen. Es wurde von den dort anwesenden Experten er- klärt, daß eine Häufung von Kor- puskarzinomen bei langzeitig Östrogenbehandelten in der Post- menopause mit ihrer langjährigen klinischen Erfahrung nicht überein- stimme.

An sich scheint das große Aufse- hen, das die Arbeiten von Smith et al. und Ziel und Finkle erregt ha- ben, ohnehin erstaunlich. Ähnliche Arbeiten hat es bereits früher ge- geben. Diese hatten allerdings sehr unterschiedliche Ergebnisse. Jen- sen und Oestergaard (1954) fanden bei 33 Prozent der Frauen mit Kor- puskarzinom eine Östrogenbe- handlung in der Anamnese und nur bei 21 Prozent der Kontrollpatien- tinnen.

Dunn und Bradbury fanden in 28 Prozent der Fälle mit Korpuskarzi- nomen eine Östrogentherapie in der Anamnese, in 27,5 Prozent der abradierten Kontrollen mit unauf- fälliger Histologie (atrophisches Endometrium). Kempson und Po- korny (1968) teilten mit, daß bei ih- ren 22 Patientinnen mit Korpuskar- zinom nur 2 Östrogene erhalten hat- ten, dagegen erhielten 20 Prozent der Postmenopausepatientinnen Östrogene. Pacheo und Kempers (1968) geben an, daß von ihren 401 Patientinnen mit Blutungen und Abrasio 93 Östrogene eingenom- men hatten und 308 keine Östro- gene erhalten hatten. Innerhalb der

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Aktuelle Medizin

Langzeitbehandung mit Östrogenen und Gestagenen

Gesamtgruppe .,Östrogene erhalt-

ten" fand sich ein Adenokarzinom

des Uterus in 10 Prozent aller Histo- logien und in der Gruppe .,keine Östrogene erhalten" in 18 Prozent aller Befunde. Im übrigen liegt eine große Anzahl begleitender Unter- suchungen unter Östrogentherapie vor (Literatur siehe Lauritzen, 1975), in denen immer wieder ge- zeigt wurde, daß die Häufigkeit von Korpus- und Mammakarzinomen bei langzeitig östrogenbehandelten in der Menopause nicht höher ist als bei entsprechenden Vergleichs- gruppen.

ln den Jahren seit 1964 hat das Korpuskarzinom zweifellos zuge- nommen. Es geht aber nicht an, hierfür den seit Anfang der sechzi- ger Jahre gleichzeitig erfolgten Häufigkeitsanstieg der Östrogen- therapie verantwortlich zu machen, wie das teilweise versucht worden ist.

Eine solche Annahme vernachläs- sigt einmal die immer geforderte Latenzzeit von 10-20 Jahren bis zur Manifestierung des Karzinoms, daneben auch die Tatsache, daß andere Karzinome ebenfalls einen Häufigkeitsanstieg zeigen und daß das Korpuskarzinom auch in Län- dern zugenommen hat, in denen eine Östrogenbehandlung nie üb- lich war. Diese Tatsache geht bei- spielsweise sehr deutlich aus der Arbeit von Rosol und Mitarbeitern aus der CSSR (1976) hervor, die ei- nen Häufigkeitsanstieg des Kor- puskarzinoms von 56 Prozent zwi- schen 1962 und 1973 zeigt. ln die- sem Lande war eine Östrogenbe- handlung in der Postmenopause nicht üblich und wegen des Feh- Jens der Präparate auch nicht mög- lich.

Praktische Konsequenzen aus den

obengenannten Untersuchungen und ihrer Interpretation

Zur Pille

Die Sequenzpille ist in der Zusam- mensetzung, wie sie in den USA bis

vor kurzem noch üblich war, in der Bundesrepublik gar nicht in Ge- brauch.

Die bei uns zur Zeit im Handel be- findlichen Sequenzpräparate haben eine nur kurze östrogenphase, die Östrogene sind niedrig dosiert. Es wird eine ausreichend lange Ge- stagenphase mit einem kräftigen Gestagen angeschlossen. Bei ei- nem Teil der Präparate werden kleine Gestagendesen schon in der Proliferationsphase gegeben (Zwei-Stufen-Therapie). Es kann demnach festgestellt werden, daß diese Hormonzusammensetzung besser ausgewogen ist, und es wur- de auch gezeigt, daß sie nicht zu einer Überstimulierung des Ende- metriums führt (Ferin, 1974; Vande- rick u. Mitarb., 1975). Die Indikatio- nen für eine Sequenztherapie blei- ben weiterhin:

..,. Amenorrhoe beziehungsweise silent menstruation unter der Ein- nahme von kombinierten Präpara- ten,

..,. Depressionen unter kombinier- ten Präparaten,

..,. Müdigkeit und Libidoverlust, ..,. bestehende Akne, Seborrhoe, trockene Scheide,

..,. Uterushypoplasie oder Atrophi- sierung des Uterus unter stark ge- stagenbetonten Kombinationsprä- paraten.

