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Archiv "Endoprothetik und Wirbelsäuleneingriffe: Uneinheitliches Versorgungsgeschehen" (08.07.2013)

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A 1362 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 27–28

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8. Juli 2013

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er Vorwurf hält sich hart - näckig: Es werden zu viele künstliche Hüft- oder Kniegelenke eingesetzt. Um die jährlichen Ver- sorgungsraten und deren regionale Verteilung vergleichen zu können, hat die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chir - urgie (DGOOC) gemeinsam mit der AOK ein System zur Erfassung der häufigsten und wichtigsten ortho- pädisch-chirurgischen Eingriffe auf den Weg gebracht (1).

Die Entwicklung bei den unter- suchten Operationen ist unter- schiedlich. Demnach war der im- mer wieder behauptete anhaltende Anstieg bei den Hüftgelenkersatz- operationen nur vorübergehend zu verzeichnen. Die Zahlen von 2011 liegen ungefähr auf gleicher Höhe wie 2005 (Grafik 1). Für die Knie- gelenkendoprothetik ist für 2011 eine mäßige Steigerung von zwölf Prozent gegenüber 2005 zu ver- zeichnen, seit 2008 sind die Ein- griffszahlen jedoch weitgehend un- verändert (Grafik 2). Auffällig ist die deutliche Zunahme der Revisio- nen (+43 %). Diese Daten entspre- chen denjenigen aus der externen stationären Qualitätssicherung, die im Krankenhaus erbrachte GKV- Leistungen erfasst. Auch hier wird seit 2009 ein Rückgang der Fallzah- len bei der Hüft- und Kniegelenk - endoprothetik festgestellt (4).

Ein deutlicher Anstieg der Ope- rationszahlen gibt es allerdings bei Wirbelsäuleneingriffen – von circa

und den Revisionen oder Material- entfernungen. Andere Eingriffe, wie zum Beispiel die Implantation von Spreizern oder Bandscheiben- prothesen, fallen durch einen ab- rupten Anstieg auf, der dann sta- gniert oder sogar in einen rasch folgenden Abwärtstrend übergeht.

Die starke Zunahme der Eingriffe bei Skoliosen dürfte vorwiegend auf die Versorgung degenerativer Skoliosen im fortgeschrittenen Al- ter zurückzuführen sein.

Betrachtet man die regionale Verteilung der verschiedenen Ein- griffe auf Länder- beziehungsweise Kreisebene, so zeigt sich fast durch - gängig eine auffällige „mitteldeut- sche Schiene“ mit höheren Opera - tionsfrequenzen zwischen Schles- wig-Holstein über Niedersachsen, Hessen, Thüringen nach Bayern. Be - sonders auffällig sind die Unter- schiede im süddeutschen Raum. Auf Kreisebene sind vor allem im Grenz - bereich zwischen Baden-Württem- berg und Bayern deutliche regiona- le Unterschiede bei der Versorgungs - 97 000 im Jahr 2005 auf etwa

229 000 Eingriffe im Jahr 2011 (+136 %) (Grafik 4). Besonders markant ist die Zunahme bei den Bandscheibeneingriffen (+58 %), den Repositionsspondylodesen (+238 %)

GRAFIK 1

Hüftendoprothetik (Fallzahlen nach Jahren)

100 000 90 000 80 000 70 000 60 000 50 000 40 000 30 000 20 000 10 000

0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

ENDOPROTHETIK UND WIRBELSÄULENEINGRIFFE

Uneinheitliches Versorgungsgeschehen

Bemerkenswert sind die regionalen Versorgungsunterschiede

in der Endoprothetik und die starke Zunahme bei den Wirbelsäuleneingriffen.

Fritz Niethard, Jürgen Malzahn, Torsten Schäfer

Hüft-TEP (gesamt) Implantation Revision Fraktur

Die für den Versorgungsatlas verwendeten Daten wurden vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) gemäß

§ 301 Sozialgesetzbuch V zur Verfügung gestellt und reprä- sentieren pseudonymisierte Routinedaten aller AOK-Versi- cherten in Deutschland der Jahre 2005 bis 2011 (2, 3). Mit den circa 25 Millionen Versicherten der AOK wird etwa ein Drittel (34,9 Prozent) aller GKV-Versicherten, Stand Januar 2012, repräsentiert. Die Daten können als aussagekräftig für gesetzlich Versicherte in Deutschland und als geeignet für die geografischen Analysen angesehen werden. Nicht abgebildet sind Privatversicherte, die im Durchschnitt einer vermögen- deren sozialen Schicht angehören (2, 3). Als geografische Einheiten für die Darstellung im Atlas wurden die 16 Bundes- länder sowie die 414 Kreise und kreisfreien Städte gewählt.

Die Patienten wurden aufgrund der fünfstelligen Postleitzahl durch das WIdO den geografischen Einheiten zugeordnet.

