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Archiv "Durchbruch für die fakultative Weiterbildung" (29.05.1992)

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H

oppe erläuterte anfangs, weshalb gerade jetzt ein solcher "Novellierungs- schub" nötig sei. Fort- schritte in Medizin und Medizintech- nik müßten stets in die Weiterbil- dung einfließen, damit diese mög- lichst nah am Kenntnisstand der me- dizinischen Wissenschaft bleibe. Im

~oment sei die Gelegenheit zur Uberarbeitung besonders günstig, weil nach der Wiedervereinigung Deutschlands auch in diesem Be- reich zwei Teile zu einem Ganzen zusammengefügt werden müßten.

Aber selbst innerhalb der alten Bun- desländer sei es notwendig, die Wei- terbildungsordnungen zu harmoni- sieren. Die Kammern seien nämlich zu einer relativ weitgehenden Ein- heitlichkeit .. verpflichtet. Kämen die einzelnen Arztekammern dem nicht mehr nach, bestehe die Gefahr, daß ihnen das Recht zur selbständigen Gestaltung der Weiterbildungsord- nung genommen werde.

Außerdem wies Hoppe darauf hin, daß ein Weiterbildungszeugnis der Kammer offenbar nicht mehr für jeden Arzt die wichtigste Referenz sei: Es gebe "einen recht blühenden Markt an Zertifikaten", mit denen Kenntnisse nachgewiesen würden.

Auch deswegen müsse die Weiterbil- dungsordnung modernisiert werden.

Hoppe ga~. darüber hinaus zu beden- ken, daß Arzte innerhalb der Euro- päischen Gemeinschaft vermutlich zukünftig zur Weiterbildung ver- pflichtet werden. Deshalb müsse die- se umfassend als Berufsausübung ge- regelt werden; würde sie erst als Zu- lassung zum Beruf eingestuft, sei le tzt- lieh der Bund zuständig; die Vertreter der Ärzteschaft hätten dann lediglich noch beratende Funktion.

VieHältige, auch indi- rekte Auswirkungen der Weiterbildungsordnung Hoppe betonte in seinem V ar- trag auch noch einmal, welche viel- schichtigen indirekten Funktionen die Weiterbildungsordnung hat: Sie steuert mittelbar die Honorarvertei- Iung1 beeinflußt den Arbeitsmarkt für Arzte und die Krankenhausstruk- tur, hat Auswirkungen auf den Ver- waltungsaufwand der Landesärzte-

Durchbruch für die

fakultative Weiterbildung

Tagungsordnungspunkt II: Weiterbildungsordnung

Dr. Jörg-Dietrich Hoppe machte sich und den Delegierten des 95.

Deutschen Ärztetages keine falschen Hoffnungen: " Ich muß Ih- nen schwere Kost ankündigen", leitete der Vorsitzende des Aus- schusses und der Ständigen Konferenz "Ärztliche Weiterbildung"

seinen Vortrag zum Thema ein. Daß sie kein sommerlich leichtes Essen erwartete, sondern ein schweres, mehrgängiges Menü, darüber waren sich die Anwesenden angesichts des knapp 300 Seiten umfassenden Entwurfs zur Novellierung der (Muster-)Wei- terbildungsordnung auch so

im

klaren. Immerhin:

Am

Ende von dreieinhalb Tagen waren zwar alle, wie bei einem üppigen Mahl üblich, an den Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Doch das Ziel, die (Muster-)Weiterbildungsordnung zu verabschieden, war grundsätzlich erreicht. Daß dies gelang, ist ohne Zweifel auf die Fähigkeiten Hoppes und auf seinen Arbeitsstil zurückzufüh- ren. Zahlreiche Delegierte lobten sein Bemühen um Transparenz und Offenheit; das ganze Plenum dankte ihm (und seinen Mitar- beitern) am Ende mit langem Beifall für das Geleistete.

kammern und beeinflußt die Berufs- politik.

Vor dem Hintergrundall dessen habe man bei den jetzigen Vorschlä-

Überzeugte durch fachliche Kompetenz und verbindliches Auftreten: Dr. Jörg- Dietrich Hoppe, der Vorsitzende des Ausschusses und der Ständigen Konfe- renz .,Ärztliche Weiterbildung".

gen zur Novellierung den "Ausdiffe- renzierungsweg" gewählt, das heißt:

Grundsätzlich sind die Weiterbil- dungsgänge breit angelegt; die Spe- zialisierung schließt sich erst an. Daß das neue Regelungswerk nicht einfa- cher geworden ist, begründete Hop- pe damit, daß die Ärzte "die Flucht aus der Kompliziertheit nicht wagen dürfen". Anderenfalls blieben große Felder offen, denn die medizinische Entwicklung nehme keine Rücksicht auf den Wunsch nach Einfachheit.

Nimmt man die Ergebnisse des mehrtägigen Ringens vorweg, dann kann man in einem Satz sagen: Die Novellierungsvorschläge der Bun- desärztekammer-Gremien sind im Grunde in allen wesentlichen Punk- ten akzeptiert worden. Konkret heißt das:

.... Anstelle von 28 gibt es nun- mehr 41 Gebiete.

