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Archiv "Datentransparenz: Einblick ins Versorgungsgeschehen" (25.01.2013)

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igentlich sollte bereits das GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 unter dem Stichwort

„Datentransparenz“ die Grundlage für eine bessere Nutzung der Rou- tinedaten der gesetzlichen Kran- kenversicherung liefern. Doch auf- grund vieler ungeklärter Fragen, etwa zur Finanzierung, kam die mit der Umsetzung beauftragte Selbst- verwaltung hierbei nicht voran.

Mit der am 18. September 2012 in Kraft getretenen Datentransparenz- verordnung (Verordnung zur Um- setzung der Vorschriften über die Datentransparenz im Gesundheits- wesen, Kasten) gibt es jetzt einen zweiten Vorstoß des Gesetzgebers.

Aufbau der Infrastruktur Künftig sollen bestimmte Versicher- tendaten der gesetzlichen Kranken- kassen einem vorgegebenen Nut- zerkreis für Auswertungen zur Ver- fügung gestellt werden. Mit dem Aufbau der erforderlichen techni- schen, organisatorischen und per - sonellen Infrastruktur wurde das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln beauftragt. Da- mit habe man den Grundstein ge- legt „für die Nutzung ausgewählter Leistungs- und Abrechnungsdaten der Krankenkassen insbesondere

für Analysen des Versorgungsge- schehens im Rahmen der Versor- gungsforschung und für Steue- rungsaufgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung“, lobte Bun- desgesundheitsminister Daniel Bahr.

Die Aufbereitung dieser Daten werde entscheidend zur Weiterent- wicklung des Versorgungssystems beitragen.

Basis für die Transparenzdaten- bank sind dabei die Daten, die das Bundesversicherungsamt (BVA) zur Berechnung des morbiditätsori- entierten Risikostrukturausgleichs in pseudonymisierter Form von den Krankenkassen erhält und zur Auf- bereitung an das DIMDI übermit- telt. Ein „sehr geschickter Schritt, einen ohnehin schon vorhande- nen Datenbestand einer neuen Verwendung zuzuführen“, sagte Institutsdirektor Dr. Dietrich Kai- ser gegenüber dem Deutschen Ärz- teblatt. „Dadurch erspart man zu- nächst große Schritte und Aufwen- dungen.“

Der übermittelte Datenpool um- fasst die flächendeckenden sektor- übergreifenden Versorgungsdaten von 70 Millionen Versicherten. Im Einzelnen geht es dabei neben den Stammdaten, wie Geburtsjahr, Ge- schlecht und Versicherungszeiten, um Diagnosen aus dem ambulanten

und dem stationären Bereich, um Arzneimittelverordnungsdaten so- wie um „sonstige personenbezo ge - ne Leistungsausgaben“. Darunter fallen zum Beispiel Sachkosten oder Krankengeldzahlungen. „Insgesamt kommt man auf fünf bis sechs Mil- liarden einzelner Datensätze“, er- läutert Dr. med. Michael Schopen, Leiter der Abteilung Medizinische Information beim DIMDI und ver- antwortlich für den Aufbau des neuen Informations systems.

Regionalmerkmal fehlt

Experten beklagen allerdings, dass der BVA-Datensatz nicht mehr das Regionalmerkmal, das heißt den Wohnort beziehungsweise Land- kreis jedes Versicherten enthält, weil die bisherige Rechtsgrundlage dafür (die sogenannte Konvergenz- regel gemäß § 272 Sozialgesetz- buch V) ausgelaufen ist. Analysen auf regionaler oder regionalver- gleichender Basis sind so nicht mehr möglich, der Erkenntniswert für die Versorgungsforschung ist dadurch erheblich eingeschränkt.

Eine beim Deutschen Bundestag eingereichte Petition fordert daher, die Daten wieder um das Regio - nalmerkmal zu ergänzen (siehe http://daten4taten.wordpress.com).

„Inhaltlich ist diese Kritik berech- DATENTRANSPARENZ

Einblick ins Versorgungsgeschehen

Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information erschließt als öffentliche Stelle künftig Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung für die Versorgungsforschung und -planung.

Foto: Fotolia/Shawn Hempel

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tigt“, meint Kaiser. Die Verordnung sei ein erster, wichtiger Schritt.

„Ich halte das für einen deutlichen Fortschritt, ohne damit zu negieren, dass es noch viele Fragen geben wird, für die man mehr oder andere Daten braucht.“

Zwei Datenströme

Dieser erste Schritt ist in der Tat komplex genug: „Wir erhalten den Datenpool des BVA in zwei vonein - ander getrennten Datenströmen. Der eine enthält das Versicherten pseu - donym – nicht die Versichertennum- mer –, der andere nur die Versicher- tenleistungsdaten, jeweils durch- nummeriert von eins bis 70 Millio- nen“, erläutert Schopen. „Das heißt, hier besteht überhaupt kein Perso- nenbezug. Dieses Pseudonym im ersten Strom wird in ein dauerhaftes Pseudonym überführt und dann mit dem anderen Strom anhand der fort- laufenden Nummer zusammenge- führt.“ Das dauerhafte Pseudonym ermöglicht es, Daten zu bestimmten Versichertengruppen für Langzeit- betrachtungen über mehrere Jahre zu verfolgen. Die erste Datenliefe- rung, die Anfang Februar ins Haus steht und künftig einmal jährlich übermittelt werden soll, wird dabei zunächst Daten aus dem Zeitraum 2009/2010 enthalten.