DATENGRUNDLAGE

Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, Berlin:

Prof. Dr. med. Niethard

AOK-Bundesverband, Abteilungsleiter Stationäre Versorgung, Rehabilitation, Berlin: Malzahn Dermatologische Praxis, Immenstadt:

Prof. Dr. med. Schäfer

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8. Juli 2013 senrevisionen keine Zunahme der Operationshäufigkeit beim Gelenk- ersatz mehr festzustellen.

Das bedeutet zugleich, dass sich die Versorgungsrate in Deutschland auf einem international hohen Ni- veau eingependelt hat. Gemeinsam mit der Schweiz steht Deutschland hinsichtlich der Häufigkeit von Hüft- und Kniegelenkersatzopera- tionen an der Spitze. In anderen In- dustrienationen und entwickelten Ländern findet man teils deutlich niedrigere Zahlen, wenngleich auch mit steigender Tendenz (5). Die Daten sind allerdings nur einge- schränkt miteinander vergleichbar, da die verfügbaren Berechnungs- grundlagen zum Teil sehr verschie- den sind, die summarischen Proze- durenraten in manchen Staaten nicht zwischen elektiver oder frak- turbedingter Endoprothetik diffe- renzieren und auch die Revisionen in unterschiedlicher Weise berück- sichtigt werden. Dies schränkt auch die Aussagefähigkeit der kürzlich erschienenen OECD-Studie deut- lich ein (8).

Ob die Versorgungsraten in Deutschland angemessen sind, kann zum Teil durch die Varianz, den Vergleich der Regionen mit niedrigs- ter und höchster Versorgungsrate, beurteilt werden. Sie beträgt für die Hüftendoprothetik in Deutschland derzeit 2,5. In Großbritannien be- trägt die Varianz 2,8, in den USA 6,6. Für die Kniegelenkendoprothe- tik liegt in Deutschland eine Varianz von 1,8 vor, in den USA beträgt sie jedoch 5,2. Dies deutet darauf hin, deutlichen Anstieg der Leistungs-

zahlen muskuloskelettaler Eingriffe gekommen. Ein deutlicher Anstieg von Hüft- und Kniegelenkersatz- operationen fand zwischen den Jah- ren 2003 und 2005 statt, also nach Einführung des Fallpauschalensys- tems in den Krankenhäusern. Der Anstieg in diesen Zeiten ist aus un- serer Sicht überwiegend auf ver - änderte Dokumentationsabläufe zu- rückzuführen. Seit 2008 ist dagegen mit Ausnahme der Knieendoprothe- häufigkeit festzustellen. Die Unter-

schiedlichkeit der Versorgungsraten dort lässt sich durch die sogenannte Varianz kennzeichnen, bei der die höchste regionale Versorgungsrate durch die niedrigste geteilt wird.

Sie beträgt auf Kreisebene für die Hüftendoprothetik 2,5, für die Knie - gelenkendoprothetik 2,9 (Grafik 3) und für die Wirbelsäuleneingriffe 5,9 (Grafik 5).

Zweifelsohne ist es in den zu- rückliegenden Jahren zu einem

GRAFIK 3

Kniegelenkendoprothetik: Regionale Unterschiede der Versorgungsrate pro 100 000 Versicherte nach Kreisen 2005–2011

82,5−124,0 124,1−138,4 138,5−153,2 153,3−172,1 172,2−235,6 keine Daten

Quelle: DGOOC/WIdO

GRAFIK 2

Knieendoprothetik (Fallzahlen nach Jahren)

80 000 70 000 60 000 50 000 40 000 30 000 20 000 10 000

0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Hüft-TEP (gesamt) Implantation Revision

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GRAFIK 4

Wirbelsäuleneingriffe gesamt (Fallzahlen nach Jahren)

250 000 200 000 150 000 100 000 50 000

0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

dass die hohen Versorgungsraten der Endoprothetik in Deutschland einer allgemein akzeptierten Indikation und einem allgemeinen gesellschaft- lichen Anspruch entsprechen (6).

Weiterführende Untersuchungen im Versorgungsatlas der DGOOC zeigen, dass sich die Implantationen von Hüftendoprothesen umgekehrt proportional zur Zahl der niederge- lassenen Orthopäden verhalten: Dies wird besonders deutlich in Groß- städten und Ballungsgebieten mit einer höheren Zahl an Niedergelas- senen, wo die Operationsrate unter dem Durchschnitt liegt (2). In ländli- chen Regionen mit einer niedrigen Facharztdichte ist die Operationsrate vergleichsweise höher. Diese Beob- achtung spricht zumindest bisher ge- gen eine durch ärztliche Leistungs- angebote induzierte Nachfrage, wie sie vor allem in den USA diskutiert wird (7). Es gibt auch einen statis- tisch signifikanten Zusammenhang zwischen den Operationszahlen und der sogenannten sozialen Depriva - tion (2). Der hierfür zur Verfügung stehende „Deprivationsfaktor“ zeigt, dass in Regionen mit größerer sozia- ler Deprivation eine niedrigere Ope-

rationsfrequenz vorliegt (vor allem in den neuen Bundesländern) und umgekehrt.