.... Die Anerkennungsformen ärztlicher Weiterbildung sind erwei- tert worden. Bislang existieren die drei Formen Gebiet, Teilgebiet und

Bereich. In den zukünftigen Weiter-

bildungsordnungen wird es dagegen fünf Formen geben (siehe Kasten zur Systematik), nämlich

(2)

8

Gebiet (umfassendste Weiter- bildungskategorie, die zum Führen der Gebietsbezeichnung berechtigt);

f) Schwerpunkt (früher Teilge- biet): in wesentlichen Teilen eine Vertiefung der Kenntnisse, Erfah- rungen und Fertigkeiten, aber auch ein Nachweis über besondere Kennt- nisse und Erfahrungen, die dem In- haber der Schwerpunktbezeichnung exklusiv vorbehalten sein können;

Weiterbildung hierin berechtigt zum Führen des Schwerpunktes;

Gebiete, Schwerpunkte

E) Bereich (oder Zusatzbezeich- nung): erweitert den Umfang des Gebiets nicht, stellt auf besondere Kenntnisse und Erfahrungen in Tä- tigkeitsfeldern ab, die mehreren Ge- bieten zuzuordnen sind; Weiterbil- dung hierin berechtigt zum Führen des Bereichs;

8

Fakultative Weiterbildung (neues Instrument): beinhaltet spe- zielle Weiterbildungsinhalte, die in der Regel eine zusätzliche Weiterbil- dungszeit erfordern; Kategorie, die

Der Arzt kann sich laut der vom 95. Deutschen Ärztetag verabschiede- ten Weiterbildungsordnung in folgenden Gebieten und Schwerpunkten zur Erlangung des Rechts zum Führen einer Facharztbezeichnung oder Schwerpunktbezeichnung weiterbilden:

1. Allgemeinmedizin 2. Anästhesiologie 3. Anatomie 4. Arbeitsmedizin 5. Augenheilkunde 6. Biochemie 7. Chirurgie

Schwerpunkte:

Gefäßchirurgie Thoraxchirurgie Unfallchirurgie Visceralchirurgie

8. Diagnostische Radiologie Schwerpunkte:

Kinderradiologie Neuroradiologie 9. Frauenheilkunde und

Geburtshilfe 10. Hals-Nasen-

Ohrenheilkunde 11. Haut- und

Geschlechtskrankheiten 12. Herzchirurgie

Schwerpunkte:

Thoraxchirurgie 13. Humangenetik

14. Hygiene und Umweltmedizin 15. Innere Medizin

Schwerpunkte:

Angiologie Endokrinologie Gastroenterologie Hämatologie und Internistische Onkologie Kardiologie

Nephrologie Pneumologie Rheumatologie

16. Kinderchirurgie 17. Kinderheilkunde

Schwerpunkte:

Kinderkardiologie Neonatologie 18. Kinder- und Jugend-

psychiatrie und -psychotherapie

19. Klinische Pharmakologie 20. Laboratoriumsmedizin 21. Mikrobiologie und

Infektionsepidemiologie 22. Mund-Kiefer-Gesichts-

chirurgie

23. Nervenheilkunde 24. Neurochirurgie 25. Neurologie 26. Neuropathologie 27. Nuklearmedizin 28. Öffentliches

Gesundheitswesen 29. Orthopädie

Schwerpunkt:

Rheumatologie 30. Pathologie

31. Pharmakologie und Toxikologie

32. Phoniatrie und Pädaudiologie 33. Physikalische und

Rehabilitative Medizin 34. Physiologie

35. Plastische Chirurgie 36. Psychiatrie und

Psychotherapie 37. Psychotherapeutische

Medizin 38. Rechtsmedizin 39. Strahlentherapie 40. Transfusionsmedizin 41. Urologie

gegenüber Patienten nicht geführt werden darf;

8

Fachkunde (neues Instru-

ment): eröffnet die Möglichkeit, für bestimmte Untersuchungs- und Be- handlungsmethoden eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertig- keiten im Rahmen eines Gebiets zu erwerben. Wichtig ist, daß es um spezifische Verrichtungen geht wie zum Beispiel endoskopische Verfah- ren oder spezialisierte Laborunter- suchungen im Gebiet; Kategorie, die nicht geführt werden darf .

..,.. Der Begriff "Fertigkeiten" ist neben "Kenntnissen" und "Erfah- rungen" eingeführt worden.

.... Die neue Formulierung

"Kenntnisse über ... " soll dokumen- tieren, daß Fachärzte keine "Fach- idioten" sind, sondern auch Kennt- nisse in Nachbargebieten besitzen.

..,.. Die Wechselverpflichtung entfällt.

.... Die Weiterbildung in der All- gemeinmedizin wird gefördert.

.... Einzelne Mindest-Weiterbil- dungszeiten verändern sich.

1700 Eingaben und dennoch "Transparenz"

Was sich in der Aufzählung schnell herunterliest, war für den

Aussc~,uß und die Ständige Konfe- renz "Arztliche Weiterbildung" eine harte einjährige Arbeit. In dieser Zeit verschickten Verbände und Fachgesellschaften rund 1 700 Brie- fe, in denen sie zu den jeweiligen Entwurfsfassungen Stellung nah- men. Hoppe und Mitarbeiter reisten durch die Lande, um die Novelle in den einzelnen Kammern vorzustel- len. Die vielgelobte Transparenz und Offenheit seiner und seiner Mitar- beiter Arbeit hinderte den Deut- schen Ärztetag jedoch nicht daran, den Entwurf in wesentlichen Punk- ten umfassend und kontrovers zu diskutieren, bis es zu Entscheidun- gen kam.

Am heftigsten debattierten die Delegierten über das neue Instru- ment der fakultativen Weiterbil- dung, das schon im Vorfeld "für die meiste Aufregung gesorgt hat", wie Hoppe berichtete. "Pro und Contra ziehen sich wie ein roter Faden durch die Diskussion". stellte denn

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Die unentbehrlichen Helfer im Hintergrund; Dr, Peter Knuth, in der Geschäftsführung der Bundesärztekammer zuständig für die Weiterbildung (links), und Rechtsanwalt Horst Dieter Schirmer von der gemeinsamen Rechtsabteilung BÄK/KBV.