Die Datentransparenzverordnung sieht vor, dass das DIMDI für diese Aufgaben unter seinem Dach so- wohl die Vertrauensstelle für die Umschlüsselung der Pseudonyme als auch die Datenaufbereitungsstel- le einrichtet – eine Regelung, deren praktische Umsetzung aufwendig ist, denn beide Stellen müssen aus Datenschutzgründen räumlich, or- ganisatorisch und personell eigen- ständig geführt werden. „Die Arbeit der Vertrauensstelle beschränkt sich auf wenige Tage im Jahr. Dafür eine getrennte Organisation zu beauf - tragen, wäre nicht unproblematisch gewesen“, begründet Kaiser den pragmatischen Ansatz. Das bedeutet unter anderem, dass die Beschäftig- ten der Vertrauensstelle direkt dem weisungsunabhängigen Datenschutz - beauftragten des Instituts unterstellt sind. Die Mitarbeiter der Aufberei- tungsstelle werden in einem separa- ten Büro mit Zugangskontrolle un-

tergebracht – derzeit laufen die Ein- stellungsgespräche hierfür. Zudem wird es ein eigenes Netzwerk geben, das von den anderen Datenströmen des DIMDI strikt getrennt ist. Die technischen Abläufe werden sowohl mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als auch mit dem Bundesdatenschutzbeauf- tragten abgestimmt.

Absolute Priorität bei allen Maß- nahmen hat der Datenschutz: „Wir werden ganz klar am Anfang mit der Herausgabe von Daten extrem vor- sichtig sein“, betont Kaiser. „Die Si- cherstellung, dass die dahinterlie- genden Personen anonym bleiben, ist dabei das höchste Ziel. Wir wer- den alles tun, um auch nur die Mög- lichkeit des Missbrauchs zu ver - meiden. Denn wir haben nichts von einer Transparenz, die über irgend- einen Missbrauchsvorfall wieder in- frage gestellt wird.“ Der Nutzer- kreis und die Zwecke der gebühren- pflichtigen Datennutzung werden zudem im Gesetz festgelegt. „Der

erste Schritt ist daher, zu verhindern, dass jemand zugreift, der nicht zum berechtigten Nutzerkreis gehört. Der zweite Schritt ist, zu verhindern, dass die Daten für einen anderen Zweck benutzt wer den“, erläutert Schopen. So könnte man theoretisch aus bestimmten Merkmalskombina- tionen auf einzelne Personen zu- rückschließen, wie etwa bei den Daten eines 105 Jahre alten Versi- cherten und zusätzlich einem Regio - nalkennzeichen. „Solche Datensätze werden wir nicht zugänglich machen oder mit Überlagerungsverfahren dafür sorgen, dass ein Personenbe- zug nicht möglich ist.“

Restriktiver Zugang

Ohnehin dürfen die Daten nur an - onymisiert herausgegeben werden, und der ausnahmsweise gewährte Zugriff auf pseudonymisierte Ein- zeldatensätze ist ausschließlich in den Räumen der Datenaufberei- tungsstelle möglich. Nutzungsbe- rechtigte müssen über ein (voraus- sichtlich elektronisches) Antrags- formular genau Auskunft über ihr Vorhaben geben. Häufig werde zur Beantwortung einer Frage (Bei- spiel: Wie viele Herzinfarkte gibt es bei Frauen mit Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen un- ter gleichzeitiger Therapie mit ei- nem Lipidsenker?) kein Datensatz das Haus verlassen müssen, weil das Summationsergebnis zur Beant- wortung ausreiche, meint Kaiser.

Gespannt ist man beim DIMDI, wie stark der Datenschatz nachge- fragt werden wird. „Das ist alles Neuland für uns. Manche sagen, ihr werdet gar nicht so viele Anfragen bekommen, weil so viel in den Da- ten gar nicht drinsteckt, andere, ihr werdet ertrinken in der Antrags- flut“, sagt Schopen. Zumindest werden damit jetzt erstmals valide Daten zur medizinischen Versor- gung zur Verfügung stehen, die in dieser Vollständigkeit bislang nicht verfügbar waren. „Das ist absolut überfällig und erst der Anfang einer Entwicklung“, ist Kaiser überzeugt.

Eine Weiterentwicklung des Pro- jekts ist geplant. Hierfür wird das DIMDI bis Ende 2015 einen Eva- luationsbericht erstellen.

Heike E. Krüger-Brand Das Sozialgesetzbuch V (§§ 303 a–e) regelt nicht nur das

Verfahren der Datenübermittlung und -aufbereitung, sondern führt auch auf, wer die Kosten des Verfahrens trägt – nämlich die Krankenkassen nach der Zahl ihrer Mitglieder –, wer die Daten nutzen darf und zu welchen Zwecken dies erlaubt ist.

Nutzungsberechtigt sind unter anderem die Kranken- kassen und deren Verbände, die Kassenärztliche Bundes- vereinigung, Kassenärztlichen Vereinigungen, Bundesärz- tekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft, die zustän- digen Landes- und Bundesbehörden, Hochschulen und sonstige Einrichtungen mit der Aufgabe unabhängiger wissenschaftlicher Forschung (sofern die Daten wissen- schaftlichen Vorhaben dienen).

Die Daten können insbesondere für die folgenden Zwecke genutzt werden:

Wahrnehmung von Steuerungsaufgaben durch die Kollektivvertragspartner

Verbesserung der Qualität der Versorgung

Planung von Leistungsressourcen, Längsschnittanaly- sen über längere Zeiträume, Analysen von Behand- lungsabläufen, Analysen des Versorgungsgeschehens zum Erkennen von Fehlentwicklungen und von Ansatz- punkten für Reformen

Unterstützung politischer Entscheidungsprozesse zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung

Analyse und Entwicklung von sektorenübergreifenden Versorgungsformen sowie von Einzelverträgen der

Krankenkassen. TG

WER DARF ZUGREIFEN?

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

|

Heft 4

|

25. Januar 2013 A 121

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