Mit Sequenzpräparaten sollte man dagegen zurückhaltend sein beim ..,. prämenstruellen Syndrom, ..,. bei Mastopathie,

..,. bei bestehender Endometriose und Myomen,

..,. bei hoher Empfindlichkeit gegen Östrogene, insbesondere bei Bil- dung von Ödemen unter der Östro- genmedikation und

..,. bei Neigung zu Überstimulie- rung des Endometriums.

Zum Klimakterium

Für die therapeutische Anwendung von Östrogenen im Klimakterium ergeben sich die folgenden Richtli- nien:

0 Es soll eine klare Indikation vorliegen, nämlich starke klimakte- rische Beschwerden, atrophische Veränderungen der Zielorgane oder eine indizierte prophylakti- sche östrogentherapie.

f) Es sollte immer individuell be- handelt werden. Jede Schematisie- rung ist fragwürdig. Unter der Be- handlung muß die niedrigste aus- reichende Dosis für die Beseiti- gung der Hauptsymptome ermittelt werden. Praktische Kriterien sind dabei: Beseitigung der Wallungen und Eutrophie der Scheide, ferner ein Pyknoseindex im Vaginalab- strich nicht höher als 60 Prozent, Superfizialzellen

<

60 Prozent, ln- termediärzellen

<

30 Prozent, Pa- rabasalzellen 8-10 Prozent, wobei diese Werte bei höherem Alter eher niedriger liegen. ln der Grad- einteilung nach Schmidt würde dies die Aufrechterhaltung eines

Reifegrads 3-4 bedeuten.

0

Immer sollen die subjektiven Zeichen einer Überdosierung be- achtet werden. Das erste und wich- tigste ist das Ziehen in den Brü- sten, ferner zervikaler Fluor. Übel- keit, Kopfdruck, übermäßige Ge- wichtszunahme (durch Wasserein- lagerung) und uterine Blutungen sind weitere Symptome.

0

Es sollte immer zyklisch be- handelt werden (sieben Tage Pau- se in der vierten Woche).

0 Wenn möglich, soll in der zwei- ten Behandlungshälfte ein Gesta- gen zusätzlich gegeben werden, und zwar mindestens zehn Tage lang in einer zur vollen Transfor- mation und Abstoßung der Schleimhaut ausreichenden Dosis.

9 ln geeigneten Fällen kann östriol verordnet werden, das kei- ne wesentliche proliferierende Wir- kung am Endometrium ausübt und

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Aktuelle Medizin Langzeitbehandung mit Östrogenen und Gestagenen

dementsprechend praktisch keine Hyperplasien und Blutungen verur- sacht.

O Wenn eine systemische The- rapie nicht erforderlich ist, soll Lo- kalbehandlung mit einer Östrogen- salbe oder mit Ovula durchgeführt werden.

O Die wichtigsten Risikofaktoren von Komplikationen sollten be- kannt sein und beachtet werden.

Diese sind für das Korpuskarzi- nom: familiäre Krebsanamnese, Karzinombehandlung in der Vorge- schichte, Adipositas, Diabetes, Hypertonie, Hirsutismus, Stein- Leventhal-Syndrom, Turner-Syn- drom, langdauernde Anovula- tion mit Sterilität, Nulli- oder Oligo- parität, Zyklusstörungen, mehrfa- che Abrasionen. In diesen Fällen soll man nur kleine Östrogendosen geben und unbedingt in Kombina- tion mit Gestagenen. In einigen Fällen ist der Zusatz niedriger An- drogenmengen zu erwägen oder ein Ersatz, beziehungsweise Ein- sparung von Östrogen durch Seda- tiva, Vegetativa und durch Tranqui-

lizer.