Novellierungsvorschlag (Muster - )-Weiterbildungsordnunq

(Systematik)

GEBIET

führ b ar

eilgebie

führbar

nach sich ziehen werde: Theoretisch könne die Ausübung all dessen, was Gegenstand einer fakultativen Wei- terbildung ist, jenen vorbehalten bleiben, die diesen Abschluß besit- zen. Je nach Ausgestaltung der In- halte treffe dies dann die Kassenärz- te. Dr. Ingo Flenker, Westfalen-Lip- pe, gab hierbei zu bedenken, daß man mit der fakultativen Weiterbil- dung eine Art Blankoscheck unter- schreibe: Ihre jeweiligen Inhalte könnten ja wechseln und seien in keinster Weise eindeutig festgelegt.

Warum etliche Redner aus Kas- senarztsicht gegen das Instrument argumentierten, verwunderte hinge- gen Dr. Frank-Ulrich Montgomery, Hamburg: Ziel der Reform sei letzt- endlich ja auch ein Abspecken der Weiterbildungsinhalte gewesen, um die entsprechenden Kenntnisse tat-

sächlich für den ambulanten Bereich verwerten zu können. Unter diesem Aspekt sei es verwunderlich, daß ge- rade mit Hinweis auf die Kassenärz- te Argumente gegen die fakultative Weiterbildung kämen.

Das Problem seien nicht gegen- sätzliche Standpunkte von Kranken- haus- und niedergelassenen Ärzten, meinte auch Dr. Matthias Albrecht, Westfalen-Lippe. Hochspezialisierte Tätigkeiten könnten sicher in irgend- einer Form aus der Weiterbildung herausgenommen werden. Aller- dings müsse vor ihrer Splittung ge- warnt werden. Dr. Ulrike Wahl, Ba- den-Württemberg, schloß sich die- sem letzten Zweifel an: Im Laufe der Zeit könnten Inhalte für die fakulta- tive Weiterbildung vom Grundfach abgespeckt und das Fach damit ab- gewertet werden. Als Beispiel nann-

Wesentlichste Re- form in der Beschluß- vorlage: Das erwei- terte und modifizierte Instrumentarium der Anerkennungsformen

auch Dr. Klaus-Dieter Kossow, Nie- dersachsen, unwidersprochen fest.

Bis das Abstimmungsergebnis be- kanntgegeben wurde, war im Grunde nicht klar, wie die Mehrheit der De- legierten votieren würde. Sie ent- schied sich für das Neue — und zwar mit 136 gegen 82 Stimmen.

Hoppe war in seinem Eingangs- vortrag noch einmal auf Mißver- ständnisse und Befürchtungen im Zusammenhang mit der fakultativen Weiterbildung eingegangen. Dieses neue Instrument sei „für hochspezia- lisierte ärztliche Tätigkeiten" ge- dacht, betonte er. Beispielsweise könne man hierunter die selbständi- ge Ausführung von bestimmten Ope- rationen für jene Ärzte fassen, die am Krankenhaus bleiben wollten und für die eine Mitwirkung an Ope- rationen nicht ausreiche. Außerdem könne man „unsichere Ziele" der Weiterbildung aufnehmen, die sich erst noch bewähren müßten. Zudem habe man mit Hilfe der fakultativen Weiterbildung eine „Inflation" der Gebiete verhindern wollen. Und Zö- gerlichen gab er zu bedenken, daß es ja grundsätzlich erst einmal um das Instrument als solches ginge, nicht um die Inhalte: „Sie können sogar das Instrument beschließen und kei- ne einzige konkrete Ausprägung."

Fakultative Weiter-

bildung heftig umstritten

Die Diskussion zeigte, daß es nicht einfach ist, die Wirkungen ei- ner Sache realistisch einzuschätzen, die erst einmal nur auf dem Papier existiert. Dr. Andreas Crusius, Mecklenburg-Vorpommern, unter- stützte Hoppe: Die novellierte Wei- terbildungsordnung sei für die Kolle- gen der Zukunft, gab er zu beden- ken, und ergänzte: „Wir können nicht eine Weiterbildung nur aus kassenärztlicher Sicht machen." Da- mit wandte er sich gegen Befürch- tungen, daß es aufgrund der fakulta- tiven Weiterbildung bald „Fachärzte zu Fuß und zu Pferde" geben werde, wie es häufiger zu hören war, das heißt: besser und schlechter weiter- gebildete Ärzte. Die Gegner einer fakultativen Weiterbildung argu- mentierten, daß diese dann schnell kassenarztrechtliche Konsequenzen

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Woi neldungen, Wo neldungen: Die Redezeit war durchweg auf drei Minuten beschränkt und wurde streng kontrol- liert.

Zusatzbezeichnungen

In folgenden Bereichen kann sich der Arzt laut Musterweiterbildungs- ordnung zur Erlangung des Rechts zum Führen einer Zusatzbezeich- nung weiterbilden:

1. Allergologie 2. Balneologie und

Medizinische Klimatologie 3. Betriebsmedizin

4. Bluttransfusionswesen 5. Chirotherapie 6. Flugmedizin 7. Handchirurgie 8. Homöopathie

9. Medizinische Genetik 10. Medizinische Informatik 11. Naturheilverfahren

12. Phlebologie

13. Physikalische Therapie 14. Plastische Operationen 15. Psychoanalyse

16. Psychotherapie 17. Rehabilitationswesen 18. Sozialmedizin 19. Sportmedizin

20 Stimm- und Sprachstörungen 21. Tropenmedizin

22. Umweltmedizin te sie den Vorschlag, Intensivmedi-

zin als fakultative Weiterbildung in diversen Fächern einzuführen, und gab zu bedenken: „Was soll ich als Anästhesistin ohne Intensivmedizin machen?"