Die Entwicklung der Eingriffe in der Wirbelsäulenchirurgie lässt sich nicht allein mit der demografischen Entwicklung und dem technologi- schen Fortschritt erklären. Eine Zu- nahme bestimmter Eingriffe von mehr als 200 Prozent in sechs Jahren lässt vermuten, dass hier auch sys- temimmanente und ökonomische Anreize eine Rolle spielen (3).

Bei der Endoprothetik ließ sich eine angebotsinduzierte Nachfrage im Versorgungsatlas der DGOOC für den städtischen Raum nicht

nachweisen. Gerade in Städten mit großer Krankenhausdichte ist die Implantationsrate von Endoprothe- sen niedrig, wohingegen sie in länd- lichen Regionen von Schleswig- Holstein, Niedersachsen, Thüringen und Bayern eher überdurchschnitt- lich ist (2). Die Untersuchungen zu den Wirbelsäuleneingriffen dauern noch an. Die Versorgungsstrukturen sind schwieriger zu beurteilen, da neben Orthopäden und Unfallchir - urgen (auch Neurochirurgen, Radio- logen) aus dem stationären Sektor auch zahlreiche niedergelassene Ärzte an der Versorgung teilnehmen.

Wie sieht das Fazit für Deutsch- land aus? Die Versorgungsrate der Endoprothetik ist im internationalen Vergleich hoch, aber ein Anstieg der Hüft- und Knie-TEP-Versorgungs - raten findet nicht mehr statt. Es gibt große Unterschiede in den endopro- thetischen Versorgungsraten inner- halb Deutschlands. Besonders auf- fällige Anstiege der Versorgungsra- ten werden aktuell bei Wirbelsäulen- eingriffen beobachtet. Hier ist nicht auszuschließen, dass auch ökonomi- sche Faktoren eine Rolle spielen.

Die Fachgesellschaften sind aufge- rufen, patientengerechte Konzepte einschließlich der Aufklärung für die Versorgungskette zu entwickeln.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2013; 110(27−28): A 1362−5

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Fritz Niethard

Generalsekretär der DGOOC – Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V.

Generalsekretär der DGOU – Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V.

Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin 97 027 115 631

141 589

169 037

193 140 215 957

229 206

GRAFI 5

Wirbelsäuleneingriffe insgesamt: Regionale Unterschiede der Versorgungsrate pro 100 000 Versicherte nach Kreisen 2005–2011

124,0−250,5 250,6−293,9 294,0−335,2 335,3−398,0 398,1−736,7 keine Daten

Quelle: DGOOC/WIdO

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit2713

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LITERATUR

1. Niethard FU: Woher kommen die unter- schiedlichen Operationszahlen? Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nach- richten 2012; 2: 148–9.

2. Schäfer T, Jeszenszky C, Günther KP, Mal- zahn J, Niethard F (eds.): Regionale Unter- schiede in der Inanspruchnahme von Hüft- und Knieendoprothesen. In: Klauber J, et al.

(eds.): Krankenhausreport 2012. Schwer- punkt: Regionalität. Stuttgart: Schattauer 2012.

3. Schäfer T, Pritzkuleit R, Hannemann F, et al.

(eds.): Trends und regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme von Wirbelsäulen- operationen. In: Klauber J, et al. (eds.):

Krankenhaus-Report 2013. Mengendyna- mik: mehr Menge, mehr Nutzen? Stuttgart:

Schattauer 2013.

4. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung nach Altersgruppen – Deutschland 2012.

www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indika toren/LangeReihen/Bevoelkerung/lrbev 01.html?cms_gtp=151914_list%253D1&

https=1 (1. Juli 2012).

5. Malzahn J: Mythen und Daten zur quan - titativen Entwicklung der Endoprothetik.

60. Jahrestagung der Vereinigung Süddeut- scher Orthopäden und Unfallchirurgen, Baden-Baden, 29. April 2012.

6. Merx H, Dreinhöfer K, Schräder P, et al.:

International variation in hip replacements rates. Ann Rheum Dis 2003; 62: 222–6.

7. Lurie JD, Weinstein JN: Shared decision- making and the orthopaedic workforce.

Clin Orthop Rel Res 2001; 385: 68–75.

8. Pearson M: Managing hospital volumes—an assessment of the international situation.

Studie der OECD, Berlin, 11. April 2013.

LITERATURVERZEICHNINS HEFT 27−28/2013, ZU:

ENDOPROTHETIK UND WIRBELSÄULENEINGRIFFE

Uneinheitliches Versorgungsgeschehen

Bemerkenswert sind die regionalen Versorgungsunterschiede

in der Endoprothetik und die starke Zunahme bei den Wirbelsäuleneingriffen.

Fritz Niethard, Jürgen Malzahn, Torsten Schäfer

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Referenzen

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