O Halbjährliche gynäkologische Kontrollen mit Vaginalabstrich aus Zervix, Portio und hinterem Schei- dengewölbe (eventuell wenn ange- zeigt Jet-wash) und Brustuntersu- chung sind erforderlich. Jedesmal soll nach Zeichen einer Überdosie- rung gefahndet und die Dosis er- forderlichenfalls adjustiert werden.

O Bei Auftreten von Blutungen ist eine Abrasio erforderlich.

O Sicherlich ist die gegenwärtige Tendenz, die Hysterektomie anläß- lich ohnehin üblicher Operationen, zum Beispiel Plastiken, großzügig zu handhaben, richtig.

• Die zukünftige Forschung wird unbedingt daran arbeiten müssen, klare Indikationen und Kontraindi- kationen für eine Östrogentherapie im Klimakterium aufzustellen, ins- besondere auch bezüglich der Er- mittlung des für den Einzelfall opti- malen Präparates mit seiner best-

möglichen Dosierung, dem optima- len Verabfolgungsmodus und der erforderlichen Behandlungsdauer.

Zusammenfassung

Was soll man

den Patientinnen sagen

Die Östrogenbehandlung in den Wechseljahren bringt den Frauen viele Vorteile, vor allem die Freiheit von unangenehmen Beschwerden, ein besseres seelisches Befinden und eine größere nervliche Ausge- glichenheit. Sie verhindert das Auf- treten von Rückbildungserschei- nungen an den Unterleibsorganen, die mit Ausfluß, Brennen, Jucken, blutigem Schmieren, Entzündungen der Scheide, Beschwerden beim Verkehr und Störungen der Blasen- funktion einhergehen können. Eine rechtzeitige Östrogenbehandlung verhütet auch weitgehend die Ent- wicklung einer Knochenrückbil- dung, der Osteoporose in der Post- menopause, die mit der Gefahr von Knochenbrüchen und all ihren Komplikationen einhergeht.

Seit Ende 1920 ist die Möglichkeit im Gespräch, daß Östrogene einer der Faktoren sein könnten, die das Risiko für eine Entstehung von Ge- bärmutterkörperkrebs und Brust- krebs unter bestimmten Vorausset- zungen und Bedingungen zu för- dern vermögen. Östrogene sind aber nach allem, was wir bis heute wissen, selbst nicht krebserzeu- gend.

Obwohl immer einmal wieder ein solcher Verdacht geäußert wird, deutet die Mehrzahl der Untersu- chungen darauf hin, daß die Häu- figkeit von Gebärmutterkörper- und Brustkrebsen auch unter einer langzeitigen Östrogenbehandlung nicht zunimmt. Einige Untersucher glauben sogar eine Abnahme ge- funden zu haben. Sicher ist, daß diejenige Patientin, die wegen ei- ner Östrogenmedikation regelmä- ßig zur Vorsorgeuntersuchung geht und sich bei Auftreten einer Blu-

tung sofort zur Abklärung meldet, eine bessere Chance gegen den Krebs hat als diejenige Patientin, die eine solche Motivation nicht hat und daher die halbjährliche re- gelmäßige Vorsorge versäumt. Man muß heute annehmen, daß das Krebsrisiko vielmehr durch eine fa- miliäre Veranlagung, eine Unaus- geglichenheit der Eierstocktätig- keit (Anovulation) in den ersten drei Jahrzehnten des Lebens durch den Zeitpunkt und die Anzahl von Schwangerschaften und durch spä- tere Störungen im Stoffwechsel der Fette (Fettsucht), der Kohlenhydra- te (Zuckerkrankheit) und des Stoff- wechsels einiger anderer Hormone (männliche Hormone, Schilddrü- senhormone, Wachstumshormone) bedingt ist. Auch die Beteiligung von entzündlichen Veränderungen und lebenden Krankheitserregern (Viren) wird immer wahrscheinli- cher.

Wenn der behandelnde Arzt eine Verordnung von Östrogenen für notwendig hält, so wird er durch die Beachtung der Regeln einer Hormontherapie, durch die Aus- wahl des geeigneten Präparates, durch den Zusatz anderer Hormo- ne, zum Beispiel Gestagene, Östriol und durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen dafür sor- gen, daß die natürliche Sorge oder gar die Angst der Patientin gegen- standslos wird und allein die Vor- teile der Behandlung für sie zum Tragen kommen.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Christian Lauritzen Zentrum operative Medizin Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe II

Prittwitzstraße 43 7900 Ulm

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 21. Oktober 1976 2721

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