Dr. Holger Lange, Nordrhein, selbst in der Weiterbildung zum In- ternisten, gab zu bedenken, daß sich die Weiterbildung in Zukunft für je- manden, der eine Krankenhauskar- riere ansteuere, leicht auf zehn Jahre verlängern könne. Erst einmal einge- führt, würden ihm unter Umständen schnell die fakultative Weiterbildung sowie der Erwerb von Schwerpunk- ten nahegelegt.

Nach langer Debatte einig über Geriatrie

Etliche Male wurde auch vorge- schlagen, anstelle der fakultativen Weiterbildung Fachkundenachweise zu verlangen, so von Dr. Kossow, Dr.

Klaus Ottmann, Bayern, und Dr. Ro- ger Kirchner, Brandenburg. Doch diese Idee hatte ebenfalls Gegner, beispielsweise Dr. Montgomery:

Fachkundenachweise seien in ande- rer Form bereits Gegenstand von Verhandlungen zwischen Kranken- kassen und Kassenärztlichen Verei- nigungen. In Zukunft könne die Ein- führung von Fachkunden in der Weiterbildungsordnung, falls die fa- kultative Weiterbildung komplett umgewandelt würde, dazu führen,

„daß wir die Kassen bei der Weiter- bildung mit im Boot haben", warnte er.

Ebenso wie die grundsätzliche Einführung der fakultativen Weiter- bildung als Instrument wurde dann später die konkrete Umsetzung dis- kutiert, besonders im Fall der Inten- sivmedizin und der Geriatrie. In der Debatte um die fakultative Weiter- bildung in der Intensivmedizin teil- ten sich die Lager argumentativ etwa so: Die einen vertraten, wie Frau Dr.

Wahl, eher die Auffassung, daß die Intensivmedizin notwendiger Be- standteil der Fächer sei. Die Mehr- heit war der Meinung, daß eigene fa- kultative Weiterbildungen einzufüh- ren seien (siehe auch Kasten). Die Intensivmedizin sei zwar integraler Bestandteil vieler. Disziplinen, aber gleichzeitig gebe es eigene intensiv- medizinische Einheiten. Als Fach- kunde eigneten sich diese Komplexe zudem nicht.

Zweiter heiß debattierter Punkt war die fakultative Weiterbildung in Geriatrie. Dabei verhedderten sich die Delegierten so im Dickicht der sich überschneidenden und wider- sprechenden Anträge, daß eine zwei- te Lesung bewilligt wurde. Dr. Hop- pe hatte eingangs klargemacht, daß es dem Vorstand der Bundesärzte- kammer darum gegangen sei, den Begriff in der Weiterbildungsord- nung auftauchen zu lassen, weil von politischer Seite ein Bedarf an derar- tigen Qualifikationen gesehen wer- de. Die Arzteschaft gebe ein schlech- tes Bild ab, wenn nicht in speziali- sierten Einrichtungen auch speziell weitergebildete Ärzte vertreten sei- en. Allerdings stellte er klar: „Es

geht nicht um die Behandlung älte- rer Menschen in der Praxis, sondern um die klinische Behandlung geria- trischer Patienten."

Einige Delegierte unterstützten in ihren Diskussionsbeiträgen diese Argumentation. Prof. Dr. Friedrich- Wilhelm Kolkmann, Baden-Würt- temberg, wies beispielsweise darauf hin, daß in den Krankenhausbedarfs- plänen Baden-Württembergs Passa- gen enthalten seien, wonach ein ger- iatrisch geschulter Arzt entsprechen- de Einrichtungen leiten solle. Des- halb sei die fakultative Weiterbil- dung in Geriatrie wichtig. Davon wa- ren andere nicht überzeugt. Wenn die Geriatrie als fakultative Weiter- bildung eingeführt werde, dann kön- ne in fünf Jahren kein Arzt mehr alte Menschen behandeln, ohne diese Qualifikation zu besitzen, urteilte Dr. Kuhn: „Wir kennen doch unsere deutschen Rentner." Ergebnis der Debatte: Die fakultative Weiterbil- dung ist beschlossen; sie wird als „Kli- nische Geriatrie" bezeichnet, und sie ist auch die für Allgemeinmedizin zu erwerben (siehe Kasten).

Relativ rasch fielen die Ent- scheidungen zu den neuen Gebieten,

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Der Diskussionsbedarf gerade zur Weiterbildungsordnung war gewaltig. Schlangeste- hen, um die Wortmeldung loszuwerden (das muß schriftlich geschehen, damit der Ab- lauf trotz der Hitze des Gefechts geordnet bleibt).

- ZITAT

Geschlechter

„Die in der Weiterbil- dungsordnung aufgeführten Arztbezeichnungen werden so- wohl in der männlichen als auch in der weiblichen Form geführt.

Wo eine neutrale Bezeich- nung (z. B. „Befugnis" statt

„befugter Arzt") nicht möglich ist, kommen männliche und weibliche Form parallel zur Anwendung, wenn Ärztinnen und Ätzte beiderlei Geschlechts gemeint sind."

Abgelehnter Antrag von Dr. Ange- la Rier, Nordrhein, der wegen seiner Formulierung Heiterkeit auslöste.

die der Entwurf zur Muster-Weiter- bildungsordnung beinhaltet. Ehe- mals 28 Gebiete wurden auf 40 auf- gestockt; durch die Wiedereinfüh- rung des Nervenarztes sind es nun sogar 41 geworden. Hoppe hatte dar- auf verwiesen, daß mit der Erhöhung der Zahl der Gebiete sowohl der wis- senschaftlichen Entwicklung als auch der Versorgung der Bevölkerung Rechnung getragen werden solle.

Nicht zuletzt sollten Gebiete mit ein- bezogen werden, die bislang nur in den neuen Bundesländern existie- ren.

Für ihre Einführung setzte sich unter anderem Dr. Ingrid Hassel- blatt-Diedrich, Hessen, ein. Einen Weg „zurück zur Mutter" gebe es nicht, meinte sie darüber hinaus im Hinblick auf die Entwicklungen in der Chirurgie: Angesichts der medi- zinischen Entwicklung benötige man nun einmal mehr Gebiete. Außer- dem habe es in der ehemaligen DDR Gebiete gegeben, „über die wir uns glücklich schätzen könnten, wenn wir die hätten, zum Beispiel die Transfusionsmedizin".

Die Gegner der Erweiterung hatten andere Argumente: So wies Dr. Udo Schagen, Berlin, darauf hin, daß die Gebietsbezeichnungen ja

Berge von Papier: Allein zur Weiterbil- dungsordnung wurden 273 Anträge ge- stellt. Bei der letzten Reform der Weiter- bildungsordnung waren's nur 69.

schließlich auch die Patienten infor- mieren sollten. Dem widerspreche die Einfügung zahlreicher neuer (un- bekannter) Gebiete. Dr. Elisabeth Hauenstein, Baden-Württemberg, beschwor die Gefahr einer Gebiets- Inflation herauf: Wenn man dieses Mal 40 Fachgebiete genehmige, dann sei man in ein bis zwei Jahren bei 60 Gebieten. Dr. Hilke Kothy, Westfalen-Lippe, bezweifelte, daß sich durch mehr Gebiete auch mehr Qualität verwirklichen ließe. Dr.

Wolfgang Mohr, Baden-Württem- berg, schloß sich der Skepsis an: Für ihn sei fraglich, ob für die sogenann- ten kleinen Fächer wirklich Hand- lungsbedarf bestehe.

Pauschale Anträge, sich bei den Gebieten auf die bisherige Zahl zu beschränken oder zumindest keine Erhöhung auf 40 Gebiete vorzuneh- men, fanden jedoch nicht die nötigen Mehrheiten. Deswegen wurde in al- phabetischer Reihenfolge Fach um Fach diskutiert und abgestimmt.

Neu eingeführt wurden ohne viel Federlesens die Gebiete Anato- mie und Biochemie. Umfassendere Diskussionen hatte es bereits im Vorfeld um die Chirurgie gegeben;

sie setzten sich in kleinerem Umfang auf dem Ärztetag fort. Diverse Mo- delle zur Neuordnung der Weiterbil-

dung in diesem Gebiet reichten von Typ A bis E. Der Vorstand der Bun- desärztekammer hatte sich bereits im Vorfeld für Modell D ausgespro- chen: Neben der Chirurgie existieren danach die Herz-, Kinder- und Pla- stische Chirurgie als eigene Gebiete (Schwerpunkte siehe Kasten). Die- ser Vorschlag wurde auch akzeptiert, wobei allerdings ein Antrag ange- nommen wurde, die Visceralchirur-

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Fakultative Weiterbildung

In folgenden Gebieten kann der Arzt über die obligatorischen Inhalte nach Maßgabe der Muster-Weiterbildungsordnung des 95. Deutschen Ärztetages hinaus für die näher bezeichneten gebietsergänzenden Tä- tigkeiten spezielle Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erwerben (Fakultative Weiterbildung) und darüber eine Bescheinigung erhalten:

Allgemeinmedizin

Fakultative Weiterbildung:

Klinische Geriatrie Anästhesiologie

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Anästhesiologische Intensivmedizin Augenheilkunde

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Ophthalmologische Chirurgie Chirurgie

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Chirurgische Intensivmedizin Frauenheilkunde und Geburtshilfe Fakultative Weiterbildung:

1. Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin 2. Gynäkologische Endokrinologie und

Reproduktionsmedizin

3. Spezielle Operative Gynäkologie Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie Herzchirurgie

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Herzchirurgische Intensivmedizin Innere Medizin

Fakultative Weiterbildung:

1. Klinische Geriatrie

2. Spezielle Internistische Intensivmedizin Kinderchirurgie

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Kinderchirurgische Intensivmedizin Kinderheilkunde

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Pädiatrische Intensivmedizin Nervenheilkunde

Fakultative Weiterbildung:

Klinische Geriatrie Neurochirurgie

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Neurochirurgische Intensivmedizin Neurologie

Fakultative Weiterbildung:

1. Klinische Geriatrie

2. Spezielle Neurologische Intensivmedizin Orthopädie

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Orthopädische Chirurgie Pathologie

Fakultative Weiterbildung:

Molekularpathologie Plastische Chirurgie Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Plastisch-Chirurgische Intensivmedizin Psychiatrie und Psychotherapie

Fakultative Weiterbildung:

Klinische Geriatrie Urologie

Fakultative Weiterbildung:

Spezielle Urologische Chirurgie Gebiet 1:

Gebiet 2:

Gebiet 5:

Gebiet 7:

Gebiet 9:

Gebiet 10:

Gebiet 12:

Gebiet 15:

Gebiet 16:

Gebiet 17:

Gebiet 23:

Gebiet 24:

Gebiet 25:

Gebiet 29:

Gebiet 30:

Gebiet 35:

Gebiet 36:

Gebiet 41:

gie als vierten Schwerpunkt in die Chirurgie einzufügen.

Dr. Hans Troeger, Hessen, ein angestellter Unfallchirurg, begrüßte das Modell. Die Grenzen des Fach- gebiets solle man „nicht als Mauer sehen, sondern als Grenze, an der sich der Partner befindet". Für die Kinderchirurgie als eigenes Gebiet machte sich Dr. Winrich Mothes, Mecklenburg-Vorpommern, stark.

Er wies Unterstellungen zurück, die Kinderchirurgen würden aus Eitel- keit für ein eigenes Gebiet plädieren, und meinte mit Hinweis auf die sich verändernden Anforderungen: „Das Bessere ist des Guten Tod."

Ebenfalls akzeptiert wurde als eigenes Gebiet Phoniatrie und Päd- audiologie. Hoppe wies darauf hin, daß hierüber schon auf dem 94.

Deutschen Ärztetag in Hamburg de- battiert worden sei. Allerdings sei damals der Wissensstand über dieses Fach offenbar so wenig ausreichend gewesen, daß man übereingekom- men sei, es in Köln noch einmal „in würdiger Form" zu beraten. Dr.

Klaus Otto, Baden-Württemberg, brachte die Mehrheitsmeinung auf den Punkt. Aus den Geschwistern Phoniatrie/Pädaudiologie und Päd- iatrie seien Vettern oder Cousinen geworden — aber es handele sich doch um liebe Verwandte. Kurz:

Man solle das neue Gebiet einfüh- ren.

Ja auch zur

Physikalischen Medizin Den Segen der Mehrheit bekam auch die Physikalische und Rehabili- tative Medizin. Dr. Heinrich Geidel, Sachsen, wies darauf hin, daß das Fach wesentlich mehr biete, als sich Internisten oder Neurologen darun- ter vorstellten. Schützenhilfe bekam er von seinem Kollegen Dr. Dieter Mitrenga, Nordrhein, der sich nach eigenem Bekenntnis „vom Saulus zum Paulus" gewandelt hat. Jahre- lang habe er geglaubt, als Internist und Rheumatologe ein Fachmann zu sein. Nach eingehender Information sei aber nun der Auffassung, daß sich in der Rehabiliation etliches verbessern ließe: „Es ist bis jetzt ge- gangen, aber schlecht." Dr. Hassel- blatt-Diedrich unterstützte ihre Kol-

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Beide Arme hoch- gereckt: das soll heißen, ich melde mich zur Geschäfts- ordnung, Solche An- träge unterbrechen den Beratungsfluß — den einen zum Ver- druß, den anderen zur Erleichterung (nämlich dann, wenn genau zur passenden Zeit

„Schluß der Debat- te" beantragt wird).

legen und warnte davor, daß ohne ein solches Gebiet die Kompetenz ganz in die Hände von Assistenzbe- rufen gegeben werde. Der Kritik, hierin könne sich kein Facharzt nie- derlassen, erteilte sie eine Absage:

Wie für andere neue Gebiete auch, sehe sie die Zukunft dieser Kollegen in Krankenhäusern, speziell in Re- ha-Kliniken. Außerdem sei eine Nie- derlassung, zum Beispiel in einem Arztehaus, durchaus vorstellbar.

Für die Einführung des Gebiets Transfusionsmedizin plädierte Prof.

Dr. Walter Brandstädter, Sachsen- Anhalt. In der ehemaligen DDR ha- be sich das Gebiet in den letzten Jah- ren herausgebildet; es sei von kei- nem Fach abgespalten worden. Der- zeit gebe es in den neuen Ländern gut 120 Einrichtungen des Transfusi- onsdienstes und knapp 900 Kollegen, die in diesem Bereich tätig seien: „Es ist der Wunsch der Kollegen, daß dieses Gebiet eingeführt wird." Nie- dergelassene Ärzte seien davon nicht berührt — bis auf den Rat, den sie sich gegebenenfalls holen wollten.

Dr. Peter Hesse, Westfalen-Lip- pe, widersprach: Es sei nicht einseh- bar, daß hier ein Zusatz nicht ausrei- che, sondern ein neues Gebiet her müsse - eine Argumentation, der sich hier und an anderer Stelle Dele- gierte anschlossen, die gegen die Ausdehnung der Zahl der Gebiete waren. Gezische erntete der Westfa- le jedoch für den Nachsatz, daß ja nicht alles aus den neuen Ländern kritiklos übernommen werden müs- se. Und eine sanfte, aber deutliche Klarstellung von Dr. Hoppe: Die

Kopf in der Hand:

zumeist bedeutet das konzentriertes Zuhören. Im Gegen- satz zu landläufig verbreiteten Mei- nungen ist die Prä- senz — physisch wie geistig — bei Deut- schen Ärztetagen beachtlich — trotz stundenlanger (und ärztlichen Ratschlä- gen nicht unbedingt entsprechender) Sitzungen,

Die Zustimmung der Delegier- tenmehrheit fand der Vorschlag, so- wohl die Psychiatrie als auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie um den Zusatz „und Psychotherapie" zu ergänzen. Allerdings gab es auch kri- tische Stimmen: So warnte Dr. Nor- bert Günzel, Bayern, vor der „Ein- verleibung" der Psychotherapie in die Psychiatrie.

Heftiger noch wurde über den Vorschlag diskutiert, einen Arzt für Psychosomatische Medizin und Psy- chotherapie einzuführen. Die Ent- scheidung dafür oder dagegen fiel vielen Delegierten offenbar schwer, weil zwei Seelen in ihrer Brust ran- gen. Gut verdeutlichte das der Bei- trag von Dr. Martina Rauchfuß, Ber- lin: Einerseits sei es wichtig, die Ganzheit von Körper und Seele zu betonen, deswegen sei ein solches Gebiet, noch dazu unter der gewähl- ten Bezeichnung, bedenklich Ande- rerseits verlangten die Ansprüche der Patienten nach einem solchen Facharzt.

Ähnlich sah es Dr. Barbara Fer- vers-Schorre, Nordrhein: Die Psy- chosomatik sei zwar „gar nicht an- ders zu denken als integriert in die Fächer". Aber dennoch sei ein eige- ner Facharzt wichtig: In Europa sei- en in ein paar Jahren wohl nur noch Gebietsärzte tätig. Die Psychiater wären dann mit der Versorgung der Bevölkerung überfordert und hätten zudem andere Aufgaben. Folge:

„Die Psychologen würden die Ver- sorgung übernehmen."

Dr. Hoppe gab zu, daß dieser Komplex „viel komplizierter als die Transfusionsmedizin werde „mit an

Sicherheit grenzender Wahrschein- lichkeit" ein Pflichtgebiet in der Eu- ropäischen Gemeinschaft werden;

spätestens dann müsse man sie so- wieso einführen.

Hin und her um

den „Psychokomplex"

Am heftigsten wurde bei der Diskussion der neu einzuführenden Gebiete um den „Psychokomplex"

gerungen, das heißt um die Gebiete Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychiatrie und um den (neu einzu- führenden) Arzt für Psychosomati- sche Medizin und Psychotherapie.

Dr. Gernot Blum, Nordrhein, stellte zudem den Antrag, den Nervenarzt wieder einzuführen, „damit die Kol- legen wissen, wem sie zuweisen, und damit die Patienten eine Anlaufstel- le haben".

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Fachkunde

Für bestimmte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den jeweiligen Fachgebieten, de- ren Anwendung den Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnis- se und Erfahrungen und Fertig- keiten sowie besondere Anforde- rungen der Qualitätssicherung voraussetzt, können laut Be- schlußfassung des 95. Deutschen Ärztetages Fachkundenachweise eingeführt werden. Diese werden nach dem erfolgreichen Abschluß der dafür vorgeschriebenen Wei- terbildung erteilt.

Fachkundenachweise werden durch Beschluß der Ärztekam- mer als Bestandteil der Weiter- bildungsordnung eingeführt, wenn dies im Hinblick auf die wissenschaftliche Entwicklung und eine angemessene Versor- gung der Bevölkerung sowie zur Sicherung der Qualität in ärztli- cher Diagnostik und Therapie erforderlich ist. Fachkundenach- weise sollen eingeführt werden, wenn die Bundesärztekammer entsprechende Empfehlungen abgegeben hat.

Strenger Blick in die Reihen: hier werden Stimmen ausgezählt. Die Zählerin hat in Öko- nomie promoviert, der Zähler in Medizin (und dazu ist er noch Privatdozent) — da muß die Addition doch stimmen!

Chirurgie" sei. Ausgangspunkt für die Vorlage sei gewesen, daß man die psychotherapeutische Kompe- tenz der Ärzte und Ärztinnen nach außen auch darstellen wolle, wenn auch nicht, um das Psychotherapeu- tengesetz zu .. verhindern. Schon im

A

Vorfeld des Arztetages sei debattiert worden, ob die Psychotherapie für die Psychiatrie ein integraler Be- standteil sei oder ob dies, wie andere meinten, eine Wunschvorstellung der Psychiater sei.

Wie auch schon im Fall der Ger- iatrie, zogen die Delegierten die Not- bremse: Nachdem schon einmal über Anträge entschieden worden war, wurde am Freitag eine zweite Lesung bewilligt. Ergebnis: Grundsätzliche Annahme des Vorstandsvorschlags (siehe Kasten „Gebiete"). Die Psy- chotherapie wird in die psychiatri- schen Gebiete integriert; das neue Gebiet trägt die Bezeichnung „Psy- chotherapeutische Medizin"; der Nervenarzt ist wieder eingeführt.

Sehr viel rascher wurde über die vorgeschlagenen Zusatzbezeichnun- gen abgestimmt; lediglich der Zusatz

„Infektionskrankheiten" fand keine Mehrheit. Außerdem wurde der Vor- stand der Bundesärztekammer beauf- tragt zu prüfen, ob die Zusatzbezeich- nungen „Sexualmedizin" sowie

Dr. Hoppe wies darauf hin, daß es klug sei, dergleichen im Berufs- recht zu regeln, bevor dies die Sozi- algerichte übernähmen. Umstritten waren die beiden Paragraphen, weil manche Delegierte, wie zum Bei- spiel Dr Hans Hege, Bayern, darin de facto Tätigkeitsverbote sehen.

Wesentliche Dinge der Berufsaus- übung könnten aber besser von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und deren Vertragspartnern gere- gelt werden. Andere, wie Dr. Volker Pickerodt, Berlin, hielten die Inhal- te für die logische Konsequenz aus dem Vorherigen: Wenn man etwas in der Weiterbildung im Gebiet nicht gelernt habe, sondern inner- halb des Schwerpunkts oder der fa- kultativen Weiterbildung, dann dürfte man dies eben auch nur aus- führen, wenn man diese Qualifika- tionen besitze.

Dr. Hoppe wies in diesem Zu- sammenhang darauf hin, daß die Forderung nach überwiegender Tä- tigkeit im Schwerpunkt durch die neue Formulierung abgeschafft sei;

Paragraph 22 beinhalte jetzt, daß Ärzte, die eine Schwerpunktbezeich- nung führten, auch im Schwerpunkt tätig sein müßten.

Beim Paragraphen 7, der sich mit dem Führen mehrerer Facharzt- bezeichnungen befaßt, machten die Delegierten kurzen Prozeß: Anstelle eines komplizierten elfseitigen „Wer mit wem?" stimmten sie kurzent- schlossen einem Formulierungsvor- schlag von Hoppe zu: Danach darf

„Suchttherapie und Schmerzthera- pie" in Zukunft Aufnahme als Zusatz- bezeichnungen finden können.

Eher flott ging es auch bei der Ab- stimmung zu den Paragraphen 4 bis 23 zu, in denen eine Reihe grundsätzli- cher Fragen der Weiterbildung, etwa die altbekannte Beschränkung auf das Fachgebiet, geregelt sind. Am heftig- sten wurden die Punkte 5 und 22 dis- kutiert, denn darin ist festgelegt, wel- che Folgen sich aus Weiterbildungs- qualifikationen für den Umfang der ärztlichen Tätigkeit ergeben.

(9)

Lange Tischreihen: so etwas heißt im Jargon der Kongreßveranstalter „parlamentarische Sitzordnung". Bei Deutschen Ärztetagen sitzen derart parlamentarisch 250 stimmberech- tigte Delegierte (und schätzungsweise nochmal soviele Beobachter).

Die kleine Beratung am Rande: un- scheinbares, aber effektives „Instru- ment" der Meinungsbildung.

ein Arzt oder eine Ärztin in der Re- gel nur eine Facharztbezeichnung führen, auf Antrag gestattet die zu- ständige Ärztekammer das Führen mehrerer Bezeichnungen. Die letz- ten Wortbeiträge kreisten dann

schließlich um Teil I und II der (Mu- ster-)Weiterbildungsordnung, zu de- nen die Delegierten gar nicht mehr gekommen waren. Sollte man die beiden Komplexe, die sich mit der speziellen Regelung für alle Fächer befassen, auf dem nächsten Ärztetag ausführlich diskutieren? Oder sollte man dies den Gremien überlassen mit der Aufgabe, die hierzu einge- brachten Anträge so gut wie möglich einzuarbeiten?

Dr. Hoppe wies unmißverständ- lich darauf hin, daß eine Diskussion über alle Details ein Gremium wie den Deutschen Ärztetag überfor- dern würde. Einige Redner waren hingegen der Meinung, daß es auch dabei nicht nur um semantische Din- ge gehe und man deshalb auch hier- über beraten solle. Die Mehrheit war jedoch der Auffassung, daß man oh- ne eine grundsätzlich abgesegnete Weiterbildungsordnung nicht nach Hause kommen könne — und zog ei- nen Schlußstrich unter dreieinhalb Tage harte Arbeit. Diese kommt jetzt erneut auf jene zu, die zuvor den Entwurf erarbeitet hatten: den Ausschuß, die Ständige Konferenz

— und vor allem auf Dr. Jörg-Diet- rich Hoppe. Sabine Dauth

Grüße und Wünsche von Politikern

Das Gesundheitssystem in der Bundesrepublik zähle zu den besten der Welt. Das betonte Bundestags- präsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth in einem Grußwort an die Teilnehmer des 95. Deutschen Ärztetages in Köln. Dennoch stünden wir heute vor gewaltigen gesundheitspolitischen Problemen, vor allem im Bereich des Pflegenotstandes und in der Frage der Kostendämpfung.

Rita Süssmuth forderte die Ärzte auf, alle Möglichkeiten der Kosten- senkung und Kostenbegrenzung aus- zuschöpfen. „Ich denke in diesem Zusammenhang_ an die Prävention, für die gerade Arzte eine große Ver- antwortung haben, aber auch an Ko- stentransparenz sowie an Möglich- keiten der Kostensenkung durch ge- meinschaftliche Nutzung von Arztpra- xen und medizinischem Gerät."

Der Vorsitzende der SPD-Bun- destagsfraktion, Hans-Ulrich Klose, bezeichnete in seinem Grußwort das Gesundheits-Reformgesetz als

„schon im Ansatz verfehlt". Es habe sein erklärtes Ziel nicht erreicht, die steigenden Ausgaben der gesetzli- chen Krankenversicherung zu stop- pen, die Beitragssätze zu senken und dauerhaft zu stabilisieren. Für 1992 sei ein Defizit von zehn bis zwölf Mil- liarden DM zu befürchten, wenn nicht endlich ein echtes Strukturreformge- setz die Defizite und Unwirtschaft- lichkeiten beseitige.

Die Reform des Gesundheits- wesens dürfe auf keinen Fall zum

„Spielball von Polemik verkommen, die an die eigene politische Klientel appelliert", warnte der FDP-Vorsit- zende Dr. Otto Graf Lambsdorff.

Dann falle nämlich manchem nur ein, daß Ärzte und Pharma-Industrie zur Kasse gebeten werden müßten.

Wer in diesem Stil weitermache, der werde an Deckelungen, Verdre- hungen des Festbetragskonzepts, ge- spaltenem Arzneimittelmarkt und diri- gistischen Interventionsspiralen auch dann noch kleben, wenn die Gesund- heitskosten vollends aus dem Ruder gelaufen seien. Kli

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